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Abbildung 2: Aufbau des Buches


1.3. Wissenschaftliche Methoden der Tourismusforschung und des Tourismusmanagements

Die Tourismuspraxis ist in den traditionellen Tourismusländern Europas durch eine außerordentliche Kleinstrukturiertheit geprägt. Entsprechend fehlten die notwendigen konzentrierten Mittel für die Entwicklung von modernen Managementkonzepten, die Durchführung von professionellen Forschungsarbeiten beispielsweise zu Fragestellungen des Konsumentenverhaltens oder auch für die Anstellung wissenschaftlich ausgebildeter Manager (zu den typischen KMU-Spezifika vgl. u.a. Pleitner 1991 oder im Tourismus Weiermair/ Wöhler 1998, aktuell auch Fueglistaller 2008). Wie in vielen ähnlichen Branchen (vgl. Landwirtschaft oder vor ca. einer Generation der Finanzbereich) entwickelte sich deshalb eine gewisse Skepsis der Praxis gegenüber wissenschaftlicher Vorgehensweise und Arbeitsweise. Oft wurde sogar bewusst in der politischen Diskussion eine Kluft zwischen Theorie und Praxis postuliert (vgl. auch Bieger 2000b).

Eine ganz andere Entwicklung nahm die Zusammenarbeit zwischen Forschung und Praxis z.B. in Nordamerika. Die schwächere Bindung zum Standort|23◄ ►24| und zum Wohnort und entsprechend die geringere Bereitschaft der Unternehmer, an wenig einträglichen Tourismusanlagen festzuhalten, erleichterte die Konsolidierung einer fragmentierten Branche. So wurden in den 90er Jahren beispielsweise eine große Zahl von Skigebieten von den Gründern aufgrund der lukrativen Angebote der damals auftauchenden Skigebietskonzerne, wie der American Skiing Company oder Intrawest, verkauft. Oft wurden auch die Tourismusanlagen erst später und damit bereits von großen Konzernen entwickelt. Weniger geeignete Standorte werden oft schlicht aufgegeben. Dies führt zu einer fortschreitenden Professionalisierung und größeren Unternehmensstrukturen. Dies wiederum erlaubt grössere Investitionen in Konzepte, in Forschung und Management. Die große Zahl von Universitäten und Colleges, die im Tourismus aktiv sind, sind ebenfalls Zeichen dieser Entwicklung. Wissenschaftliches Arbeiten ist nicht Selbstzweck. Wissenschaftliches Arbeiten ist eine Arbeitsweise, die sich auszeichnet durch (vgl. u.a. auch Booth/Colomb /Williams 1995; Theisen 1998, Yin 1999):

• Objektivität (oder mindestens den Versuch dazu resp. die Offenlegung der eigenen Perspektiven) und entsprechend das Bestreben, eine Frage aus verschiedenen Gesichtspunkten zu analysieren und zu würdigen.

• Intersubjektive Nachvollziehbarkeit, d.h. die Möglichkeit, dass gewonnene Resultate nachträglich in ihrer Herleitung und Gültigkeit überprüft werden können. Der Einsatz anerkannter Methoden erleichtert die Sicherstellung der Nachvollziehbarkeit.

• Einsatz von anerkannten Methoden – dabei handelt es sich um anerkannte und dokumentierte Vorgehensweisen für die Gewinnung wissenschaftlicher Resultate, die aufgrund ihrer Standardisierung und Verbreitung die Nachvollziehbarkeit und die Objektivität oder mindestens nachvollziehbare Perspektivität der Resultate sicherstellen.

Diese Anforderungen müssen auch an einen Managemententscheid gestellt werden können. Ohne die Erfüllung dieser Anforderungen ist das Risiko für einen Investor zu groß, dass ein Management seine Entscheide zu einseitig zu seinen eigenen Gunsten oder mangels besseren Wissens resp. Wollens suboptimal fällt (zur Moral Hazard Problematik, vgl. bspw. Milgrom/Roberts 1992). Die Gefahr, dass Managemententscheide unwissenschaftlich, quasi aus dem Bauch heraus gefällt werden, ist besonders im Falle der Einheit zwischen Manager und Eigentümer groß, da in diesem Falle eine externe Kontrolle entfällt. Dies ist bei einem 100%-Eigentum allenfalls volkswirtschaftlich problematisch, da damit produktives Kapital gefährdet wird. Im Falle einer hohen Kreditfinanzierung wird durch eine solche Konstellation auch fremdes Geld gefährdet. Die Bereitschaft, Kredite an KMUs im Tourismus zu erteilen, ist |24◄ ►25| deshalb teilweise reduziert. Insgesamt entstehen große Kosten für das Aushandeln und Überwachen von Krediten (vgl. auch zum Transaktionskostenansatz Williamson 1979; Williamson/Masten 1995, zur Finanzierung im Tourismus generell Bernet/Bieger 1999). Ein wissenschaftlicheres Management ist deshalb auch im KMU-Tourismus der europäischen Kernländer angezeigt.

Der Unterschied zwischen wissenschaftlichen und emotionalen Managemententscheiden lässt sich am Beispiel einer Standortwahl für ein Hotel erläutern. Besitzt ein Einwohner eines Dorfes über eine Erbschaft Land und hat eine fundierte Hotelausbildung, so wäre ein emotionaler Entscheid, auf dem entsprechenden Land ein Hotel zu bauen. Ein wissenschaftlicher Entscheid würde klar eine andere Perspektive einnehmen. Es würden der generierte Kundenwert und die Kosten gegenübergestellt. Methoden wie „Nutzwertanalyse“ und „Business Plan“, aber auch empirische Erfassung des generierten Kundenwerts oder die Berechnung eines zukünftigen Unternehmenswertes, müssen zum Zug kommen.

Abbildung 3: Methoden-Übersicht


In diesem Buch werden die meisten Kapitel mit einer Fallstudie abgeschlossen, in der eine für den Tourismus wichtige Methode anwendungsorientiert |25◄ ►26| an einem praktischen Beispiel dargestellt wird. Im Folgenden soll eine kurze Übersicht über die Methoden der Tourismusforschung als Einstieg in die entsprechenden Beispiele geboten werden.

Wissenschaftliches Arbeiten hat immer das Ziel, Erkenntnisse zu liefern. Ausgangspunkt sind immer Fragestellungen. Eine gute Fragestellung für ein Projekt, Gutachten, ein Report oder auch eine studentische Arbeit sollte immer das zu untersuchende Phänomen (Untersuchungs- bzw. Forschungsobjekt), die Zielsetzung bzw. das Forschungsziel (Gewinnung von Daten, Entwicklung eines Modells etc.) und die Perspektive oder die Disziplin, aus der dies erfolgen soll, beinhalten (Erkenntnisobjekt; vgl. hierzu auch Theisen 1998; Mayring 2002). Ein Beispiel dafür ist folgende Fragestellung:

„Wie (d.h. das Forschungsziel ist folglich ein Wirkungsmodell) wirkt die Familie (Erkenntnisobjekt: Einfluss einer soziologischen Bezugsgruppe) auf den Ferienentscheid von Teenagern (Forschungsobjekt: „Ferienentscheid von Teenagern“)“?

Für die Bearbeitung von wissenschaftlichen Fragestellungen gibt es eine Vielzahl von Strategien und Methoden. Grundsätzlich können zwei Strategien unterschieden werden (vgl. zu den nachfolgenden Ausführungen Mayring 2002; Kromrey 1998; Theisen 1998; Lamnek 1995; Popper 1994):

• Deduktion: Ableitung vom Allgemeinen in das Besondere, beispielsweise indem von der allgemeinen Literatur und bestehenden Modellen zu „Beziehungen in Familien“ Schlussfolgerungen auf die Einflüsse auf Ferienentscheide gezogen werden. Folgt man dem kritischen Rationalismus (vgl. Popper 1972), dann beginnt die Deduktion mit der Konstruktion von Hypothesen, welche anhand empirischer Untersuchungen so lange falsifiziert werden, bis die „Wahrheit“ übrig bleibt.

• Induktion: Ableitung von allgemeinen Regeln aus einzeln beobachteten Phänomenen, was eine empirische Arbeit mittels Erfassung von Zusammenhängen in der Realität bedingt. Beispielsweise können fallstudienartig einzelne Familien mit Teenagern beobachtet werden oder es kann eine repräsentative Stichprobe von Teenagern zu ihrem Entscheidungsverhalten mittels Tiefeninterview befragt werden.

Sowohl das deduktive als auch das induktive Forschungsvorgehen ist selten in reiner Form anzutreffen. Für beide Vorgehensformen bieten sich eine Vielzahl von Methoden an, die grob in quantitative und qualitative Methoden unterschieden werden können.

Quantitative Methoden eignen sich vor allem für Fragestellungen, die das Ausmaß von Wirkungen zu erfassen suchen (eigentliche „Wieviel“-Fragen) und für die Überprüfung von Modellen auf der Basis der quantitativen Analyse|26◄ ►27| und der durch sie implizierten Ursache-Wirkungszusammenhänge (z. B. mittels Strukturgleichungsmodellen). Sie sind in ihrem Analysefokus relativ eng. Aufgrund der strengen und klaren Vorgehens-Anforderungen die sie erfüllen müssen, weisen sie aber eine außerordentlich hohe intersubjektive Nachvollziehbarkeit auf. Zu den quantitativen Methoden können die diversen Befragungsmethoden mit statistisch repräsentativen Stichproben oder andere Methoden der Messung inklusive der Buchhaltung gezählt werden. Auch „pattern matching“, das Auswerten ähnlicher Aussagen oder Zusammenhänge in Texten und Interviews und deren Auszählung, kann im weitesten Sinne unter die quantitativen Methoden gezählt werden (vgl. Yin 1999, Backhaus 2000).

Wichtigste Qualitätsanforderung an die quantitative Forschung ist die Repräsentativität. Sie stellt die externe Validität (Übertragbarkeit der Resultate) sicher. Die Repräsentativität wird durch die Auswahl der zu analysierenden Objekte (z.B. Interviewpartner) sichergestellt. Repräsentativität erhält man durch perfekten Zufall (jedes Element hat die genau gleiche Chance, in eine Stichprobe aufgenommen zu werden) oder durch Schichtung (durch willentliche, künstliche Zusammensetzung der Stichprobe wird sichergestellt, dass die relevanten Kriterien, z.B. in einer Umfrage die Altersverteilung, wie in der Grundgesamtheit vertreten sind).

Quantitative Methoden führen immer zu statistisch auswertbaren Daten. Diese können deskriptiv statistisch (Darstellung z.B. von Reiseintensitäten in verschiedenen Ländern) oder stochastisch (d.h. unter Einsatz statistischer Schätzmethoden wie bei einer Aussage „die Reiseintensität der Länder A und B ist mit 99% Wahrscheinlichkeit unabhängig“) ausgewertet werden. Sobald mehrere Faktoren oder Datendimensionen gleichzeitig ausgewertet werden sollen, kommen multivariate Verfahren zur Anwendung. Dabei unterscheidet man zwischen Unabhängigkeitstest (Beantwortung der Frage, ob zwei Länder in ihrer Reisemotivstruktur unabhängig sind, beispielsweise mit einem Chi-Quadrat-Test) oder Zusammengehörigkeitstests (Beantwortung der Frage, welche Bevölkerungsgruppen bezüglich Nachfrageverhalten Ähnlichkeiten aufweisen) mit Verfahren wie der Cluster-Analyse.

Die qualitativen Methoden eignen sich für die Ergründung tieferer Zusammenhänge und die Beantwortung von „wie“ und „warum“ Fragen. Sie zeichnen sich durch eine außerordentliche Vielfalt auch in der Auswertung aus, weisen aber aufgrund ihrer schwächeren wissenschaftlichen Strenge eine geringere intersubjektive Nachvollziehbarkeit auf. Beispiele für qualitative Methoden sind die Beobachtung oder die Fallstudientechnik. Wie bei einer Delphi-Expertenbefragung (Mehrrunden Expertenbefragung mit einer Möglichkeit für die Experten, ihre Schätzungen auf dem Hintergrund der Kenntnis |27◄ ►28| der Durchschnittsmeinungen der Vorrunde zu überarbeiten) sind bei qualitativen Verfahren oft auch quantitative statistische Elemente eingebaut.

Die Validität der Resultate qualitativer Forschung muss durch Triangulation (vgl. Fielding/Fielding 1986; Denzin 1978) sichergestellt werden. Der Begriff Triangulation stammt aus der Kartografie. Für die Bestimmung eines geografischen Ortes reichen eigentlich zwei Linien (Peilungen). Bestimmte Orte wurden jedoch als fixe Orte durch drei Linien sicher bestimmt. Ähnlich sollen auch Forschungsresultate durch eine zusätzliche Überprüfung, z.B. eine Beobachtung von Kunden in einem Shopping-Center, durch eine ergänzende Analyse, z.B. Interviews mit dem Management, gestärkt werden.

Wesentliche Gefahren bei der Arbeit mit qualitativen Methoden ist die Ausblendung (weiße Flecken), indem Phänomene, die nicht in die eigene Theorie passen, schlicht nicht wahrgenommen werden. Eine andere Gefahr ist auch, dass zu viele Erkenntnisse, die gar nicht aus der Forschung abgeleitet werden können, in die Resultate hineininterpretiert werden. Ein Beispiel ist die Attribution des Nachfrage-Trends „Multioptionalität“ in die Beobachtung des Gepäckes von Feriengästen in einem Alpen-Resort. Vielleicht wird dabei übersehen, dass der größte Teil der mitgebrachten Sportartikel gar nie gebraucht werden und nur als Rettungsanker für Aktivitäten bei anhaltend schlechtem Wetter dienen.

METHODENEINSATZ IM TOURISMUS

Im Tourismus kommen häufig die in Abbildung 4 dargestellten Methoden zum Einsatz:

Wissenschaftliche Resultate müssen den Anforderungen der Validität und Reliabilität genügen. Reliabilität bedeutet, dass die Methoden und Verfahren sicherstellen, dass das Resultat in dem Sinne „nachvollzogen“ werden kann, dass immer wieder das gleiche Resultat erreicht wird. So sollten aufgrund einer statistisch sauber gewählten Stichprobe gewonnene Resultate im Rahmen der statistischen Schwankungsbreiten durch andere Stichproben nachvollzogen werden können.

Validität bedeutet die Gültigkeit der Resultate, d.h sie haben eine Aussagekraft für den gewählten Kontext resp. die Forschungsfrage. So ist beispielsweise ein Prognosemodell für die Umsätze von Bergbahnunternehmen auf der Basis von Logiernächtedaten für Gebiete mit hohem Tagestourismusanteil nicht valide.

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Abbildung 4: Methodeneinsatz im Tourismus


In einem Forschungsprozess werden immer Hypothesen gebildet. Dabei können diese als gültig anerkannt werden, so lange keine andersartigen Resultate dagegen sprechen (Falsifikation, vgl. Popper 1972). Oft erfolgt in einem Forschungsprozess ein Wechselspiel zwischen Induktion und Deduktion (vgl. Abbildung 5).

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Abbildung 5: Vorgehen bei einer wissenschaftlichen Analyse


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2. Das Phänomen Tourismus

2.1. Definition und Abgrenzung des Phänomens Tourismus

2.1.1. Angebotsseitige und nachfrageseitige Definitionen

Für die Definition des „Tourismus“ bestehen heute auf konzeptionell abstrakter Ebene weitgehend gemeinsame Auffassungen. Sobald es in der Praxis und der wissenschaftlichen Gemeinschaft um die konkrete Abgrenzung in einem Forschungsprojekt geht, fehlen jedoch oft konkrete, operationalisierbare Kriterien. So bestehen heute beispielsweise auf internationaler Ebene zwischen den beiden wichtigen Organisationen UNWTO (World Tourism Organization, intergouvernementale Organisation mit einzelnen Ländern als Mitglieder) und WTCC (World Travel and Tourism Council, internationale Dachorganisation der Tourismusindustrie mit Unternehmen als Mitglieder) unterschiedliche Auffassungen, wie einzelne Komponenten , beispielsweise die Ausgaben für den Autoverkehr für Ferienreisen oder Ausgaben für den Bau von Zweitwohnungen, dem Tourismus zuzurechnen sind. Der WTCC rechnet diese Ausgabe beispielsweise in seinem Satellitenkonto (vgl. Abschnitt 2.4) ein.

Ebenfalls bestehen oft Unsicherheiten bei regionalen Projekten, wer als Tourist aufgefasst werden soll und wer nur ein Freizeitgast aus der Region ist. So stellen verschiedene Forscher (z.B. Leiper 1979; Heeley 1980) fest, dass trotz vielen gemeinsamen Ansätzen keine umfassend gültige und akzeptierte Definition für Tourismus besteht. Dies wird teilweise auch darauf zurückgeführt, dass es von Regierungsstellen, Verbänden etc. zu viele und teilweise zu sehr durch eigene Interessen und Perspektiven getriebene Definitionen gibt (vgl. Smith 1988).

Grundsätzlich ergeben sich zwei Hauptansätze für die Definition des Tourismus: einen angebotsorientierten und einen nachfrageorientierten.

Angebotsseitige Tourismusdefinitionen setzen wie die Abgrenzung anderer Wirtschaftssektoren bei den Eigenheiten von Anbietern an. Entsprechend kann Tourismus als Industrie definiert werden, die aus den Unternehmen besteht, welche Leistungen für die Bedürfnisse und Anliegen von Touristen erbringen (vgl. Leiper 1979). Viele Branchen erbringen jedoch Leistungen nicht ausschließlich für Touristen. Restaurants haben beispielsweise auch Einheimische als Kunden. Lokale Einkaufsgeschäfte bedienen aber oft auch Touristen. Entsprechend wird eine Strukturierung der Tourismusindustrie in 3 Teile (Tiers) empfohlen (vgl. Smith 1988, 183).

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Abbildung 6: Angebotsseitige Struktur des Tourismus


Quelle: Smith 1988, 183

Angebotsseitige Definitionen des Tourismus sind bei der Abgrenzung des Sektors im Zusammenhang mit der Erfassung seiner wirtschaftlichen Effekte sowie für die Diskussion wirtschaftspolitischer Maßnahmen von Bedeutung. Die Schwäche des Ansatzes besteht darin, dass sich Tourismusanbieter nicht durch spezifische Produktionsbedingungen wie beispielsweise die Landwirtschaft abgrenzen lassen. Im Endeffekt ist der gemeinsame Nenner der Konsum durch Touristen, womit angebotsseitige Tourismusdefinitionen indirekt doch wieder bei der Nachfrageseite ansetzen.

Nachfrageseitige Definitionen setzen bei der Frage an, wer ein Tourist ist. Der Tourist wird dabei als Person verstanden, welche eine Reise außerhalb ihres gewohnten Arbeits- und Lebensumfeldes unternimmt (vgl. u.a. Jafari 1977, 6: „Tourismus ist das Studium von Menschen außerhalb ihrer normalen Lebensumgebung …“ [frei übersetzt]). Schon 1963 wurde von einer Konferenz der vereinten Nationen über internationale Reisen und Tourismus eine Definition empfohlen, die alle Personen umfasst, die ein Land besuchen, das nicht |32◄ ►33| ihr normales Herkunftsland ist (vgl. Gee/Makens/Choy 1997, 11). Alle diese Personen werden als Besucher (visitors) definiert.

Die U.N. (United Nations) definiert „Touristen“ als Personen, die sich mindestens eine Nacht und maximal ein Jahr ausserhalb des gewohnten Lebensumfeldes aufhalten. Geschäfts- und Konferenzreisen werden in diese Definition miteinbezogen (Goeldner/Ritchie 2008). Damit wird eine statistisch klar erfassbare Unterscheidung geschaffen. Übernachtungen werden weltweit nach gleichen Standards der UNWTO erfasst.

Mit einem breiteren Begriff „Ausflügler“ werden auch Tagestouristen erfasst. Tagestouristen sind in vielen Tourismusregionen im Einzugsgebiet großer Ballungszentren von herausragender Bedeutung.

Die Frage der Abgrenzung des „gewohnten“ Lebensumfeldes stellt sich natürlich vor allem bei Tagesbesuchern und Inlandtouristen. Erwähnt werden u.a. folgende Kriterien (vgl. Freier 2009):

• Ort: Verlassen des gewöhnlichen Aufenthaltsortes und Rückkehr Ein Ort, der jede Woche aufgesucht wird, qualifiziert sich eher als „gewohntes” Umfeld.

• Zeit: Vorübergehend, d.h. mind. eine Nacht und maximal ein Jahr Je länger die Reise dauert, desto weniger qualifiziert sich der aufgesuchte Ort als vorübergehender Aufenthaltsort.

• Motive: Vergnügen und Geschäft Zum modernen Tourismus zählen neben der Freizeit- und Vergnügungsreise in einem erweiterten Verständnis auf die geschäftlich motivierte Reise sowie Kuraufenthalte und Verwandten- und Bekanntenbesuche (Freyer 2009), weniger dagegen das Erledigen der Besorgungen des täglichen Bedarfes.

• Reisedauer: Je länger die Reise, desto eher qualitfiziert sich der aufgesuchte Ort als vorübergehender Aufenthaltsort.

Nachfrageseitige Definitionen weisen, wie die Diskussion der Abgrenzungskriterien zeigt, Probleme der Operationalisierbarkeit auf. Heute dominiert trotzdem eine nachfrageseitige Definition, da sie ein breites Konzept von Tourismus umfasst.

Moderne Lebensformen lassen jedoch die Definition des „gewohnten Lebensumfeldes“ im Sinne des normalen Wohn- und Arbeitsumfeldes immer schwieriger werden. „Double Career Couples“, Ehepaare, in denen beide Partner einer anspruchsvollen Karriere nachgehen, haben häufig zwei Wohnsitze.|33◄ ►34| Die „Global Class“, d.h. international tätige und vernetzte Unternehmer, haben oft sogar im Jahresverlauf wechselnde Wohnsitze auf der ganzen Welt, beispielsweise in Asien eine Wohnung auf Sentosa Island in Singapore, eine Stadtwohnung in New York und ein Kreativort in Südfrankreich. Auch viele stark belastete Geschäftsleute verbringen ihre Wochenenden regelmässig in ihrem Zweitwohnsitz. Entsprechend werden heute Reisen zum Zweitwohnsitz in der Reise- Motivforschung häufig als eigene, separate Kategorie erfasst (vgl. Laesser/Bieger 2008). Auch viele wohlhabende Pensionäre weisen zwei oder mehr Wohnsitze auf (vgl. auch das Phänomen der Trophy Homes, Williams / Peters, Stegemann 2008), zwischen denen sie je nach Jahreszeit wechseln. So vermischt sich auch der Begriff „Heimat“ zunehmend (Hall/Muller 2004).

In der Marktforschungspraxis wird heute deshalb oft das als Tourismus erfasst, was vom Betroffenen selbst als Reisen ausserhalb des gewohnten Lebensumfeldes bezeichnet wird. Dies ist insbesondere deshalb auch sinnvoll, weil primär auch diese Reisen für die klassische Tourismuswirtschaft wie Tour Operator, Hotels, etc. relevant sind.

Entsprechend breit sind deshalb heute Tourismusdefinitionen:

• die Gesamtheit der Beziehungen und Erscheinungen, die sich aus dem Reisen und dem Aufenthalt von Personen ergeben, für die der Aufenthaltsort weder hauptsächlicher und dauernder Wohn- noch Arbeitsort ist (Kaspar 1996, 16).

• Nach der WTO-Definition (WTO 1993) umfasst Tourismus die Aktivitäten von Personen, die an Orte ausserhalb ihrer gewohnten Umgebung reisen und sich dort zu Freizeit-, Geschäfts- oder bestimmten anderen Zwecken nicht länger als ein Jahr ohne Unterbrechung aufhalten.

• Ähnlich wird auch im angelsächsischen Raum Tourismus modern abgegrenzt. So ist nach z.B. Goeldner und Ritchie (2008) Tourismus definiert als die Prozesse, Aktivitäten und Wirkungen, welche durch die Beziehungen und Interkationen zwischen Touristen, touristischen Anbietern, Eventveranstaltern, Destinationsorganisationen und den dazugehörigen Umwelten entstehen, um Besucher anzuziehen und zu beherbergen.

Aus diesen Definitionen lassen sich folgende Merkmale des Tourismus ableiten (vgl. auch Abbildung 7):

• Der Tourismus beinhaltet sowohl Geschäfts- wie Freizeitreisen. Allein ausschlaggebend ist das Kriterium der Bewegung außerhalb des normalen|34◄ ►35| Arbeits- und Wohnumfeldes. Deshalb gehört beispielsweise ein Einkaufsbummel eines Einwohners einer Agglomerationsgemeinde in der Stadt nicht zum Tourismus, da er sich im normalen funktionalen Arbeits-und Wohnumfeld bewegt. Hingegen ist ein Shopping-Flug über das Wochenende nach London eindeutig ein touristisches Phänomen. Wichtig ist diese Unterscheidung heute vor allem, weil häufig in der öffentlichen Diskussion eine Vermengung der touristischen Nutzung mit der Freizeitnutzung von Infrastrukturen stattfindet. In vielen Regionen der Schweiz werden heute die touristischen Anlagen zu einem großen Anteil auch von Einheimischen im Rahmen ihrer Freizeitnutzung frequentiert.

Abbildung 7: Abgrenzung des Begriffes Tourismus


Quelle: In Anlehnung an Bieger 2002, 2

• Der Tourismus umfasst nicht nur Angebote wie Hotels, Bergbahnen und Strände, Nachfrager oder Märkte und Mittler wie Reiseveranstalter und Reisebüros. Zum Tourismus müssen als direktverbundenes Phänomen auch seine wirtschaftlichen, gesellschaftlichen, politischen und ökologischen Folgen gezählt werden. So sind die Einnahmen des Baumeisters für ein neues Hotel ebenso wie die Veränderung der Kultur der Einheimischen durch den Touristen in eine ganzheitliche Betrachtung des Tourismus miteinzuschließen.

• Der Tourismus ist nicht nur ein Wirtschaftsbereich, sondern er ist auch ein wichtiger Lebensbereich (vgl. Bieger 1993). Er umfasst den Menschen, |35◄ ►36| sein Verhalten und seine Wirkungen ausserhalb des Wohnortes. Der moderne Mensch verbringt immer weniger Zeit in seinem normalen angestammten Lebensumfeld. Jemand, der seine gesetzlichen Ferien in einem westeuropäischen Industrieland voll ausschöpft und eine durchschnittliche Anzahl Tages- und Wochenendreisen unternimmt, verbringt 12-15% seines aktiven Lebens als Tourist. Darin sind Geschäftsreisen nicht eingerechnet. In der Schule werden wir weitgehend auf das Leben zu Hause, auf die Arbeit und die Familie etc. vorbereitet. Genauso müsste man auch auf das Verhalten als Tourist hingeführt werden.

Das ursprüngliche Verständnis für den Begriff Tourismus wurde in zwei Dimensionen erweitert. Erstens wird die Art der erfassten Reisen ausgewertet und zweitens werden die betrachteten Effekte erweitert (vgl. auch Abbildung 8).

Abbildung 8: Erweiterung des ursprünglichen Tourismusbegriffes


Der Tourismus wird damit als Erscheinungsform über das Verhalten der Menschen anhand der Tourismusnachfrage definiert. Aufgrund dieser eher breiten, systemorientierten Definition können nicht einfach Tourismusbranchen abgeleitet werden. Es können aber Branchen mit einer größeren oder kleineren Abhängigkeit vom Tourismus (d.h. von der Tourismusnachfrage) abgegrenzt werden.

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2.1.2. Daten zum Phänomen Tourismus

Der Tourismus gehört sowohl in der Schweiz als auch in Österreich zu den drei wichtigsten Exportbranchen. Beispielsweise hat der „Travel&Tourism Competitiveness Report 2007“ des Weltwirtschaftsforums WEF die touristische Bruttowertschöpfung der Schweiz auf CHF 28,3 Mia. und den Anteil am Bruttoinlandprodukt (BIP) auf 6,1 Prozent geschätzt. Der Tourismus ist auch wichtigster Motor für die Entwicklung von verwandten Branchen wie Verkehr (vor allem heute auch Luftverkehr) oder Sport. Insbesondere für viele Länder, die sich in wirtschaftlicher Transformation oder im Wiederaufbau befinden (z.B. Osteuropa oder einzelne Entwicklungsländer), ist Tourismus ein Wirtschaftszweig von strategischer Bedeutung.

Abbildung 9: Tourismusdaten der Schweiz, Österreichs und Deutschlands


Quelle: 1 vgl. UNWTO 2009 (www.unwto.org); 2 vgl. Bundesamt für Statistik Schweiz (www.bfs.admin.ch), Die Daten für die Parahotellerie wurden aufgrund früherer Statistiken geschätzt, da für 2008 keine genauen Angaben vorhanden sind. 3 vgl. Statistik Austria (2008): Tourismus in Zahlen Österreich 2007/200; 4 vgl. DRV (2009): Fakten und Zahlen zum deutschen Reisemarkt 2008; 5 vgl. Bundesamt für Statistik Schweiz (www.bfs.admin.ch/bfs/portal/de/index/themen/10/22/lexi.html)

In Abbildung 9 sind verschiedene Tourismusindikatoren für die Länder Schweiz, Österreich und Deutschland ersichtlich. Insbesondere die Einnahmen|37◄ ►38| des internationalen Tourismus in Prozent am BIP gibt einen Hinweis auf die Bedeutung des Tourismus für das Land.

Im Jahr 2008 wurden weltweit 924 Mio. internationale touristische Ankünfte gezählt. Das entspricht einer Steigerung von 2% gegenüber 2007 (DRV 2009). Die meisten internationalen Ankünfte werden in Frankreich gezählt (81.9 Mio.). Dagegen ist die USA das Land, dass die meisten internationalen Tourismuseinnahmen erzielt (US-$ 96.7 Mia.; vgl. Abbildung 10).

Abbildung 10: Internationaler Tourismus: Ankünfte und Einnahmen 2007


Quelle: UNWTO & Schweizer Tourismusverband 2009

Dass die Tourismusbranche in den vergangenen Jahrzehnten zusammen mit der Telekommunikation und der Informatik zu den Branchen mit den größten Zuwachsraten gehört, hängt vor allem mit den folgenden Faktoren zusammen:

• dem weltweiten Ausbau der Verkehrsnetze und der Kommunikationsnetze (Technologie),

• der Globalisierung der Wirtschaft und

• dem steigenden Wohlstand zahlreicher Nationen und breiterer Bevölkerungsschichten (Wirtschaft),

• modernen Lebensofmren wie Double Career Couples, Partnerschaften /Familien in verschiedenen Ländern, Patchwortk Familien (Gesellschaft) mit der verbundenen wachsenden Zahl Familienreisen (Visit Friends and Relatives).

Nicht nur die technologischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Veränderungen, sondern auch veränderte Lebensmotive sind für dieses Wachstum |38◄ ►39| verantwortlich. Zum Beispiel erweckt ein höheres Bildungsniveau und die Internationalisierung der Wirtschaftstätigkeit das Interesse für andere Kulturen oder der Verstädterungsprozess weckt das Bedürfnis nach Erholung in der Natur.

In der während den 90er Jahren entstandenen Options- und Erlebnisgesellschaft (vgl. auch Gross 2007; Schulze 2005) dominieren neue Formen des Erlebens und Genießens, womit neue Angebote entstanden. Freizeit- und Themenparks à la Disney World, All-Inclusive-Clubs oder schwimmende Ferienresorts, wie zum Beispiel das Clubschiff „AIDA”, konkurrieren traditionelle Destinationen.

Im Zuge der Entwicklung der „Ich“ Gesellschaft (vgl. Gross 1999, 2007) mit einer starken Orientierung am Individuum ist auch ein verstärktes Bedürfnis an „Transformations-“Leistungen entstanden. Reiseprodukte wie Gesundheitsreisen, Bildungsreisen oder Reisen mit spirituellen Inhalten erlauben, sich in Richtung des gewünschten Selbstkonzeptes weiterzuentwickeln respektive zu transformieren.

Abbildung 11: Reiseziele der Schweizer Bevölkerung


Quelle: Laesser/ Bieger 2008

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Die Schweiz mit ihrer traditionell offenen Reisepolitik und ihrem Wohlstand kann als Fallbeispiel für ein reifes Reiseland bezeichnet werden. Bezüglich dem Reiseziel liegt bei der Schweizer Bevölkerung die Schweiz an der Spitze (vgl. Abbildung 11). Der Anteil der Reisen im eigenen Land, der Binnentourismus, verliert aber Marktanteile, während insbesondere der Interkontinentaltourismus an Bedeutung gewinnt.

Auch bei der Deutschen Bevölkerung belegt das Heimatland die erste Position. Die wichtigsten ausländischen Destinationen sind Italien und Spanien (vgl. Abbildung 12).

Abbildung 12: Reiseziele der Deutschen Bevölkerung


Quelle: ADAC Reisemonitor 2009

Unter den Reisemotiven stechen insbesondere der Wunsch nach dem Naturerlebnis sowie nach Zeit mit dem Partner und der Familie hervor. Optionalität scheint einer der zentralen Wünsche zu sein. Darauf weist etwa auch das wichtige Motiv hin, flexible und spontane Entscheidungen treffen zu können (vgl. Abbildung 13).

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Abbildung 13: Reisemotive der Schweizer Bevölkerung (Mittelwerte)


Quelle: Laesser/ Bieger 2008

Abbildung 14: Urlaubsformen der Deutschen


Quelle: ADAC Reisemonitor 2009

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Mit zwar rückläufiger Tendenz dominiert bezüglich der Reiseformen in Deutschland immer noch der Badeurlaub mit rund 60% aller Reise gefolgt von Rundreisen und Kulturreisen (vgl. Abbildung 14).

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9783846325360
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