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Ein Ereignis, das die Welt veränderte

Während der Kindheit Don Boscos fegte ein Orkan über Europa hinweg, der die Welt aus den Angeln zu heben drohte. 1789 war in Paris die Französische Revolution ausgebrochen. Mit einem Schlag lag über Europa eine Atmosphäre der Neuerungen und Erwartungen. Auch auf Italien griffen die Wellen der Veränderungen über: Nach Jahrhunderten erstarrter Herrschaft des Königs und der Adeligen brachen deren Privilegien nun zusammen. Die Schlagworte „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“ wurden nun nicht mehr nur geflüstert, sondern laut hinausgeschrien. Die Menschenrechte und die „Herrschaft des Volkes“ wurden proklamiert, und für sie – nicht mehr für die Rechte des Königs – wurde jetzt gekämpft.

Wie in jeder Epoche radikalen Wandels vermischte sich aber auch jetzt die feste und durchaus berechtigte Entschlossenheit mit ungerechtfertigter Gewalt. Viele Probleme, welche die Ursachen für die Revolution gewesen waren, wurden nun durch die Guillotine „beseitigt“. Die fanatischen „Vertreter des Volkes“, die Jakobiner, verwandelten die Revolution 1793 in ein schreckliches Blutbad. Allein im Juni und Juli jenes Jahres kamen in Frankreich 1.285 Menschen durch die Guillotine um. Europa war entsetzt. Was in Paris in diesen Monaten geschah, schien Ausdruck eines kollektiven Wahnsinns zu sein.

1794 aber endete die Diktatur der Jakobiner. Damit war auch der Terror vorbei. Die Revolution befand sich wieder in den Händen der gemäßigten „Bürgerlichen“, die das Wahlrecht jedoch nur einer kleinen Minderheit von etwa 30.000 begüterten französischen Bürgern zuerkannten. Schon allein Paris aber hatte damals bereits 600.000 Einwohner. Die Macht war also nur in die Hände anderer übergegangen.

Ein General mit 27 Jahren

Bereits 1796 erreichte ein französisches Revolutionsheer, angeführt von einem 27-jährigen General mit Namen Napoleon Bonaparte, Italien. Die französischen Soldaten redeten von „Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit“. Trotz des Schattens von Gewalt, der bereits auf diesen Schlagworten lag, entfachten sie damit auch in Italien bei der jungen Generation eine ungeheure Begeisterung. Auch das Königreich Sardinien-Piemont musste mit Napoleon einen Waffenstillstand schließen und Savoyen und Nizza an Frankreich abtreten. Der damalige König Carlo Emanuele IV. zog sich im Dezember 1798 in das von den Franzosen nicht besetzte Sardinien zurück. Österreich, unter dessen Herrschaft sich der östliche Teil Oberitaliens damals noch befand, wurde ebenfalls von den Franzosen besiegt und musste daher 1797 einen großen Teil seiner norditalienischen Territorien aufgeben, in denen dann eine Republik ausgerufen wurde. 1798 wurden auch im Kirchenstaat und 1799 in Neapel Republiken errichtet, die sich aber nur kurze Zeit halten konnten.

Napoleon aber war ein unruhiger Geist. Mehr als auf den Triumph der Revolution war er auf glänzende militärische Ehren aus. Während seines Feldzugs in Ägypten fielen 1799 österreichische und auch russische Truppen mit Kosaken in Italien ein. Auf ihren kleinen Steppenpferden drangen die Kosaken in die Städte ein. Napoleon kehrte zurück, und der Krieg begann von Neuem. Überall herrschte Not und Elend, selbst in der fruchtbaren Po­ebene. 1801 konnte Napoleon Oberitalien zurückerobern, 1805 entstand aus allen norditalienischen Gebieten das Königreich Italien unter König Napoleon, bis 1808 wurden auch Venetien, die Toskana und der Kirchenstaat mit Frankreich vereinigt.

Im strengen Winter vor Moskau kam es aber dann 1812/13 zum jähen Zusammenbruch und zum Rückzug der „Grande Armee“ Napoleons. Aber erst die große Völkerschlacht bei Leipzig im Jahre 1813 brachte das Ende seiner Herrschaft. Erneut marschierten von den Alpen her, über den Isonzo, Österreicher, Deutsche und Kroaten in die Poebene ein. Alle verkündeten, sie seien nur gekommen, um Italien von der napoleonischen Herrschaft zu „befreien“. Nach der kurzen Rückkehr Napoleons während der sogenannten „Herrschaft der 100 Tage“ endete seine Ära dann 1815 endgültig mit der Verbannung auf die Atlantik­insel St. Helena.

Italien und ganz Europa waren kriegsmüde, übersät von Ruinen, durchstreift von Waisen. Die Dörfer waren ausgeraubt und entvölkert, da selbst Jugendliche einberufen und auf ferne Schlachtfelder gebracht worden waren, um dort zu sterben. Die Menschen, die jahrelang nach „Freiheit“ gerufen hatten, suchten jetzt nur noch den Frieden.

Man kann das Rad der Geschichte nicht zurückdrehen

Giovanni Bosco selbst erfuhr es später aus den Geschichtsbüchern, dass er in einer Zeit geboren worden war, die „Restauration“ genannt wurde. Sie begann im November 1814 mit der Eröffnung des Wiener Kongresses durch die Siegermächte über Napoleon und dauerte im größten Teil Italiens bis 1847, als die wichtigsten italienischen Staaten unter dem Druck der Bewegung des „Risorgimento“ (Bezeichnung für die italienischen Einigungsbestrebungen) auf den Kurs liberaler Reformpolitik einschwenkten.

Die Restauration war eine sehr problematische Epoche. Die durch die Revolution ge­stürz­ten Könige kehrten aufgrund der Entscheidungen des Wiener Kongresses zurück und glaubten, mit einigen Federstrichen 15 Jahre Geschichte auslöschen zu können. König Vittorio Emanuele I. von Sardinien-Piemont, der im Juni 1802 dem abgedankten Carlo Emanuele IV. nachgefolgt war, zog in einem Prunkwagen in Turin ein, umjubelt vom Volk, das die Straßen säumte. Besonders die Menschen auf dem Land wollten Frieden. Die Adeligen aber versicherten, dass alles wieder „wie früher“ werden würde.

Doch die Geschichte geht ihren Weg. Man kann sie nicht zurückdrehen. Das Bürgertum hatte sich als neue Gesellschaftsschicht behauptet. Die Handelsleute und die anderen Reisenden zogen nun auf einem soliden Straßennetz dahin, das die Ingenieure Napoleons auch in Oberitalien geschaffen hatten. Über Jahrhunderte hinweg war die Mehrzahl der Italiener auf dem gleichen Gut oder im gleichen Dorf wie schon ihre Vorfahren geboren worden, hatte dort gelebt und war dort auch gestorben. Jetzt aber war alles anders. Mit der Postkutsche verbreiteten sich auch Zeitungen und Bücher. Zwar konnten nur wenige lesen, neugierig aber waren auch damals viele. Sie ließen sich von den wenigen Lesekundigen die Nachrichten mitteilen. Damit erweiterte sich ihr Horizont.

Die Landwirtschaft im Piemont nahm bald einen blühenden Aufschwung. Die letzten ­Wälder in den Ebenen und Hügellandschaften wurden gerodet. Die damit gewonnenen ­weiten Gebiete wurden zu Ackerland. Tausende von Maulbeerbäumen wurden gepflanzt und ermöglichten eine rasche Entwicklung der Seidenraupenzucht. Bald entstanden überall Manufakturen und Werkstätten. Die Industrie spezialisierte sich. Die Preise wurden stabil.

König Vittorio Emanuele I. aber hob die in den letzten 15 Jahren erlassenen napoleonischen Gesetze wieder auf. Das Bürgertum verlor dadurch schlagartig viele seiner mühsam erkämpften Rechte. Doch die Jugend ging großenteils in die Opposition, trat Geheimbünden bei und setzte ihre Hoffnung auf einen noch sehr jungen Prinzen des Hauses Savoyen-Carignano, Carlo Alberto, der aufgeschlossen schien für die neue Zeit.

Das Echo all dieser Ereignisse kam aber nur sehr gedämpft auf den Hügeln des Monferrato an, wo Don Bosco die armen, aber frohen Jahre seiner Kindheit verbrachte. Sie bereiteten jedoch den Boden für seine spätere Entwicklung.

Mama Margherita –
mütterliche Liebe und väterliche Festigkeit

Als ihr Mann starb, war Margherita 29 Jahre alt, eigentlich zu jung, um eine solche Last allein zu tragen. Aber sie verbrachte nicht viel Zeit damit, sich zu bedauern. Sie krempelte die Ärmel hoch und begann zu arbeiten. Im Haus war zu kochen, zu waschen und das Wasser zu schöpfen. Aber das war ihre Aufgabe in den „freien Stunden“, denn während der eigentlichen Arbeitszeit war sie auf dem Feld und im Stall beschäftigt. Wie die anderen Bäuerinnen ihres Dorfes mähte auch sie das Gras und das Getreide, band die Garben auf und drosch. Im Weinberg musste sie den Boden hacken und die Trauben lesen. Sie kelterte und setzte Most an.

Ihre Hände waren hart von der Arbeit, aber sie waren auch weich genug, um ihre Kinder zu liebkosen. Sie war eine Arbeiterin, vor allem aber war sie die Mutter ihrer Kinder. Diese erzog sie mit Milde und Festigkeit zugleich. 100 Jahre später werden die Psychologen schrei­ben, dass Kinder für ihre gesunde Entwicklung die fordernde Liebe des Vaters und die frohe und gütige Liebe der Mutter brauchen; dass Waisenkinder Gefahr laufen, emotional unausgeglichen zu werden – verweichlicht und ohne Disziplin, wenn sie nur eine Mutter haben, hart und ängstlich dagegen dann, wenn nur der Vater sie erzieht. Margherita dagegen war emotional ausgeglichen, sodass sie ruhige Festigkeit mit Güte und erheiternder Freude verband. Don Bosco hat später als Erzieher die pädagogische Methode seiner Mutter übernommen.

Der Mittelpunkt der Familie

Margherita führte ihre Kinder früh dazu, sich der Gegenwart Gottes bewusst zu werden – und zwar nicht eines Gottes, der wie ein Aufseher darauf achtet, ob sie etwas falsch machen, sondern eines liebenden Vaters, der immer für sie da ist und für sie sorgt.

Sie ließ ihre Kinder ohne Aufsicht fort auf die Wiesen. Aber wenn sie gingen, sagte sie: „Denkt daran, dass Gott euch sieht.“ Merkte sie, dass sie sich durch eine Lüge aus der Affäre ziehen wollten, dann sagte sie: „Denkt daran, dass Gott auch eure Gedanken liest.“ Die Kinder sollten lernen, auf ihr Gewissen zu hören, um die Gegenwart der Mutter nicht mehr zu brauchen.

Standen sie am Abend vor der Haustür, um noch mal frische Luft zu schnappen, dann deutete Margherita oft nach oben: „Gott ist es, der die Welt erschaffen hat, der so viele schöne Dinge gemacht hat.“ Auch wenn sie an blühenden Wiesen vorbeikamen, machte sie die Kinder auf den Schöpfer aufmerksam. Als einmal der Hagel alles vernichtet hatte, sagte sie ergeben: „Der Herr hat es gegeben, der Herr hat es genommen. Denken wir immer daran, dass wir in seinen Händen sind, dass er aber nicht mit sich scherzen lässt.“

„Mutig zu sein ist schon recht, aber …“

Giovanni war vier Jahre alt, als seine Mutter ihm die ersten Hanffasern gab, damit er sie auseinanderzupfe. Eine leichte Arbeit, aber immerhin eine Arbeit. So begann er, seinen kleinen Beitrag zu leisten zum Unterhalt der Familie, die von der Arbeit aller lebte. Später machte er sich zusammen mit seinen Brüdern im Haus nützlich: Holz hacken und Feuer machen, wozu man die unter der Asche verborgene Glut vorsichtig anblies, Wasser holen, Gemüse putzen, den Stall ausmisten, die Kühe hüten, das Brot im Backofen überwachen …

Aber sofort, nachdem er seine Arbeit erledigt hatte und das von der Mutter überprüft worden war, war er weg, um zu spielen. An Platz dazu fehlte es nicht, denn ringsherum lagen Wiesen, so weit man blicken konnte, und die Freunde warteten schon. Es waren Jungen voller Leben, manchmal auch grob und wild. Dann streifte man zusammen umher, um Maulwurfsgänge ausfindig zu machen, Vogelnester zu suchen oder endlose Diskussionen zu führen.

Eines der beliebtesten Spiele war die „Lippa“, eine einfache italienische Variante des Baseball. Eines Nachmittags kam Giovanni einmal vorzeitig nach Hause. Sein Gesicht blutete, denn ein Stock hatte ihn beim Lippa-Spiel heftig auf die Wange getroffen. Margherita war besorgt: „Du wirst noch mit einem ausgeschlagenen Auge heimkommen. Warum gehst du mit diesen Jungen? Du weißt doch, dass einige von ihnen nichts taugen.“ „Wenn es Euch lieber ist, geh ich nicht mehr zu ihnen“, entgegnete Giovanni. „Aber schaut, Mama, wenn ich bei ihnen bin, sind sie nicht so schlimm, dann sagen sie manche Worte nicht.“ Margherita ließ ihn weiter zu seinen Kameraden gehen …

Sein Mut wuchs schneller als sein Körper. Giovanni zählte fünf Jahre und Giuseppe sieben, als Margherita sie eines Tages fortschickte, um eine Schar Truthähne zu hüten. Während diese Grillen fraßen, spielten die Brüder. Plötzlich blieb Giuseppe stehen und zählte die Truthähne mit seinen Fingern nach. Dann schrie er: „Einer fehlt!“ Voller Angst suchten sie. Nichts. Schließlich ist so ein Truthahn ein großes Tier und kann nicht so einfach verschwinden. Sie schauten umher. Da sah Giovanni neben einer Hecke einen Mann stehen. Sofort dachte er, dass dieser ihn gestohlen hätte. Deshalb rief er Giuseppe und ging mit ihm entschlossen auf den Mann zu: „Gebt uns den Truthahn wieder!“ Der Fremde schaute die beiden verwundert an: „Einen Truthahn? Wo soll denn hier einer sein?“ „Ihr habt ihn gestohlen. Gebt ihn heraus! Sonst schreien wir ,Haltet den Dieb!‘, und dann fangen und verhauen sie Euch.“

Zwei kleine Jungen hätte man eigentlich ohne Weiteres mit ein paar Schlägen vertreiben können. Aber diese beiden waren so selbstsicher, dass dem Fremden doch mulmig wurde. Und schließlich waren ja auch Bauern in der Nähe. Wenn die beiden schreien würden, dann könnte schon etwas geschehen. Also zog der Mann doch lieber seinen Sack aus der Hecke und gab ihnen den Truthahn zurück. „Ich wollte doch bloß einen Scherz machen“, sagte er. „Ein anständiger Mann macht keinen solchen Scherz“, gaben die beiden zurück.

Am Abend berichteten sie den Vorfall wie immer der Mutter. „Da seid ihr aber ein Risiko eingegangen“, sagte sie. „Wieso denn?“ „Erstens wart ihr ja gar nicht sicher, ob er es gewesen ist, und dann seid ihr noch klein. Er dagegen war ein erwachsener Mann. Wenn er euch etwas angetan hätte?“ „Dann hätten wir uns also den Truthahn einfach wegnehmen lassen sollen?“ „Mutig zu sein ist schon recht“, erklärte Margherita. „Aber es ist doch besser, einen Truthahn zu verlieren, als übel zugerichtet zu werden.“ „Hm“, murmelte Giovanni nachdenklich. „Es wird schon so sein, wie Ihr sagt, Mama. Aber es war schon ein recht großer Truthahn.“

Die Rute in der Ecke

Margherita war eine gütige, aber doch zugleich auch strenge Mutter. Ihre Kinder wussten genau: Wenn sie einmal etwas gesagt hatte, dann hielt sie sich auch daran. In einer Ecke der Küche stand die „Rute“, ein kleiner, biegsamer Stock, eine Gerte. Wirklich benutzt wurde sie nie. Aber Margherita nahm sie auch nicht weg.

Eines Tages leistete sich Giovanni etwas. Wahrscheinlich aus lauter Eile, um zum Spielen zu kommen, ließ er den Kaninchenstall offen. Alle Kaninchen liefen über die Wiesen. War das eine Arbeit, bis sie wieder eingefangen waren! Als die Mutter mit ihren Kindern wieder in der Küche war, zeigte sie in die Ecke: „Giovanni, bring mir mal diese Rute!“ Der Kleine zog sich bis zur Tür zurück.

„Bring sie mir, dann wirst du schon sehen, was geschieht.“ Der Ton Margheritas war entschlossen. Giovanni nahm die Rute und legte sie weit weg von der Mutter auf den Boden: „Ihr werdet mich doch nicht damit schlagen?“ „Warum denn nicht, wenn du solche Dinge lieferst?“ „Mama, ich tus nie wieder!“ Margherita musste lächeln, und Giovanni auch.

An einem heißen Sommertag kamen Giovanni und Giuseppe einmal vom Weinberg zurück und waren fast am Verdursten. Margherita ging zum Brunnen, zog einen Eimer frischen Wassers herauf und gab mit einem Schöpflöffel zuerst Giuseppe zu trinken. Giovanni zog ein langes Gesicht. Diese Bevorzugung hatte ihn gekränkt. Als die Mutter dann auch ihm zu trinken geben wollte, tat er so, als wolle er nichts mehr. Margherita sagte kein Wort, trug den Eimer in die Küche und schloss die Tür.

Nur einen Augenblick war sie drinnen, da stand Giovanni schon hinter ihr: „Mama …“ „Was gibts?“ „Bekomm ich auch etwas zu trinken?“ „Ach so, ich dachte, du hättest keinen Durst mehr.“ „Verzeih, Mama!“ „So ist es gut.“ Dann reichte sie auch ihm einen Schöpflöffel voll Wasser.

Inzwischen war Giovanni acht Jahre alt geworden, ein richtiger Junge, und er konnte schallend lachen. Er war etwas klein gewachsen, aber kräftig, hatte dunkle Augen und dichtes, gelocktes Haar wie die Lämmer. Eine besondere Vorliebe zeigte er für Abenteuer und Wagnis. Über aufgeschlagene Knie jammerte er nicht.

Jetzt konnte er auch schon auf so manche Bäume klettern und Vogelnester ausrauben. Einmal erging es ihm übel dabei. Ein Kohlmeisennest steckte tief in einer Spalte. Giovanni hatte den Arm bereits bis über den Ellbogen hineingesteckt, da merkte er, dass er ihn nicht mehr herausbrachte. Immer wieder versuchte er es, aber dabei schwoll der Arm an. Giuseppe, der von unten aus zuschaute, musste die Mutter holen. Margherita kam mit einer kleinen Leiter. Aber auch ihr gelang es nicht, den Arm zu befreien. Sie musste einen Bauern suchen, der mit einem Stemmeisen zu Hilfe kam. Giovanni stand der Schweiß in dicken Perlen auf der Stirn. Von unten rief Giuseppe, der noch mehr Angst hatte als Giovanni selbst: „Halt dich fest, sie kommen!“

Der Bauer wickelte den Arm des Jungen in Margheritas Schürze. Dann begann er, mit Hammer und Stemmeisen zu arbeiten. Sieben oder acht Schläge genügten, und der Arm rutschte wieder heraus. Margherita hatte nicht mehr den Mut, Giovanni zu schimpfen. Er stand da wie ein begossener Pudel. Sie sagte nur: „Stell doch nicht immer wieder etwas Neues an!“

Der „Teufel“ auf dem Dachboden

An einem Herbstabend war Giovanni zusammen mit seiner Mutter beim Großvater in Capriglio. Die große Familie saß beim Abendessen um den Tisch. Das kleine Öllämpchen vermochte das Dunkel kaum zu durchringen. Da – plötzlich ein verdächtiges Geräusch über den Köpfen. Es wiederholte sich ein-, zwei-, dreimal. Alle schauten nach oben und hielten den Atem an. In der Stube wurde es mäuschenstill. Und wieder kam vom Dachboden das geheimnisvolle Geräusch, gefolgt von einem langen, dumpfen Schleifen. Die Frauen machten das Kreuzzeichen, die Kinder drückten sich an ihre Mutter.

Eine alte Frau begann mit verhaltener Stimme zu erzählen, wie früher einmal auf dem Dachboden ein lang gezogenes Geräusch, ein Ächzen und entsetzliche Schreie zu hören gewesen waren. „Das war der Teufel – und jetzt kommt er zurück“, murmelte sie und bekreuzigte sich dabei. Dann trat wieder Stille ein. Giovanni aber brach das Schweigen und sagte gelassen: „Ich glaube, dass das ein Marder ist und nicht der Teufel.“

Wieder herrschte Stille. Da – noch ein dumpfer Schlag und ein lang gezogenes Schleifen. Die Zimmerdecke, zu der alle ängstlich aufschauten, war aus Holz. Über ihr befand sich der Dachboden, der als Getreidespeicher diente.

Giovanni sprang plötzlich hoch und rief: „Schauen wir doch nach!“ „Du bist verrückt! Margherita, halt ihn zurück! Mit dem Teufel ist nicht zu scherzen!“ Aber Giovanni war schon auf den Beinen, nahm eine Laterne, zündete sie an und griff nach einem Stock. Margherita meinte: „Wäre es nicht besser, bis morgen früh zu warten?“ Er entgegnete nur: „Mama, habt vielleicht auch Ihr Angst?“ „Nein“, sagte sie darauf, „gehen wir zusammen.“

Sie stiegen die Holztreppe hinauf. Auch die anderen folgten mit Laternen und Stöcken. Giovanni stieß die Tür auf und hob die Laterne hoch, um besser sehen zu können. Schon hörte man den ängstlichen Schrei einer der Frauen: „Da, in dieser Ecke, schaut!“

Alle schauten. Ein umgestürzter Getreidekorb schwankte und bewegte sich umher. Giovanni trat einen Schritt vor. „Nein, Vorsicht! Das ist ein verhexter Korb!“, warnten sie ihn. Giovanni aber packte den Korb mit einer Hand und hob ihn hoch. Eine große, zerzauste Henne, die wer weiß wie lange darunter gefangen gewesen war, schoss wie eine Gewehrkugel heraus und gackerte heftig.

Um Giovanni herum lachte alles schallend. Der Teufel hatte sich als Henne entpuppt. Der leichte Korb, der an der Wand gelehnt hatte, war dort nicht festgemacht gewesen. In seinem Geflecht hatten noch einige Weizenkörner gesteckt, die die Henne hatte herauspicken wollen. Dabei war der Korb über sie gestürzt und hatte sie gefangen gesetzt. Das arme Tier hatte sich zu befreien versucht und war dabei hin- und hergerannt, sodass der Korb an Gegenstände gestoßen war und das Gepolter verursacht hatte.

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