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Читать книгу: «Samuel und der Tarnmantel», страница 2

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Eine schwere Entscheidung

De Pizza schmeckt wie immer superlecker. Samuel stopft eine Ecke nach der anderen in sich hinein. „Hey, stopp mal.“ Als er sich noch ein großes Stück nehmen will, klopft Samantha ihm leicht auf die Finger. „Ich glaub', jetzt reicht's.“ Das finden Samuels Eltern auch. „Ja, ich denke auch, du hast sehr viel gegessen. Nicht, dass es nachher Bauchschmerzen gibt“, gibt Mama zu bedenken und Papa nickt. Na gut, vielleicht haben sie ja Recht, denkt Samuel und eigentlich ist er wirklich satt. Aber was Samantha mit der Pizza vorhat, kann er sich gut vorstellen. Fast wäre ihm rausgerutscht, dass Samantha ja nur etwas für Luca übrig lassen will, aber zum Glück kann er sich das noch verkneifen. Er grinst Samantha an, die darauf aber nicht reagiert und so tut, als hätte sie es nicht gesehen.

„Uuaah“, sagt Samuel und streckt die Arme nach oben. „Ich bin total müde.“ Mama, Papa und Samantha schauen sich verwundert an. „Nicht, dass du krank wirst?“ fragt Mama besorgt. „Nein, nein“, entgegnet ihr Samuel schnell. „Das ist nur vom vielen Auspacken und Einsortieren.“ Wieder gucken sich alle an und prusten los. „Naja dann“, sagt Mama, stellt die Teller zusammen und steht auf.

Samuel verschwindet ins Bad, um sich zu waschen und umzuziehen und legt sich kurze Zeit später tatsächlich schon ins Bett. Als Mama und Papa zu ihm ins Zimmer kommen, schließt er schnell die Augen. „Schläft er etwa schon?“ fragt Mama, die noch immer etwas besorgt ist. „Ja, da war er wohl wirklich richtig fleißig heute“, sagt Papa und die beiden schleichen sich auf Zehenspitzen aus der Tür. Samantha ist überglücklich, aber sie kann kaum glauben, dass ihr Brüderchen freiwillig so zeitig ins Bett geht. Sie muss sich selbst noch einmal davon überzeugen. Als sie ins Zimmer kommt, ist Samuel tatsächlich fast eingeschlafen. Aber weil Samantha im Dunkeln gegen seinen Schreibtisch stößt und dabei den Becher mit den Stiften umreißt, wacht er wieder auf. Samantha beugt sich tief über sein Gesicht. Samuel hält den Atem an und stellt sich weiter schlafend. „Na dann, schlaf gut“, flüstert Samantha und drückt ihm einen Kuss auf die Wange. Samuel freut sich und kuschelt sich noch etwas tiefer in die Decke. So nett war Samantha lange nicht zu ihm.

Samuel hat eine schwere Entscheidung zu treffen. Soll er zu Hause bleiben, sich samt Zaubermantel auf den Dachboden schleichen, Samantha und Luca belauschen und später mit ihnen heimlich Videos schauen? Oder doch lieber seinen eigentlichen Plan in die Tat umsetzen? Seit dem Mittagessen geht ihm nämlich noch ein ganz anderer Gedanke durch den Kopf. Er wollte schon immer gerne wissen, was Mama und Papa tun, wenn sie „ausgehen“. Und die ganze Zeit hat er überlegt, wie er es anstellen kann, ihnen mit Hilfe seines Zaubermantels unbemerkt zu folgen. Samuel schleicht zur Tür und presst ein Ohr ganz fest dagegen. Mama, Papa und Samantha sind draußen im Flur. „Ist ja schön, dass Samuel so schnell eingeschlafen ist und du, mach bitte auch nicht so lange“, bittet Mutter Samantha. „Nee, nee“, hört Samuel Samantha sagen. Diese Lügnerin, denkt er. Samuel amüsiert sich. Sie tut so, als würde sie auch bald brav ins Bett gehen, dabei wartet ihr Besuch bestimmt schon vor dem Haus.

Mama ist jetzt im Bad und fönt sich die Haare, das heißt, dass sie gleich losgehen, weiß Samuel. Schnell zieht er sich die Jeans und einen dicken Pullover über den Schlafanzug, noch eine Jacke darüber, zum Schluss den Tarnmantel. Plötzlich hört er Schritte vor der Tür. Er wirft den Mantel nochmal ab, springt ins Bett und zieht sich die Decke bis hoch zu den Ohren. Die Tür öffnet sich. Das muss Papa sein. Samuel erkennt ihn am Duft. Wenn Mama und Papa ausgehen, machen sie sich immer besonders chick und sprühen sich mit Deo ein. Samuel mag diesen Geruch nicht. Er kribbelt in der Nase. Die Tür schließt. „Er schläft tief und fest“, sagt Papa als er draußen ist. „Samantha“, ruft Mama, die inzwischen mit dem Haarefönen fertig zu sein scheint. „Samantha“. Sie ist sicher wieder auf dem Dachboden, glaubt Samuel. Schnell hüpft er aus dem Bett, zieht den Mantel wieder an und öffnet die Tür einen Spalt. Mama geht gerade die Treppe zum Dachboden hinauf. Die Luft ist also rein. Blitzschnell läuft Samuel zur Wohnungstür und wartet draußen, bis seine Eltern kommen. Hoffentlich geht jetzt niemand mehr zu ihm ins Zimmer, dann fliegt alles auf.

Unsichtbarer Gast im Kino

Samuel muss nicht lange warten. Schon kurz nachdem er das Haus in seinem Zaubermantel verlassen hat, kommen auch seine Eltern aus der Tür. „Schön, dass es doch geklappt hat“, sagt Mama, die jetzt ganz dicht vor Papa steht und ihm mit der rechten Hand irgendwelche Fusseln von der Schulter klopft. „Ja, finde ich auch“, sagt Papa und gibt ihr einen Kuss auf den Mund. Samuel möchte am liebsten im Boden versinken. Mama legt einen Arm um Papas Rücken und Papa ihr seinen Arm um den Hals. Dann laufen sie los. Wie ein Liebespaar, denkt Samuel und findet das richtig super. Mehr Zeit darüber nachzudenken, hat er jetzt nicht. Samuel hat Mühe, den beiden zu folgen. Offenbar haben sie es sehr eilig. Als sie um die Ecke biegen, kommt von hinten ein Bus herangefahren. „Komm schnell“, ruft Papa und greift Mamas Hand. Beide laufen los. Samuel ist völlig außer Puste, als sie den Bus erreichen. Hinter den beiden stolpert er in den Bus und muss sich erst einmal auf die Treppe setzen, um Luft zu holen.

Der Bus ist ziemlich leer. Mama und Papa haben sich in die hinterste Reihe gesetzt. Samuel bleibt an der Tür stehen, damit er den Ausstieg nicht verpasst. Er stellt sich mit dem Rücken zu ihnen. Der Mantel ist ein wenig verrutscht und wurde eben beim Rennen ziemlich hin und her gewirbelt. Samuel ist sich daher nicht ganz sicher, ob der Zauber noch wirkt. Er macht einen Test. Neben ihm steht ein dicker Mann, der ziemlich verärgert dreinschaut. Samuel verzieht das Gesicht und macht allerlei Grimassen, um ihn etwas aufzuheitern. Als er merkt, dass dies nichts bei dem Mann bewirkt, steckt er ihm die Zunge heraus. Aber auch das lässt den Dicken ganz unbeeindruckt. Der Zauber wirkt also noch. Samuel fällt ein Stein vom Herzen.

Leider kann Samuel von der Tür aus nicht verstehen, was seine Eltern reden. Aber sie sind gut gelaunt und kichern. Samuel findet das ein bisschen albern und schämt sich auch ein wenig, obwohl ihn ja niemand sehen kann und keiner weiß, dass das seine Eltern sind. Aber wenn Samuel mit seinem besten Freund, Ekki, Bus fährt, ist es meist noch viel lauter. Der Bus hält, Mama steht auf und zieht Papa an der Hand hinter sich her. Das macht sie mit mir auch immer so, denkt Samuel. Mama fährt oft mit dem Bus zur Arbeit, vor allem wenn es kalt ist oder regnet. Auch Samuel steigt dann manchmal mit ein, obwohl er bis zur Schule eigentlich auch laufen kann.

Die Haltestelle, an der sie jetzt aussteigen, kennt Samuel. Wenn man jetzt nach links abbiegt und die Straße noch ein Stück geradeaus weiter läuft, kommt man zum Kino. Wollen Mama und Papa etwa dahin? Tatsächlich. Samuels Eltern schlagen die Richtung ein und halten vor dem Kino-Eingang. Papa öffnet seine Jacke und zieht zwei Karten aus der Innentasche. Achja, erinnert sich Samuel, die hatte ihnen ja Samantha zu Weihnachten geschenkt. Mama und Papa schauen sich die Filmplakate an. Mit den Karten von Samantha haben sie freien Eintritt, den Film dürfen sie sich selbst aussuchen. „Paris at midnight?“ fragt Mama. „Romantische Komödie“ liest Samuel. Hätte es nicht wenigstens ein Abenteuer-Film sein können? Samuel hofft, dass Papa sich doch noch für etwas anderes entscheidet. Aber der willigt ein. „Ja, warum nicht“, sagt er und geht zur Tür. Während Papa die Tür aufhält, huscht Samuel schnell mit seiner Mutter ins Kino hinein, vorbei an den Kassen und zum Kinosaal.

Nur kurze Zeit später treffen auch Samuels Eltern vor dem Kinosaal ein. Es ist schon ziemlich spät geworden und alle Leute haben sich auf ihre Plätze gesetzt. Trotz der Werbung, die gerade von der Leinwand flimmert, ist es stockdunkel. Samuel versucht, sich an den roten Lichtchen auf den Stufen zu orientieren. Vor ihm geht Mama, die ebenfalls im Dunkeln wenig zu sehen scheint. Davor Papa, der jetzt an einer Sitzreihe stehenbleibt und auf die Karten schaut. „Hier müssen wir rein“, flüstert er. Der vierte und fünfte Platz in der Reihe sind noch frei. Mist, denkt Samuel und was mache ICH jetzt? Er hat ja keine Eintrittskarte und somit auch keinen Sitzplatz. Samuel setzt sich auf die Stufen im Gang. Papa hat noch Popcorn geholt. Wie gern hätte Samuel jetzt auch welches. Bis zu Papa und der Tüte würde er ja noch unbemerkt kommen, aber wie hereingreifen, ohne dass es auffällt und vor allem etwas runterfällt. Samuel kann sich vorstellen, was das für eine Aufregung wäre. Wohl keiner im Kino würde sich noch für den Film interessieren. Das kann Samuel auf keinen Fall riskieren. Also bleibt er auf den Stufen sitzen.

Der Film beginnt. Samuel versteht kein Wort, der ganze Film wird in englischer Sprache gezeigt. Zwar hat Samuel inzwischen auch Englisch in der Schule, aber mehr als wie er heißt und wo er wohnt, hat er noch nicht gelernt. Und außerdem spricht Frau Ziegert, seine Lehrerin, auch viel deutlicher, als die Schauspieler dort auf der Leinwand.

Samuel sieht sich im Kino um. Ob er mal rausgeht? Aber wo? Die Ausgänge sind vorn, links und rechts neben der Leinwand, davor hängen dicke Vorhänge. Die müsste er zur Seite schieben, um da durchzukommen. Das klappt nicht, ohne das jemand das bemerkt. In dem Saal sitzen bestimmt über Hundert Leute. Durch die Tür, durch die er gekommen ist, könnte es eher gehen. Die befindet sich links hinter den Stuhlreihen, die Zuschauer haben sie also im Rücken und können sie nicht sehen. Aber was, wenn gerade jemand herein kommt oder noch vor der Tür steht? Samuel ist doch ein bisschen unwohl bei der Sache. Unsichtbar sein, ist das eine, aber nicht aufzufallen, das andere und im Moment eine große Herausforderung.

Und wenn er seinen Mantel und seine Tarnung ablegt, um aus der Tür zu gehen? Was soll schon passieren? Wenn ihn jemand entdeckt und fragt, dann sagt er einfach, er hätte sich in der Tür geirrt. Samuel ist begeistert von seiner Idee. Er steht auf und geht zur Tür. Weil niemand ihm zu folgen scheint und auch vor der Tür alles ruhig ist, zieht er den Mantel aus und legt ihn über seinen linken Arm. Dann öffnet er vorsichtig die Tür.

Vor den anderen Kinosälen stehen jede Menge Leute, die alle noch auf den Einlass warten. Die meisten Filme beginnen zeitlich etwas versetzt, also manche früher, andere eine viertel oder halbe Stunde später. Samuel schaut sich um. Viel spannender ist das hier draußen aber auch nicht, denkt er sich. Das Kino kennt er ja. Er war schon oft mit Mama, Papa, Samantha oder seinen Freunden hier. Natürlich nicht so spät am Abend, aber so anders als am Tag ist es nun auch wieder nicht. Mehr Erwachsene als Kinder oder Jugendliche, aber sonst? Soll Samuel vielleicht doch nach Hause gehen? „Na, wo willst du denn hin?“, hört er plötzlich eine freundliche Stimme hinter sich. Die freundliche Stimme gehört einer Frau, die Sabine heißt. Das steht auf einem kleinen weißen Schild, das sie auf ihrem roten Pullover trägt. Sie arbeitet im Kino und ist für die Kontrolle der Eintrittskarten zuständig. „Das ist sicher nicht der richtige Film“, sagt sie und zeigt auf den Kinosaal, aus dem Samuel gerade gekommen ist. „Äh, nein“, sagt Samuel und sucht nach einer Ausrede. „Welchen Film wolltest du dir denn ansehen, im Moment läuft doch gar keiner in deiner Altersklasse?“ fragt Sabine. „Äh, hm, nein“, stammelt Samuel. „Ich wollte auch gar nicht ins Kino“, sagt er dann. Sabine schaut ihn fragend an. „Ich suche nur meine Eltern“, erklärt ihr Samuel, „meine Schwester liegt zu Hause im Bett, ihr geht es nicht so gut.“ Das klingt glaubhaft. Sabine ist jetzt sehr besorgt. „Soll ich deine Eltern ausrufen lassen. Wir haben an der Kasse ein Mikrofon?“ fragt sie. Nein, bloß das nicht, denkt Samuel, der jetzt angestrengt überlegt, wie er aus dieser Sache wieder heraus kommt. Er schaut sich um. Gegenüber geht gerade eine Frau zur Toilette, die in etwa das Alter seiner Mutter hat. Sie sieht zwar überhaupt kein bisschen so aus wie sie, aber das ist Samuel jetzt völlig egal. „Äh, nein nicht nötig. Da ist ja meine Mutter“, sagt er schnell und zeigt auf die Frau, die gerade hinter der Toilettentür verschwindet. Schnell rennt er hinterher.

„Das ist aber die Damentoilette“, sagt die Frau, die er eben für seine Mutter ausgegeben hat. „Oh, Entschuldigung. Ich will mir auch nur kurz die Hände waschen“, erwidert Samuel. Er ist erstaunt, zu welchen Ausreden er heute fähig ist. Als die Frau hinter einer der Türen verschwunden ist, prüft Samuel im Spiegel seine Nase. Ob die jetzt wohl ein ganzes Stück länger geworden ist? Er schämt sich, weil er sonst eigentlich immer ganz ehrlich ist. Auch wenn Samantha immer sagt, dass kleine Notlügen erlaubt sind. Die Nase hat sich nicht verändert. Samuel ist erleichtert. Jetzt aber nichts wie weg hier. Schnell zieht er den Mantel über und wartet bis seine neue Mama aus der Toilette kommt, um mit ihr gemeinsam durch die Tür nach draußen zu gehen. Es klappt. Unbemerkt gelangt Samuel in den Flur.

Sabine steht am Eingang zu Kinosaal 3 und reißt Karten ab. Sie hat die Toilette nicht im Blick und auch nicht den Kinosaal 1, aus dem Samuel zuerst gekommen ist. Weil gerade ein älterer Herr hineingeht, schiebt sich Samuel kurzentschlossen mit durch die Tür. Hinter ihm steigt er die Stufen mit den roten Lichtchen hinunter, bis zu der Reihe, in dem seine Eltern sitzen. Papa hält Mamas Hand, und sie hat sich jetzt eng an seine Schulter gelehnt. Ist sie etwa eingeschlafen? fragt sich Samuel, dem allmählich auch die Augen schwer werden. Ihm ist langweilig. Er setzt sich auf die Stufen, lehnt sich an den ersten Sitz der Reihe und schließt die Augen.

Plötzlich spürt Samuel einen Fußtritt im Rücken. Um ihn herum herrscht ohrenbetäubender Lärm. Zumindest hat Samuel das Gefühl, dass es sehr laut ist. Er war eingeschlafen und hat nun Mühe, wieder zu sich zu kommen. Er hat so tief geschlafen, dass er gar nicht mitbekommen hat, dass der Film schon zu Ende ist. Die Leute sind inzwischen aufgestanden und verlassen das Kino. Auch die Plätze seiner Eltern sind schon leer. Mist, wo stecken die? Samuel wird unruhig. Und wenn die schon weg sind? Naja, ganz so schlimm ist es nicht, beruhigt er sich. Den Weg nach Hause findet er auch allein. Er schlängelt sich zwischen den Leuten hindurch zum Vorhang und dem Hinterausgang. Draußen ist es jetzt noch etwas kälter geworden. Samuel friert. Er legt den Tarnmantel noch etwas enger um sich.

Ein Dieb im Tanzlokal

Ob er doch nach Hause geht? Der Kinobesuch hat Samuel doch sehr zu schaffen gemacht, und er ist jetzt ziemlich müde. Samuel schlendert zur Bushaltestelle und sieht sich um. Da! Auf der anderen Straßenseite stehen seine Eltern an einem Taxi-Stand. Samuel schaut nach links und rechts, und als er sieht, dass die Straße frei ist, flitzt er rüber. Papa winkt einem Taxi, das gerade heranrollt. Aber es hält nicht an und fährt einfach vorbei. „Auch schon voll“, sagt er. „Vielleicht gehen wir doch lieber nur um die Ecke ins „Bardolino“?“ fragt Mama. „Ich bin schon etwas müde und mache mir wegen Samuel auch noch immer etwas Sorgen. So früh geht er sonst nie ins Bett...“ Also die Aufregung ist völlig unbegründet, denkt Samuel. Mir geht es gut und Samantha ganz sicher auch. Überhaupt, was die jetzt wohl gerade macht? Vielleicht wäre es doch interessanter gewesen, wenn Samuel zu Hause geblieben wäre? Andererseits hat er schon viel vom „Bardolino“ gehört und das macht ihn jetzt auch ein wenig neugierig. Das „Bardolino“ ist ein ganz bekanntes Tanzlokal, wo Mama früher öfter mit Tante Margit zum Tanzen war. Tante Margit hat mal erzählt, dass Mama und Papa sich dort kennengelernt haben. Samuel ist schlagartig hellwach und bereit, seine kleine Abenteuerreise fortzusetzen.

Das „Bardolino“ befindet sich nur eine Straße weiter, zum Eingang gelangt man durch einen Hinterhof. Ziemlich schaurig hier, findet Samuel. Er ist froh, jetzt nicht allein zu sein. „Danke, du bist süß“, sagt Mama zu Papa, die sich jetzt wieder bei ihm untergehakt hat. Weil er ihrem Wunsch ins „Bardolino“ zu gehen und nicht mit dem Taxi wegzufahren, nachgegeben hat? überlegt Samuel. Oder warum findet Mama, dass Papa süß ist? Samantha findet ihren kleinen Bruder auch süß, hat sie heute Nachmitttag zu Luca gesagt. Samuel weiß nicht, was er davon halten soll. Schokolade ist süß oder Honig, manchmal auch Babys, aber er und Papa?

Samuel bleibt jetzt ganz eng an der Seite seiner Eltern. So ganz wohl ist ihm immer noch nicht. Es ist ziemlich dunkel. Der Weg von der Straße zum Hinterhof führt durch einen langen Gang. An der Decke sind nur zwei kleine Lampen angebracht, die nur wenig Licht geben. In einer Ecke hat sich ein alter bärtiger Mann in eine löchrige Decke gehüllt und zündet sich gerade mit einem Feuerzeug einen Zigarettenstummel an. Er versucht es zumindest. Seine Hände zittern und immer wieder bläst der Wind das kleine Lichtchen aus. Irgendwie gruselig, findet Samuel.

Vor der Tür des Lokals stehen ein Mann und eine Frau und schreien sich an. „Musst du mir hier solch eine Szene machen“, schimpft der Mann. „vor all den Leuten?“ „Wer spielt denn hier das Theater“, erwidert die Frau und stößt dem Mann mit den Händen gegen die Brust. „Von wegen Arbeit!“ brüllt sie. Samuels Eltern schauen sich belustigt an. Samuel findet das gar nicht lustig und versteht die Brüllerei auch gar nicht. Der Mann hat inzwischen die Türklinke in die Hand genommen und will gerade zurück ins Lokal gehen. Weil ihn die Frau am Arm zurückhält, kann Samuel schnell durch den Türspalt hindurchhuschen.

„Dürfen wir mal bitte?“, hört er Papa draußen zu dem Mann sagen. „Ja, klar.“ Der Mann reißt die Tür weit auf und lässt Samuels Eltern hindurch. Dann kommt er hinterher und plauzt sie von innen zu. Samuel beobachtet, wie der Mann sich zu einer blonden jungen Frau an den Tisch setzt, die sich gerade einen kleinen runden Spiegel vors Gesicht hält und irgendetwas aus den Augen zu wischen scheint. Sie ist hübsch, findet Samuel, was er von dem Mann nicht unbedingt sagen kann. Der hat so eine komische, dicke Brille auf, die das halbe Gesicht überdeckt und für Samuels Geschmack um einiges zu groß geraten ist. Außerdem ist er bestimmt viele Jahre älter. Samuel schaut sich seinen Papa an und ist ziemlich stolz. Mit seinen Eltern hat er richtig Glück gehabt, denkt er. Aber wo sind die jetzt überhaupt? Samuel war so mit dem fremden Mann beschäftigt, dass er seine Eltern aus den Augen verloren hat.

Das Lokal ist ziemlich voll. In der Mitte ist eine große Tanzfläche, auf der sich die Leute ganz dicht drängen und kaum bewegen können. Drumherum stehen auch lauter Menschen, halten Gläser oder Flaschen in den Händen, unterhalten sich oder wackeln wie die auf der Tanzfläche mit dem Körper hin und her. Die Musik ist viel zu laut, findet Samuel, der noch nicht bemerkt hat, dass er direkt neben einem Lautsprecher steht. Samuel versucht, von den Lippen zu lesen, weil er kein Wort versteht, von dem was die Erwachsenen erzählen. Viel Erfolg hat er damit aber auch nicht. Samuel sucht den Raum nach seinen Eltern ab. Da, rechts hinter der Tanzfläche setzen sie sich gerade an einen kleinen runden Tisch. Samuel zwängt sich durch die Tanzenden hindurch. Zum Glück ist noch ein dritter Stuhl an dem Tisch frei. Da seine Eltern gerade damit beschäftigt sind, sich auszuziehen, kann Samuel den Stuhl unbemerkt etwas vom Tisch rücken, um sich setzen zu können. Geschafft.

Papa hilft Mama aus dem Mantel und hängt die Sachen an einen Haken an der Wand hinter dem Tisch. Mama setzt sich und blättert in der Karte, die auf dem Tisch liegt. „Trinkst du auch ein Glas Wein mit?“ fragt sie Papa. Nee, Papa doch nicht, denkt Samuel, der trinkt doch nie Wein. Zu Samuels Überraschung will er aber doch. Die Kellnerin kommt gerade an den Tisch und Samuels Eltern geben die Bestellung auf. Als sie sich zum Gehen wendet, will Samuel protestieren, weil er gar nicht gefragt worden ist. Er hat schon wieder vergessen, dass er ja eigentlich gar nicht da ist. Unsichtbar zu sein, ist doch auch ziemlich anstrengend, findet er.

Samuel hat auch Durst. Die Luft hier drin ist total trocken und es ist extrem heiß. Unter dem Zaubermantel hat Samuel noch immer seine Jacke an. Aber die kann er ja jetzt unmöglich ausziehen und an den Haken hängen. Er hält nach der Kellnerin Ausschau und beobachtet, wo sie die Getränke holt. Die Frau steht an einem langen Tisch, hinter dem zwei junge Männer Getränke aus großen Automaten in die Gläser füllen. Samuel weiß, dass man den langen Tisch Tresen und die Automaten Zapfanlagen nennt. Das hat ihm Kalle, Papas bester Kumpel erklärt. Mit dem geht Papa auch immer „Bier trinken.“ Mama mag Kalle nicht, weil der immer so blöde Witze macht und Papa so spät nach Hause kommt, wenn er mit ihm weg war. Manchmal bleibt Kalle dann über Nacht und schläft auf der Couch im Wohnzimmer. Wenn Kalle zuviel getrunken hat, fängt er an zu singen und zu tanzen und macht lauter Blödsinn. Papa benimmt sich nicht so und trinkt zu Hause auch nur Wasser oder Saft, manchmal auch Cola. Mama hat mal erzählt, das sei aber erst so, seitdem er Kinder hat. Auch wenn Samuel Kalle gut leiden mag, so wie er will er mal nicht werden. Trotzdem kann man auch immer was von ihm lernen. Etwa, dass ein Tresen Tresen und eine Zapfanlage Zapfanlage heißt.

Irgendetwas rüttelt plötzlich an Samuels Stuhl. Samuel fährt erschrocken hoch. Er hatte den Kopf auf die Tischplatte gelegt und war für ein paar Minuten eingeschlafen. Eine Frau ist im Vorbeigehen mit der Tasche an seinem Stuhl hängengeblieben. Wo sind Mama und Papa? Ah, alles gut. Beide sitzen noch am Tisch und beobachten die Leute auf der Tanzfläche.

Jetzt wäre Gelegenheit, sich so eine Zapfanlage mal aus der Nähe anzusehen, sagt sich Samuel. Er geht hinüber und stellt sich zu den beiden Männern hinter den Tresen. Der ist so hoch, dass Samuel kaum drüber hinweggucken kann. Samuel stellt sich auf Zehenspitzen und kann in der Ecke gegenüber seine Eltern am Tisch sitzen sehen. Die Kellnerin serviert gerade den Wein. Samuel kann sich also getrost den Männern hinter dem Tresen zuwenden, die gerade einen nach dem anderen Hebel an dem Automaten betätigen und aus dünnen Schläuchen Bier in große Gläser laufen lassen. Was für eine Sauerei, denkt Samuel. Dicker Schaum läuft über die Gläser und tropft entlang des Automaten vom Tresenrand auf den Boden. Und es stinkt erbärmlich. Und klebt. Samuel war nicht aufgefallen, dass er sich in eine Bier-Pfütze gestellt hat und bleibt nun bei jedem Schritt am Boden haften.

Samuel hat noch immer großen Durst. Bier kann er natürlich nicht trinken, das weiß er. Er sucht mit den Augen das Regal hinter dem Tresen ab. Da stehen lauter Gläser und in den oberen Reihen viele Flaschen Wein und Schnaps. Einer der Männer, die am Tresen arbeiten, bückt sich und öffnet gerade unter dem Tresen eine Tür. Aha, da sind die alkoholfreien Getränke also versteckt, denkt Samuel. Hinter der Tür hat er jede Menge Cola, Wasser, Saft, Dosen mit Eiswürfeln und ein Netz Zitronen entdeckt. Aber wie da dran kommen? Die beiden Männer, die hinter dem Tresen arbeiten, stehen unmittelbar vor dem Kühlschrank und schenken weiter Bier aus.

Samuel mus weiter suchen. Seitlich neben dem Tresen führt eine kleine Flügeltür zur Küche. Man kann sowohl oben drüber gucken, als auch unten durchkriechen. Samuel entscheidet sich fürs Durchkriechen. Die ist ja wie für ihn gemacht, freut er sich. Gleich neben der Tür steht eine Getränkekiste mit Sprudelwasser. Na, welch ein glücklicher Zufall, denkt Samuel und zieht eine Flasche heraus. Dann hält er kurz inne. Wenn er die Flasche jetzt nimmt, dann wäre das Diebstahl. Das geht auf gar keinen Fall. Irgendwo in der Tasche muss er noch einen Euro haben. Ob das wohl reicht? Samuel weiß nicht, was eine Flasche Wasser kostet. Sein Taschengeld ist höher als ein Euro und Wasser hat er sich davon noch nicht gekauft.

Samuel zerbricht sich den Kopf, kommt aber auf keine geeignete Rechenformel. Er sucht seine Hosentaschen nach der Münze ab. Er bohrt die Hände tief in die Taschen und durchwühlt sie mit den Fingerspitzen. Schließlich hat er sie gefunden. Gemeinsam mit einem kleinen Zettel zieht er das Geldstück aus der rechten vorderen Tasche hervor. Auf dem Zettel steht die Telefonnummer von zu Hause. Samuel trägt sie immer bei sich. Mama möchte das so, „falls er mal verloren geht“, damit er immer zu Hause anrufen und sich abholen lassen kann. Samuel reißt ein kleines Stück von dem Zettel ab. Neben der Kasse am Tresen hat er einen Kugelschreiber liegen sehen.

Samuel kriecht noch einmal unter der Tür hindurch. An der Kasse ist niemand. Samuel schnappt sich den Kuli und verschwindet damit wieder in der Küche. „Entschuldigung“, schreibt er mit großen Buchstaben auf das Papier. „Ich habe nur noch einen Euro und ich hoffe, das reicht. Samuel.“ Nein, seinen Namen sollte er natürlich nicht hinterlassen. Schnell streicht er Samuel wieder durch und malt stattdessen ein lachendes Mondgesicht.

Samuel hat das Geld und den Zettel gerade abgelegt, da öffnet sich neben ihm die Tür. Samuel springt zur Seite und stellt sich in die Ecke hinter einen hohen Schrank. Nach einer Weile wird er mutiger und wagt sich wieder etwas hervor. Es sind die beiden Männer vom Tresen, die eben hereingekommen sind. Sie machen offenbar eine Pause und haben sich auf Klapphockern neben die Tür gesetzt. Einer der Männer will sich gerade eine Flasche Wasser aus der Kiste greifen. „Was ist das denn hier?“ sagt er. Er hat den Zettel mit dem Geld entdeckt. Samuel erschrickt. „Wie witzig. Und guck' mal hier“, sagt der andere und zeigt auf die Stelle auf dem Zettel, an der Samuel seinen Namen überschmiert hat. Er steht auf, presst seinen rechten Zeigefinger auf die Lippen und deutet seinem Kumpel an, dass der sich ruhig verhalten soll. So wie Samuel es heute Nachmittag bei Bolle gemacht hat. Ach, Bolle. Allmählich wünscht sich Samuel nach Hause und in sein Bett zurück. Doch im Moment geht das nicht.

Während einer der Männer die Küche abschreitet und in und unter jeden noch so kleinen Schrank guckt, hat sich der andere vor die Tür gestellt und Samuel den Fluchtweg versperrt. „Komm, Leo, lass gut sein, der ist sicher längst weg“, sagt der Mann an der Tür zu dem anderen, der noch immer den Raum absucht. Samuel nickt heftig mit dem Kopf und wünscht sich auch, dass Leo seine Suche beendet. Solange er den Mantel an hat, kann Leo Samuel zwar nicht sehen, aber wer weiß, wie lange der Zauber überhaupt noch wirkt. Bei dem Gedanken, der Zauber könnte irgendwann vorüber sein, wird Samuel ganz mulmig.

„Tja, dann ist der Rest Trinkgeld“, sagt Leo schließlich und hört auf, weiter zu suchen. Er nimmt den Euro und geht damit durch die Flügeltür zur Kasse. Trinkgeld, auch das hat Samuel schon einmal gehört. So etwas wie Wechselgeld, nur das man nichts eintauscht und eigentlich auch nichts zurück bekommt, oder so ähnlich? Jedenfalls bekommt das immer der Taxifahrer, wenn er uns zum Bahnhof fährt, oder der Kellner im Restaurant, Mama hat auch schon der Putzfrau Helene Trinkgeld gegeben. Apropos Mama. Samuel hat keine Zeit zu verlieren. Er sollte wieder an den Tisch zurückkehren. Wer weiß, wie spät es schon ist und ob Mama und Papa überhaupt noch dort sitzen.

Tatsächlich, der Tisch ist leer. Aber Mamas Tasche hängt noch über dem Stuhl. Samuel ist beruhigt, dann können sie nicht weit sein. Er läuft rüber zum Tisch, setzt sich auf seinen Stuhl und will gerade die Flasche ansetzen, um endlich seinen Durst zu stillen. Da schleicht hinter ihm ein Mann heran und hat sich mit einer kurzen Handbewegung blitzschnell Mamas Tasche von der Lehne geangelt. Reaktionsschnell streckt Samuel ein Bein unter dem Tisch hervor, der Mann strauchelt und fällt zu Boden. In dem Moment kommen Mama und Papa von der Tanzfläche herübergeeilt. „Meine Tasche, haltet den Dieb, meine Tasche“, ruft Mama ganz aufgeregt. Und sofort stürzen sich zwei Männer auf ihn und drücken den Dieb, der sich gerade aufrappeln will, wieder zu Boden.

Jetzt kommt auch Leo vom Tresen herüber. „Was ist passiert?“ fragt er. Samuel will soeben lossprudeln, schließlich hat er ja alles aus nächster Nähe erlebt. Aber wieder muss er sich zurückhalten. „Das ist unglaublich, der Mann wollte meine Handtasche stehlen. Wir waren tanzen, und ich hatte sie dort über den Stuhl gehängt“, sagt Mama und zeigt auf den Stuhl neben Samuel. „Ich ruf' dann mal die Polizei“, sagt Leo und verschwindet wieder hinter dem Tresen. Das Telefon hängt dort an der Wand, und Samuel beobachtet aus der Ferne wie Leo mit der Polizei telefoniert. Dass der Abend noch so eine spannende Wende nimmt, hätte er nie und nimmer gedacht. „Fünf Minuten, Achim“, ruft Leo einem der Männer zu, die den Taschendieb jetzt einer links, einer rechts fest an den Armen packen. Gleichzeitig zeigt er Achim die flache Hand mit fünf gespreizten Fingern, um zu demonstrieren, wieviel Zeit die Polizei bis zu ihrem Eintreffen noch benötigt. Wohl für den Fall, dass Achim ihn bei dem Lärm nicht hören kann. Achim nickt und die beiden Männer schupsen den Gefangenen quer durch den Raum zum Ausgang.

Schon wieder rüttelt es an Samuels Stuhllehne. Diesmal ist es kein Dieb, sondern Harald, der den Stuhl, auf dem Samuel eben noch saß, mit einem Ruck vom Tisch wegzieht, so dass Samuel zur Seite herunter fällt. Aua, du Grobian, beschwert sich Samuel. Harald ist der Vater von Jakob, einem Mitschüler von Samuel. Was wollen die denn hier? fragt sich Samuel. „Was für eine Aufregung, he?“ Harald setzt sich auf den freien Stuhl und gibt Papa mit dem Ellenbogen einen leichten Stoß. Auch Samuels Eltern haben inzwischen wieder Platz genommen und sich von dem kurzen Schrecken erholt. Mama sortiert ihre Tasche, da durch den Sturz des Diebes fast alles aus der Tasche herausgefallen ist. Jetzt kommt auch Jakobs Mutter, Rosi, an den Tisch. Papa steht auf und holt ihr vom Nachbartisch noch einen weiteren Stuhl. Samuel bleibt fürs Erste unter dem Tisch hocken. „Unglaublich“, sagt Mama. „Habt ihr das mitbekommen?“ Und ob sie haben. Jakobs Mutter ist aufgeregter als sie selbst. „Ja, das gibt es ja wohl gar nicht“, sagt sie, „dass hat es ja in all den Jahren hier noch nicht gegeben. Sowas von dreist.“ Dabei schüttelt sie so heftig ihren Kopf, dass Mama ihre schwarzen langen Haare ständig ins Gesicht bekommt.

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9783847692232
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