Читать книгу: «Das geliehene Glück des Samuel Goldman», страница 6

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Kapitel 7

In den nachfolgenden Tagen war Sam damit beschäftigt, zusammen mit Mary und ihrem Produktionsteam weitere Reportagen zu produzieren. Er selbst hatte bei seinen Eltern um Verständnis gebeten, zur Zeit keine Besuche machen zu können, da auch vor dem Elternhaus immer noch Fotografen und Reporten verharrten, die davon ausgingen, Goldman spätestens hier irgendwann einmal abfangen zu können.

Und überhaupt: Mary hatte sich einen hübschen Plan zu Recht gelegt, um Sams Aufenthaltsort nicht preiszugeben. Sie tauschte täglich in der Tiefgarage von NCCB ihre Fahrzeuge, hatte Perücken für sich und ihn besorg, und sie begann einen großen Spaß am Verkleiden, und die Konkurrenz – die wider Erwarten einfach nicht aufgeben wollte – an der Nase herum zu führen. Sam musste im Kofferraum aushalten oder Frauenkleider tragen. Letzteres machte Mary besonders große Freude, und mit Akribie schnallte sie ihm eine Busenattrappe an, die sie gekonnt in die richtige Position zu rücken verstand. Entgegen ihren Erwartungen hatte auch Sam Spaß an der Sache und machte ihr – leider jahreszeitlich unbrauchbar – den Vorschlag, dass ihr sich auch ein Weihnachtsmannkostüm gut stehen würde, er könne sich dann ja im Sack verstecken.

Neben der kindlichen Freude an diesen Spielchen vergaßen beide aber den Ernst der Sache nicht. Mary hatte einen Job zu machen, in dem Sam die Hauptrolle zuteil war. Die Ausstrahlungen ihrer Berichterstattung, über Sams erstaunliche und unbeschreibliche Glücksfälle, verfehlten ihre Wirkung nicht. NCCB war über Nacht einer der meist gesehenen Sender, und Mary war mit einem Schlag eine der bekanntesten Journalistinnen des Landes. Die bekanntesten Talkmaster der großen TV-Anstalten gaben sich ein Stelldichein und buhlten um einen Besuch in ihren Live-Sendungen. Fast stündlich trafen neue Angebote ein, und Mary wurde nach und nach auch die Managerin von Samuel Goldman.

Sam hatte sich im Feriendomizil von Mary am Lake Robinson eingelebt. Das fiel ihm auch nicht schwer, denn er hatte schon unangenehmere Aufenthaltsorte kennengelernt. Und wenn er dort alleine war, so genoss er die Aussicht, ging im warmen See schwimmen, joggte am Seeufer – natürlich mit Baseballcap und Brille – und duschte im Gästebad des Hauses, in dem selbst die Handtücher nach Mary rochen. Er bereitete ihr zwar nicht das Rosenbad mit Champagner, doch erwischte er sich einige Male dabei, darüber nachzudenken, ob das nicht doch eine gute Idee war.

Er war gerade dabei, sich mit einer Zeitung auf die Terrasse zu setzen, als Mary, etwas früher als angekündigt, zurückkam. Sie sprang aus dem Fahrzeug und gestikulierte aufgeregt, Sam möge zum Auto kommen.

„Ich habe Ihnen etwas mitgebracht.“ rief sie, und ihre Vorfreude auf sein erstauntes Gesicht war nicht zu übersehen. Sie öffnete den Kofferraum ihres SUVs und forderte Sam mit hingehaltenen Händen auf, dass er doch einen Blick auf die Ladefläche werfen solle.

Sam tat wie ihm geheißen, und blickte auf mehrere Waschkörbe voller Post. „Was ist das?“ fragte er und ging näher an den Wagen heran. „Briefe?“

„So etwas nennen berühmte Leute Fanpost!“ freute sich Mary und beobachtete weiter Sams Reaktion.

„Fanpost?“ Er blieb arglos. „Das ist dann ja wohl der Beweis dafür, dass Sie ein echter Fernsehstar sind.“

Mary lachte herzlich und schüttelte den Kopf. „Sie großer, großer dummer Junge!“ rief sie. „Das ist Ihre Post. Von Ihren Fans. Sie sind der Star! Kommen Sie, wir tragen die Körbe ins Haus und dann mache ich uns eine Flasche Wein auf. Wir werden Briefe öffnen und uns einen amüsanten Abend mit Ihren Groupies machen.“

Sam war verlegen geworden, denn das Wort `Groupies´ machte ihn etwas skeptisch. Es mussten einige tausend Zuschriften sein, allein in diesen Körben. Und Mary sagte dazu, dass dieses lediglich die Ausbeute des Vormittags sei, die Poststelle von NCCB wäre schon kurz danach wieder dabei gewesen, im Supermarkt weitere Körbe zu beschaffen. Allesamt für Sams Post. Und die IT hatte dazu große Probleme mit dem Email-Server des Senders, dessen Speicher unter der Zahl der Eingänge schon am Morgen vollgelaufen war.

So saßen denn beide auf Marys Terrasse, nippten an einem großen Rotweinglas, öffneten gespannt die Fanpost und sichteten erste Zuschriften. Fanden sie etwas Besonderes, so lasen sie dem anderen laut vor, lachten gemeinsam, tranken wieder einen Schluck und es war ihnen beiden so, als wären sie schon ewig zusammen.

„Hören Sie“, sagte Mary, „hier habe ich einen Leckerbissen für Sie.“ Während sie auf den Brief schaute, reichte Mary Sam ein Foto herüber. „Es schreibt Ihnen Ronja.“ Mary schaute kurz zu Sam herüber. „Also RONJA! … Sie schreibt: Lieber Sam, lange habe ich auf den richtigen Mann gewartet und mich für ihn bewahrt. Nun habe ich Dich gesehen und ich weiß, Du bist es …“

Sam unterbrach Mary mit sichtlich rotem Gesicht. „Das ist doch ein Witz, oder?“

Mary las unbeirrt weiter: „ ….lalala … Du bist es. Dir werden jetzt sicherlich viele Frauen schreiben, doch sei gewiss, es wird Dich keine so lieben, wie ich.“ Mary machte eine kurze Pause. „Und jetzt kommt´s dicke: …" Ich sehe gut aus, ein Foto habe ich Dir beigefügt, bin neunundzwanzig Jahre alt und glaube fest an Gott, den Herrn, der alles auf unserer Welt bestimmt. Er hat Dich mir gesendet und ich bin bereit, mich für Dich hinzugeben …“

„Schluss jetzt!“ befahl Sam aber Mary meinte, er solle sich doch mal das Foto ansehen. Er zögerte, dann aber wagte er einen Blick.

„Du lieber Gott!“ platzte es aus ihm heraus. „Die muss ja mindestens zweihundert Kilo wiegen …“

„Im Sommer spendet sie Schatten, im Winter Wärme.“ Mary grinste frech. „Was will ein Mann mehr?“ Sie schaute Sam an und zwinkerte ihm mit einem Auge zu.

Sam hatte auch einen Brief in Händen, den er mehr als merkwürdig empfand. „Jetzt lese ich mal einen vor.“ sagte er fast ein wenig trotzig, und Mary wendete sich ihm zu, so dass Sam ihr schönes Gesicht im Licht des nahenden Sonnenunterganges sehen konnte. Und es entzückte ihn sehr.

Er begann vorzulesen: „Mr. Goldman, Sie schulden mir etwas. Ihretwegen habe ich meinen Job verloren. Ich war auch bei der Public beschäftigt, als Security, und durch eine Verkettung unglücklicher Zufälle und deren falscher Deutung verdächtigt man mich, ein Komplize der Bankräuber zu sein, die Ihre Bank und Sie überfallen haben. Mir wird nicht geglaubt und man hat mich, obwohl es keine Beweise gibt, einfach gefeuert. Sie haben so viel Glück und jetzt werden Sie damit auch noch berühmt. Ich bitte Sie deshalb, da mein Schicksal mit dem Ihren verbunden zu sein scheint, um ein Treffen. Sie werden mir doch sicher etwas für mich machen können, damit ich mein Unglück hinter mir lassen kann.“ Sam machte eine längere Gedankenpause. Dann fügte er hinzu: „Und er gibt seine Telefonnummer an, damit ich ihn anrufe.“ Erneut hielt Sam inne. „Gibt´s denn sowas?“

Mary goss noch etwas Rotwein in die Gläser. Dann antwortete sie gefasst und bestimmt: „Ich habe es Ihnen ja gesagt. Da laufen eine Menge Verrückte umher, die glauben, dass Sie sie retten können. Sie erinnern sich?“ Sie schaute Sam ernst an. „Die meinen tatsächlich, was sie schreiben. Die sind verzweifelt oder einfach nur irre. Aber manche von denen würden wohl auch nicht davor zurückschrecken, Ihnen auf die Pelle zu rücken.“

Sam wollte das nicht weiter dramatisieren. „Dann wäre es ja eine prima Idee, wenn wir kleine Plastikpuppen von mir verkaufen und behaupten, dass ich jeder einzelnen die Hand aufgelegt habe.“

Mary hatte wieder Spaß. „Ja, so eine dieser Figuren, mit Saugnapf zum Festkleben auf dem Armaturenbrett.“

„Genau“, führte Sam den Gedanken fort, „Wer war schon der Heilige Bonifatius! Samuel Goldman, Schutzpatron der Bettnässer und Rächer aller unschuldig verurteilten Laternenpinkler. Mit Wackelkopf, versteht sich.“

Beide lachten herzlich und die Sonne verschwand gerade hinter dem See und hüllte das Panorama in blutrotes Licht. Mary und Sam betrachteten das Schauspiel und es umgab sie eine wunderbare Wärme, die sie beide so vorher noch nie empfunden hatten.

Mary brach die Stille. „Wollen wir noch weiterlesen?“

„Nein.“ antwortete Sam kurz. „Wir sollten diesen Abend und diese Aussicht auskosten.“

„Ja“, Mary war nachdenklich. „Auskosten, für wahr.“

Und ihre Blicke trafen sich. Und Sam genoss diese Situation. Wie er überhaupt das alles in diesen letzten Tagen genossen hatte. Wie war er doch nur in den Jahren zuvor bescheiden und ohne jeden Funken gesunder Eitelkeit. Ohne wirklichen Anspruch, zufrieden mit seinem Dasein, wie es wahr. Doch nun begann er durch eine offene Tür zu sehen, und er entdeckte neue Reize, ein wenig Ruhm, zudem noch Geld und die Aufmerksamkeit einer so attraktiven Frau wie Mary Thompson. Mary, die aus einer so vollkommen anderen Welt in sein Leben getreten war, willens, ihn in ihr glitzerndes Reich zu entführen.

Das Klingeln des Telefons von Mary ließ Sam aus seinen Gedanken zurück zur Wirklichkeit kommen. Paul Wayne meldete sich bei Mary. Wie immer war er am Telefon kurz angeboten und unterlies alle üblichen Höflichkeitsfloskeln.

„Mary!“ Pauls Tonfall war eindeutig. „Um 10 Uhr haben wir morgen einen Termin mit neuen Geschäftspartnern. Es gilt dabei den Sack für uns zuzumachen. Das geht auch Dich etwas an. Und Goldman. Sei um neun Uhr bei mir, erst allein. Goldman werden wir dann dazu holen. Schicke ihn vorher einfach zum Kaffeeholen, damit wir erst unter uns reden können. Alles klar? Also, gute Nacht.“ Damit war das Telefonat beendet.

Mary kannte solche Manöver von ihrem Boss. Das war also nichts Außergewöhnliches, und damit gab es auch keinen Grund zur Beunruhigung. Und neue Geschäftspartner? Das hörte sich doch gut an. Das war es doch, was Paul und sie wollten. Mehr Geschäft, bessere Quoten, die Konkurrenz abhängen, vorne sein. Sam gegenüber erwähnte sie deshalb nur, dass sie beide eine Besprechung bei Wayne haben werden, sie zuvor noch eine andere Sache erledigen muss. Sam hatte nichts dagegen.

Kurz darauf beschlossen beide, den Abend zu beenden, verabschiedeten sich voneinander und gingen auf ihre Zimmer, denn Mary empfand es nun als das Sinnvollste, auch in ihrem Ferienhaus zu verweilen, und möglichst nah bei ihrem Schützling zu bleiben. Schließlich musste sie ihn ja auch immer fahren.

*

„Setzt Dich, Mary.“ Paul Wayne schien gut gelaunt. „Ich erwarte heute die Gebrüder Skinner. Das sind die Inhaber von SevenDollies. Ich denke, mehr brauche ich zu den Herren nicht sagen.“ Mary nickt und Paul fuhr fort. „Die beiden haben uns ein fantastisches Angebot gemacht. Eines, worauf wir ein paar Champagnerkorken knallen lassen, wenn der Vertrag unterzeichnet ist. Und ich habe schon ein paar Flaschen kaltstellen lassen, wenn Du verstehst.“

Mary verstand. „Ein sizilianisches Angebot also.“ konstatierte sie.

„Sizilianisch?“ Ihr Chef verstand nicht.

„Na, Du weißt schon“, Mary freute sich. „eines, das man nicht ablehnen kann.“

„So kannst Du es auch ausdrücken.“ Wayne lächelte kurz, dann sprach er weiter. „Die Burschen wollen Goldman. Als Glücksschweinchen, sozusagen. Sie haben die Idee, dass er zur Lottofee von SevenDollies wird, und sie damit ganz nach vorne kommen.“

„Und was fällt für uns ab?“ Mary war noch nicht begeistert.

„Im Gegenzuge für unser Maskottchen werden wir der Exklusivpartner für alle Übertragungen der Ziehungen, können die Gewinnerstories machen, und erhalten obendrauf ein fettes Honorar mit Beteiligung. Dazu kommen noch unsere vielen neuen Werbepartner, die darum betteln werden, NCCB die Werbeminuten abkaufen zu können, die natürlich im Preis ein wenig angepasst werden müssen.“ Paul Wayne roch förmlich schon ein riesiges Geschäft und er fügte, er schien wirklich begeistert, hinzu: „Eine Gelegenheit für uns, die sich nicht alle Tage wiederholt, Mary. Das ist DIE Chance in der obersten Liga anzukommen.“ Und in seinen Worten klang der Unterton der Beschwörung mit.

„Und ich soll jetzt Goldmann überzeugen, da mitzumachen?“ fragte Mary, ohne auf Waynes Euphorie weiter einzugehen. „Was ist, wenn er ablehnt? Was, wenn er sich nicht dafür hergeben will, so etwas wie ein zu Fleisch gewordener Talisman zu sein? Soll ich ihn dann unter Drogen setzen?“

Ihr Boss zuckte nicht mit den Wimpern. Für ihn existierte kein `Nein´ in dieser Sache. „Von mir aus, auch das!“ sagte er gefühllos. „Aber wie ich Dich kenne, meine hübsche Mary, wirst Du andere Mittel haben, die neue Cashcow von NCCB bei guter Laune zu halten, ihm begreiflich zu machen, dass er mitzuspielen hat.“ Wayne sah Mary Thompson geradewegs in ihre Augen. „Es ist zu wichtig für uns, Mary. Ich denke, Du solltest alles daran setzen, dass Goldman macht, was wir wollen.“

Mary erwiderte den Blick ihres Chefs. „Du fändest es also in Ordnung, wenn ich mit ihm dafür schlafe?“

„Mit Irgendwem musst Du es ja mal tun.“ antwortete Wayne, und was er meinte, traf Mary mit Wucht. Denn er wusste, dass sie sich dem Sender mit Haut und Haaren verschrieben hatte, gegen alle privaten Interessen, und bisher jede ihrer Beziehungen eben genau hieran gescheitert war. Aber Fairness war nicht sein Ding, es sprach der Paul Wayne aus ihm, der er war. Wenn es sein musste, teilte er auch unter die Gürtellinie aus. Dem Geschäft ist es egal.

Mary setzte ein süßsaures Gesicht auf. „Ich wusste schon immer, Paul, dass Du ein Schwein bist!“ Mit einem kleinen, versöhnenden Lächeln fügte sie hinzu: „Und wir lieben Dich dafür.“ Sie stand auf. „Dann werde ich mich jetzt mal kurz mit unserem Objekt der Begierde unterhalten und ihm seinen Preis für die Show entlocken. Was bist Du bereit zu geben, Paul – ich meine, außer meiner Vagina?“

Paul brauchte nicht zu überlegen, und die Spitze von Mary überhörte er, denn diese interessierte ihn auch nicht wirklich. „Zwölf Prozent aus allen Einnahmen, die wir mit ihm und SevenDollies machen. Aber fange mit einem Prozent an. Schon damit wird er bis an sein Lebensende ausgesorgt haben, dieser Glückspilz.“

Mary hatte kapiert, was Goldman betraf. „Und was ist mit mir?“ Sie stand immer noch vor Wayne und sie wollte nicht gehen, bevor diese Frage für sie nicht auch beantwortet war. „Paul, was sind Dir meine Dienste wert?“

„Verdopplung Deiner Bezüge.“ Paul schaute auf seine schwere, goldene Armbanduhr. Ein Zeichen für seine Ungeduld.

„Das reicht nicht. Das ist Dir doch klar!“ Mary wusste, dass die Zeit zu drängen begann. „Goldman habe ich gefunden. Es ist mir zu verdanken, dass wir ihn unter Vertrag haben. Da muss schon ein größeres Stück vom Kuchen für mich abfallen, Paul!“

„Es bleibt bei zwölf Prozent. Dann eben für Dich und Goldman zusammen.“ schoss es Wayne heraus. „Je weniger Dein smarter Sam abkriegt, desto mehr bleibt für Dich. Liegt dann ganz allein in Deinen Händen. Ist Dir das jetzt fair genug?“ Wayne hielt nur für drei Sekunden inne, dann schloss er ab und ein Unterton mischte sich bei, der unmissverständlich war: „Wenn Du zum Meeting mit Goldman erscheinst, weiß ich, dass Du ihn eingesackt hast. Wenn nicht, werde ich mir etwas einfallen lassen.“

Mary Thompson nickte kurz, dann verließ sie den Raum und ging zu Sam, der in ihrem Büro auf sie gewartet hat. Als sie eintrat, schenkte sie Sam ihr schönstes Lächeln und die Wärme, mit der sie ihn ansah, war nicht gespielt. Sam sah ihr aber sofort an, dass sie gerade eine unerfreuliche Besprechung hinter sich gebracht hatte und fragte, deutlich besorgt: „Ärger?“

„Im Gegenteil, Sam, alles andere als das!“ Sie setzte sich ihm gegenüber, schlug die Beine übereinander und beugte sich näher an ihn heran. „Wenn es bisher noch irgendwelche Zweifel gegeben hat, dass Sie ein Glückspilz sind, dann haben sich diese gerade in Luft aufgelöst.“ begann Mary.

Und sie erzählte Sam über das Angebot von SevenDollies, den Skinners und malte Sams Rolle dabei in den schönsten bunten Bildern aus. Sie übertrieb dabei ein wenig, ohne aber zu weit dabei zu gehen. Sie blieb in ihrer Darstellung bewusst nüchtern und sachlich, wenn es um das Geschäftliche ging und endete – ganz pragmatisch mit dem Satz: „Sam, es ist ein Geschäft, das wir machen. Nicht mehr, nicht weniger. Und Sie werden ein wohlhabender Mann dabei.“

Sam Goldman war durchaus nicht ablehnend. War doch auch diese Entwicklung ein weiterer Schritt in seinem neuen, reizvollen Leben, dem TV-Geschäft, den vielen aufregenden Ereignissen. Und wer wusste schon, was noch alles vor ihm liegen sollte. Und ein besonders Motiv schien sich bei ihm besonders stark zu werden. Mary. Willigte er ein, so würden sich die letzten Tage, die Begegnungen mit ihr, das leichte Prickeln in seinem Bauch, fortführen lassen. Und das wollte Sam in jedem Fall. Er schaute sie an, blickte vielleicht ein wenig zu tief in ihre Augen, und er gab ihr zu verstehen, dass er einverstanden war.

Beide schwiegen eine kurze Zeit. Mary war innerlich aufgewühlter, als sie es von sich kannte. Und es war nicht allein die Aufregung um das Geschäft und den Erfolg. Sam war von seiner Entscheidung selbst ein wenig überrascht und fragte sich, ob er sich gerade selbst überrumpelt haben würde.

Es war Mary, die das Schweigen brach: „Sam, wir machen Ihnen ein Angebot.“ kündigte sie an und versuchte in Sams Blick zu lesen, wie groß sein Interesse hieran wohl war. Sam war zwar ganz Ohr, blieb aber gefasst, denn so, wie er Mary einschätzte, würde sie schon etwas Profitables für ihn in petto haben.

So fuhr Mary fort: „Sie erhalten zwei Prozent aus allen Einnahmen dieser Sache.“ Scham empfand Mary in diesem Moment in keiner Faser ihres Körpers.

Sam begann zu lachen. „Mary, Mrs. Thompson, wenn Sie mir zwei Prozent anbieten, dann wird Ihre Verhandlungsvollmacht bei mindestens zehn liegen.“

Mary war ehrlich erstaunt. „Sam, Sie überschätzen mich maßlos.“

„Ich glaube kaum.“ Sam begann Freude an der Verhandlung zu bekommen. „Ich denke, dass zehn Prozent noch ein sehr gutes Geschäft für NCCB ist.“

Dieser Sam Goldman, dachte Mary, der hat schnell gelernt. Sie sah ihn mit wiedergewonnener Kühnheit an. „Fünf, und damit haben Sie bis in die Steinzeit und zurück ausgesorgt.“

Sam schenkte ihr sein schönstes Lächeln und seine Grübchen zeigten sich in ganzer Pracht. „Sieben!“ Und es klang endgültig. Doch er fügte hinzu: „Und einhundert Abendessen zu zweit mit anschließendem Glas Rotwein auf Ihrer Terrasse.“ Jetzt grinste Sam bübisch und freute sich über seine spontane Idee.

„Mit sechs Prozent sind wir im Geschäft.“ Und jetzt war es Mary, die mit Bestimmtheit den Deal beenden wollte. Als Sie sah, dass Sam damit einverstanden sein würde, wurde sie sanft und beugte sich noch ein Stück näher an ihn heran. „Und zehn Abendessen – erst einmal zehn …“

Wie selbstverständlich nahm Paul Wayne die Tatsache hin, dass Mary zum Meeting mit Sam Goldmann erschien. Nichts anderes hatte er erwartet. Und als John und Maurice Skinner den Raum betraten, sich setzten und Sam beäugten, als wäre er der Gesandte einer unbekannten Zivilisation aus einem fernen Sonnensystem, trat – und niemand hat zuvor wirklich daran gezweifelt – das neue Erfolgsteam von SevenDollies und NCCB zusammen, und sie besiegelten ihren gemeinsamen Deal.

Das Glück des Sam Goldman hatte nun auch sie erreicht. Da waren sie sich alle sicher. Und Sam selbst freute sich auf all das Spannende und Prickelnde, was das Leben jetzt für ihn parat halten würde.

Kapitel 8

Das Appartement im 5. Stock war winzig, und das einzige Fenster ging zur Straße hinaus. Schaute man hindurch, so sah man zu allererst die stählerne Feuertreppe, die im Zickzack von oben nach unten am Haus verlief. Der Stadtteil Andersonville gehörte nicht gerade zu den bevorzugten Wohngegenden, doch eine bessere Wohnung konnte sich Steve Conners nicht leisten. Bis vor kurzem hatte er noch Informatik studiert, das Studium dann, auf halber Strecke zum Ziel, abgebrochen. Conners verdiente sich nun sein Geld mit kleinen Serviceleistungen und reparierte Computer, installierte Heimnetzwerke und handelte ab und zu mit gebrauchter Hardware, manchmal auch mit illegalen Softwarekopien, die er selbst hergestellt hatte, in dem er zuvor den Sicherheitscode knackte.

Steve Conners war zweiundzwanzig Jahre alt, ein schmalbrüstiger Jüngling, dessen Haare sich auf seinem Schädel schon unübersehbar zu lichten begonnen hatten, und er deshalb fast dauerhaft eine nach hinten gedrehte Baseballmütze trug. In seinem Appartement sah es aus, als würde ein Messie darin hausen. Er hortete aber keinen Müll, sondern Computerteile, defekte Drucker, Platinen, Kabel, Switches, Relays, Bildschirme und sonstigen Kram, der ihm geeignet schien, noch irgendwann einmal einer Verwendung zugeführt werden zu können. Sein kleiner Esstisch diente überwiegend als Werkbank, und war mit Lötkolben, kleinen Messgeräten, Schraubendrehern, erstarrten Zinntröpfchen und unzähligen abgeschnittenen Kabelstückchen, deren Kupferenden herausschauten, übersät. Wer sich in diesem Chaos umschaute, sah zudem leere Chipstüten, Getränkedosen und Schachteln für Chinafood, in denen noch die Stäbchen steckten. Und beharrlich hielt sich ein Geruch, der einem Gemisch aus Schweiß, süßsaurer Pekingsauce und getragenen Turnschuhen gleichkam.

Freunde hatte Conners keine. Ohnehin lebte er fast völlig zurückgezogen und kam nur bei zwei Gelegenheiten aus seinem, wie er es verstand `Labor´, heraus. Wenn er zu Kunden musste, und wenn er sich mit anderen Freaks in einem nahegelegenen Gebäude traf, in der sich die `Computer Masters´, einer Gemeinschaft gleichgesinnter Soft- und Hardwarebastler, regelmäßig trafen.

Sein Studium abzubrechen war Conners ureigene Entscheidung. Nach seinem Dafürhalten hatte er viel zu lange damit gewartet. Er verschwendete nämlich keinen einzigen Gedanken daran, sich etwa in diese Riege von Spinnern einzureihen, solchen, die im Silicon-Valley davon träumen, mit irgendeiner Scheißsoftware, einer für die Spießer dieser Erde gebauten Anwendung, zum Milliardär zu werden und dafür, pizzafressend im Schlafsack auf dem Campus pennen und nach Kapitalgebern für ein aussichtsloses Start-up zu suchen. Er hatte diese Typen zur Genüge gesehen. Er war bedient. Und wenn diese Bürschchen dann auch noch von ihren wohlhabenden Eltern aus Bel Air durchgefüttert wurden, in den sauberen Penthäusern von Papa Party machten, soffen, koksten und wie die Hamster fickten, dann konnte er nur noch kotzen. Im Gegensatz zu ihm, Steve Conners, Kind aus armseligen Verhältnissen, vaterlos, aber mit einem unübersehbaren Genie ausgestattet, hatten diesen Nieten kein Recht auf ihr luxuriöses Dasein. Vielmehr stand ihm das zu, und diese Ungerechtigkeit lag ihm schon länger drückend auf dem Magen.

Er war eben nicht mit dem goldenen Löffel im Hintern zur Welt gekommen. Ihm war schon im Kreißsaal die Arschkarte verliehen worden. Seinen Vater hatte er nie zu Gesicht bekommen. Ein Alkoholiker und Taugenichts, der irgendwo in den Staaten leben würde, sofern wer nicht schon längst krepiert war. Seine Mutter hatte versucht über die Runden zu kommen, arbeitete hart, ohne dabei aber nach vorne zu kommen. Als er Neunzehn war, starb sie an einer Lungenentzündung, die sie verschleppt hatte, um nicht den Job zu verlieren. Ab diesem Moment war er völlig auf sich gestellt. Während er sein Studium mit den erbärmlichsten Jobs selbst finanzieren musste, durfte er das angenehme, sorgenfreie und ausufernde Dasein der meisten Studenten um ihn herum mit ansehen. Schnell empfand er Wut und Abscheu. Und die Ungerechtigkeit dabei, dass stets die Falschen am Honigtöpfchen naschen dürfen, und die, die es verdient hatten, immer nur das Nachsehen vereinnahmen durften. Das trieb ihm oft die Zornesröte ins Gesicht.

Große Freude, ja fast schon Genuss, empfand er hingegen dabei, Sicherheitssysteme, Firewalls und hermetisch abgeriegelte Softwarebereiche auszutricksen und dann, nach Belieben, in den Systemen herumzuspazieren, wie er es gerne ausdrückte. Er tat das nicht etwa, um Schaden anzurichten, auch Bereicherung lag ihm fern, er hinterließ auch keine Spuren oder eitle Hinweise auf sein Eindringen. Er schlich sich rein, machte seinen Spaziergang, und schlich dann einfach wieder raus. Das war alles. Der Genuss für ihn bestand in erster Linie darin, den studierten Computerleuten, den gut verdienenden Managern, all diesen arroganten Ärschen, eins vorgemacht zu haben. Sie mussten es nicht wissen, es reichte ihm bisher völlig, dass er es konnte.

Er hatte es schon bei Banken geschafft, war in die Forschungsabteilungen von großen Konzernen eingedrungen, stöberte in Versicherungsbeständen herum und war bereits schon einmal ganz knapp daran gewesen, das Rechenzentrum des FBI zu knacken. Er hätte es wohl auch geschafft, wie er meinte, doch er zog zurück, da er vorher noch einige zusätzliche Dinge vorbereiten wollte, die ihn noch besser verschleiern und die Rückverfolgbarkeit, im Falle das man es dann doch bemerkt, unmöglich machten.

Conners war an diesem Tage in der Nachbarschaft bei einem Kunden, dessen Computerbildschirm den Dienst eingestellt hatte. Steve Hatte einen alten, aber immer noch funktionstüchtigen Bildschirm dabei, den er installierte und testete. Im Hintergrund lief der Fernseher und Conners sah bei einem desinteressierten Seitenblick zum ersten Mal Sam Goldman, der – gemeinsam mit irgendwelchen Wichtigtuern – in die Kamera grinste und sich scheinbar als der neue Star einer Lotterie profilierte.

„So viel Schwein … und das alles bei nur einem Kerl …“ sinnierte sein Kunde laut. „Das müsste mir mal passieren … aber unsereins guckt ja immer nur in die Röhre …“ Der Mann schüttelte fortwährend den Kopf, als er das von sich gab.

Conners schenkte dem keine Beachtung. Ihm war es scheißegal, was da über die Mattscheibe ging.

Sein Kunde schien aber deutlich mehr Interesse aufzuweisen und war sichtlich aufgeregt. „Verdammt, verdammt! So ein Dusel. Das kann doch nicht wahr sein.“ Und an Conners gerichtet: „Was meinen Sie? Ist das nicht eine irre Geschichte? Und jetzt wird der Kerl sein Händchen auf die Lose legen, eine Zauberformel sprechen und wie am Fließband glückliche Gewinner erzeugen.“

Conners schien immer noch kein Interesse zu haben, war einen Moment aber der Sendung von NCCB gefolgt. „Der soll sich ficken, mit seiner Show, die er da abzieht.“ sagte er genervt.

„Langsam, junger Mann!“ beschwerte sich sein Kunde. „Mit diesem Goldman steigen die Gewinnchancen für uns Sterbliche vielleicht, und er hat guten Einfluss, und wir kriegen so ein wenig von seinem Dusel ab.“ Er blieb mit den Augen auf dem Fernseher. „Schaden wird´s nicht, wenn er dabei ist. Ich denke jedenfalls, ich werde mir jetzt auch mal ein paar Lose von diesem Verein besorgen. Irgendwie fühle ich das, dass ich das machen sollte. Und ich empfehle Ihnen das Gleiche, mein Junge!“

„Ja, ja …“ antwortete Conners genervt. „Tun Sie, was Sie nicht lassen können. Ich, für meinen Teil, halte das für rausgeworfenes Geld. Leute wie Sie und ich haben kein Glück. Jedenfalls nicht so. Wir sind die einkalkulierten Verlierer, die mit ihrem Geld die Wichser da auf der Matsche bezahlen. Und die kaufen sich dicke Villen, Yachten und bestellen sich dreimal täglich Nutten ins Haus. Alles mit unseren sauer zusammengekratzten Mäusen. Und wir Idioten hoffen, dass wir einmal so viel Glück haben, einen fetten Gewinn zu machen. Nee, nee. Ich lass das. Und dieser Typ da, der mit dem angeblich so irren Glück, das ist doch auch nur ´ne arme Wurst. Kommt der etwa von der Vega? Hallo Erde, ich bringe mit meinem Raumtransporter einen Container voll Glück zu Euch? Bitte bedienen, nehmt was ihr wollt? Dieser Kacker kann doch nicht zaubern. Aus dem wird doch nur so ´ne Art Spiderman des Glücks gemacht. Alles Betrug. Denn wenn auch nur irgendwas wahr an diesem ganzen Rumgeschwafel wäre, bräuchte dieser Fritze nur durch die Gegend zu laufen und überall einen Glücksfurz zu lassen. Der hätte im Nu so viel Kohle zusammen, dass er die ganze USA kaufen und zum Freizeitpark machen könnte. Aber nee – nee, nee – alles nur Fake. Für die ganz Dämlichen.“

Sein Kunde wollte nicht so leicht aufgeben. „Ich bin da ganz anderer Meinung.“ begann er aber vorsichtig. „Da gibt es viele wissenschaftliche Erkenntnisse, dass es Menschen gibt, die das Glück anziehen. Und wer es anzieht, kann es auch abgeben. Da ist schon was dran, ganz gewiss!“

Conners hatte einen roten Kopf bekommen und musste sich zurückhalten, seine aufflammende Wut nicht allzu sehr zu zeigen. „Ach Kack! Wissenschaftliche Erkenntnisse … ist doch Mumpitz!“ er schrie fast. „Ich sag Ihnen mal, wie das mit der Wissenschaft so geht: Da werde ein paar Labormäuse mit Zuckerwasser getränkt, die Viecher auf ein Bingobrett gesetzt und so lange gewartet, bis eines der scheißkleinen Nager auf eine Zahl gepisst hat. Und wer nun gewonnen hat, glaubt fest daran, dass das nur an dem Zuckerwasser gelegen hat und die Plörre Glück bring. Sollen wir jetzt ab sofort alle hektoliterweise Zuckerwasser saufen? Weil ja nun `wissenschaftlich´ erwiesen ist, dass das Glück bringt? So laufen diese Untersuchungen doch. Und wir glauben noch daran. Alles Blödsinn.“

„Ja glauben Sie denn nicht wenigstens an das Schicksal?“ der Mann flehte fast ein wenig und hoffte, dass er wenigstens so auf ein wenig Sanftmut bei seinem Gesprächspartner erzeugt.

„Natürlich tue ich das.“ antwortete dieser lakonisch. „Mein Schicksal ist es, morgens und abends kacken zu müssen, und in der Zeit dazwischen meinen Kühlschrank gefüllt zu kriegen, um nicht zu verhungern.“

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