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Ein Ja ist ein Ja. Und das hat Folgen. Das war mir mit dem Entscheid für das Kloster bewusst. Die erste Zeit war eine harte Schule. Ich war eine selbstständige, selbstsichere Frau, und das Noviziat war eng und streng. Ich hatte mich in die Gemeinschaft einzufügen, durfte während der Ausbildung nicht mit den Konventschwestern sprechen. Doch ich sah es trotzdem nie als mühsamen Weg an. Die schwere Zeit würde vorübergehen, danach wäre ich freier.

Zur Feldgruppe eingeteilt, arbeitete ich vor allem draussen, hatte jedoch jeden Tag Zeit zum Klavierspielen. Später kam noch das Orgelspiel dazu. Und bald begleitete ich jede → Laudes und Vesper und wurde umgehend kritisiert, wenn ich einen Fehler machte. Das war ein enormer Druck und führte dazu, dass ich den Erwartungen nicht mehr standhielt. Mit der Zeit verlor ich die Freude an der Musik. Solche Dinge erlebt man in Gemeinschaften. In den Siebzigerjahren hatte man im Fahr nicht die Zeit, auf die Psyche jeder einzelnen Schwester einzugehen.

Die Bäuerinnenschule war damals ein Politikum im Kloster. Die einen, um Schwester Elisabeth, befürworteten sie. Andere hingegen, wie Schwester Raphaela oder Schwester Hedwig, wollten ein kontemplatives Kloster, geprägt von Innerlichkeit und Gebet. Die Aufgaben der Schule würden zu viele Kräfte des Klosters absorbieren, sagten sie. Dieser Konflikt flammte immer wieder auf, und wer nicht an der Schule war, konnte ihre positiven Impulse nicht verstehen. Dabei war ja der grösste Teil der Schwestern über die Schule ins Kloster gekommen! Ich selbst wurde für das Fach «Häusliche Krankenpflege» an die Schule delegiert – mir gefiel das Unterrichten sehr, aber ich spürte den Konflikt unter den Schwestern immer. Das änderte sich erst, als Schwester Raphaela im Jahr 1978 Priorin wurde und von Amtes wegen für die Schule einstehen musste.

In einem Seminar mit Heilungsgebeten, Mitte der Achtzigerjahre, durfte ich erfahren, dass eine innere Heilung mit mir geschah. Explizit war sie nicht, aber sie ist mir geschehen, sie wurde mir geschenkt. Ich hatte von diesem Tag an keine Panik mehr an der Orgel. Wie so etwas geschehen kann? Ein Geschenk des Herrgotts!

Meinen Platz in der Klostergemeinschaft vergleiche ich mit der Wurzel eines Baums, der wunderschöne Blätter und Früchte trägt. Man sieht den äusseren Reichtum, aber die Wurzeln nicht. Die sind trotzdem wichtig. Es ist mir recht und lieb, wenn ich im Hintergrund bin. Weitreichende Entscheidungen treffe ich nicht, ich führe aus, was mir aufgetragen wird. Ich hätte als Krankenschwester Karriere machen können, vielleicht wäre auch ein Mann in mein Leben getreten. Aber das war nicht meine Berufung. Wieso funkt es in der Liebe zu einem Partner? Man kann es mir nicht erklären. Und so kann ich es in meinem Fall auch nicht. Die Berufung ist ein Ruf und bleibt letztlich ein Geheimnis. Ich höre keine Stimme, aber es ist ein Eindruck, mehr Intuition als direkte Ansprache.

Im Kloster leben heisst für mich, immer wieder Wege zurück in die Stille zu finden. Laufend aus ihr herausgerissen zu werden, ist mühsam. Deshalb schweigen wir den grössten Teil des Tages, damit wir in dieser Ruhe bleiben. Ob wir in der Kirche sind, beim Beten, beim Arbeiten oder beim Essen – alles geschieht schweigend. So lassen wir uns nicht hinaustreiben aus der Verbindung zu Gott. Wenn man hinter diese Klostermauern kommt, ist das ein Kampf, es braucht Training; es ist ein Hineinwachsen. Das kommt nicht von einem Tag auf den andern.

Verzicht gehört zu dieser Form von Leben, und er ist für mich nicht negativ: Lege ich eine Frucht, die ich zwar möchte, weg, dann ist da eine Leere. Es gibt Platz für etwas Neues, das ich noch nicht kenne, das aber richtig ist.

Mit Menschen von ausserhalb des Klosters habe ich wegen meiner Hörbehinderung nicht mehr so viel Kontakt. Das ist so. Früher war ich nahe am Geschehen, hatte viele Nöte kennengelernt, von den Alkoholikern daheim und den Menschen in der Psychiatrie. Heute bin ich indirekt mit der Welt verbunden – über die Verbindung mit dem Herrgott.

Seit 47 Jahren lebe ich im Kloster Fahr, und in meinem Alltag hat sich wenig verändert in diesen Jahren. Auch meine Einstellung nicht. Ich mag Kontinuität, und ich liebe unseren Tagesrhythmus. Dazu haben wir heute mehr Freiheiten, zum Beispiel Ferien.

Das Jetzt ist das Schönste. Die Vergangenheit prägte mich, die kann ich nicht mehr verändern. Aber die Gegenwart, die kann ich gestalten. Die Einsamkeit im Kloster ist keine Verlassenheit. Alleinsein zu können, ist entscheidend. Wer viel Gesellschaft braucht, ist bei uns am falschen Platz. Das Alleinsein ist heilsam und bringt mich näher zu Gott und ins Leben. Jeder Mensch hat einen inneren Raum und eine innere Welt, die sehr reich sind. Wenn man sich dessen bewusst ist und am Morgen nicht schon mit den aktuellsten Nachrichten aufsteht, sondern in eine Ruhe hinein aufwacht – vielleicht in eine Gottesbeziehung –, dann gibt das Kraft. So beginne ich den Tag ganz anders. Gott gibt jedem Menschen die Freiheit. Und ich kann keinen Menschen ändern. Auch wenn ich eine Mitschwester gerne anders hätte. Das bringt nichts. Ich muss es aushalten, das ist die harte Schule!

Ich brauche viel Ruhe. Aber das Gespräch jetzt hat mich sehr entspannt. Es war bereichernd. Dass ich in diesem Buchprojekt überhaupt mitmache, hat verschiedene Gründe. Einerseits legen wir als Klostergemeinschaft Zeugnis ab über unser Leben. Und wir werden viel voneinander erfahren, das wir nicht wussten. Die Leute draussen werden sehen, wie wir leben und denken, dass wir Krisen kennen und Humor haben. Es ranken sich ja unendlich viele Vorurteile um unser Leben. Aber auch ein Klosterleben hat Pfeffer, oder nicht?

Eintritt ins Kloster Fahr: 4. November 1970

Einfache Profess: 14. August 1972

Feierliche Profess: 20. August 1975


Schwester Matthäa

«Keine eigenen Kinder zu haben, wog schwer.»

geboren am 12. Januar 1946 als Rita Maria Wismer aus Aadorf (TG)


Als Töpferin fertigte Schwester Matthäa Krippenfiguren und «Weihnachtstürme». – Die Stoffe für liturgische Textilien werden aus Seide, Wolle und Leinen auf Webstühlen im Atelier der Paramentenwerkstatt gewoben (nächstes Bild).




Im August 2017 unternimmt die ganze Gemeinschaft zum Gedenkjahr von Bruder Klaus eine Pilgerreise nach Flüeli-Ranft. Es ist einer der seltenen Ausflüge der Klosterfrauen.

Viermal im Jahr haben wir Schwestern die Möglichkeit, einen Wüstentag, wie wir sagen, einzuziehen. Letzte Woche war es bei mir so weit. Wir können ihn als persönlichen Einkehrtag gestalten. Es ruft keine Glocke zum gemeinsamen Gebet oder zu den Essenszeiten, und wir arbeiten nicht. Ich erwartete also einen verregneten Tag, an dem ich mich in die Klause zurückziehen und in Stille lesen und beten wollte. Aber die Sonne schien schon in der Früh. Und so zog es mich mit einem belegten Brot, zwei Fläschchen Holunderblütensirup und einem Buch übers Pilgern in die Natur ausserhalb der Klostermauern. Durch den Wald in Richtung Geroldswil kam ich an die Limmat und setzte mich später am Fluss auf einen Findling. Ich liess die Umgebung auf mich wirken, überlegte, wo ich stehe in meinem Leben, hatte Zeit und Musse, zu sein, zu beten und einfach in mich hineinzuhören – einen Tag lang in meinem eigenen Tempo zu leben.

Ich heisse Schwester Matthäa – das ist die weibliche Form von Matthäus. Zur Einfachen Profess, wenn wir uns für drei Jahre im Kloster verpflichten, bekommen wir als Sinnbild für ein neues Leben auch einen neuen Namen. Simone hätte mir gefallen, nicht aber der Priorin. Sie schlug Matthäa vor. Ein völlig fremder Name. Ich trug den Vorschlag mit mir herum, und nach einigen Monaten im Noviziat freundete ich mich mit ihm an. Ja, ich fand den Namen immer klösterlicher – zudem konnte man ihn nicht verunstalten. Trotzdem, etwas irritierte mich, und ich besprach es mit unserem → Spiritual: Die Redensart «Heute ist Matthäi am Letzten!» ging mir nicht mehr aus dem Kopf. Zu meinem Erstaunen erfuhr ich, dass die Bedeutung der Wendung gar nicht pessimistisch und hoffnungslos, sondern positiv in die Zukunft gerichtet ist. Sie stammt vom allerletzten Vers im Matthäus-Evangelium, der heisst: «Ich bin bei euch, alle Tage, bis zum Ende der Welt.» Tröstlich. Warum sollte ich also nicht Matthäa heissen?

Ich denke, unser Leben gleicht einer Wendeltreppe. Es geht aufwärts oder auch runter, aber immer weiter und weiter. Das Leben ist für mich kein Kreis, Leben fliesst hin zu Gott, schlussendlich.

Das Symbol der Wendeltreppe habe ich in einem «Weihnachtsturm» in Ton interpretiert. Fünfzig Figürchen stehen auf dem Treppenweg hinauf; sie versinnbildlichen die Heilsgeschichte von der Erschaffung des Menschen über die Verkündigung an Maria, die Geburt im Stall, die Flucht nach Ägypten bis zu Tod und Auferstehung Jesu. Es gehören auch Zwischenböden dazu. Zwischen Hoch und Tief ist das Mittendurch, der Alltag. Das Aushalten des Unspektakulären, wenn das Leben ruhig fliesst, ist auch wichtig. Der Turm stellt für mich das Wachsen, vielleicht auch mein Wachsen im Klosterleben dar. Ich bin froh, dass er nicht verkauft wurde. Denn das meiste, was ich in dreissig Jahren an Kunsthandwerklichem schuf, ist in der Welt draussen. Der Turm blieb. Das ergab sich so. Er war für die Person, die ihn bestellt hatte, schliesslich zu teuer. Mein Glück! Die Leidenschaft fürs Arbeiten mit Ton wurde mir nicht in die Wiege gelegt. Erst im Kloster durfte ich meine handwerkliche Gabe erkennen und entwickeln. Ein Geschenk.

Ich bin in der Nähe von Stettfurt aufgewachsen. Der Thurgau ist mir sehr lieb. Er ist mein Ursprung. Am 12. Januar 1946 wurde ich daheim auf unserem Bauernhof im Weiler Chöll geboren, getauft auf den Namen Rita Maria. Mein älterer Bruder Guido war zwei Jahre vor mir zur Welt gekommen, der jüngere, Beda, zwei Jahre nach mir. 1951 kam Edith und 1959 als Nachzüglerin Brigitte dazu. Unsere Grosseltern väterlicherseits lebten mit uns auf dem Hof, der schon seit Generationen den Wismers gehörte.

Ich war ein ruhiges Kind, das lieber mit Puppen spielte, strickte und Puppenkleider nähte, am Holzherd Suppe oder Omelette kochte, als im Stall zu helfen. Es war Nachkriegszeit, und wir mussten zu allem Sorge tragen. Wir waren eine religiöse Familie, aber nicht frömmlerisch. Fleisch gab es bei Tisch meist nur für die Erwachsenen. Für uns Kinder legte Mutter jeweils ein Brotmutschli als Ersatz in die Fleischsauce – eine herrlich mundende, unvergessliche Kindheitserinnerung! Den ersten Mantel schneiderte Mutter für mich aus ihrem eigenen, alten – mein Stolz war fast grenzenlos. Welches gleichaltrige Mädchen in der Gegend hatte schon einen Mantel!

Da wir abgelegen wohnten und zu Fuss eine halbe Stunde unterwegs waren bis hinunter ins Dorf Stettfurt, galten wir in der Schule manchmal als Aussenseiter. Wir konnten nicht wie unsere Kameraden nach der Schule auf dem Pausenhof spielen, sondern hatten einen weiten Heimweg. Die Schule hätte es von mir aus gar nicht gebraucht. Zu Hause bei Mutter und im Haushalt hätte ich mich gut verweilen können! Sieben Primarschuljahre absolvierte ich in Stettfurt dann doch und wurde für die achte Klasse zu den Dorothea-Schwestern nach Flüeli-Ranft geschickt, gefolgt von einem Haushaltsschuljahr in Freiburg bei der gleichen Schwesterngemeinschaft. Dort entstand mein Berufswunsch: etwas tun für und mit Kindern.

Als 17-Jährige, nach einem Praktikum in einer Kinderkrippe in Genf und einem Haushaltslehrjahr bei einer Familie in Frauenfeld, begann ich mit der einjährigen Ausbildung als Wochenpflegerin in der katholischen Pflegerinnenschule Alpenblick in Hergiswil. Die Ausbildung war anspruchsvoll, aber ich fühlte mich in meinem Element, liebte vor allem die kleinen Kinder. In der Institution, die ein Durchgangsheim für alleinstehende Mütter mit ihren Kleinen war, lebten sechzig bis siebzig Kinder, vom Neugeborenen bis zum bald zweijährigen Kleinkind. Sie wohnten, getrennt von ihren arbeitstätigen Müttern, wochentags bei uns im Heim und brauchten viel Zuwendung. Leider hatten wir, mit bis zu 14 Kindern pro Gruppe, immer zu wenig Zeit. Das schmerzte mich. Darüber hinaus hiess es, wir dürften uns nicht an sie binden – wir könnten die Kleinen ja nicht mit nach Hause nehmen!

Mit dem Schulabschluss in der Tasche begann ich bei verschiedenen Familien im Luzernischen und in der Ostschweiz als Wochenpflegerin zu arbeiten. Angestellt war ich beim Katholischen Frauenbund, der meine Einsätze koordinierte. Innerhalb von wenigen Stunden musste ich mich immer wieder auf neue Familiensituationen einstellen. Von null auf hundert. Ich betreute und pflegte die Babys, half im Haushalt, und es kam vor, dass ich sogar bei Hausgeburten dabei sein durfte.

Für noch mehr Sicherheit und Fachwissen im Haushalt besuchte ich im Jahr 1965 den Sommerkurs an der Bäuerinnenschule im Kloster Fahr. Meine Mutter hatte mir den Kontakt über eine Zürcher Verwandte verschafft. Mit Ordensfrauen hatte ich immer gute Erfahrungen gemacht, ich mochte sie.

Im Fahr angekommen, zog es mir buchstäblich den Ärmel rein! Ich wäre am liebsten geblieben. Die Gottesdienste, der regelmässige Besuch der Vesper, die lateinischen Gesänge, überhaupt die Atmosphäre – ich war begeistert. Der Wunsch nach einem Leben im Kloster wurde während der zwanzig Wochen, welche die Schule dauerte, deutlich spürbar. Noch in dieser Zeit sprach ich mit Priorin Elisabeth darüber. Sie reagierte zurückhaltend und meinte, ich solle zuwarten. Ich sei mit 19 Jahren noch zu jung für einen Klostereintritt.

Klosterleben und Kinder – das würde ja wohl nicht zusammengehen. Dieser Gedanke kam mir nach der Schule immer wieder. Familienmutter und Bäuerin zu sein, wäre für mich auch denkbar gewesen. Ich hätte mir einen jungen Mann in meiner Umgebung als Ehegatten vorstellen können – einen Bauernsohn. Er wusste nichts davon. Und ich traute mich nicht, es ihm zu sagen.

Als Familienhelferin und Wochenpflegerin arbeitete ich in den darauffolgenden zwei Jahren in Dutzenden von Familien. Ich sah in unzählige Familienleben hinein, erfuhr von eindrücklichen Schicksalen. Das prägte mich.

Die Sehnsucht nach dem Kloster Fahr blieb. Mit dem Moped fuhr ich in meiner Freizeit öfters mal ins Limmattal, besuchte Gottesdienste in der Klosterkirche und sass im Chuchistubli bei den Schwestern. Zwischendurch schaute ich mir auch das Kloster in Ilanz an, liebäugelte mit den Gemeinschaften in Ingenbohl oder Menzingen. Aber das Fahr wars! Ich wurde ruhig und spürte eine innere Zufriedenheit, ja Frieden, als ich mich entschieden hatte. Am 2. November 1967 trat ich als Kandidatin ein. Für die Daheimgebliebenen war es schwierig zu verstehen, dass ich mit 21 Jahren in ein geschlossenes Kloster eintrat und nie mehr heimkonnte.

Keine eigenen Kinder zu haben, wog schwer. Aber ich wusste, wenn es andere Frauen schaffen, dann schaff ich das auch. Klar, wenn ich es hinter den Klostermauern nicht ausgehalten hätte, wäre ich wieder ausgetreten. Aber so weit kam es nie, an meiner Berufung zweifelte ich nicht. In einer Ehe verspricht man sich, in guten und in schweren Zeiten zusammenzuhalten, und man weiss ja auch nicht, was auf einen zukommt. Als Ordensfrau ist es ebenfalls ein Ja-Sagen. Christus sagte schon vor meinem Klostereintritt Ja zu mir. Und ich versuche, jeden Tag neu, Ihm mit meinem Klosterleben das Ja zurückzugeben.

Dennoch: In den ersten Monaten konnte ich nicht sagen, ob es das nun definitiv war. Ich hatte kaum Zeit zu überlegen. Der Rhythmus des Alltags war so anders, als ich es bisher gewohnt war. Und ich begriff längst nicht alles, was mir als gegeben präsentiert wurde. Ich musste mich einfach durchbeissen. Gerne hätte ich etwas mehr freie Zeit für mich gehabt oder etwa einen Brief nach Hause geschrieben. Aber Kontakte nach aussen waren in jeder Form untersagt. Und wenn aus Versehen eine Tür hinter mir zuknallte, musste ich vor die → Novizenmeisterin hinknien und mich bei ihr entschuldigen. Das empfand ich als Demütigung und Schikane. Aber ich glaube, man wollte mich prüfen, ob ich wirklich gehorchen konnte. Meine Sorgen übergab ich im Gebet dem Herrgott, was mich entlastete. Ich lernte, Gehorsam mit Demut zu leisten. Gott sei Dank ist diese Ära längst vorbei!

Am Mittagstisch, zwei Tage nach meiner Einfachen Profess am 11. August 1969, wurde ein Brief aus dem Kloster Einsiedeln vorgelesen: Der amtierende Abt, Raymund Tschudi, hatte das Kloster verlassen, seinen Schlüssel abgegeben. Eben noch hatte er meine Profess als Benediktinerin entgegengenommen. Und jetzt war er weg! Ein Schock! Es brauchte einige Zeit, bis ich mir eingestehen konnte, dass ich die Profess nicht nur vor dem Abt, sondern letztlich vor dem Herrgott abgelegt hatte.

Bald danach wurde ich von Schwester Elisabeth angefragt, ob ich Lust hätte, einen Töpferkurs zu besuchen, weil ich gerne Handarbeiten machte und bastelte. Sie plante, mich an der Schule einzusetzen, um den Schülerinnen an der Bäuerinnenschule eine kreative und sinnvolle Freizeitbeschäftigung für die freien Samstagnachmittage und -abende anzubieten. Damals war es noch nicht üblich, dass die jungen Frauen jedes Wochenende nach Hause fuhren – und kreatives Werken würde vielleicht die eine oder andere vom Ausgang abhalten!

Gleichzeitig ermahnte mich die Priorin, dass ich durch mein kreatives Schaffen keinesfalls einen Künstlerinnennimbus haben würde. Dieser war im Kloster bereits an Schwester Hedwig vergeben.

Das Töpfern begeisterte die Schülerinnen von der ersten Stunde an. Sie konnten von Hand etwas Eigenes erschaffen und es dann nach Hause mitnehmen – Vasen, Krüge, Kreuze, Schüsseln und Schalen, ganze Geschirre sind entstanden. Bis zur Schliessung der Schule leitete ich das Atelier. Und ich staune, wenn Ehemalige noch heute kommen und erzählen, was sie bei mir damals alles gemacht haben. Das freut mich sehr.

Als meine erste Nichte 1971 zur Welt gekommen war, wagte ich mich an meine erste Tonskulptur – den Kopf der kleinen Judith, nach einer Fotografie, die mein Bruder mir geschickt hatte. Das Geschenk machte viel Freude. Und mit einem Mal traute ich mich an eine 25 Zentimeter grosse Figur der Muttergottes mit Kind, die ich zusammen mit Weihwassergeschirren und Kreuzen aus Ton versuchsweise zum Verkauf in die Paramentenstube stellte. Alles war schnell weg! Es folgte ein Auftrag nach dem andern. Ein Priester erkundigte sich nach Krippenfiguren. Warum nicht? Versuchen konnte ich es ja!

Ich weiss nicht, wie viele Krippenfamilien, Hirten, Hunde, Kamele, Schafe und Drei Könige in verschiedenen Grössen in den folgenden Jahren das Kloster Fahr verliessen – für Kirchen von Aarau bis nach Solothurn, von Malters bis Speicher, ja eine ging sogar nach Ecuador. Die Kirche Muttenz bestellte irgendwann einen Punk – in Ledermontur und mit Irokesenfrisur. Ich hatte das ganze Jahr Weihnachten. Das meiste brachte ich mir selbst bei, mit Ausprobieren und Tüfteln, Verwerfen und Neuanfangen. Schwester Fidelis stand mir beim Ankleiden der immer grösser werdenden Figuren sehr hilfreich zur Seite. Die Ideen kamen oft aus dem Nichts. Oder im Gebet, beim Psalmenbeten. Auf einmal sah ich eine Form genau vor mir. Verbissen nach Lösungen zu suchen, brachte nichts. Geduldig zu sein, das musste ich üben. Wenn ich mit einem Objekt nicht weiterwusste, musste ich ruhig bleiben, zuwarten. Beim Töpfern kreiert man nicht jeden Tag etwas. Es braucht Zeit beim Formen, Trocknen, Brennen. Wenn ich den Ofen zu früh öffnete, zerbrach die Ware. Das lernte ich schnell!

Eine schöne Aufgabe waren auch die grossen Figuren, die ich nach der Aussenrenovation am Klostergebäude realisieren durfte. Drei der ursprünglichen, aus Holz geschnitzten Figuren waren verwittert und mussten ersetzt werden: Joseph mit dem Jesusknaben, die Muttergottes mit Kind auf dem Arm und der heilige Mauritius; sie stehen in den Ausbuchtungen der Nord-, Süd- und Ostfassade.

Die kunsthandwerkliche Arbeit trat nach dreissig Jahren schrittweise in den Hintergrund. Andere Aufgaben wurden mir zugewiesen. Mit der neuen Priorin, Irene, kam ich 2003 zum Einsatz an der Klosterpforte und später als Mitarbeiterin in die Paramentenwerkstatt. Mein Material, den Ton, den Brennofen und alle Utensilien, konnte ich nach der Schliessung der Bäuerinnenschule im Jahr 2013 einer ehemaligen Schülerin weitergeben. Sie ist eine begeisterte Töpferin und lud mich sogar in ihr Atelier nach Schwyz ein. So fiel es mir leichter, mich schliesslich ganz von einer Tätigkeit zu trennen, die mir während Jahrzehnten sehr viel Befriedigung und Freude geschenkt hatte – eine Freude, die ich durch mein Tun vielfach weiterschenken durfte.

Seit ein paar Jahren betreue ich die → Sakristei. Am Montag, Mittwoch und Freitag um elf Uhr feiern wir Kommunion. Dann muss ich rechtzeitig das Evangelium des Tages bestimmen und auflegen, die Kerzen anzünden, den Schlüssel für den → Tabernakel bereitlegen und das → Korporale vorbereiten. Das braucht Zeit, denn ich will nicht in der Kirche herumrennen müssen. Mir ist auch die Aufgabe zugeteilt worden, alles für die Gottesdienste bereitzustellen – den Kelch, die Schale mit den Hostien, das Kännchen für Wein und Wasser, die Kelch- und Handtüchlein, das Korporale, das Messbuch und das → Lektionar, die Gewänder für die Ministranten und die Liednummern auf der Anschlagtafel. Für Gäste, die am Chorgebet teilnehmen, lege ich die → Antiphonale bereit. Im Sommer kommt das spezielle Kreuz für den Wettersegen dazu, den wir vom 25. April bis zum Erntedank im Oktober beten. Hostien kaufen wir in einer spezialisierten Bäckerei im Kloster Weesen; ungefähr 8000 bis 10 000 Stück brauchen wir jährlich.

Wir beten hier im Fahr seit Jahrhunderten zu Ehren Gottes und im Auftrag der Kirche. Diesen Dienst versehen wir jeden Tag, immer und regelmässig. Das ist unser Dienst auch an der Welt und für die, die draussen keine Zeit fürs Gebet haben.

Manchmal sorgt es mich schon, dass wir keinen klösterlichen Nachwuchs haben. Aber wir wissen nicht, was der Herrgott mit unserem Kloster vorhat. Es ist Sein Werk.

Eintritt ins Kloster Fahr: 2. November 1967

Einfache Profess: 11. August 1969

Feierliche Profess: 14. August 1972

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Возрастное ограничение:
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Объем:
296 стр. 111 иллюстраций
ISBN:
9783039199433
Правообладатель:
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