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2.1.2 Zur Definition des Qualitätsbegriffes

Trotz der obengenannten Einschränkungen haben verschiedene PraktikerInnen und ForscherInnen den Versuch unternommen, Dolmetschqualität zu definieren. Einen Überblick über die verschiedenen Qualitätsansätze in Ausbildung, Praxis und Forschung bietet Grbić (2008). Alle hier zu besprechen würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen, daher soll in diesem Abschnitt eine kleine Auswahl der Ansätze vorgestellt werden und gezeigt werden, wie die für die vorliegende Arbeit verwendete Definition von Qualität als kognitive Wirkungsäquivalenz zustande kommt. Für eine ausführliche Darstellung des Qualitätsbegriffs im Allgemeinen und von Qualitätskonzepten in der Dolmetschwissenschaft im Speziellen sei an dieser Stelle auf Zwischenberger (2013) verwiesen.

Geschichtlich hat sich die Qualitätsforschung im Bereich der Dolmetschwissenschaft von der rein textuellen Ebene, bei der Transkriptionen von Dolmetschungen auf von den ForscherInnen selbst bestimmte Fehlerkategorien hin untersucht wurden (Barik 1973, Gerver [1969]/2000), über die Erhebung von Erwartungen von DolmetscherInnen und NutzerInnen sowie Bewertungen von Dolmetschleistungen (z.B. Bühler 1986, Kurz 1989, 1993, Vuorikoski 1993, 1998; siehe 3.2.1) hin zu einer ganzheitlichen Betrachtung der Dolmetschung in ihrem jeweiligen situativen Kontext entwickelt (z.B. Kalina 2004, 2005, 2009, Pöchhacker 1994a, 1994b, 2001, 2012, 2013, Viezzi 1996, 1999). Ein großer Teil der Qualitätsstudien enthält dabei keine Definition von Qualität im engeren Sinne, sondern versucht sich über eine Reihe von Qualitätskriterien an den Begriff der Qualität heranzuarbeiten (vgl. Mack & Cattaruzza 1995: 37). Dies ist, wie Garzone (2003: 23) feststellt, vor allem auf die Komplexität der Materie und die daraus resultierende Schwierigkeit einer eindeutigen Definition zurückzuführen.

Neben dem textbasierten Vergleich von AT und ZT wie bei Barik (1973) und Gerver ([1969]/2000) kommen in der Qualitätsforschung in der Dolmetschwissenschaft vor allem Erwartungserhebungen, Beurteilungen von Dolmetschungen durch verschiedene Zielgruppen sowie Messungen der Verständlichkeit des ZT zum Einsatz. Vor allem bei der Untersuchung lautsprachlicher Dolmetschungen sind Erwartungserhebungen und Bewertungen am häufigsten. Bei diesen wird meist eine Reihe von Qualitätskriterien verwendet. Dabei gibt es zwar Variationen in Umfang und Nomenklatur, allgemein herrscht aber Einigkeit darüber, dass neben der inhaltlichen Korrektheit und Vollständigkeit (Treue zum Original) verschiedene sprachliche (z.B. Terminologie, Stil, Präzision des Ausdrucks) und außersprachliche (z.B. Akzent, Intonation, Flüssigkeit) Faktoren eine Rolle spielen. (z.B. Bühler 1986, Kurz 1989, 1993, Moser 1995, Collados Aís et al. 2007, Zwischenberger 2013; für einen Forschungsüberblick siehe 3.2).

Wie genau diese Kriterien zu definieren sind und wie sie zusammenwirken, wird allerdings selten näher ausgeführt. Häufig sind Studien zu finden, in denen Kriterien von verschiedenen NutzerInnengruppen oder auch DolmetscherInnen nach ihrer Wichtigkeit bewertet werden oder Dolmetschungen nach diesen Kriterien beurteilt werden. Grundsätzlich zeigt sich dabei, dass unterschiedliche Zielgruppen unterschiedliche Vorstellungen von Qualität haben. So sind DolmetscherInnen andere Aspekte wichtig als NutzerInnen, und auch unterschiedliche NutzerInnengruppen legen auf unterschiedliche Merkmale Wert. Hinzu kommt häufig eine Diskrepanz zwischen den Qualitätsmerkmalen, die bei a priori-Befragungen als wichtig bezeichnet werden, und jenen, die bei einer Bewertung einer tatsächlichen Dolmetschung als relevant empfunden werden. Dies liegt zum Teil daran, dass zumindest NutzerInnen wohl oft nur eine recht abstrakte Vorstellung davon haben, was ihnen bei einer Dolmetschung wichtig ist, und bei der Bewertung einer konkreten Dolmetschung oft auf ganz andere Faktoren Wert legen, kann teilweise aber auch darauf zurückzuführen sein, dass in den Befragungsbögen abstrakte oder schwer greifbare Begriffe wie „Qualität“ oder „Redeflüssigkeit“ nicht definiert werden und daher nicht sichergestellt werden kann, dass tatsächlich alle Befragten bei der Beantwortung von derselben Definition ausgehen (vgl. Collados Aís 2015: 337f.). Schließlich kommen mögliche unterbewusste Einflussfaktoren hinzu, z.B. der erste Eindruck der NutzerInnen, der Auswirkungen auf die Bewertung der Dolmetschung haben kann (vgl. García Becerra 2011), sodass z.B. eine unflüssige Dolmetschung womöglich als inhaltlich schlechter eingeschätzt wird als eine inhaltlich identische flüssige Dolmetschung (vgl. Garzone 2003). Auf diese und andere methodische Schwierigkeiten wird in 3.2.3 näher eingegangen.

Trotz all dieser Einschränkungen lässt sich allerdings feststellen, dass sowohl DolmetscherInnen als auch RezipientInnen die Übereinstimmung des ZT mit dem AT als wichtigstes Merkmal betrachten. Dieses Merkmal wird wahlweise als „accuracy“, „fidelity“ oder auch „sense consistency with the original“ bezeichnet, grundsätzlich ist damit aber stets gemeint, dass der Zieltext den Ausgangstext möglichst getreu wiedergeben soll. Ebenfalls häufig genannt wird „clarity“, was sich eher auf die Kohärenz und Nachvollziehbarkeit des ZT bezieht (Pöchhacker 2001: 413). Merkmale, die sich auf die sprachliche Form, prosodische Elemente und außersprachliche Faktoren beziehen, werden im Vergleich zu den inhaltsbezogenen Merkmalen meist als weniger wichtig eingeordnet, unter diesen wird jedoch der Redeflüssigkeit meist die bei weitem höchste Wichtigkeit eingeräumt (vgl. Collados Aís 2015: 337, Pradas Macías 2015: 166).

Neben der Literatur zu Qualitätsparametern gibt es auch eine Reihe von Qualitätsmodellen und -definitionen, die von einem eher holistischen Ansatz ausgehen, bei dem nicht nur Merkmale des Zieltextes, sondern auch Merkmale des Ausgangstextes sowie externe, kontextabhängige Faktoren wie Vorbereitung, Publikum oder Dolmetschsituation zur Qualität beitragen.

So schlägt Kopczyński (1994: 189f.) vor, bei Dolmetschungen zwischen sprachlicher und pragmatischer Qualität zu unterscheiden. Die sprachliche Qualität sieht er dabei als „a set of rigid standards of equivalence in content and form between the spoken messages in L1 and L2“ (Kopczyński 1994: 189), während in der pragmatischen Sichtweise Qualität keine absolute Größe sein könne, da sie durch kontextabhängige Variablen wie die RednerIn, die ZuhörerInnen, deren Intentionen und die Dolmetschsituation beeinflusst werde. Moser-Mercer (1996) prägt den Begriff „optimum quality“, den sie wie folgt definiert:

Optimum quality in professional interpreting implies that an interpreter provides a complete and accurate rendition of the original that does not distort the original message and tries to capture any and all extralinguistic information that the speaker might have provided subject to the constraints imposed by certain external conditions. (…) Optimum quality is the quality an interpreter can provide if external conditions are appropriate. (Moser-Mercer 1996: 44)

In beiden Fällen wird externen Faktoren ein Platz eingeräumt, weder Moser-Mercer (1996) noch Kopczyński (1994) definieren dabei allerdings, was eine vollständige, korrekte oder treue Dolmetschung im Detail ausmacht. Zudem sieht Moser-Mercer Fehlerkategorien für die Bewertung von Dolmetschqualität als unabdingbar an (1996: 51).

Mack & Cattaruzza (1995) gehen von einer eher rezipientInnenorientierten Sichtweise aus, bei der Qualität als die Erfüllung von NutzerInnenerwartungen betrachtet wird:

As is the case for many other products or services, quality of conference interpretation could be defined as the interpreter’s capability to perform the function offered or required. An important aspect of quality would thus be the degree to which customers’ needs are met. (Mack & Cattaruzza 1995: 38)

Auch laut Kurz (2001) sollte für DolmetscherInnen als DienstleisterInnen die Erfüllung der KundInnenerwartungen im Vordergrund stehen, wobei sie aber auch betont, dass im Fall von falschen Vorstellungen der KundInnen die DolmetscherInnen diese informieren können und sollen.

Eine Kombination aus RezipientInnen- und RednerInnenorientierung wird bei Shlesinger (1997) als mögliches Qualitätsmaß besprochen, allerdings durchaus kritisch. So wird darauf hingewiesen, dass ZuhörerInnen allein die Qualität einer Dolmetschung nicht beurteilen könnten, da sie einerseits den AT nicht verstehen, andererseits (wie bereits oben erwähnt) keine homogenen Erwartungen haben. Zudem merkt sie unter Bezugnahme auf Viezzi an: „quality is a feature of an interpreter’s performance even when nobody is listening“ (Shlesinger 1997: 127).

Kalina (2004, 2005, 2009) wendet sich von der ausschließlich rezipientInnenorientierten Perspektive ab, da Dolmetschqualität ihrer Ansicht nach „nicht allein das ist, was von Zuhörern als solche wahrgenommen wird“ (Kalina 2009: 172). Vielmehr gilt für sie ein prozessorientierter Ansatz, in dem Qualität „der gelungene Einsatz von Dolmetschstrategien zur Lösung von Problemen im Verstehensvorgang, zur Erreichung translatorischer Lösungen und zur erfolgreichen Produktion des ZT“ ist (Kalina 2009: 171). Dabei ist für sie nicht die DolmetscherIn allein für Qualität zuständig (Kalina 2004: 6). Vielmehr ist Qualität beim Dolmetschen ihrer Ansicht nach von einer Vielzahl von Faktoren wie Erfordernissen und Präferenzen der KommunikationsteilnehmerInnen, der Situation, der Qualität des AT und der Vortragsweise der RednerIn abhängig, sodass man nicht von einer festgelegten Qualitätsnorm sprechen könne, die immer erreichbar sei, sondern die Definition von Qualität stets an die Bedingungen der jeweiligen Dolmetschsituation geknüpft sei (Kalina 2009: 177).

Ähnlich sehen es Chiaro & Nocella (2004), die zum Abschluss ihrer Erhebung von Qualitätskriterien unter DolmetscherInnen feststellen, dass sich zwar einige Kriterien festmachen ließen, die die Grundlage für eine Qualitätsdefinition darstellen könnten, diese Kriterien aber nicht allein von den DolmetscherInnen beeinflusst werden könnten:

There appears to be an element of uncontrollability inherent to the interpretative process that is obviously linked to the ‘speaker-interpreter-environment’ triad. This triad, according to us, appears to generate both technical and personal difficulties as well as variables that are highly dependent on the context of the situation. None of these elements are easy to postulate a priori. In conclusion, the absence of quality standards that characterises the work of professional interpreters appears to be linked to the uniqueness of the interpreting process itself. (Chiaro & Nocella 2004: 291)

Die Bedingungen, unter denen eine Dolmetschung entsteht, sind auch für Garzone (2003) für die Qualitätsdefinition von Bedeutung. Für sie muss die Beurteilung von Qualität durch die ZT-ProduzentInnen und RezipientInnen stets ein Kompromiss zwischen der Vorstellung einer „idealen“ Dolmetschqualität und den realistischeren Erwartungen, die unter den tatsächlichen Bedingungen angemessen sind, bleiben (Garzone 2003: 24). Sie stellt fest:

Of course, in professional practice interpreters try to live up to those ideal quality standards, but in general they work in a situation of continuous emergency due to severe time constraints, to cognitive overload (…). Thus, in order to meet the best possible quality standards the interpreter’s behaviour has to incorporate a whole range of emergency procedures: ultimately, the quality of a SI performance is the result of a compromise between abstract standards and the constraints imposed by the real conditions under which it is performed. (Garzone 2003: 24f.)

Eine produktorientierte Betrachtungsweise der Dolmetschung als „Text“, der sowohl akustische als auch visuelle Elemente enthält und als Ganzes eingebettet in ein Verständnis der Konferenz als Hypertext betrachtet werden sollte, findet sich bei Pöchhacker (1994a, 1994b), der sich für eine sorgfältige Dokumentation nicht nur der Dolmetschung sondern auch der Begleitumstände zur Beurteilung einer „quality under the circumstances“ (Pöchhacker 1994b: 242) ausspricht. Wie Moser-Mercer (1996) und Kalina (2009) sieht er Qualität also nicht als absolute Größe, sondern als von den jeweiligen Bedingungen beeinflusst.

Viezzi (1996, 1999) stellt ein Qualitätsmodell auf, in dem Qualität als der Erfüllungsgrad der vier Ziele equivalenza, accuratezza, adeguatezza und fruibilità definiert ist (Viezzi 1996: 79). Dabei betont er, dass unter equivalenza (Äquivalenz) nicht eine völlige Übereinstimmung zu verstehen sei, sondern vielmehr die Gleichwertigkeit zweier unterschiedlicher Elemente. Er verortet sie auch nicht auf der rein sprachlichen Ebene, sondern vielmehr im Bereich der kommunikativen Funktion, der soziokommunikativen Werte und der globalen Bedeutung des Textes. Das Ziel der Äquivalenz ist demnach die Produktion eines ZT, der die gleiche kommunikative Wirkung hat wie der AT und der zur Kultur der Zielsprache im gleichen Verhältnis steht wie der AT zur Kultur der Ausgangssprache. (Viezzi 1999: 146f.) Das Ziel der Äquivalenz ist eng mit den anderen drei verbunden: accuratezza (Präzision) bezieht sich auf die sprachliche Ebene, wobei auch hier keine absolute Übereinstimmung postuliert wird, adeguatezza (Angemessenheit) bezieht sich auf notwendige Anpassungen an die Zielkultur sowie das Sprachregister, und fruibilità (Verwertbarkeit) zielt darauf ab, den Zieltext für die RezipientInnen so gut verwertbar bzw. verständlich zu machen wie möglich, wozu neben einer klaren Ausdrucksweise auch prosodische Merkmale wie Intonation, Pausen, Stimmqualität, Häsitationen und Selbstkorrekturen zählen. (Viezzi 1999: 147–150)

Déjean Le Féal (1990) ist der Meinung, dass eine professionelle Dolmetschung den gleichen kognitiven Inhalt und die gleiche Wirkung auf die ZuhörerInnen haben sollte wie der Ausgangstext:

What our listeners receive through their earphones should produce the same effect on them as the original speech does on the speaker’s audience. It should have the same cognitive content and be presented with equal clarity and precision in the same type of language. Its language and oratory quality should be at least on the same level as that of the original speech, if not better, given that we are professional communicators, while many speakers are not, and sometimes even have to express themselves in languages other than their own. (Déjean Le Féal 1990: 155)

Sowohl Déjean Le Féal (1990) als auch Kalina (2009) sprechen sich für den Vergleich der Wirkung auf AT- und ZT-RezipientInnen aus, was in 2.1.3 näher ausgeführt wird.

Bereits Jean Herbert (1952) legte großen Wert auf die gleiche Wirkung und den gleichen Inhalt von AT und ZT: Die zentrale und unmittelbare Aufgabe von DolmetscherInnen bestand für ihn darin, „to enable his audience to know accurately what the speaker intended to convey, and to make on the audience the impression which the speaker wishes to be made“ (Herbert 1952: 23).

Ähnlich, wenn auch ohne Hinweis auf die Wirkung, formuliert es Seleskovitch (1988), die schreibt:

Ziel des Dolmetschers ist es, seinen Zuhörern die Aussage absolut getreulich weiterzuvermitteln, das heisst, sie ihnen ebenso gut verständlich zu machen, wie sie von denen verstanden worden ist, die sich den Redner im Original anhören. (Seleskovitch 1988: 101)

Auch Vuorikoski ist der Meinung, die Dolmetschung solle den ZuhörerInnen einen Eindruck der Rede vermitteln „which is equal to the one they would have created had they been listening to the original speech directly“ (Vuorikoski 2004: 71), analysiert dies aber über einen Vergleich des AT und ZT. Sie schlägt eine Neuformulierung der oben zitierten Qualitätserwartung von Déjean Le Féal vor:

What the listeners receive through interpreters should convey the same arguments as expressed by the speaker. The genre, register, and illocutionary point should remain the same. In other words, the speaker’s logos, pathos and ethos should be conveyed to the listeners. (Vuorikoski 2004: 250)

Das Prinzip der gleichen kommunikativen bzw. kognitiven Wirkung sieht auch Pöchhacker (2012: 23) als Qualitätsanspruch für Dolmetschungen. Bereits 1997 fordert Pöchhacker die Untersuchung des kognitiven Endergebnisses der Dolmetschung als Instrument der Qualitätsbeurteilung (Shlesinger 1997: 130). Gerade aufgrund der großen Bandbreite von Einsatzbereichen und Situationen spricht er sich gegen eine rein sprachliche Betrachtung von Qualität aus:

(T)he concept of quality cannot be pinned down to some linguistic substrate but must be viewed also at the level of its communicative effect and impact on the interaction within particular situational and institutional constraints. (Pöchhacker 2001: 421)

Kalina (2005: 774) stellt allerdings die kritische Frage, ob es zwischen den ZuhörerInnen des AT und ZT nicht auch aus kulturellen oder anderen Gründen zu einer unterschiedlichen Wirkung kommen könne, die nicht unbedingt auf die Dolmetschung zurückzuführen sei. Wie Reithofer (2014: 30) anmerkt, stellt sie damit auch die Forderung nach Äquivalenz in Frage – ein Begriff, der, anders als in der Übersetzungswissenschaft, in der Dolmetschwissenschaft bisher kaum kritisch hinterfragt wurde. In Anbetracht der von DolmetscherInnen wie NutzerInnen häufig gestellten Forderung nach „sense consistency“, die als „Forderung nach Aktivierung des gleichen kognitiven Inhalts bei AT- und ZT-Publikum“ (Reithofer 2014: 30) verstanden werden könne, sei die Verwendung des Äquivalenzbegriffs jedoch gerechtfertigt. Auch bei den im Rahmen des QuaSI-Projektes von Zwischenberger (2013) durchgeführten großangelegten Befragungen von Mitgliedern des internationalen Dolmetscherverbandes AIIC und des deutschen Verbands der Konferenzdolmetscher (VKD) ging „sense consistency with the original“ bzw. „Sinnübereinstimmung mit dem Original“ als wichtigstes Kriterium hervor (Zwischenberger 2013: 199f.). Daher wird in der vorliegenden Arbeit der Begriff der kognitiven Wirkungsäquivalenz verwendet.

Der Begriff kognitive Wirkung ist in der vorliegenden Arbeit der Wirkung der „Botschaft“ der Dolmetschung vorbehalten (vgl. Pöchhacker 2013: 41), während der allgemeinsprachliche Begriff Verständlichkeit in Fällen verwendet wird, in denen die zitierten AutorInnen nicht explizit von kognitiver Wirkung sprechen und somit nicht gesichert ist, dass in den entsprechenden Arbeiten diese Definition angewandt wurde. Die kognitive Wirkung bzw. Verständlichkeit als Eigenschaft der Dolmetschung muss auch vom Verstehen als kognitiver Leistung der RezipientInnen abgegegrenzt werden. Das kognitive Endergebnis bzw. Verständnis wiederum ist das Resultat des Verstehensprozesses. Im in der vorliegenden Arbeit beschriebenen Experiment wird das kognitive Endergebnis mittels Hörverständnistest gemessen und die ProbandInnen werden nach der subjektiven Einschätzung des eigenen Verständnisses gefragt, wofür in der Auswertung auch der Begriff subjektives Verständnis verwendet wird.

Nachdem in diesem Abschnitt der Qualitätsbegriff für die vorliegende Arbeit herausgearbeitet und die dazugehörige Terminologie erklärt wurde, wird im nächsten Abschnitt dessen Operationalisierung besprochen.

2.1.3 Operationalisierung des Qualitätsbegriffs

In der wissenschaftlichen Diskussion muss zwischen einem theoretischen Konstrukt und dessen Operationalisierung unterschieden werden. In den vorhergehenden Abschnitten wurde das Konstrukt der Qualität herausgearbeitet: In 2.1.1 wurde festgestellt, dass zur Bestimmung der Qualität der Dienstleistung Dolmetschung sowohl der produktbezogene Qualitätsbegriff als auch die subjektive Bewertung durch die KundInnen (ZT-RezipientInnen) berücksichtigt werden sollten. Aufbauend darauf wurde in 2.1.2 Dolmetschqualität für die Zwecke der vorliegenden Arbeit als kognitive Wirkungsäquivalenz definiert, die hier als produktbezogener Qualitätsbegriff betrachtet werden soll. Bis auf die stets als sehr wichtig eingestufte Sinnübereinstimmung mit dem Original, die bereits im produktbezogenen Qualitätsbegriff enthalten ist, variieren KundInnenerwartungen, wie bereits erwähnt, unter verschiedenen Zielgruppen sehr stark (siehe auch 3.2.1). Man kann also nicht von einer allgemeingültigen, homogenen Definition von Qualität für DolmetschnutzerInnen ausgehen. Vielmehr ist es sinnvoll, die wahrgenommene Dienstleistungsqualität für die jeweiligen NutzerInnen individuell zu erheben. In diesem Abschnitt soll nun festgelegt werden, wie diese Aspekte messbar gemacht, also operationalisiert, werden sollen.

Wie in 2.1.2 gezeigt wurde, postulieren verschiedene Dolmetschwissen­schaft­lerInnen und PraktikerInnen (z.B. Herbert 1952, Seleskovitch 1988, Déjean Le Féal 1990), dass AT und Dolmetschung die gleiche Wirkung auf ihre jeweiligen RezipientInnen haben sollten; Methoden zur Messung der Erreichung dieses Ziels werden jedoch nicht immer besprochen. In der Skopostheorie (Vermeer 1978: 101) gilt eine Translation als erfolgreich, wenn vom Empfänger kein Protest eingelegt wird. Dies lässt sich jedoch schwer messen und Protest von RezipientInnen kommt in der Praxis zumindest in nicht-dialogischen Dolmetschsettings wohl kaum vor. Déjean Le Féal merkt an, dass man bei Diskussionen auch das Funktionieren der Kommunikation als Zeichen einer geglückten Dolmetschung ansehen könne, was aber nicht mit der Erfüllung der Qualitätsstandards gleichgesetzt werden dürfe (Déjean Le Féal 1990: 156). Sie schlägt daher zur Beurteilung der Verständlichkeit einer Dolmetschung vor, das Verständnis einer „typischen“ DolmetschrezipientIn mit jenem einer vergleichbaren RezipentIn des AT zu vergleichen (Déjean Le Féal 1990: 159). Auch Kalina (2009) spricht sich für einen Vergleich von AT- und ZT-Wirkung aus, da Beurteilungen des ZT durch die RezipientInnen lediglich der Überprüfung der ZT-Rezeption dienen könnten (Kalina 2009: 172):

Dieser Vergleich wäre jedoch eine wichtige Größe für die Bestimmung des Erfolgs der Wirkung des ZT, da die intendierte Wirkung des Originals auf die AT-Rezipienten für die mit der ZT-Produktion intendierte Wirkung eine Rolle spielt (…). Wenn die Relation zwischen ZT und Rezipienten im Mittelpunkt steht, so sind die Verstehensprozesse der Rezipienten einzubeziehen. (Kalina 2009: 170)

Eine tatsächliche Operationalisierung im Bereich des Lautsprachdolmetschens erfolgt zunächst allerdings nur durch Gerver (1972), der die Verständlichkeit verschiedener Dolmetschmodi mittels Hörverständnistests vergleicht, sowie über zwei Jahrzehnte später durch Shlesinger (1994). Sie setzt Hörverständnistests ein, um die Verständlichkeit von Dolmetschungen und vorgelesenen Transkripten derselben Dolmetschungen zu messen (siehe 3.3.1).

Im Bereich des Gebärdendolmetschens ist die Verwendung von Tests zur Beurteilung der Verständlichkeit von Dolmetschungen jedoch wesentlich weiter verbreitet (siehe 3.3). Bereits seit den 1970er-Jahren wurden hier einerseits verschiedene Dolmetschmodi (z.B. Murphy & Fleischer 1977, Cokely 1990, Livingston et al. 1994) oder Dolmetschungen von muttersprachlichen vs. nichtmuttersprachlichen GebärdensprachdolmetscherInnen (z.B. Llewellyn-Jones [1981]/2015) untereinander verglichen, andererseits wurde auch untersucht, ob gehörlose Personen die gebärdete Dolmetschung gleich gut verstehen wie hörende Personen die in Lautsprache gesprochenen Inhalte (z.B. Marschark et al. 2004, Napier & Spencer 2008, Rodríguez Ortiz & Mora Roche 2008).

Im Bereich des lautsprachlichen Dolmetschens wird die Messung der Verständlichkeit der Dolmetschung erst 15 Jahre nach Shlesinger (1994) an der Universität Wien wieder aufgegriffen, wo Hörverständnistests als Teil des im Rahmen des QuaSI-Projekts entwickelten funktional-kognitiven Ansatzes zur Bewertung von Dolmetschqualität (vgl. Pöchhacker 2012) zum Einsatz kommen.

In einem Pilotversuch untersucht Grübl (2010) den Einfluss der Stimmlage auf die Verständlichkeit von Dolmetschungen und vergleicht das Verständnis der Dolmetschungen mit dem des AT (siehe 3.3.2). Diese Methodik wird im QuaSI-Projekt weiterentwickelt und für die Studie zu Simultandolmetschen vs. Englisch als Lingua Franca (Reithofer 2014) sowie die Untersuchung des Einflusses der Parameter Intonation (Holub 2010) und Flüssigkeit (Rennert 2010, 2013, vorliegende Arbeit) auf die kognitive Wirkung der Dolmetschung verwendet.

Wie besprochen soll zusätzlich zu diesem produktbezogenen Qualitätsbegriff auch die kundInnenseitig wahrgenommene Qualität erhoben werden. Beim im Rahmen der vorliegenden Arbeit durchgeführten Experiment ist ein Ratingformat gut geeignet, um die subjektive Bewertung des Versuchsmaterials durch die ProbandInnen zu erheben. Die Ratingfragen können ebenso wie der Hörverständnistest in schriftlicher Form administriert werden. Diese subjektiven Bewertungen können dann den Ergebnissen des Hörverständnistests gegenübergestellt werden, um so ein mehrdimensionales Bild der Qualität zu erhalten und gleichzeitig festzustellen, ob und in welcher Weise die beiden Qualitätsperspektiven auseinandergehen.

Beispiele für die hier besprochenen und andere Methoden der Qualitätsforschung in der Dolmetschwissenschaft finden sich in Kapitel 3, in dem ausgewählte Studien vorgestellt werden, die sich mit Redeflüssigkeit als Qualitätsmerkmal befassen. Der Begriff der Redeflüssigkeit wird nachfolgend definiert.

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