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»Ich bin …« – eine Identitätsuntersuchung


Nehmen Sie Stift und ein Blatt Papier und beantworten Sie die Frage »Wer bin ich?«. Finden Sie zehn verschiedene Antworten. Schreiben Sie zügig, ohne die Antworten zu bewerten, und notieren Sie nur die Antworten, die für Sie persönlich und beruflich wichtig sind.

Bei der Betrachtung der Ergebnisse dürften Sie feststellen, dass auch Gruppenzugehörigkeiten unter den Antworten sind.

Möchten Sie diese Übung weiterführen, dann bringen Sie die zehn Aussagen in eine Reihenfolge, je nach Wichtigkeit. Stellen Sie sich vor, was passieren würde, wenn Sie auf den in der Aussage beschriebenen Aspekt verzichten müssten. Wie würde sich Ihr Leben verändern?

Mit Descartes wird die Selbstbeschreibung des Menschen als Subjekt eingeführt, in Abgrenzung zum Objekt. Das ist der Beginn, den Menschen selbstbezüglich, als selbstreferenziellen Mechanismus zu verstehen. Das Individuum in Abgrenzung zur Gesellschaft, der Einzelne gegenüber der Gruppe sind Unterscheidungen, wie wir sie auch heute noch denken. Dieses Denken bildet Oppositionen, und so scheint es gerade in Zeiten der Individualisierung und versprochenen Selbstfindung notwendig zu sein, das Individuum gegenüber der Gruppe, dem Team, der Organisation zu verteidigen bzw. ihm Selbstverwirklichung zu ermöglichen. Das ist mitnichten Aufgabe einer Organisation oder eines Arbeitsteams.

Gleichzeitig findet die Entwicklung unserer Identität immer statt. Als Mensch ist der Prozess der Identitätsbildung nicht in einem bestimmten Alter oder an einem fixen Punkt abgeschlossen, sondern dynamisch. Wir alle waren bzw. sind Kinder, Schüler, Auszubildende, Studierende, Eltern, Mitarbeitende, Führungskräfte, Golfspieler, Geschäftsführende, Autofahrer und so weiter. An der Aufzählung erkennen Sie direkt, dass unsere persönliche Identität viel mit Gruppenzugehörigkeit zu tun hat, sich also auch in der Zusammenarbeit stetig entwickelt.

Die soziale Identität

Jeder Mensch ordnet sich diversen Gruppen zu, beispielsweise nach Geschlecht, politischer Überzeugung, Beruf oder Haarfarbe. Je nach Kontext wechselt die Priorität dieser Zuordnungen. An Spieltagen der Fußballbundesliga bin ich persönlich deutlich mehr BVB-Fan als gerade in diesem Moment, denn jetzt gehöre ich stark spürbar zur Gruppe der Autorinnen. Das Wir-Empfinden innerhalb einer solchen Gruppe wird oft von banalen Dingen (gleiches T-Shirt oder Fahne) angesprochen. Wer die Werte einer Gruppe nicht teilt, erscheint den Gruppenmitgliedern weniger menschlich. Gruppenzugehörigkeit macht einen Teil des Selbstkonzeptes aus, denn jeder Einzelne »gewinnt« ein Stück Identität aus der Mitgliedschaft der jeweiligen Gruppe. Menschen streben nach einem positiven Selbstbild. Damit das auch für die und in der Gruppe gelingt, tendieren wir dazu, für sogenannte positive Distinktheit zu sorgen. Das bedeutet, wir grenzen wieder ab, jetzt allerdings die Eigengruppe (ingroup) von anderen Gruppierungen (outgroup). So bezieht beispielsweise die »agile Speerspitze« eines Unternehmens über die gegenseitige Bestätigung des enormen methodischen Wissens im Vergleich zu den Fachbereichen ein positives Selbstbild für die Gruppe und damit für die einzelnen Menschen darin.

Unter dem Begriff »minimales Gruppenparadigma« ist in zahlreichen Experimenten nachgewiesen, dass eine Kategorisierung von Menschen in zwei Gruppen nach einem völlig beliebigen Kriterium ausreicht, um positive Distinktheit zu etablieren. In der Folge, und deshalb ist es auch im organisationalen Kontext wichtig, entsteht leicht Diskriminierung, und zwar selbst dann, wenn es sich um einen Haufen und nicht um ein Team handelt. Das Phänomen ist bekannt, die häufig zu beobachtenden »Kämpfe« zwischen Alt und Neu, Vertrieb und Produktentwicklung oder IT und Fachbereich werden durch die tradierte, arbeitsteilige Organisation noch forciert.

Was denken wir uns eigentlich?


»Denkschreiben« ist eine gute Möglichkeit zur Reflexion, bei der durch das Aufschreiben die Fragestellung tiefer durchdacht wird, als wenn jeder Teilnehmende seine Gedanken einfach ausspricht. Fragestellungen können sein: Was denken wir über uns? Was denken wir über die anderen? Bitten Sie alle Teammitglieder, innerhalb von zehn Minuten ihre Gedanken zu diesen Fragen aufzuschreiben. Es arbeitet jeder für sich; dabei sollten die Teilnehmer zügig und unzensiert zu Papier bringen, was ihnen in den Sinn kommt. Im Anschluss betrachten Sie gemeinsam die Ergebnisse und reflektieren über gemeinsame Denkmuster. Die Fragestellungen können nach Bedarf konkretisiert und / oder erweitert werden.

WER IST HIER BESSER?

Vor einigen Jahren hat ein Unternehmen, das ich begleiten darf, im Rahmen seiner Digitalisierungsstrategie neben dem CIO-Bereich auch eine Organisationseinheit CDO etabliert. Das dazugehörige Stichwort war damals 2-Speed-IT, verbunden mit der Idee, man könne so die Umstellung von der »alten« auf die »neue« Welt gut bewerkstelligen. Es ging vornehmlich um die Arbeitsweise »Wasserfall« versus »Agil«. Das Team CDO sah sich als überlegen. »Wir bereiten die Zukunft« war ihr Motto. Das Team CIO betrachtete sich eine Zeit lang als das stärkere, weil seine Mitglieder ja noch für das »Brot- und Buttergeschäft« sorgten. Technologisch empfanden sie sich schnell als Verlierer, und irgendwann kippte ihr Selbstbild endgültig, weil sie den negativ ausfallenden Faktenvergleich bezüglich Geschwindigkeit bei der Entwicklung, Leistung, Ergebnisse und Akzeptanz in der Organisation nicht mehr leugnen konnten. Für eine kurze Zeitspanne hat das gemeinsame Jammern das CIO-Team noch zusammengehalten, schließlich kämpften sie gemeinsam gegen viele vom CDO vorgeschlagene Neuerungen. Dann ließ sich beobachten, wie das Team in kleine Gruppierungen zerfiel und die Mitglieder die Vergleichsgruppe wechselten. Statt gemeinsam auf CDO zu schauen, fingen die Kleingruppen an, sich gegenseitig zu bekämpfen. »Wir sind zwar nicht so fortschrittlich wie der CDO-Bereich, aber immer noch besser als die hier.« Die Fluktuation stieg, viele Mitarbeitende wechselten in den CDO-Bereich (wenn möglich) oder in andere Abteilungen oder auch Unternehmen.

Der britische Sozialpsychologe John C. Turner entwickelte mit Kollegen das Modell der Selbstkategorisierung, wonach Menschen in einem konkreten Kontext immer die am besten zur Situation passende Kategorisierung wählen. Die Auswahl findet auf drei Ebenen statt; es geht um eine Betrachtung der eigenen Person als:

• Mensch

• Mitglied in einer Gruppe

• Individuum

Turner stellt in seinen Arbeiten immer wieder heraus, dass durch Gruppenzugehörigkeit die eigene Identität in den Hintergrund treten kann, es kann zur Depersonalisierung kommen. Das wiederum schafft die Basis für Phänomene wie (zu starkes) Wir-Gefühl, Konformität oder auch Gruppendenken (siehe auch das folgende Unterkapitel zu »Konformität und ›Rollenspielen‹«). Voraussetzung ist immer ein positives Selbstbild. Diese möglichen Effekte sind zu berücksichtigen, denn sie können die Zusammenarbeit (vor allem interdisziplinär) und die Arbeitsergebnisse beeinträchtigen.

Was aber geschieht, wenn der Vergleich mit der anderen Gruppe nicht positiv ausfällt? Fühlt man sich aufgrund eines Stereotyps in der ingroup sozial unterlegen, nutzen die Menschen diverse Strategien, um das Selbstbild wieder positiv zu färben:

• Sie verlassen die eigene Gruppe (z. B. Abteilungs-, Projekt-, Firmenwechsel).

• Sie treten in Konkurrenz mit der outgroup (häufig auch nach Fusionen zu beobachten, wenn um die kleinsten Details der zukünftigen Prozesse, Abläufe, IT oder Ähnliches gekämpft wird, oftmals mit der Behauptung »Die dürfen das doch gar nicht«).

• Sie ändern die Dimensionssicht (»Die haben zwar einen guten Prozess x/y, aber keine Ahnung von agilem Vorgehen«).

• Sie suchen sich eine andere Vergleichsgruppe (»Soll die agile Speerspitze doch machen, was sie will; im Vergleich mit Abteilung y sind wir viel besser in …«).

Egal, ob wir einem Verein beitreten, in ein neues Projektteam kommen oder ein Unternehmen verlassen, wir haben den Rucksack unserer Prägungen und Erfahrungen immer dabei. Unsere Lebensgeschichte enthält auch die Erfahrungen, die wir mit Gruppen gemacht haben und machen, mit Familie, Verwandtschaft, Schule, Ausbildung, Arbeit und so weiter. Da gibt es den einen, der es liebt, in Gruppen zu sein und mit den Menschen auf Tuchfühlung zu gehen. Oder die andere, die mit Unvorhergesehenem und Turbulenzen nur schwer klarkommt. Als Individuen bringen wir unsere Fähigkeit, mit Wandel umzugehen, genauso mit wie die Antwort auf die Frage, wie viel an Distanz oder Nähe wir aushalten.

Ohne zu tief in die Psychologie einzutauchen, möchte ich Sie dennoch ermuntern, sich mit Ihrem »Rucksack« auseinanderzusetzen. Die Selbstreflexion der eigenen Geschichte in Bezug auf Distanz / Nähe und Wandel / Beständigkeit ist für alle Menschen sinnvoll, die in Arbeitsgruppen agieren.


»Eine Gesellschaft Stachelschweine drängte sich an einem kalten Wintertage recht nah zusammen, um sich durch die gegenseitige Wärme vor dem Erfrieren zu schützen. Jedoch bald empfanden sie die gegenseitigen Stacheln, welches sie dann wieder von einander entfernte. Wann nun das Bedürfnis der Erwärmung sie wieder näher zusammenbrachte, wiederholte sich jenes zweite Übel; so daß sie zwischen beiden Leiden hin und her geworfen wurden, bis sie eine mäßige Entfernung voneinander herausgefunden hatten, in der sie es am besten aushalten konnten.« (Arthur Schopenhauer, Die Stachelschweine, https://www.projekt-gutenberg.org/schopenh/stachel/stachel.html)

Hysterisch oder schizoid?

– »Was sagen wohl die anderen, wenn ich meine Idee vorstelle?«

– »Warum gibt es hier auf einmal eine neue Sitzordnung?«

– »Warum macht er / sie immer alles, nur um es dem Auftraggeber recht zu machen?«

– »Mit den Fragen wollen Sie mich doch sicher testen?«

– »Wieso bezieht er alles immer auf sich?«

Mit Grundformen der Angst betitelte Fritz Riemann (Riemann 2006) seinen Klassiker über die vier Grundängste, die alle Menschen in sich tragen und durchleben. In der Ratgeberliteratur wird er meistens vorgestellt, um andere Menschen einzuschätzen und besser verstehen zu können. Meiner Meinung nach sollte jeder Einzelne zuerst bei sich beginnen. Stören Sie sich nicht an den von Riemann verwendeten Begrifflichkeiten. Er beschreibt in seinem Modell Persönlichkeitsstrukturen, die mit den eventuell assoziierten Krankheitsbildern nicht direkt zu tun haben. In den 1950er-Jahren arbeitete Riemann psychoanalytisch mit vielen Patienten und formulierte aus dieser Arbeit heraus vier Grundängste:


Schizoid

Diese Menschen möchten als einzigartiges Individuum erkannt werden. Freiheit, Individualität und Eigenständigkeit sind ihnen wichtig. Ihre charakteristische Angst ist die vor Hingabe. Um nicht beeinflusst zu werden, gehen sie schnell auf Distanz. Sie wirken dabei häufig kühl und arrogant. Oft verfügen »Distanz-Typen« über eine scharfe Beobachtungsgabe und sind sehr klar in der Vertretung ihrer Position.

Depressiv

Ihnen sind Harmonie, Nähe und Geborgenheit sehr wichtig. Dafür sind sie bereit viel zu tun, sich selbst aufzugeben, Konflikte zu vermeiden, aber auch schnell Kontakte zu knüpfen und Verständnis für andere Menschen aufzubringen. Eine ihrer größten Sorgen ist der Verlust der sozialen Zugehörigkeit.

Zwanghaft

Zwanghafte Menschen sind verantwortungsvoll, pünktlich und zuverlässig. »Das Wort gilt« lautet ihr Motto, allerdings unumstößlich. Sie wirken oft stur und unflexibel, Chaos und Veränderung halten sie nur schwer aus.

Hysterisch

Die ewig Rastlosen sind immer auf der Suche nach Neuem, Kreativem, Genuss, Risiko und Drama. Sie stehen sehr gerne im Mittelpunkt und sind entsprechend unterhaltsam und temperamentvoll. Ihre größte Angst ist die Einschränkung der eigenen Freiheit. Die Zukunft interessiert sie nicht, sie leben im Hier und Jetzt.

Wir alle tragen diese Grundformen in uns, die meisten in einer gesunden Mischform. Und auch hier gilt: Es ist eine Frage des Kontextes, wo im Koordinatenkreuz wir uns verorten. In Abhängigkeit von der aktuellen Gruppe und der Situation verschiebt sich der Standpunkt. Gleichzeitig haben wir eine Präferenz, derer wir uns bewusst sein sollten, wenn wir unser eigenes Erleben in der Zusammenarbeit verstehen wollen.

Konformität und »Rollenspiele«

»Ich bin, wie ich bin, immer und überall« – würden Sie diese Aussage unterschreiben? Auf den ersten Blick vielleicht, nach einem Moment der Reflexion wohl nicht mehr. Auch wenn wir in Zeiten des »Finde dein wahres Ich« und »Sei du selbst« gerne glauben, eine feste Identität zu haben, verhalten wir uns gleichsam kontext- und rollenkonform. Wir handeln (mehr oder weniger) gemäß den gültigen Normen, die im aktuellen Team wirken. Norm ist das, was wir sollen. Dabei müssen wir zunächst zwischen den Normen bzw. Verhaltenserwartungen der Organisation und denen, die im Team entstehen, unterscheiden. Die übergeordnete Organisation gibt Normen vor, denen wir uns nicht entziehen können und auf die wir häufig wenig bis gar keinen Einfluss haben. Arbeitszeiten, Kleiderordnung, Urlaubsregelung etc. zählen dazu. Solche Normen sind explizit formuliert und für jeden klar. Dies ist das erste Verhaltensgerüst, das uns als Individuum und als Team beeinflusst.

Wandel oder Beständigkeit?


Nehmen Sie vier Blätter Papier und beschriften Sie sie mit »Schizoid«, »Depressiv«, »Zwanghaft«, »Hysterisch«. Legen Sie die vier Blätter gemäß dem obigen Koordinatenkreuz auf den Boden. Stellen Sie sich entsprechend Ihrer Selbsteinschätzung in das Koordinatenkreuz (entlang der Achsen Nähe / Distanz und Wandel / Beständigkeit) und reflektieren Sie folgende Fragen:

• Warum stehe ich hier?

• Was ist meine Stärke?

• Welchen Mehrwert stifte ich in meinem Team?

• Was möchte ich von den anderen »Typen« lernen?

• Welche Erinnerungen mit Gruppen sind prägend für mich?

• Was sind erfreuliche Begebenheiten?

• In welchen Situationen habe ich mich als Außenseiter, Besserwisser, schwarzes Schaf gefühlt?

• Welche Muster begegnen mir in meinen Teams immer wieder?

• Welche Signale sende ich, sodass mir die »alte« Rolle zugedacht wird?

• Wie kann ich das Muster unterbrechen?

VOM UMGANG MIT FEHLERN – EIN KLASSIKER

Ein Unternehmen aus der Energiewirtschaft hat in seinen Leitlinien zum Thema Fehlerkultur folgende Aussage: »Wir gehen mit Fehlern konstruktiv um und lernen aus ihnen.« Der Umgang mit Fehlern ist in den Schulungen für die Führungskräfte genauso ein aktuelles Thema wie in der Personalentwicklung und in jedem Projekt (das für sich auch jeweils eine Projektcharta erarbeitet). In einem der Projektmeetings wurde deutlich, dass eine recht große Position in der Planung schlichtweg nicht vorgekommen war und nun das Budget sprengen würde. Was, denken Sie, passierte? Genau, als Erstes stand die Frage »Wer war das?« im Raum. Dann meldeten sich diverse Teilprojektleitende, um zu bekräftigen, dass sie selbst aber alles richtig und gründlich gemacht hatten, um dann zu erörtern, wem man denn die Schuld und die Konsequenzen anheften könne. Was tatsächlich zu beobachten ist, ist das alte Blame-Game und eben kein konstruktiver Umgang mit Fehlern, sonst hätte das Team genauer nach der Fehlerursache und den möglichen Zusammenhängen geforscht. Das Thema war aber sogleich vom Tisch, als ein Schuldiger ausgemacht war. Zudem zeigt das Beispiel die Diskrepanz zwischen der Vorstellung davon, »wie wir sein sollten«, und dem realen Zustand.

Zudem entsteht immer auch eine Teamnorm, in deren Rahmen fortlaufend ausgehandelt wird, welches Verhalten okay ist und welches nicht. Die meisten Regeln entwickeln sich implizit und werden gar nicht besprochen oder direkt verabredet. Als Team können wir sie uns bewusst machen, indem wir gemeinsam reflektieren: »Was geht hier und was nicht?« Das gilt für den Umgang mit Fehlern, Humor, Pünktlichkeit, Vorurteilen und so weiter. Jeder Einzelne ist an der Entstehung der Teamnorm beteiligt. Sie wird von den Teammitgliedern etabliert und steuert gleichzeitig deren Verhalten. Ein rückbezüglicher Prozess also. In sozialen Systemen sind Normen vor allem ein verbindlicher Anspruch auf bestimmte Verhaltensweisen. Verhalten wird immer sozial bewertet und bei Nichteinhaltung der Norm sanktioniert, auf formaler und informaler Ebene.

Wir gehören diversen Gruppierungen an und sind damit immer auch mit den verschiedenen Normwelten konfrontiert. Das bringt reichlich Konfliktpotenzial mit sich. Denken Sie zum Beispiel an Mitarbeitende, die in der stark an der formalen Hierarchie orientierten Command-and-Control-Organisation und in einem agilen Projekt arbeiten. Die Art der Zusammenarbeit in der Linie ist sicher eine andere als in einem SCRUM-Team. Für den Einzelnen wird es schwierig, die Orientierung zu behalten, zumal dann noch der Aspekt der offenen und der verborgenen Normen hinzukommt.

Normen an sich sorgen für Sicherheit, denn sie geben vor, mit welchem konformen Verhalten wir »richtigliegen«. In all den ausgelobten Transformationen und agilen Maßnahmen treffen unterschiedliche Welten mit konträren Normen aufeinander. Nun könnte man glauben, dass die offiziellen Anforderungen der Organisation verbindlich seien und auf jeden Fall umgesetzt werden, à la »Wir haben jetzt verstanden, dass wir aus Fehlern lernen können, also erwarten wir ab sofort eine positive Fehlerkultur«. Was aber zu beobachten ist, ist etwas anderes. Das Team orientiert sich an den informellen Normen, die sich entwickelt haben und die immer noch gültig sind. Wurden sie nämlich gar nicht reflektiert und neu verabredet, dann ist die Forderung nach einem neuen Umgang mit Fehlern nicht mehr als eine Schicht Schminke. Die neue, explizite Norm hat sich noch nicht bewährt, die alte, implizite schon. Es ist somit ziemlich egal, was offiziell wie sein soll, das konkrete Verhalten zählt, und so warten erst einmal alle ab, ob sich das neue Verhalten irgendwo beobachten lässt. Es ist offensichtlich, wie groß die Wirkung von Normen in sozialen Gefügen ist. Wenn wir leistungsfähige, produktive Teams haben möchten, dann ergibt es Sinn, die geltenden Normen zu reflektieren.

Das »Muss-Soll-Spiel« (nach Antons et al. 2019)


Um normierendes Verhalten in der eigenen Kommunikation und im Team zu erkennen, wird eine Diskussion geführt und dabei auf normierende Formulierungen geachtet. Durchführung:

1 Zunächst wird die Motivation für diese Übung geklärt (eventuell kurzer Input zu Normen in Teams).

2 Das Team verständigt sich darauf, bestimmte normierende Worte für die folgende Diskussion nicht zu verwenden, zum Beispiel »Ich soll«, »Du musst«, »Er darf nicht«. Teamspezifische Formulierungen können ergänzt werden. Sollte jemand während der Diskussion eine solche Formulierung verwenden, muss er oder sie eine Spielmarke in den Topf geben.

3 Jeder Teilnehmende bekommt zehn Spielmarken.

4 Die Diskussion startet für einen festgelegten Zeitraum. Alle sind Hüter der Regeln!

Dauer: 30 Minuten oder bis ein Teammitglied keine Spielmarken mehr hat

Reflexionsfragen: Wie habt ihr die Spielregeln erlebt? Wie haben sich die Regeln auf das Teamverhalten während der Diskussion ausgewirkt? Was ist uns mit dieser Übung bewusst geworden?

Welche Normen sind in unserem Team gültig?


Die Reflexion lässt sich gut in Kleingruppen von zwei oder drei Teilnehmenden beginnen. Die Gruppen schreiben auf ein Flipchart alle Normen, die ihnen einfallen. Dazu verwenden sie ganze Sätze, also »Du darfst nicht dazwischenreden«, »Streiten ist bei uns tabu« und so weiter. Achten Sie darauf, dass in diesen Sätzen niemand namentlich genannt wird, da Normen nicht personifiziert sind. Tragen Sie die Ergebnisse zusammen, und überlegen Sie gemeinsam, welche Normen von der äußeren Umwelt an das Team herangetragen werden und welche über die Wechselwirkungen im Team selbst (innere Umwelt) entstehen. Diskutieren Sie, welche Norm eventuell ein Update benötigt, und verabreden Sie sich.


»Normen haben auch dann Bestand, wenn Jemand faktisch dagegen arbeitet. Normen scheinen ein Typ von Erwartungen zu sein, bei denen wir entschlossen sind, nicht zu lernen« (Luhmann 1987). Wir halten an bestimmten Normen auch dann fest, wenn wir sie laufend nicht einhalten. Offenbar fällt es uns schwer, eine Norm abzulegen oder zu verändern, wenn sie einmal etabliert ist. Im Nichteinhalten steckt gleichzeitig auch immer die Chance auf Innovation. Auch dafür sind Normen gut.

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