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Sylvia Oldenburg-Marbacher

The Journalist

Dieses ebook wurde erstellt bei

Inhaltsverzeichnis

Titel

Ein Kurzroman

Ein neuer Job

Das Vorstellungsgespräch

Feierabendbier

Der erste Arbeitstag

Die Woche der Recherche

Ehrliche Worte

Die Pressekonferenz

Die Mittel der CIA

Wie weiter?

Die letzten Stunden

Unumgänglich

Die Erkenntnis

Der Plan geht weiter

Impressum neobooks

Ein Kurzroman

Diese Geschichte und die darin handelnden Personen sind frei erfunden. Jegliche Ähnlichkeiten zu aktuellen Ereignissen sind rein zufällig.

Ein neuer Job

März 2016 - Es waren die frühen Morgenstunden an einem lauen Frühlingstag in Zürich. Ein gewöhnlicher Dienstagmorgen. Vögel zwitscherten, ein paar Jogger und Radfahrer waren unterwegs. Erste Fussgänger stiegen aus den Trams und eilten zu ihren Arbeitsplätzen. Die Stadt wirkte verschlafen.

Finn Carter wohnte im Zürcher Kreis 9. Er lag noch tief schlafend unter seiner Bettdecke als der Wecker klingelte. Er klingelte einige Zeit. Dann hob Finn seinen Arm und tappte müde nach ihm, um für Ruhe zu sorgen. Er drehte sich um und schlief weiter.

Wenige Minuten später klingelte sein Handy. Er stöhnte genervt, drehte sich wieder um und griff danach. Es war sein bester Freund Rob. Mit einem tiefen Ausatmen drückte er mit verschlafener Stimme auf die grüne Taste:

„Hey!“

„Guten Morgen! Du klingst ja nicht gerade fit!“

„Bin ich auch nicht!“ antworte Finn gehässig.

„Du hast mir doch erzählt, dass du heute ein Vorstellungsgespräch hast, steht das noch?“

„Ich habe es zumindest nicht abgesagt.“

„Was machst du dann noch im Bett?“

Finn schwieg. Er wusste, dass Rob Recht hatte und er hasste es, wenn es so war:

„Ich wollte gerade aufstehen!“

„Ja klar, so hat es sich angehört! Wirst du jetzt aufstehen und hingehen? Du wolltest doch wieder was reissen?“

„Ja, ok, du hast Recht! Ich mach mich ja schon fertig! Wieso musst du nur so ein nerviger guter Freund sein?“

„Mach ich doch gerne! Was war das nochmal für eine Firma, bei der du dich beworben hast? Ich hab mir nur den Termin gemerkt, weil ich wusste, er war früh und dass ich dich rausklingeln werden muss!“

„Die Firma heisst SI, Swiss Independent. Soll wohl für die Unabhängigkeit der Schweiz stehen oder sowas. Ist eine Zeitung, unabhängige Berichterstattung und so. Mal sehen!“

„Ich höre, du hast dich genau informiert. Ich weiss nicht, ob das so klappt, aber ich drück dir auf jeden Fall die Daumen! Heute Abend 4. Akt? 19:00? Dann kannst du mir ja erzählen wie es gelaufen ist und ob du den Job nicht bekommen hast, weil du zu spät warst oder weil du keine Ahnung hattest, wofür du dich überhaupt bewirbst!“

„Ja, ist ok! Hab’s verstanden! Bier heute Abend ist ok. Ach ja, und danke!“

„Kein Problem, wozu hat man Freunde! Bis später!“

Finn strich sich mit der Hand durch die dunkelblonden Haare. Müde schaute er zum Fenster, wo die ersten Sonnenstrahlen hereinschienen. Seine blauen Augen funkelten darin. Dann zog er sich mühsam aus dem Bett und unter die Dusche. Rob hatte Recht. Er wusste es selbst und hatte in den letzten Wochen auch schon deswegen gejammert, aber so ist das nun mal manchmal mit dem inneren Schweinehund. Er hatte vor einigen Jahren bei der NZZ als Praktikant angefangen und ist dort später in eine Festanstellung reingerutscht. Das Team war super, er arbeitete gerne dort. Vor einem halben Jahr wurde seine Stelle aber gestrichen, weil die Printmedien stark rückläufig sind. Aufgrund dieser Umstellung hatte er sich grundsätzliche Gedanken über sein Leben gemacht und auch gleich die Sache mit seiner damaligen Freundin beendet, mit der es nicht mehr so richtig lief und es sich abzeichnete, dass es nichts fürs Leben war.

Der anfänglich neue Elan wandelte sich nach und nach in ein sich gehen lassen und so kam es, dass er seit einigen Wochen nicht viel mehr tat, als in den Zürcher Nachtclubs überteuertes Bier und Zigaretten zu konsumieren. Er hatte zeitweise einen Job als Barkeeper, das machte ihn zwar bei den Mädels beliebt, brachte ihm aber nicht das Geld ein, das er dringend benötigt hätte, um seine Rechnungen zu bezahlen.

Er war 28 Jahre alt. Wenn es langsam gegen die Dreissig geht, fängt man an, sich Gedanken zu machen, was man eigentlich vom Leben erwartet oder was man erreichen will. Finn hatte beim besten Willen keine Ahnung was er wollte. Er versuchte das Leben so gut es ging zu geniessen und diese Gedanken beiseite zu schieben. Er hoffe, irgendwann wird ihn die Inspiration schon finden. Bis ihn Rob immer wieder an den Ernst des Lebens erinnerte.

Nach der Dusche zog er sich die schönste Hose an, die er fand, und ein schwarzes Hemd. Irgendwo hatte er doch noch eine rote Krawatte. Er fand sie und versuchte sie zu binden. Nach fünf Minuten gab er auf. Nur das Hemd wird es wohl auch tun.

Er lief ihn die Küche, vorbei an ein paar leeren Bierflaschen auf dem Couchtisch, und startete die Kaffeemaschine. Dann ging er vor die Türe, um die Post zu holen. Er warf die Briefe auf den Tisch, nahm sich einen Kaffee und begann sie zu öffnen. Einer der fünf Briefe war Werbung. Alle anderen waren Rechnungen. Besonders hoch die zweite Mahnung für seine Wohnungsmiete, für die es irgendwie auch nicht mehr gereicht hatte. Finn hätte problemlos aufs Arbeitslosenamt gehen können, dann hätte er diese Probleme jetzt nicht. Aber er war zu stolz. Er hätte auch jederzeit seine Eltern anrufen und seinen Vater um Geld bitten können. Aber auch das liess sein Stolz nicht zu. Er war sich sicher, er würde das auch ohne Hilfe des Staates oder der Eltern hinkriegen.

Rob hatte Recht! Es war an der Zeit, das Leben wieder in die eigenen Hände zu nehmen!

Das Vorstellungsgespräch

Das Gebäude befand sich in einem Geschäftshochhaus nahe Puls 5 in der Innenstadt. Die Swiss Independent hatte ihren Sitz gemäss Ausschreiben im 15. Stock. Finn stand vor dem Wolkenkratzer und blickte hoch. Wäre nicht schlecht, dort den Arbeitsplatz zu haben, ging ihm durch den Kopf. Er ging rein, betrat den Lift und fuhr hoch. Er meldete sich am Empfang und wurde gebeten noch einen kurzen Moment im Vorraum Platz zu nehmen. Frau Wittaker werde gleich Zeit für ihn haben.

Er setzte sich also auf einen der edlen schwarzen Sessel, angereiht um einen schönen Glastisch vor einer Aussicht über Zürich, die ihresgleichen suchte. Es war elegant dekoriert, auf dem Tisch ein paar frische Blumen, die gesamte Einrichtung modern, kalt und doch auf ihre spezielle Weise wunderschön. Er sass da und blickte weit über dem hektischen Geschehen Zürichs über die Dächer bis ihn die Empfangsdame aus den Gedanken riss:

„Frau Wittaker hat jetzt Zeit für Sie!“

„Selbstverständlich! Vielen Dank!“

Er stand auf und blickte den langen Flur entlang, auf dem sich die Büros zu befinden schienen. Da stand nur eine Frau, sie schien gerade noch etwas für jemanden zu unterschreiben, ansonsten waren ausser der Empfangsdame alles Männer. Er hatte sich nicht wirklich versucht vorzustellen, wie Frau Wittaker aussieht, aber das hatte er nicht erwartet. Eine elegante, schlanke Frau, mit streng zusammengebundenen, blonden Haaren, einem engen Business-Kostüm. Sie wirkte jung, könnte in seinem Alter sein. Sehr attraktiv, dachte er. Im selben Moment hätte er sich für diesen Gedanken ohrfeigen können. Wenn das hier klappen sollte, wäre sie schliesslich seine Chefin.

Sie wechselte ein paar Worte mit dem Unterschriften-Fordernden, schenkte ihm ein Lächeln und blickte dann zu Finn. Ihr Blick wurde ernst, ja beinahe düster. Sie kam näher und streckte Finn die Hand entgegen:

„Guten Tag! Ich bin Frau Wittaker! Sie müssen Herr Carter sein! Wir haben heute einen Termin!“ Sie wirkte kalt und arrogant.

Sie schüttelten Hände: „Genau! Freut mich sehr, Sie kennenzulernen!“

Mit einem Handzeichen wies sie ihn, ihr in ihr Büro zu folgen. Es war gigantisch. Die NZZ hatte auch schöne Räumlichkeiten, aber das hier war überwältigend. Hinter dem quer stehenden Schreibtisch war eine reine Glasfront, die einen anderen atemberaubenden Blick über die Innenstadt von Zürich und darüber hinaus gewährte. Ein halb verglaster Balkon erstreckte sich dahinter. Das ganze Büro war in Glas gehalten, schwarze Akzente vollendeten das Bild. Davor ein kleiner runder Tisch mit vier Besucherstühlen für kleine Unterredungen. Sharon Wittaker zog einen der Besucherstühle auf die gegenüberliegende Seite ihres Schreibtisches, setzte sich in ihren schwarzen Ledersessel und überschlug die Beine:

„Bitte nehmen Sie doch Platz!“

„Gerne!“

Sie beugte sich nach vorne und musterte Finn:

„Nun, Sie haben sich für den Job beworben, da werde ich Ihnen wohl nicht viel darüber erzählen müssen! Da können wir gleich zur Sache kommen. Weswegen sollte ich Ihnen diesen Job geben?“

Finn räusperte sich: „Also ich habe einige Jahre bei der NZZ gearbeitet und daher viel Erfahrung mit Printmedien. Ich bin fleissig, pünktlich, …“

Sharon Wittaker fiel ihm ins Wort: „Nein, Sie verstehen mich falsch! Ihre beruflichen Qualifikationen habe ich mir in Ihrem Lebenslauf angesehen. Wenn das nicht passen würde, würden Sie gar nicht hier sitzen! Ich sehe auch, Sie legen nicht viel Wert auf Formalitäten, dazu fehlt Ihnen die Krawatte. Meine Frage ist, WESWEGEN sind SIE der Richtige für DIESEN Job?“

Finn wusste wirklich nicht, was er darauf antworten sollte. Vielleicht hätte er sich doch noch ein wenig besser über die Swiss Independent informieren sollen. In Gedanken sah er sich schon niedergeschmettert aus diesen wunderschönen Büroräumlichkeiten heraustapsen. Er zuckte mit den Schultern, wirkte hilflos.

Sie beugte sich nach vorne, verschloss die Arme vor ihrem Körper und atmete tief ein:

„Ich will Ihnen noch eine Chance geben! Sie bewerben sich ja sozusagen als mein Assistent! Wissen Sie wie man eine Kaffeemaschine bedient?“

„Selbstverständlich weiss ich das!“

„Super! Rechts aussen ist der Kaffeeraum, würden Sie mir bitte einen Kaffee bringen? Mit etwas Milch und Zucker gerne!“

Finn war verwundert. Aber er bejahte und stand auf. An der Tür drehte er sich nochmal kurz um:

„Darf ich mir auch einen mitnehmen?“ Er konnte Sharon Wittaker den Hauch eines Lächelns entnehmen:

„Ja, sicher!“

Finn ging in den Kaffeeraum, konnte die Kaffeemaschine bedienen, brachte zwei Kaffee zurück und stellte sie auf den Tisch.

„Vielen Dank!“

„Gerne!“ Finn lächelte.

Erneut holte Sharon tief Luft:

„Was würden Sie sagen, wenn ich Ihnen erzählen würde, dass viele Bewerber sich weigerten, mir einen Kaffee zu holen?“

„Wieso sollten sie das tun? Es geht um den Job! Um Ihr Assistent zu sein, muss ich nun mal auch Kaffee holen.“

Sharon Wittaker zuckte mit den Schultern: „Viele Männer haben sich geweigert, weil ich eine Frau bin!“

„Das spielt doch keine Rolle, Sie wären meine Chefin und ich Ihr Assistent! Dann hole ich Ihnen Kaffee, wenn Sie das möchten!“

Sie lächelte, zog die Augenbrauen hoch: „Gute Antwort! Sie haben den Job! Können Sie morgen früh um 08:00 Uhr hier sein?“

Finn war perplex und schüttelte verwundert den Kopf: „Äh, ja, das freut mich, danke sehr! Selbstverständlich!“

„Sehr schön! Dann schönen Tag noch und bis morgen!“

Feierabendbier

Der 4. Akt , eine kleine, angesagte Kneipe in der Zürcher Innenstadt. Finn betrat den Laden, Rob sass bereits am Tresen. Er umarmte ihn kurz zur Begrüssung und setzte sich neben ihn.

„Hey!“

„Na, Alter! Was geht? Hab dir schon ein Bier bestellt zur Verdauung der Niederlage!“

„Es gibt keine Niederlage, wir können auf den Erfolg anstossen!“

Rob schaute verwundert: „Du hast den Job? Echt jetzt?“

Finn nickte und zog die Schultern nach oben, als wäre das ja von vorn herein klar gewesen.

„Erzähl! Muss ich dir alles aus der Nase ziehen?“

„Es gibt nicht viel zu erzählen, ich hab den Job, weil ich meiner neuen Chefin einen Kaffee gebracht habe.“

Rob zog die Augenbrauen hoch: „Muss ich das jetzt verstehen?“

„Ich verstehe es ehrlich gesagt selbst nicht! Ja, ich hätte mich besser informieren sollen, ich dachte schon sie schickt mich jeden Augenblick wieder raus, da bat sie mich ihr einen Kaffee zu holen und weil ich das ohne Zögern getan habe, hat sie mir den Job gegeben.“

„Die Alte ist doch nur scharf auf dich! Lass mich raten: Fett, hässlich und eine Frisur wie Angela Merkel?“

„Ja, so ungefähr!“

Sharon Wittaker sass noch in ihrem Büro. Sie packte ihre Tasche, warf einen Blick in das Ortungssystem des SI und machte sich auf den Weg. Sie parkte unweit des 4. Akts und schaute noch kurz in den Rückspiegel. Sie öffnete den Knoten, der ihr Haar streng nach hinten hielt und ihre langen blonden Haare fielen auf ihre Schultern. Sie richtete sie kurz mit den Fingerspitzen, zog ihr Jackett aus und öffnete den obersten Knopf ihrer Bluse. Sie wollte nicht zu geschäftlich wirken. Dann stieg sie aus und machte sich auf den Weg in den 4. Akt.

Finn sass mit dem Rücken zur Tür. Als Sharon Wittaker die Bar betrat, entdeckte Rob sie zuerst.

„Wow, da kommt ja gerade ein Gerät rein.“

Finn schüttelte, belustig über die Art wie Rob über Frauen redete, den Kopf und drehte sich um. Seine Augen weiteten sich, er konnte nicht glauben, wen er da sah. Was für ein Zufall! Schnell drehte er den Kopf wieder zurück: „Das ist meine neue Chefin!“

„DAS ist deine Chefin?“ fragte Rob ungläubig. „Du hast aber eine komische Vorstellung von dick und hässlich.“

„Ich muss ihr wohl kurz hallo sagen gehen!“

„Ich komm mit!“

Dabei war es Finn zwar nicht wohl, aber er liess ihn gewähren. Die beiden liefen auf den Tisch zu, an den sich Sharon gesetzt hatte und gerade ein Glas Weisswein bestellte.

„Guten Abend! Was für ein Zufall, Sie hier zu treffen!“ begegnete ihr Finn.

„Guten Abend Herr Carter! Ja, so ein Zufall!“ Sie wirkte überhaupt nicht überrascht.

„Dürfen wir uns zu Ihnen setzen?“ fragte Rob waghalsig.

Finn warf ihm einen bösen Blick zu und wandte sich dann an Sharon: „Bitte entschuldigen Sie meinen Freund, er ist manchmal…“

Sie unterbrach ihn: „Kein Problem! Um ehrlich zu sein, würde ich gerne einen kurzen Moment mit Ihnen unter vier Augen reden, Herr Carter.“ Sie schaute einen Moment lang Finn in die Augen und blickte dann auffordern zu Rob. Auch Finn blickte Rob an, der noch keine Anstalten machte, weggehen zu wollen.

„Es geht um meinen neuen Job! Du sagst doch, das sei wichtig! Nur einen kurzen Augenblick! Bitte!“

Widerwillig nickte Rob schliesslich und zog sich zurück an den Tresen.

Finn setze sich. Sharon bedankte sich für den Weisswein, der ihr gerade serviert wurde und nahm einen Schluck.

„Sie fragen sich jetzt sicher gerade, ob es solche Zufälle wie diesen hier, geben kann.“

„Es gibt sie, wie man sieht!“

„Was, wenn ich Ihnen sage, dass es kein Zufall ist?“

„Wenn es kein Zufall ist, sind Sie mir gefolgt. Sie haben meine Adresse und haben vor meiner Wohnung gewartet, bis ich das Haus verlassen habe.“

„Denken Sie wirklich, ich hatte den ganzen Tag über nichts Besseres zu tun, als den neuen Mitarbeiter zu stalken?“

Finn glaubte selbst nicht daran, was er da gerade gesagt hatte und zuckte mit den Schultern.

Sharon zog ihr Smartphone hervor und tippte etwas ein: „Werfen Sie bitte einen kurzen Blick auf Ihr Handy!“

Finn verstand nicht, worauf sie hinaus wollte, tat aber wie geheissen. Entsetzt stellte er fest, dass der Browser geöffnet war, mit der Website des SI. Ausserdem war eine Notiz offen, in der stand „Einen netten Gruss von Ihrer neuen Chefin!“ Er blickte hoch und starrte sie fragend an.

„Die heutige Technologie eröffnet ungeahnte Möglichkeiten. Wir denken, unser Smartphone sei privat. So privat ist es leider nicht. Wir haben einen Trojaner in unserem WLAN, der jedes Smartphone, das unsere Büroräumlichkeiten betritt, infiziert. Dadurch können wir jederzeit jede Person orten, die uns schon einmal besucht hat. Ich brauchte Sie daher gar nicht den ganzen Tag zu observieren, um zu wissen wo Sie sind.“

Finn begriff schnell: „Ok, Sie beobachten also unter anderem wo sich Ihre Mitarbeiter aufhalten. Ist das nicht ein wenig übertriebene Kontrolle? Sie hätten mich ja auch einfach fragen können, wo ich bin. Ich hätte es Ihnen gesagt. Nachts bin ich übrigens meistens in meinem Bett, wenn Sie mir da Gesellschaft leisten möchten…“ witzelte er.

Sharon antwortete nicht sofort darauf. Ihr Blick verriet, dass sie sich diese Situation durch den Kopf zu gehen lassen schien. Er konnte sich nicht helfen, er fand sie wirklich sehr hübsch. Er konnte der Versuchung nicht widerstehen, ihr ein ehrliches Lächeln zu schenken.

Sie lächelte kurz zurück, dann unterbrach sie den Moment der Stille:

„Es geht nicht um Sie! Ich werde Ihren Standort nicht kontrollieren. Ich bin hier, um Ihre Aufmerksamkeit zu wecken. Sie werden diese Begegnung heute Abend erstmal nicht einordnen können. Das ist völlig okay. Sie beginnen ja erst morgen mit der Arbeit. Und ich hoffe, Sie werden diese Arbeit dadurch mit viel Interesse und Elan ausüben.“

„Das habe ich vor!“

„Sehr gut! Ich bin übrigens Sharon! Ich glaube, Sie sind ein Mensch, der den Respekt auch mit dem Du wahren kann.“

Er nickte: „Finn!“

Sie leerte den Rest ihres Weins in einem Zug und legte einen Zehner auf den Tisch. „Sehr schön, Finn! Es hat mich sehr gefreut! Ich wünsche dir und deinem Freund noch einen schönen Abend. Trinkt nicht so viel, morgen beginnt die Arbeit!“

Mit einem wieder arrogant wirkenden Lächeln stand sie auf, verabschiedete sich und verliess das Lokal. Finn hatte tatsächlich Mühe, einzuordnen, was gerade passiert war. Er stand auf und setzte sich wieder zu Rob.

„Was war das denn jetzt?!“ wollte er wissen.

„Ich habe keine Ahnung! Anscheinend hat sie mein Handy geortet und mich deswegen hier besucht!“

„Die Alte ist heiss, aber sie hat einen Schuss! Pass bloss auf!“

Finn schaute ihn an, sagte aber nichts. Er nahm noch einen Schluck Bier. Danach würde er nach Hause gehen, er wollte morgen fit sein.

Der erste Arbeitstag

Heute stand Finn problemlos auf, als der Wecker klingelte. Er wusste nicht, woher der Elan kam, der ihn beinahe freudig antrieb, aber er war da. Er erledigte seine morgendlichen Rituale und war früher in der SI, als erwartet. Sharon war bereits in ihrem Büro und arbeitete. Ein Workaholic, dachte Finn. Hat sie ein Privatleben? Und wieder musste er sich daran erinnern, dass ihn das nichts angeht.

Sharon begrüsste ihn, sie erkundigte sich, ob er denn noch einen lustigen Abend gehabt habe, trank mit ihm einen Kaffee und stellte ihn den anderen Mitarbeitern vor, bevor sie ihm schliesslich seinen neuen Arbeitsplatz zeigte, ihn anwies, sich einzurichten und sie danach in ihrem Büro für eine Einweisung aufzusuchen. Das tat er.

„Bitte Finn, nimm Platz!“ Er setzte sich wieder auf einer der Besucherstühle gegenüber ihrem Schreibtisch. Ihm waren die Überwachungskameras aufgefallen, die überall in der SI installiert waren: „Du magst Kontrolle?“ fragte er mit einem Zwinkern.

„Wir werden kontrolliert. Da habe ich mir gedacht, es wäre besser selbst auch zu kontrollieren und nötigenfalls eigene Beweise zu haben. Keine Angst, es geht nicht darum, zu kontrollieren, ob meine Mitarbeiter zwischendurch mal auf Facebook sind!“ Auch sie zwinkerte. „Dann zur Sache: Ich vermute, du hast nicht die geringste Ahnung, was die Swiss Independent ist.“

Er antwortete verlegen: „Um ehrlich zu sein, vermute ich, dass es um unabhängige Berichterstattung geht. Viel mehr weiss ich zugegebenermassen nicht.“

„Das dachte ich mir! Dann werde ich zuerst mit einem kurzen Werdegang beginnen. Ich habe vor 5 Jahren damit angefangen eine kleine, unbedeutende Online-Nachrichtenplattform zu betreiben. Anfangs waren es lediglich aktuelle Themen aus einem anderen Blickwinkel betrachtet. Ich bezog meine Informationen nicht aus den grossen Nachrichtenagenturen, sondern las die verschiedenen Berichte der grossen Zeitungen und Fernsehnachrichten, verglich sie miteinander und recherchiert im Internet um sie in einen grösseren Kontext zu setzen. Meine Berichte fanden nach und nach mehr Anklang und ich konnte schnell die ersten Printausgaben drucken lassen. Heute habe ich 10 Mitarbeiter, die sich den verschiedensten Themen annehmen. Unser Journal erscheint wöchentlich und umfasst jeweils rund 70 Seiten im A4-Hochglanzformat. Einige meiner Mitarbeiter beschäftigen sich zurzeit mit den diversen Kriegen, mit der Flüchtlingskrise, mit der Innenpolitik der Schweiz. Andere nehmen sich hauptsächlich TTIP und GMO-Food, das Aussterben des Regenwaldes oder der Ausbeutung von Tieren in Zusammenarbeit mit dem WWF vor. Vermutlich sagt dir Anonymous etwas, wir haben sehr direkten Kontakt mit einigen dieser Leute.

Ich kann dir empfehlen, die eine oder andere Ausgabe bei Gelegenheit durchzublättern, ist selbstverständlich alles online. Die Handhabung von Google muss ich dir wohl nicht erklären.“ Sie zwinkerte ihm zu.

Er lächelte verschmitzt: „Nein, da weiss ich Bescheid! Entschuldige die Frage, aber wieso hat denn die SI einen solchen Erfolg? In 5 Jahren vom unbedeutenden Online-Blättchen, verzeih mir den Ausdruck, zu einem unabhängigen Print-Journal mit 10 Mitarbeitern? Wenn die Informationen auf den Berichten der grossen Zeitungen beruhen, steht in der SI denn etwas anderes?“

Sharon nickte, um ihm zu verstehen geben, dass sie verstand was er meinte: „Wenn man das nicht selbst einmal gemacht hat, ist es tatsächlich schwierig, das nachvollziehen zu können. Aber daran werden wir arbeiten.“

Sie stand auf und warf einen Blick über Zürich, der die grosse Glasfront hinter ihrem Schreibtisch gewährte, wirkte verträumt. Sie dachte nach, wie sie am besten vermitteln konnte, was sie meinte: „Ich gebe dir ein Beispiel: Der Überwachungsstaat, das Nachrichtendienstgesetz, über das wir demnächst abstimmen. Darüber wird in den Medien sehr wohlwollend berichtet. Die Vorteile der Sicherheit werden hervorgehoben, man könne damit Terror bekämpfen. Die NSA macht das inoffiziell ja bereits alles, wieso haben sie denn die Terroranschläge in Paris nicht verhindert? Bedenken bezüglich Überwachungsstaat liest du in den Mainstream-Medien fast keine, obwohl viele Leute grosse Bedenken haben. Es gibt unzählige Proteste und ein Referendum dagegen. Wenn sich so viele Menschen kritisch äussern, sollte man das doch zumindest ernst nehmen und darüber berichten! Wollen wir wirklich zurück zu Stasi-Zeiten? Wenn jemand wie Snowden dann die Wahrheit ans Licht bringt, wird er in den Medien als Verbrecher dargestellt.“

„Nun, es dient ja der Sicherheit. Wenn man nichts zu verstecken hat, muss man auch nichts befürchten.“

„Hast du nichts zu verstecken? Dann hast du aber ein ziemlich langweiliges Leben!“ Sie zwinkerte: „Ich habe etwas zu verstecken. Was zum Beispiel bei mir im Schlafzimmer läuft geht niemanden etwas an. Und wenn dort gar nichts läuft, muss es erst recht niemand wissen.“

Finn musste ein paar abschweifende Gedanken unterdrücken.

„Der Überwachungsstaat kann keine Lösung sein. Er schränkt unsere Freiheit ein, er fördert die Zensur des Internets, unterbindet die freie Meinungsäusserung und bringt absolut gar nichts. Dann vereinbart halt Terrorist 1 mit Terrorist 2 in einem persönlichen Gespräch, das Veilchen fortan für Bomben stehen und Rosen für Maschinengewehre. Wenn sie zukünftig miteinander twittern und die Veilchen und Rosen geliefert wurden, denkt jeder sie planen eine Hochzeit. Es ist doch naiv anzunehmen, dass der Terror seinen Weg nicht findet, deswegen müssen wir unsere Freiheit nicht einschränken lassen. Es geht niemanden etwas an, wonach ich im Internet suche, welche Videos ich mir ansehe, und was ich auf Facebook poste. Und ich will nicht als potentieller Terrorist gelten, nur weil ich bei der Recherche Propaganda-Videos der IS anschaue. Mir ist bewusst, dass das die NSA bereits alles weiss, ich werde wohl so schnell nicht mehr in die USA fliegen. Aber deswegen muss ich ja nicht mein Einverständnis dazu geben, in dem ich dafür stimme. Das Ganze funktioniert nämlich auch umgekehrt. Sie können mir Dateien auf meinen Computer laden und mich danach deswegen einsperren! Was bringt es, dass der Staat in der Bevölkerung nach Terroristen sucht, wenn die grössten Terroristen die Staatsüberwacher selbst sind?“

„Ist das jetzt nicht ein bisschen paranoid?“

„Wenn du wüsstest, was ich alles weiss, würdest du das nicht fragen. Aber du kannst es ja noch nicht wissen.“

Finn lenkte ein: „Nun, dann werde ich das einmal versuchen. Also ich meine die verschiedenen Berichte ansehen, vergleichen und dazu im Internet recherchieren.“

Sharon drehte den Kopf zu ihm und sah ihn freudig an, als hätte er etwas gesagt, das sie hören wollte: „Sehr schön! Genau das wäre nämlich meine erste Aufgabe für dich! Ich habe noch eine kurze Information zu den Arbeitsbedingungen. Ich habe dir deinen Schreibtisch gezeigt. Du kannst ihn nutzen oder den Laptop, der dir zur freien Verfügung steht mit nach Hause nehmen und dort recherchieren. Es ist dir freigestellt, wo du besser arbeiten kannst. Du hast eine Woche Zeit. Wir treffen uns nächsten Mittwoch, um 08:00 Uhr hier und dann präsentierst du mir deine Ergebnisse. Ich habe auch ein konkretes Thema für dich: Der Syrien-Konflikt! Eine Frage hätte ich vorab: „Was weisst du schon über diesen Krieg?“

Finn zuckte mit den Schultern: „Nun, da ist der IS.“

„Ist das alles?“

„Die Menschen flüchten vor dem IS.“

Sharon lächelte wohlwollend: „Wenigstens sprichst du nicht von ISIS, dem Islamischen Staat in Syrien, sondern vom IS, dem Islamischen Staat. Sie haben sich im Sommer 2014 umbenannt. Die Idioten wollen expandieren!“

Finn musste schmunzeln, obwohl das kein lustiges Thema war.

„Ich möchte es also bis in einer Woche etwas genauer von dir wissen. Wer kämpft da gegen wen, wie fing das an, wer hat welche Ziele, trag so viele Informationen zusammen, wie du kriegen kannst!“

„Also, ich hab jetzt eine Woche Zeit um zu recherchieren, was in Syrien genau los ist und das kann ich machen wo immer ich Lust habe?“

„Ganz genau!“

„Toller Job!“ Finns Augen strahlten, aber er wollte damit nicht ausdrücken, dass er sich jetzt eine Woche auf die faule Haut legen würde, sondern dass er motiviert war, die Aufgabe zu erfüllen.

„Super! Vielleicht sehen wir uns mal bei einem Kaffee, wenn du eher hier arbeitest, ansonsten bis in einer Woche!“

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