Читать книгу: «Mein Garten, mein Paradies», страница 2

Шрифт:

»… während du eifrig andere Pläne machst«: Scharbockskraut

»Das Leben«, hat John Lennon gewusst, »ist das, was dir passiert, während du eifrig andere Pläne machst.« Die Einsicht, wie recht er damit hatte, wuchs mir letztes Frühjahr buchstäblich zu – und das ausgerechnet, nachdem ein Plan so grandios aufgegangen schien: Ich hatte es tatsächlich geschafft, eine beträchtliche Menge Giersch zu kompostieren. Spurlos und ohne dass er, wie von Nachbarn mit diesem genüsslich katastrophenträchtigen Unterton vorhergesagt, schon beim Versuch den ganzen Garten überrannte.

Das dominante Doldengewächs – eine der wenigen Pflanzen, deren Eroberungszügen militärische Terminologie absolut angemessen ist – hatte im vorhergehenden Frühsommer von seinem Rückzugsgebiet unter den alten Sträuchern aus unerfreulich breitflächige Geländegewinne verzeichnet und war dabei dicht an einige Pflanzen vorgerückt, auf deren Anwesenheit ich deutlich mehr Wert lege. Also grub ich eine stattliche Giersch-Menge aus und hatte ein Problem: Das üppige Laub und die viele anhängende Erde waren viel zu schade zum Wegwerfen, aber schon beim bloßen Gedanken, alle – alle! – weißen Würzelchen penibel auslesen zu müssen, spürte ich ein unterschwelliges nervöses Kribbeln. Dann lieber komplett kompostieren – unter verschärften Sicherheitsbedingungen, versteht sich.

Aus einem Schnellkomposter konstruierte ich so etwas wie einen Spezialknast für besonders gefährliche Pflanzen: Standort auf offenem Boden, damit ich jeden Ausbruch im Keim ersticken konnte, dickes Sackleinen zuunterst, darauf Strauchwerk, dann halbreifer Kompost. Dann erst kam der Giersch, mit reichlich Pferdemist unterfüttert, durchmischt und zugedeckt, damit er schleunigst möglichst hoch erhitzt wurde. Es klappte bestens: Der Giersch verging in seiner Hitzepackung so schnell, dass ihm nicht einmal mehr Zeit blieb, letzte Fluchtversuche durch die Ritzen des Komposters zu starten. Alles fiel rasant in sich zusammen, massenhaft Würmer fanden sich ein, und ich konnte auf jeder Gartenrunde mit tiefer Genugtuung den Deckel heben, um mich am rapiden Wandel des grünen Eroberers in besten Dünger zu weiden. So etwas mag Nicht-Gärtnern zwar kindisch klingen – aber Triumphe über Aegopodium podagraria sollte man wirklich mit vollem Herzen auskosten: Sie sind selten genug.

Im Herbst war alles waldduftende Erde, die ich im Hochgefühl einer gemeisterten Herausforderung über den ganzen Garten verteilte. Zurück blieb ein Rest, mit dem ich im Frühjahr die Kübelpflanzen verwöhnen wollte. So der Plan, doch es kam anders: Anfang April war der braune Hügel plötzlich dunkelgrün, flächendeckend von glänzenden herzförmigen Blättchen überzogen. Überall dort, wo ich beim Verteilen gekrümelt hatte, zogen sich ebenfalls saftig grüne Bahnen. Das konnte doch nicht etwa …? Doch. Es war Scharbockskraut – und zwar in Massen. Dass es an einigen Stellen den Giersch durchzog, hatte ich im Sommer, in dem es längst eingezogen hatte, schlicht vergessen, und damit, dass seine Brut- und Wurzelknöllchen so absolut kochfest sind, hätte ich ohnehin niemals gerechnet. So hatte mich hinterrücks das botanische Leben eingeholt: Das Scharbockskraut hatte bestens überstanden, was sogar dem Giersch den Garaus gemacht hatte, und meinen Rundum-Verbreitungsservice unverzüglich genutzt: Überall glänzten bald die typischen dunklen Blätterherzchen.

Es war die totale Niederlage, denn über viele Jahre hinweg hat es mich reichlich Handarbeit gekostet, das vermehrungsfreudige Grünzeug auf den einzigen Platz zu beschränken, auf dem es willkommen ist: auf eine dünn mit Erde bedeckte alte Betonplatte. Hier, wo – außer dem Giersch natürlich – alles andere aufgibt, öffnet es im zeitigen Frühjahr mit jedem Sonnenstrahl seine unzähligen Sternchen in einer intensiv dottergelben Leuchtfarbe, die mir normalerweise viel zu krass wäre. Nach einem langen, düsteren Winter aber ist sie nicht nur für die massenhaft anfliegenden Insekten, sondern auch für die entzugsgeplagte Gärtnerseele so etwas wie Balsam. Leider denkt etwas derart Konkurrenzkräftiges natürlich nicht daran, sich kampflos domestizieren und einschränken zu lassen, und in meiner Anfänger-Naivität hielt ich die gelben Sternchen überall zunächst auch noch für eine nette Bereicherung. Seit ich aber reichlich kraftlos um Hilfe winkende Mitgewächse aus den erstickenden grünen Teppichen befreien musste, weiß ich’s besser und schränke die wuchernde Wildpflanze rigoros ein. Entgegenkommenderweise verrät sie sich ja über eine kurze Zeitspanne durch dieses unübersehbare Gelb, leicht zu ziehen ist sie dann auch, und so kamen wir alles in allem ganz gut miteinander aus.

Bis jetzt: Diesen Frühling werde ich wohl rekordverdächtig jäten müssen, wenn nicht alles flächendeckend unter Scharbockskraut verschwinden soll, denn letztes Jahr dürfte mir während der kurzen Vegetationsperiode ein guter Teil der selbstverursachten Invasion entwischt sein. Immerhin reichlich Gelegenheit, in Ruhe darüber nachzudenken, wie sehr John Lennons weise Erkenntnis auch auf das Gärtner-Leben zutrifft!

Frühlingsgefühle

Das Wunderbare am Mai ist die Qual der Wahl. Ich weiß nie, worüber ich mich am meisten freuen soll: frisches Grün, duftende blassviolette Nachtviolenschleier, verheißungsvoll anschwellende Mohn- und Rosenknospen – oder ist es etwa doch mein ebenso winziger wie üppiger Nutzgarten? Der misst, großzügig gerechnet, etwa zwei auf zwei Meter und liegt zwischen dem großen Apfel- und dem kleinen Quittenbaum. Auf der einen Seite begrenzt ihn der rötlich knospende Burgunder am Zaun, auf der anderen das Grasfleckchen, das »Rasen« zu nennen eine Vermessenheit wäre. Um diese Jahreszeit bekommt das Stückchen Erde dazwischen noch so viel Licht, dass ich mich hier auch mal so richtig selbstversorgertüchtig und autark fühlen darf – zumindest, was Salat und Kräuter betrifft.

»MS Fischland«, das überall in Haus und Garten verbaute Schiff meines uralten Kapitäns-Vorgängers, hat lange dabei geholfen: Eine ihrer Ladeluken aus massiver Eiche ergab ein perfektes Hochbeet. In diesem silbrig verwitterten Rahmen war alles dekorativ: Lollo Rosso plus Kopfsalat, beide so eng in Reihen gesetzt, dass sie statt Köpfen besser dosierbaren Pflücksalat ergaben, ein üppiger Kresserand rundum. Rot zu Maigrün, durchsichtig-zarte zu stabilen gekrausten Blättern, dazu lila Schnittlauchblüten-Tupfer und moosgrüne Petersilie – das war unter den blühenden Bäumen so hübsch, dass es richtig schwerfiel, Löcher in dieses lebende Bild zu pflücken. Ein großer silbriger Estragon, ein bisschen Rauke, Kapuzinerkresse und reichlich von meinem Lieblingskraut Borretsch kamen dazu. Im Halbschatten hielt sich alles erstaunlich lange lecker, bevor der Salat schoss und der himmelblau blühende Borretsch übernahm.

Im letzten Frühjahr allerdings flog die keimende Kressesaat ungewohnt großflächig aus dem Beet. Das schrieb ich zunächst den Amseln zu und buchte es unter »etwas Schwund ist immer« ab. Als der gut eingewurzelte Salat nicht nur aus-, sondern auch noch zu Hügelchen aufgescharrt wurde, wunderte ich mich doch. Allerdings nicht lange: Kurz darauf rekelte sich auf dem Gras vor dem Beet eine dicke schwarze Katze, bedauerlicherweise eine mit mangelndem Urteilsvermögen: Als sie Terrier Erbse sah, blies sie sich zum doppelten Umfang auf, zischte wie ein ärgerlicher Igel und stakste dem deutlich kleineren Hund drohend entgegen. Daraufhin explodierte Erbse regelrecht, und der aggressive Eindringling schaffte es nur noch mit knapper Not über den Zaun.

Nun war alles klar: Mein Küchengarten war ein Katzenklo. Nach lauter Rasen- und Betonplatten-Biotopen rundum bot sich hier wunderschöne lockere Erde – ein Komfort, den die Mieze keinesfalls aufzugeben bereit war: Essiggetränkte Lappen am Beetrand interessierten sie kein Stück, stacheliger Rosenschnitt, der solche Probleme bisher immer gelöst hatte, zerriss mir die Finger und zerfledderte die Gewächse jämmerlich, wenn ihn die Katze allnächtlich ungerührt beiseitekratzte. Kükendraht ermunterte die nächtliche Besucherin zu akrobatischen Höchstleistungen: Sie kackte tatsächlich ungerührt durchs Gitter, überließ aber fortan mir die Aufgabe, das von ihrem Körpergewicht heruntergebogene Geflecht von ihren Hinterlassenschaften zu trennen. Der Appetit war mir längst vergangen, und so war es eine reine Trotzreaktion, als ich mit stabilerem Draht nachrüstete. Für mich waren die verbarrikadierten Gewächse nun kaum noch zu erreichen, und die Mieze wich ungerührt ins Beet direkt unter meinem Küchenfenster aus. Was nicht nur meinen Kochspaß noch weiter schmälerte, sondern auch der Katze zu einigen Nahtoderfahrungen bei unverhofften Zusammentreffen mit Erbse verhalf. Die hatte angesichts dieser ständigen Verletzung ihrer Hausrechte inzwischen den blanken Mord im Auge.

Mein Grünzeug war ungenießbar. Mein Hochbeet erinnerte an einen Raubtierkäfig. Mein Hund strich knurrend durchs Revier und fing an, ebenfalls an strategischen Punkten zu markieren. Gartenspaß im schönen Mai stelle ich mir irgendwie anders vor. Zumal die Mieze nun auch noch dazu überging, mit ihren Liebhabern olfaktorische Verabredungen zu treffen. Sprich: Immer mehr Katzen mit Frühlingsgefühlen markierten mein Hochbeet dermaßen intensiv, dass die verwitterten Bohlen bald rochen wie eine öffentliche Toilette der zweifelhaftesten Sorte. Dem nächtlichen Gekreische nach zu urteilen, ging es dort auch ganz ähnlich zu.

Was nun? Da ich weder auf mein essbares Frühlingsgrün verzichten, noch gärtnern wollte, um mich zu ärgern, blieb mir nur noch, das Beste aus allem zu machen und mir kurzentschlossen das lang ersehnte kleine Gewächshaus zuzulegen. Es wurde nicht die Gusseisen-Orangerie aller Träume, ist leider lange nicht so romantisch wie »MS Fischland«, aber es bedeutet eine Tür zwischen dem Katzen-Nachtleben und meinem Salat. Und es ist mal wieder ein Muster für Wunscherfüllung auf ziemlich skurrilen Umwegen. Nachdem das geklappt hat, fehlt mir nun eigentlich nur noch der zwingend perfekte Grund, mir endlich Hühner anzuschaffen …


Der Kokos-Killer

Der Mai war gekommen, und prompt schlugen nicht nur die Bäume aus, sondern auch noch die Rambler zu. So war es jedenfalls im letzten Frühjahr. Immer dasselbe: Entweder hatte es geregnet, und die an der Pergola aufgebundenen Ranken der Rosengiganten waren nass und schwer, wenn ich sie passierte. Oder ich zog sie ungeduldig zu mir herab, um zu sehen, ob da nicht doch schon was aufblühte. Und dann: Die scheinbar stabile Anbinde-Kokosschnur riss, und ich sah mich unversehens dem vehementen Luftangriff einer Riesenrose ausgesetzt. Zunächst schob ich das regelmäßige Malheur auf eines der großen ungelösten Rätsel der Gartenwelt: Warum kann die Menschheit eigentlich zum Mond fliegen, ist aber außerstande, Anbindematerialien zu produzieren, die gleichermaßen haltbar, pflanzenfreundlich und optisch akzeptabel sind?

Der klassische Bindebast ist zwar nett zu den Gewächsen, reißt aber in der Nässe norddeutscher Sommer schon unter geringer Belastung. Auf Fotos stören die vielen hellen Strippen in üppigem Clematisranken-Grün überdies ebensosehr wie in natura. Kunstbast wäre da, abgesehen von den herbstlichen Häcksler-Komplikationen, wenn man ihn nicht sorgfältig genug entfernt, schon eher geeignet, aber: Er ist hier kaum in einer annehmbaren Farbe aufzutreiben. Vielleicht bin ich ja pingelig, aber ein Krassgrün mit Metallicschimmer soll meinen Pflanzen nun mal nicht die Schau stehlen. Toll waren die dezent braun ummantelten Binder aus dem Weinbau, aber auch die gaben dann viel zu schnell auf. Ähnlich der Bindedraht, der komischerweise auch fast nur in scheußlich auffallender Farbe zu haben ist. Um Kaliber wie die Rambler-Rosen zur Ortstreue zu verdonnern, bedarf es ohnehin eines Drahtes in Zaunbau-Stärke. Das unnachgiebige Material zerscheuert dann irgendwann die Rosen-Rinde, und die Pilze lassen nicht auf sich warten.

Kräftige Kokosschnur war da immer ein akzeptabler Kompromiss. Bis zu jenem Frühjahr, in dem das merkwürdige Phänomen auftrat: Die Schlingen rissen nicht nur dauernd, ich fand sogar morgens welche abgefallen unter der Pergola. Aber wieso, und wieso so plötzlich? Kleine Singvögel, die Kokosfasern zur Brutzeit gern als Nistmaterial benutzen, waren für so viel Schaden eher nicht kräftig genug. Eichhörnchen? Aber weshalb, und weshalb nahmen sie das schöne Baumaterial dann nicht mit? Der Wind, der die Schnur auf der Pergolakante zerscheuerte? Gute Theorie, die sich aber erledigte, als ich eines sonnigen, total windstillen Morgens das abends gezogene Band schon wieder auf dem Rasen fand – ausgefranst und durchgerissen.

Ich hätte den chronischen Schnurschwund wohl ebenfalls unter den ewig ungelösten Rätseln verbucht, hätte ich nicht eines frühen Maimorgens durchs offene Fenster ein seltsames Geräusch gehört, eine Mischung aus Luftkampf und animiertem ornithologischem Selbstgespräch: Gekrächze, kleine Gesangsstrophen dazwischen und immer wieder Flügelschlagen. Vorsichtig peilte ich aus dem Fenster – und da sah ich ihn endlich, den Kokos-Killer: Ein blanker, schmucker Eichelhäher saß auf der Pergola und zerrte wie verrückt an der Schnur, die ich erst am Vortag so sorgfältig verknotet hatte. Die Inbrunst, mit der er dabei vorging, war erstaunlich: Er zog und riss, er flatterte mit vollem Körpereinsatz rückwärts, bis er sich auf seine gespreizten Schwanzfedern setzte, er schüttelte das Objekt seiner Begierde wie ein Welpe einen Lappen. Als nichts half, hüpfte er auf die Schnur und zupfte mit seinem kräftigen Schnabel büschelweise Fasern heraus, bevor er die immer fransigere Schnur wieder rückwärtszerrte. Zwischendurch hielt er inne, krächzte und sang, so, als würde er sich selbst anfeuern. Und schließlich hatte er Erfolg: Die Schnur riss. Doch der Vogel nahm die schwer erkämpfte Trophäe nicht etwa zum Nestbau mit, wie ich eigentlich gewettet hätte. Er schleuderte sie einfach weg und ließ sie fallen. Einen Moment lang sah er ihr mit schiefem Kopf nach, gab ein kleines, wie beifälliges Geräusch von sich, dann hopste er weiter die Pergola entlang, bis er den nächsten Kokosknoten erreicht hatte. Daran zerrte er wieder mit viel Geflatter und einem Einsatz, der verdächtig nach Vergnügen aussah.

Und erst in diesem Moment wurde mir klar, was ich da eigentlich Verblüffendes beobachtete: Der Häher spielte! Der clevere Rabenvogel verfolgte tatsächlich keinen Zweck. Es ging ihm weder um Nistmaterial noch um Beute – es ging ihm einfach, auf irgendeine vogelige Weise, um seinen Spaß. Den hatte er anscheinend so sehr, dass er noch eine ganze Zeit lang täglich wiederkam, bis ihn offenbar der Ernst des Brutzeit-Lebens samt Elternpflichten doch noch einholte: Irgendwann blieben die Schnüre heil. Zwar hatte ich da längst dicken Zaundraht durch meine absturzgefährdeten Rambler gezogen und seitdem wieder Ruhe, aber die Kokosschnur ließ ich trotzdem hängen, extra für den Häher. So verrückt es klingt: Ich brachte es einfach nicht fertig, meinen so unerwartet kreativen gefiederten Gast zu enttäuschen. Er wollte doch nur spielen!

Schwereloses Violett: Zierlauch

Ich brauche mich bloß ins Gras zu setzen. Aus dieser Perspektive sieht es dann aus, als würden sie schweben: ein ganzer Schwarm schwerelos aufgeplusterter violetter Zierlauch-Kugeln hoch über der niedrigen Buchsbaumhecke. Mit rosa, weißen und dunkelblauen Akeleien-Tupfen und einigen Tulpen dazwischen ist Allium aflatunense jetzt ein um so verblüffenderer Anblick, als dieses stimmungsvolle Frühlingsbild beinahe von selbst buchstäblich erblüht ist.

Geplant hatte ich eigentlich jede Menge lilienblütiger Tulpen überall, Noblesse pur auf hohen Stielen, und höchstens ein paar Zierlauch-Kugeln als einzelne Akzente dazwischen. Un-eigentlich kam dann mal wieder alles anders: Tulpen vertragen meinen bindigen Boden nicht, der Grauschimmel rafft sie kollektiv dahin. Daher pflanze ich schon lange nur noch einige wenige Tulpen in kleine Töpfe, die ich nach der Blüte leicht ziehen kann und hoffe, so irgendwann wieder halbwegs pilzfrei zu werden. Bisher allerdings war da alle Mühe vergeblich

Doch während ich jahrelang mit dem Gammel-Schicksal der edlen Tulpen haderte, war jemand anders längst bereit gewesen, die schmerzliche Frühjahrs-Lücke zu füllen: Allium aflatunense, eigentlich nur für eine Nebenrolle vorgesehen, gedieh im nassen, sandigen Lehm nicht nur allerbestens, sondern honorierte darüber hinaus auch alles, was ich eigentlich nur unternahm, um es den empfindlicheren Zwiebelpflanzen recht zu machen. Egal, ob ich es mit Kompost oder Asche, Umgraben oder Urgesteinsmehl versuchte: Die Tulpen starben trotzdem, die Lilien desgleichen, der Zierlauch aber schien vor Wohlbefinden geradezu zu explodieren. Wo zunächst eine Blüte gewesen war, prangten längst viele, und beim herbstlichen Nachgraben fand ich ganze Klumpen praller weißer Zwiebeln. Was genaugenommen verrückt ist: Allium aflatunense, auch »Iranlauch« genannt, ist ursprünglich Steppenbewohner und sollte mit seinen ungeschützten Bulben den feuchten Halbschatten eigentlich noch schlechter vertragen, noch anfälliger für Grauschimmel sein als die Tulpenzwiebeln in ihren festen Hüllen. Doch glücklicherweise scheint er das nicht zu wissen und lebt hier entsprechend unbefangen. Seit ich auch noch Zwiebeln der dunkler blühenden Sorte »Purple Sensation« gesetzt habe, schimmert der ganze Hof im April in allen möglichen Violetttönen, vom schlichten Schnittlauchlila bis hin zum üppigen, vollen Purpur.

Ein bezaubernder Anblick in fast unfrühlingshaft dunklen und tiefen Farben, und ebenso bezaubernd ist der Zierlauch auch aus der Nähe: Jede einzelne seiner Kugeln besteht aus vielen grazilen sechszackigen Sternchen mit einem grünen Punkt in der Mitte. Da die Blüte sich erst schmal, etwa wie beim Schnittlauch, öffnet, und dann zur vollen Kugel aufspringt, erinnert sie sehr an ein Miniaturfeuerwerk, ist aber glücklicherweise nicht annähernd so flüchtig. Zwar werden die einziehenden großen Zierlauchblätter so schnell so unansehnlich, dass er am besten zwischen möglichst üppigen Stauden aufgehoben ist, die Blüten aber bieten dafür eine um so längere Zugabe. Die filigranen Kugeln der Samenstände setzen noch lange grüne Ruhepunkte ins Bunte und betonen den flammenden Überschwang der Türkenmohn-Blüten wie eine feine, lebendige Grafik. Bei frühsommerlichem Dauerregen machen sie niemals verzagt schlapp wie der Mohn oder die alten Rosen, sondern wechseln aufrecht vom Grün ins Goldgelb, um schließlich im Sommer – zu durchsichtigem hellbraunem Papier verbrannt – massenhaft schwarze Samen freizugeben. Die keimen üppig, wo sie gefallen sind, und was zunächst wie ein Büschel Gras aussieht, ergibt später reichlich winzige Zwiebelchen. Auch sie können bestens für sich selbst sorgen, ganz ohne aufwendigen Extra-Service: Bei sommerlichen Erdarbeiten oder mit dem Kompost verteilen sie sich allmählich durch den ganzen Garten. Irgendwann stehen dann auch da, wo ich sie nie erwartet hätte, neue kleine Kugeln in ihrem betörenden Violett.

Falls sich nach einer so mitreißenden Vorstellung unversehens die gärtnerische Wehmut einschleicht – schon wieder alles vorbei, für ein ganzes Jahr …? – gibt es zum Trost noch eine Steigerung: Nach Allium aflatunense blüht Allium christophii, der Sternkugellauch. Während die Blüten seines Vorgängers immer ein bisschen gedämpft, fast wie gepudert aussehen, prangen die riesigen Kugeln von Allium christophii in glänzender metallischer Amethystfarbe. Es gibt zwar kaum einen schmuckeren Rosen-Begleiter, aber für meinen immer schattigeren Garten hat dieses Prachtstück leider einen Nachteil: Es braucht viel Licht. Dennoch tauchte eine seiner Kugeln ausgerechnet zwischen den Himbeeren unter dem alten Kirschbaum auf, eigentlich an einem völlig unpassenden Standort. Die Blüte war denn auch ziemlich klein, ihre Wirkung dafür um so dekorativer: Sie schimmerte fast magisch aus dem grünen Schatten, und wenn sie glitzernd jeden Lichtstrahl reflektierte, stach sie für diesen kurzen, glänzenden Moment sogar die Rosen als Blickfang aus. Was für ein Segen, dass Pflanzen keine Gartenbücher lesen!

Бесплатный фрагмент закончился.

860,87 ₽
Жанры и теги
Возрастное ограничение:
0+
Объем:
122 стр. 21 иллюстрация
ISBN:
9783888979934
Художник:
Издатель:
Правообладатель:
Bookwire
Формат скачивания:
epub, fb2, fb3, ios.epub, mobi, pdf, txt, zip

С этой книгой читают