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1.2Die Redlichkeit im Sprechen

Der griechische Philosoph Aristoteles (um 350 v. Chr.) soll der Meinung gewesen sein, dass der redliche oder aufrechte Mensch sich vom unredlichen Menschen dadurch unterscheide, dass der Redliche sagen könne, worüber er rede. Eine Forderung, die bis in die Neuzeit kaum an Bedeutung verloren hat. Zum redlichen Umgang mit der Sprache gehöre auch die Unterscheidung von dem Stoff oder der Materie einer Sache (Dasein) einerseits und dem Wesen einer Sache (Sosein) andererseits. Dabei ging Aristoteles davon aus, dass wir Menschen mit unserem Denken und Sprechen in das Wesen der Dinge eindringen und so alle Menschen dieses Wesen des beschriebenen Sachverhaltes erkennen und benennen können. Eine Sichtweise, die heute empirisch als nicht mehr haltbar erscheint.

Aristoteles lebte in einer kleinen, elitären Welt mit ähnlicher Sozialisation, ähnlichen Formen des Spracherwerbs, mit vergleichbarer psychischer Entwicklung in Bezug auf Werte, Erwartungen, Interessen und Bedürfnissen (wir nutzen für die vier Begriffe im Folgenden meist nur einen Begriff und/oder das Akronym „WEIB“). In dieser kleinen konkreten Welt konnte er annehmen, dass, wenn man über etwas sprach, alle auch dasselbe verstanden. Dies gilt aber nur für diese kleine Welt aufgrund ihrer einheitlichen Sozialisation. Hätte die griechische Bildungselite ihre Umgebung verlassen und auf die Worte der Barbaren (eine Bezeichnung für die, die kein Griechisch sprachen) gehört, hätten sie merken können, dass jene unter dem mit Worten Benannten im Wesen etwas ganz anderes verstanden als das, was sie selbst damit ausdrücken wollten. Möglicherweise hätten sie schon damals ausmachen können, dass die Schwierigkeit zwischen Menschen darin besteht, herauszufinden, was ein Wort semantisch benennt oder bedeutet und wie dieses emotional besetzt ist.

Die semantische Bedeutung

Die Semantik beschreibt die Beziehung zwischen sprachlichen Zeichen, z. B. in Form eines Wortes, und deren Bedeutung. Diese Zeichen sind Ergebnisse von Konventionen und können in unterschiedlichen Kontexten durchaus unterschiedlich besetzt sein. Nicht jeder Bankraub ist die Mitnahme einer Sitzgelegenheit aus einem öffentlichen Park.

Offensichtlich lässt sich mit Sprache hervorragend spielen. Und genau das tun wir im Alltag. Wir spielen – oft unbewusst – so lang mit Worten, bis diese für die Mitspieler bestimmte Regeln für ihre Benutzung bekommen haben. Diese Regeln werden zu Verwendungsnormen (Konventionen der Beteiligten). Sie sind allerdings nur in ebendiesem Kontext gültig. Wittgenstein spricht hier statt von einer Definition von einem „Sprachspiel“, in dem ein Wort seine Bedeutung hat.

Ist dieser Zusammenhang in der eigenen Sprache schon nicht einfach, wird er in verschiedenen Sprachen umso schwieriger. Spielen wir zur Erklärung einmal mit dem Wort „Himmel“: Nehmen wir das bekannte Gebet „Vater unser im Himmel“. Kein Engländer käme auf die Idee, dies mit „Our father in the sky“ zu übersetzen. Richtig heißt es: „Our father in heaven …“ Was zu der Frage führen könnte: Wenn heaven nicht gleich sky ist, muss dann Himmel unbedingt über den Wolken sein? Die weitergehende Differenzierung hätte möglicherweise manche Diskussion über kirchliche Dogmen erspart. Entstammt das Wort „Himmelfahrt“ einem theologischen Sprachspiel, hat es wesensgemäß eine andere Bedeutung als bei der NASA oder dem militärischen „Himmelfahrtskommando“.

Legt man für einen Begriff eine semantische Bedeutung fest, nennen wir dies „definieren“.

Definitionen geben Bedeutung

Mit Definitionen nähern wir uns der semantischen Bedeutung eines Wortes an. Wortdefinitionen sind immer im Kontext des gesamten Satzes zu sehen – in der Welt, in der sie spielen. Definitionen sind also die Ergebnisse eines Sprachspiels.

Bei der Definition wird ein Oberbegriff gegen das zu Definierende abgegrenzt. So bezeichnet „Brille“ eine Sehhilfe (Oberbegriff), die man auf der Nase trägt (Abgrenzung zum Mikroskop oder zur Lupe). Möchte ich die Brille nun genauer gegen einen Zwicker abgrenzen, ist die Einschränkung „auf der Nase“ nicht mehr brauchbar und muss durch „und auf den Ohren“ erweitert werden. Definitionen sind Konventionen.

Bei komplexeren Begriffen hat sich das Definieren durch das Erstellen kleiner Kataloge aus Bedingungen für die Verwendung des Begriffes als brauchbar erwiesen. Was muss „da sein“, damit wir das Wort verwenden? Eine Beispieldefinition für das Wort „Team“:

Von einem Team sprechen wir nur dann, wenn …

3 bis 11 Personen zusammenkommen,

die Sprachbeiträge meist der Problemlösung dienen,

der Erkenntnisfortschritt Vorrang vor Hierarchie hat und Zuverlässigkeit vor Sympathie oder Antipathie rangiert,

man es nach der Problemlösung auflöst.

Wird eine Bedingung nicht erfüllt, nennen wir dasselbe Konstrukt „Gruppe“. Allein diese kurze Unterscheidung wäre für viele Workshops von Nutzen, damit statt gruppendynamischer Beziehungsklärung Problemlösungen auf der Tagesordnung ständen.

Auch wenn wir nie alle Bedingungen erfassen können und die Begriffe der Definition nicht weiter definieren, nähern wir uns so dennoch begründbaren Aussagen an. So entsteht ein Dasein oder eine Wirklichkeit I.

Die Brauchbarkeit einer Definition wird erhöht, wenn man die folgenden Regeln beachtet: Definitionen sollten:

das zu Beschreibende positiv beschreiben, statt zu sagen, was etwas nicht ist (nicht: Team ist dann nicht gegeben, wenn …),

keine Beispiele enthalten, da diese meist nicht universell gültig sind.

Allzu häufig erleben wir, um beim Begriff des Teams zu bleiben, dass Vorgesetzte die Teamfähigkeit von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen beurteilen, Trainer und Berater Lösungen dazu anbieten, ohne dem Wort „Team“ auch nur annähernd eine semantische Bedeutung gegeben zu haben, geschweige denn sich über die Unterscheidung von Gruppe und Team im Klaren zu sein.

Semantikfreies Geschwätz finden wir auch in Unternehmensleitbildern, die bedeutungsfrei teamorientierte, motivierende, kooperative, empathische, loyale und nachhaltige Führungskräfte mit Widerstandskraft einfordern und dabei nicht einmal die Bedeutung von Führung und Management auseinanderhalten können.

Die semantische Bedeutungslosigkeit in politischen Reden, die Freiheit, Solidarität, Demokratie oder Gerechtigkeit fordern, steht dem in nichts nach. Da man mit solchen Begriffen ohne geklärte inhaltliche Bedeutung Menschen erwiesenermaßen begeistern kann, muss in den Worten noch etwas anderes liegen, was sich nicht allein durch Semantik oder Bedeutung greifen lässt.

Die emotionale Besetzung der Worte

Der schon erwähnte Erkenntnisforscher Heinz von Förster unterscheidet hier triviale von nicht beweisbaren Aussagen. Trivial sind für ihn all jene Aussagen, deren Bedeutung sich auch nachweisen lässt. Fragen Sie jemanden, ob die Zahl 397.256.466 durch 2 teilbar ist, können die meisten sofort eine Antwort geben, deren Richtigkeit sich feststellen lässt. Die Teilbarkeit durch 3 bedarf etwas länger. Dennoch sind solche Fragen entscheidbar oder „trivial“.

Fragen Sie Menschen hingegen, stellt Förster weiterhin fest, wie das Universum entstanden ist, werden die einen von einem Urknall vor mehr als zehn Millionen Jahren, die anderen von einem Sieben-Tage-Werk sprechen oder was es sonst noch an Theorien gibt.

Die Antwort der Gefragten sagt etwas über deren Vorstellung von der Weltentstehung aus, nicht aber über das Entstehen der Erde. Sie werden folglich auf diese Weise Informationen über den Antwortenden bekommen, aber nie darüber, wie das Universum entstanden ist. Die Richtigkeit einer Antwort auf solche nicht trivialen Sachverhalte ist prinzipiell nicht entscheidbar.

Jeder Mensch verkündet mit dem Gebrauch seiner Worte auch seine persönlichen Lebenserfahrungen, seine Werte, Erwartungen, Interessen und Bedürfnisse (kurz: WEIB). Prägend ist: Wann habe ich das Wort zum ersten Mal gehört? Wie war es damals emotional besetzt? Welche sozialen Erfolge konnte ich bisher damit erzielen?

Aber ebendiese emotionale Dimension der Worte führt in die zuvor beschriebene Wirklichkeit zweiter Ordnung. „Die Vorstellung, die eigene Wirklichkeit bilde die Realität ab, ist das Fundament jeder Lüge und jeder Unredlichkeit“, sagte uns Rupert Lay in einem Interview zu diesem Kapitel.

Fakten von Deutungen trennen

Die Unterscheidung der emotionalen Besetzung eines Wortes oder einer Aussage von der semantischen Bedeutung ist ein erstes Ziel dieses Sprach-Führers. Bewusst Fakten von Deutungen trennen zu können, werden wir in den folgenden Kapiteln immer wieder als die notwendige Voraussetzung für eine gelingende Kommunikation kennenlernen.

Die Aussage: „Da geht jemand einkaufen“ beinhaltet zwei Teile. Zum einen: „Jemand geht.“ Dieser Sachverhalt ist wahrscheinlich von jedem Beliebigen zu erkennen und der Wahrheit I, d. h. den Fakten, zuzuordnen.

Das Urteil „Einkaufen“ entspräche hingegen schon Wirklichkeit II. Aus der persönlichen Erfahrung, der eigenen Sozialisation (WEIB), geht ein Mensch, der eine Tasche dabeihat und in der Innenstadt herumläuft, einkaufen. Was aber, wenn die Person nur spazieren geht, sie besonders langsam geht, damit sie nicht für den Bankräuber gehalten wird, den die Polizei aktuell sucht …?

Sobald wir einem beschreibbaren Fakt eine Absicht hinzufügen, wird daraus eine Deutung. Manche nennen diese Deutung deshalb „post-faktisch“. Mit Worten werden so nur emotionale Besetzungen transportiert. Diese werden auch dann nicht Fakt, wenn andere die Ansicht mit uns teilen. Allerdings belasten uns Fehldeutungen nur selten, wenn wir unseren Irrtum mit anderen teilen. Im Gegenteil, wir halten Menschen sogar für besonders sympathisch, solange sie die gleichen Worte verwenden wie wir und auch nicht wissen, worüber sie reden.

Das Beispiel: In der Zeitung stand (oder der Schulrektor sagte), dieser Schultyp sei besser als andere Schulen, beschreibt nicht automatisch die Realität.

Fakt ist: In der Zeitung stand …, das wird jeder Beliebige lesen können. Damit anzunehmen, dass auch der Inhalt der Aussage Fakt sei, ist ein allzu häufiger Irrtum, selbst wenn die Aussage von sogenannten „Autoritäten“ kommt. Wahrscheinlich sind hoch gegriffen maximal zehn Prozent unseres Wissens Erfahrungswissen. Mehr als 90 Prozent unseres Wissens halten wir nur aufgrund einer fremden Autorität für wahr.

Umso mehr sollten wir redlich damit umgehen.

Redlich im Sinne unseres Sprachspiels handelt jemand nur dann, wenn er sich aufrichtig bemüht …

die eigene Wirklichkeit nicht mit der Realität zu verwechseln,

Fakten von Deutungen zu trennen,

Worten eine semantische Bedeutung zu geben,

beim Hören emotionale Besetzungen (WEIB) der anderen zu beachten,

zu hinterfragen, was Erfahrungswissen und was Wissen aus einer fremden (autoritären) Quelle ist,

bei interessierten Quellen immer auch Deutungen einer anders interessierten Quelle einzuholen.

Umgang mit nicht entscheidbaren Aussagen

Die Frage: „Was weiß ich über mich und was weiß der andere über mich?“ ist ein prinzipiell unentscheidbarer Umstand. Und obwohl wir genau wissen, dass etwas prinzipiell nicht entscheidbar ist, tun wir täglich so, als wüssten wir genau, wie das funktioniert.

Bleiben wir zur Erklärung noch einmal beim schon genutzten Schulbeispiel: Natürlich wollen Eltern für ihre Kinder die beste Schulausbildung. Aber was ist die beste Schulform für mein Kind? Keine Ahnung, und doch diskutiert man in vielen Städten seit Langem darüber. Jede politische Partei meint die Antwort zu kennen. Bei genauer Betrachtung werden Sie feststellen, dass diese Antworten auf die nicht entscheidbare Frage viel über die Vorstellung der Partei, aber nichts über das beste Schulsystem aussagen. Bei allen prinzipiell nicht entscheidbaren Fragen haben wir die Freiheit, selbst entscheiden zu können. Nur wir können hier entscheiden, und zwar so, wie wir wollen, solange wir bereit sind, dafür die Verantwortung zu übernehmen. Verantwortung heißt: Ich kann begründen, was ich tue, und bin bereit, für die Konsequenzen einzustehen. Wir nennen dies auch Gewissensentscheidungen.

Da wir nun bei diesen Entscheidungen prinzipiell nicht wissen, was richtig ist, haben diese den Charme, dass garantiert bald jemand auftaucht, der uns mit der Gewissheit seines Unwissens klarmacht: „Siehst du, hättest du doch mal auf mich gehört.“ Diesem Unwissen können wir meist nicht einmal widersprechen.


Die semantische Bedeutung und die emotionale Besetzung von Begriffen sind nach Sokrates die Hauptgründe für Missverständnisse. Machen Sie deshalb von folgenden Werkzeugen Gebrauch: Unterscheiden Sie Fakten von Deutungen. Definieren Sie die semantische Bedeutung der zentralen Begriffe einer Aussage in Ihrem Kontext oder Sprachspiel. Beachten Sie die aktuelle emotionale Besetzung von Begriffen bei Ihnen und Ihren Gesprächspartnern. Seien Sie redlich und vermeiden Sie bedeutungsfreie Begriffe in Leitbildern, Ansprachen, Besprechungen.

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