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1.1 Brauchen wir Sprache und wenn ja, wozu?

Was Sprache ist, lässt sich eigentlich ganz leicht beantworten: Sprache ist all das, was übrigbleibt, wenn man weiß, was Sprache alles nicht ist. Sprache müssen wir uns also nur einmal wegdenken, dann sehen wir, was noch da ist und dann wissen wir, was Sprache ist. Klingt das plausibel? Nun, dann überlegen Sie doch einmal, was alles keine Sprache ist. Denken Sie sich die Sprache dabei einfach weg aus der Welt.

Vielleicht denken Sie jetzt an einen Baum oder an ein Fahrrad oder an viel abstraktere Dinge wie Ihren letzten Urlaub. Sie haben recht: All das ist keine Sprache. Aber Sie haben einen Fehler gemacht: Sie haben sich die Sprache nicht weggedacht, als Sie darüber nachgedacht haben, was alles keine Sprache ist. Aber das ist nicht Ihr Fehler, denn ich habe Sie vor eine unlösbare Aufgabe gestellt. Sprache lässt sich nämlich nicht wegdenken, denn zum Denken selbst brauchen Sie die Sprache. Ohne Sprache wären Sie nämlich gar nicht in der Lage, an einen Baum zu denken. Zumindest wüssten Sie nicht, dass man ihn Baum nennt. Dass man Dinge überhaupt benennt, wüssten Sie nicht. Sie wüssten noch nicht einmal, was Sie überhaupt wüssten. Denn: Sprache und Denken hängen untrennbar miteinander zusammen.

Unsere Denkweise prägt die Art und Weise, wie wir sprechen. Komplexe Gedanken erfordern komplexe sprachliche Ausdrucksmittel. Der Einfluss wirkt aber auch in der Gegenrichtung: Bringt man Menschen etwa neue Farbwörter bei, verändert das ihre Fähigkeit, Farben voneinander zu unterscheiden. Lehrt man sie, auf eine neue Weise über Zeit zu sprechen, so beginnen sie, auch anders darüber zu denken.

Man kann sich der Frage auch anhand von Menschen nähern, die zwei Sprachen fließend sprechen. Nachweislich ändern bilinguale Personen ihre Weltsicht je nachdem, welche Sprache sie gerade verwenden. Ein anderes Beispiel: Für Europäer, die von links nach rechts zu schreiben gewohnt sind, liegt früher links von später; Araber ordnen die Zeit hingegen von rechts nach links; für Aborigines liegt früher im Osten (vgl. BORODITSKY 2012).

Die Menschen sprechen in den vielen Ländern dieser Welt auf mannigfaltige Weise miteinander, und jede Sprache verlangt von ihren Benutzern ganz unterschiedliche kognitive Anstrengungen. Die kognitive Linguistin LERA BORODITSKY beschreibt das so:

Angenommen, ich möchte Ihnen mitteilen, dass ich Anton Tschechows Drama „Onkel Wanja“ auf einer Bühne in der 42. Straße New Yorks gesehen habe. Auf Mian, das in Papua-Neuguinea gesprochen wird, würde das Verb aussagen, ob das Stück soeben, gestern oder vor langer Zeit gespielt wurde. Das Indonesische dagegen gibt damit nicht einmal preis, ob die Aufführung bereits stattfand oder noch bevorsteht. Auf Russisch enthüllt das Verb mein Geschlecht. Wenn ich Mandarin verwende, muss ich wissen, ob Onkel Wanja ein Bruder der Mutter oder des Vaters ist und ob er blutsverwandt oder angeheiratet ist, denn für jeden dieser Fälle gibt es einen speziellen Ausdruck. (BORODITSKY 2012)

Was wir also Denken nennen, ist offenbar in WirklichkeitWirklichkeit eine komplexe Verschaltung linguistischer und nichtlinguistischer Prozesse. Demnach dürfte es wohl kaum Denkprozesse geben, bei denen die Sprache keine Rolle spielt. Ein Grundzug menschlicher Intelligenz ist ihre Anpassungsfähigkeit – die Gabe, Konzepte über die Welt zu erfinden und so abzuändern, dass sie zu wechselnden Zielen und Umgebungen passen. Sie sehen also:

[bad img format]Alles Denken ist Sprache und nichts ist ohne Sprache denkbar. Denn: „Ohne Sprache gibt es kein Denken!“ (DÖRNER 1998: 41) Und ohne Denken gibt es keine Sprache.

Dieser Gedanke ist auch für das Thema unseres Buches interessant. Veränderte Sprachmuster führen demnach auch zu veränderten Denkmustern und umgekehrt. Diesen Umstand bezeichnet man als Linguistischen DeterminismusDeterminismus. Etwas salopp formuliert ließe sich sagen:

[bad img format]Sprachwandel führt zu Denkwandel und Denkwandel führt zu Sprachwandel.

Aber beantwortet das bereits die Frage, was Sprache genau ist? Wenn wir darauf Antworten bekommen wollen, müssen wir uns ansehen, wie die Sprache in den Wissenschaften betrachtet wird. Wir müssen schauen, welche Auffassungen von der Struktur und Funktion von Sprache vorherrschen. Und wir müssen überlegen, wie die Verschiedenheit der Sprachen zu erklären ist. Diese letzte Frage können wir am ehesten mit einem Blick in die Sprachgeschichte klären.

Exkurs: Die Sapir-Whorf-Hypothese — oder: Wie bestimmt die Sprache unser Denken (und Handeln)?

Wenn man davon ausgeht, dass unser Denken über sprachliche WissensbeständeWissensbeständesprachliche in unserem Gehirn organisiert ist und wenn wir weiterhin davon ausgehen, dass wir uns mit unserem Denken in einem ständigen Austausch mit unserer Umwelt befinden, dann ist es plausibel anzunehmen, dass hier Wechselwirkungen bestehen zwischen dem Denken und der Sprache auf der einen und der Welt um uns herum auf der anderen Seite.

Die sogenannte Sapir-Whorf-Hypothese besagt, dass die Art und Weise, wie wir denken, durch die Bedingungen unserer Sprache, also durch die lexikalische und grammatische Struktur unseres Sprachsystems, determiniert wird. Nach dieser Auffassung ist es prinzipiell unmöglich, dass wir uns mit einem Menschen, der eine andere Sprache als wir spricht, so verständigen können, dass wir uns verstehen. Die Hypothese geht davon aus, dass es bestimmte Gedanken einer einzelnen Person in einer Sprache gibt, die von jemandem, der eine andere Sprache spricht, nicht verstanden werden können.

Zudem ist es nicht möglich, etwas zu denken, für das wir den Begriff nicht kennen — was wir nicht sprachlich konzeptualisieren können, können wir schlicht und einfach auch nicht denken.

So definiert bedingt die Fähigkeit, Sprache benutzen zu können, unsere Fähigkeit, denken und die Welt wahrnehmen zu können. Die Sapir-Whorf-Hypothese geht also davon aus, dass die semantische Struktur einer Sprache die Möglichkeiten der Begriffsbildung von der Welt entweder determiniert oder limitiert.

Wenn man diese Hypothese weiterdenkt, bewirken bewusste Eingriffe von außen (z.B. durch das ideologische Besetzen bestimmter Begriffe durch die Politik) eine Veränderung der Denkstrukturen, wodurch Sprachveränderungen (= geplanter Sprachwandel) über Denkveränderungen unmittelbare Auswirkungen auf die außersprachliche WirklichkeitWirklichkeit haben können. Viele Begriffe der Nazi-Ideologiesprache beispielsweise haben dazu geführt, dass Denkmuster durch z.B. EuphemismenEuphemismus so gesteuert wurden, dass das Denken zu konkretem Handeln führen konnte.

Gelenktes kollektives Sprachhandeln spiegelt sich demnach über den Prozess der Veränderung des Denkens bisweilen auch in konkretem Handeln wider.

Diese kontrovers diskutierte Annahme wurde von BENJAMIN WHORF aufgestellt, der sich auf den Sprachwissenschaftler EDWARD SAPIR berief und die Hypothese gemeinsam mit ihm vertrat. Ansätze zu einer Theorie des linguistischen Relativismus finden sich schon weit früher bei WILHELM VON HUMBOLDT. Die Sapir-Whorf-Hypothese führt neben den genannten Aspekten auch zu der Annahme von der grundsätzlichen Unübersetzbarkeit fremdsprachlicher Texte.

[bad img format]BENJAMIN LEE WHORF (1879—1941)

war zunächst Chemieingenieur und Experte für Brandschutz, bevor er amerikanische und indianische Linguistik mit dem besonderen Interesse für uto-amerikanische Sprachen bei EDWARD SAPIR studierte.

WHORF wurde (posthum) bekannt für seine Arbeiten zur Sprache der Hopi und für das nach ihm und seinem Lehrer SAPIR benannte linguistische Relativitätsprinzip (Sapir-Whorf-Hypothese).

Aus seinen Forschungen zur Hopi-Sprache leitete er ab, dass die Sprache, die ein Mensch spricht, den Weg seines Denkens maßgeblich beeinflusst: Die Struktur der Sprache beeinflusse die Wahrnehmung der Welt (s. Exkurs).

Auch wenn nach seinem Tod seine Darstellung der relevanten Aspekte der Hopi-Grammatik und andere Vorstellungen zu semantischen Aspekten der Hopi-Sprache widerlegt worden sind, blieben seine Gedanken zum Verhältnis von Sprache und Denken bis heute einflussreich — und werden in der Gegenwart kontrovers diskutiert.

1.2 Warum sprechen wir so und nicht anders? — Eine sprachhistorische Spurensuche

Derzeit werden auf der Welt etwa 6500 bis 7000 Sprachen gesprochen, wobei diese Festlegung nur annäherungsweise stimmt (vgl. SCHLOBINSKI 2014: 31). Sie ist deswegen vage, weil nicht ganz klar ist, was man eigentlich zu den Sprachen als eigenständige Form hinzuzählen darf und was nicht. So gibt es beispielsweise sprachliche VariantenVariante wie etwa das Schweizerdeutsch, bei denen man uneins ist, ob es sich nun um eine eigene Sprache handelt oder ob diese Sprachform lediglich als Ableger einer anderen Sprache betrachtet werden darf.

Am ehesten ist eine Grenzziehung dann möglich, wenn man den Aspekt der kulturellen oder gesellschaftlichen Identifikation durch Sprache ins Feld führt und diesen von den Ähnlichkeiten zu anderen Sprachen abgrenzt.1VariationSondersprache So ist das Deutsche ebenso wie das Spanische oder das Italienische ein kulturell und gesellschaftlich determinierendes Sprachsystem. Das bedeutet: Alle Sprecher dieser Sprache sind kulturell und gesellschaftlich miteinander verbunden. Insofern kennzeichnet Sprachen immer auch das Prinzip der Ausschließlichkeit. Das kennen Sie sicher auch: Menschen, die eine andere als unsere eigene Sprache sprechen, sind uns oft fremd, wohingegen wir uns häufig im Ausland freuen, auf Menschen zu treffen, die dieselbe Sprache sprechen wie wir. Man kann sagen: Gemeinsame Sprachen verbinden, weil sie auf gemeinsame Normen, Werte und Erfahrungen schließen lassen. Oder anders:

[bad img format]Gemeinsame sprachliche WissensbeständeWissensbeständesprachliche sind kognitiv und emotional verwoben mit gemeinsamen außersprachlichen WissensbeständenWissensbeständeaußersprachliche wie gemeinsame Werte, Normen und kollektive Erfahrungswelten. Daher wirken Sprachen identitätsstiftend, gruppenstabilisierend und zugleich ausschließend.

Da die Schweizer, um bei unserem Beispiel zu bleiben, eine eigene gesellschaftliche Identität (z.B. durch eigene Gesetze etc.) besitzen, wäre es nicht falsch, das Schweizerdeutsch als eigene Sprache zu bewerten. Nicht falsch, aber eben auch umstritten, weil die sprachsystematischen Eigenschaften des Schweizerdeutschen nahezu identisch sind mit denen des Deutschen. Hier sind es dann die Unterschiede, die dem Schweizerdeutschen einen Status als eigene Sprache zuweisen können.

Problematisch wird die Festlegung anhand kultureller und gesellschaftlicher Identifikation auch dann, wenn eine Sprache in zwei oder mehr kulturell völlig verschiedenen Gesellschaften gesprochen wird. Für das Französische ist das etwa der Fall, da es nicht nur in Frankreich, sondern auch in den ehemaligen französischen Kolonien in Nordafrika, in Westafrika oder auch auf Haiti gesprochen wird. Hier ist die gemeinsame Identifikation über die Sprache auf den ersten Blick kein Kriterium, das definitorisch das Französische als Sprache verorten könnte. Doch der Schein trügt. Für Amtssprachen gilt: Sie sind nicht die Sprachen, die von den Bevölkerungen primär gesprochen werden – und es gibt häufig Unterschiede in der Sprachverwendung (z.B. phonetische). Zudem kommt es häufig zur Ausbildung eigener Sprachen durch Vermischungen von Muttersprache und Amtssprache, die man als Pidgin-Sprache bezeichnet. Solche Sprachen sind vereinfachte Behelfssprachen zur Verständigung zwischen Menschen, die unterschiedliche Muttersprachen sprechen (sogenannte lingua franca).

Eine andere Blickrichtung ergibt sich, wenn man allein die Unterschiede im Sprachsystem als Maßstab nimmt. Andere Sprachen besitzen andere Wortschätze, andere Grammatikregeln und teilweise andere Schriftsysteme. Aber auch hier gibt es oft mehr Gemeinsamkeiten, als man zunächst vermutet – besonders dann, wenn verschiedene Sprachen sich aus derselben Wurzel entwickelt haben. Das können wir leicht erkennen, wenn wir einen Blick auf das Englische werfen, das dem Deutschen zunächst nicht sehr ähnlich zu sein scheint, aber wie Deutsch, Niederländisch oder Schwedisch zu den germanischen Sprachen gehört. Dass das Englische als westgermanischer Zweig der indogermanischen Sprachen (s. Tabelle 1) dem Deutschen sehr nahe ist, können Sie erkennen, wenn Sie sich das deutsche und das englische Wort ansehen, das wir in beiden Sprachen verwenden, wenn etwas reichlich vorhanden ist. Im Deutschen sagen wir in solchen Fällen gerne, wir hätten genug von etwas. Im Englischen spricht man davon, dass etwas enough ist, beispielsweise enough to eat. Wenn man das englische Wort enough so ausspricht, wie es der deutschen KonventionKonvention entspricht und sich damit von der bekannten englischen Aussprachekonvention löst, liest man das Wort wie [əˈnuːk]. Setzt man nun vor das englische Wort ein g-, entsteht morphologisch das Wort genough, das lautlich als [ɡəˈnuːk] realisiert wird. Lautlich, semantisch und auch beinahe orthografisch entspricht dieses Wort unserem deutschen Lexem genug. Sie erkennen daran:

[bad img format]Die morphologische, lautliche, grammatische und/oder semantische Ausdifferenzierung von Sprachen ist und war immer das Resultat eines Sprachwandels.

Sehen wir uns ein anderes Beispiel für Sprachwandel im Deutschen an, das auf einer Sprachverwandtschaft beruht. Manchmal ist es so, dass Familienmitglieder sich etwas leihen. Wenn Sie Geschwister haben, kennen Sie das. Bei Sprachen ist das oft nicht anders, auch hier werden Elemente verliehen und wie bei Geschwistern oder Freunden leiht man sich etwas, was man selbst gut gebrauchen kann. Das deutsche Wort Keks ist ein gutes Beispiel für eine solche Leihgabe aus dem verwandten Englischen. Wie Sie wissen, gibt es im Englischen das ähnliche Wort cake, das Engländer und Amerikaner dazu verwenden, um auf einen Kuchen zu referieren. Unser deutsches Wort Keks ist etymologisch eine Übernahme des Wortes cake aus dem Englischen, wobei wir den Begriff interessanterweise im Singular in der Pluralform der Muttersprache verwenden. Weil uns das gar nicht bewusst ist – und weil die Pluralendung -s in unserem grammatischen System seltener vorkommt –, hängen wir an die Pluralendung -s noch unsere verbreitete Pluralendung -e an (ein Keks / zwei Kekse), wenn wir davon sprechen, dass wir mehr als ein Stück Gebäck auf unserem Teller haben.

Solche grammatischen Anpassungen von EntlehnungenEntlehnung an unser grammatisches System finden wir beispielsweise auch bei dem aus dem Italienischen kommenden Wort Scampi, die gerne fälschlicherweise als Scampis bezeichnet werden, wenn man nicht weiß, dass der Singular im Italienischen nicht Scampi, sondern Scampo lautet. Sie sehen: Einflüsse aus anderen Sprachen sind etwas völlig Normales und sie lassen sich durch Sprachverwandtschaften historisch oder geografisch fast immer erklären.

Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass sich die einzelnen Sprachen aus einer Sprachvielheit mit weit zurückliegenden gemeinsamen sprachlichen Wurzeln durch sogenannte kulturell bedingte KonvergenzenKonvergenz zu Einheitssprachen als Standardvarietäten2Differenzierung von Sprachengemeinschaften entwickelt haben und nicht etwa umgekehrt. Eine solche konvergente Entwicklung von Sprachen, die sich aufgrund wechselseitiger BeeinflussungenBeeinflussung gegenseitig formen, lässt sich für die Gegenwartssprache beispielsweise am Balkansprachbund ablesen. Kennzeichen eines solchen Sprachbundes, der sich in unserem Beispiel aus slawischen und romanischen Sprachen zusammensetzt und zusätzlich noch durch Albanisch sowie Neugriechisch geprägt ist, ist eine wechselseitige Beeinflussung geografisch benachbarter Sprachen durch das Phänomen des SprachkontaktsSprachkontakt.

Für das Deutsche ist eine sehr komplexe und nicht in allen Zügen bekannte historische Klassifikation belegt, die zeigt, dass das heutige Deutsch aus einer Vielzahl von Dialekten entstanden ist, von denen einige, wie das Hessische oder das Pfälzische, heute noch existieren, wohingegen andere, wie das Altniederfränkische etwa, nicht mehr bestehen. In einer solchen historischen Klassifikation ist das Deutsche als eigenständige westgermanische Sprache noch nicht angelegt, sondern ist nur in Form seiner Dialekte integrierbar.

Aus dem germanischen Zweig des Indogermanischen sind in der historischen Entwicklung die folgenden 15 Einzelsprachen entstanden, die bis heute mehr oder weniger offensichtlich erkennbar sprachliche Verwandtschaften aufzeigen:


Westgermanisch Nordgermanisch Ostgermanisch
Deutsch-Niederländisch Deutsch Deutsch Jiddisch Luxemburgisch Pennsylvania Dutch Niederdeutsch Niederdeutsch Niederdeutsch Plautdietsch Niederländisch Niederländisch Afrikaans Anglo-Friesisch Friesisch Englisch Skandinavisch Dänisch Schwedisch Norwegisch Isländisch-Färöisch Isländisch Färöisch Gotisch Vandalisch Burgundisch (keine Sprachen erhalten)

Tabelle 1

Klassifikation der heutigen germanischen Sprachen (nach ROBINSON 1992)

Dass es heute in vielen Sprachen Verwandtschaften gibt, die durch eine gemeinsame Entwicklung bedingt sind, lässt sich gut durch einen Vergleich der Wortschätze geografisch benachbarter Sprachen erkennen. In der folgenden Übersicht über einige basale Wörter in germanischen Sprachen sind Begriffe aus dem Bereich der Verwandtschaftsbezeichnungen sowie einige Alltagsbegriffe zusammengestellt, die deutlich Gemeinsamkeiten erkennen lassen. Dabei genügt schon ein rascher Blick, um den hohen Grad der Verwandtschaft der germanischen Sprachen insgesamt zu erkennen. Sie werden feststellen, dass es mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede zwischen diesen Grundbegriffen gibt. Die heutigen Unterschiede zwischen den verwandten Sprachen lassen sich dadurch erklären, dass viele Wörter erst nach der sprachhistorischen Ausdifferenzierung zu den heutigen germanischen Sprachen hinzugekommen sind. Diejenigen Begriffe aber, die zu den basalen sprachlichen WissensbeständenWissensbeständesprachliche gezählt werden können (wie etwa diejenigen in der nachfolgenden Übersicht), weisen bis heute signifikante Gemeinsamkeiten auf:3


Deutsch Althochdeutsch Luxemburgisch Niederländisch Afrikaans Altsächsisch Altenglisch Englisch Altnordisch Gotisch Germanisch Indogerm. Grundsprache
Vater fater - vader vader fadar fæder father faðir fadar fađer pətér
Mutter muoter - moeder moeder modar modor mother móðir - mōđer mater
Bruder bruoder Brudder broe(de)r broer brođar brođor brother bróðir broþar brōþer bhrater
Schwester swester Schwëster zus(ter) suster swestar sweostor sister systir swistar swester suesor
Tochter tohter Duechter dochter dogter dohtar dohtar daughter dóttir dauhtar duχter dhugə-ter
Sohn sunu - zoon seun sunu sunu son sunr sunus sunuz suənu
essen ezzan iessen, eessen eten eet etan etan eat eta itan etaną ed
Hund hunt Hond hond hond hund hund hound hundr hunds χundaz kuon
Wasser wazzar Waasser water water watar wæter water vatn vato watōr wódr̥
Feuer fiur Feier vuur vuur fiur fȳr fire fúrr fōr, fuïr Péh2ur
eins ein een(t) één een en an one einn ains aina oino
zwei zwa/ zwo/ zwei zwee twee twee twa/ two/ twe twa/ tu two tveir/ tvær twai/ twos twajina dwou
tragen beran droen baren beran beran bear bera bairan beraną bher-

Tabelle 2

Germanische Lexeme im synchronensynchron und diachronendiachron Vergleich

Neben den Gemeinsamkeiten innerhalb der west- und nordgermanischen Sprachen zeigt diese exemplarische Auflistung auch anschaulich die Ähnlichkeit der westgermanischen und nordgermanischen Sprachen zueinander. Eine Abweichung dieser beiden Sprachfamilien vom Gotischen ist daneben ebenso deutlich sichtbar wie die Beziehung des Germanischen zum Indogermanischen, wobei hier die Abweichungen selbstverständlich insgesamt größer sind, dennoch aber Familienähnlichkeiten erkennbar bleiben. Warum ist das so? Nun, das ist wie in einer großen und sehr alten Familie: Die Ähnlichkeiten zwischen Geschwistern sind oft verblüffend, wohingegen man Verwandtschaften zu längst verstorbenen Urahnen möglicherweise nur noch an wenigen Merkmalen wie etwa an großen Ohren oder einer krummen Nase ablesen kann. Und auch in einer anderen Hinsicht gleicht die sprachhistorische Betrachtung der Ahnenforschung: Von Familienmitgliedern, die heute leben oder die im 20. Jahrhundert gelebt haben, gibt es Fotos, Videos und zahlreiche andere Dokumente. So kann man ein Foto des verstorbenen Großvaters nehmen und daran vergleichen, inwieweit man diesem Ahnen ähnlich sieht. Bei Urahnen, die vor 500 Jahren gelebt haben, ist das schon schwieriger oder – wenn man keinem Adelsgeschlecht angehört und es keine Portraits der Urahnen gibt – unmöglich. Bei Sprachen, von denen wir keine Zeugnisse haben, wie es für das Urindogermanische der Fall ist, fällt es der Wissenschaft aus demselben Grund schwer, Vergleiche zu ziehen. Um das Urindogermanische rekonstruieren zu können, muss man bis etwa 3400 v. Chr. und noch weiter zurückgehen, denn etwa zu diesem Zeitpunkt haben sich die germanischen Sprachen getrennt.

Die Übersicht in Tabelle 2 zeigt aber nicht nur Gemeinsamkeiten zwischen den germanischen Sprachen, sondern sie kann uns auch ein Beispiel für einen Sprachwandel zeigen, der am heutigen Deutsch ablesbar ist. Wenn Sie sich beispielsweise schon immer gefragt haben, worin der Unterschied zwischen einem Eimer und einem Zuber begründet ist, dann müssen Sie in Tabelle 2 die Wörter für eins und zwei sowie für tragen ansehen und diese neuhochdeutschen Wörter mit der althochdeutschen Entsprechung vergleichen. Fällt Ihnen etwas auf? Sowohl der Eimer als auch der Zuber sind Behältnisse, die zum Tragen geeignet und gedacht sind, deshalb besitzen sie Henkel oder Tragegriffe. Der Unterschied besteht nun in der Anzahl der Henkel: Ein Eimer (aus ahd. ein und einer Ableitung von ahd. beran zu ahd. eimbar) ist ein Behälter, der nur einen Henkel besitzt; ein Zuber hingegen ist ein Gefäß, das an beiden Seiten Griffe hat (aus ahd. zwo und einer Ableitung von ahd. beran zu ahd. zubar oder zwibar).4 Sowohl bei nhd. Eimer als auch bei nhd. Zuber hat ein Sprachwandelprozess zu den heutigen Wortbedeutungen geführt: Durch den Vorgang der AssimilationAssimilation ist aus zwei Wörtern im Laufe der Zeit ein Wort entstanden, dessen Bedeutung man nur noch verstehen kann, wenn man a) weiß, dass es sich um ein zusammengesetztes Wort handelt und b) die Bedeutungen der ursprünglichen Wörter kennt.5

Wenn man sich die Entwicklungslinie des Deutschen aus dem germanischen Zweig des Urindogermanischen ansieht, dann werden Verwandtschaften zu anderen germanischen Sprachen – wie wir in Tabelle 2 erkennen konnten – offenkundig. Nun ist der germanische Zweig nicht der einzige Entwicklungspfad, der sich ausgebildet hat. Das Griechische, das Indo-Iranische, das Romanische, das Balto-Slawische, das Albanische, das Keltische, das Armenische und das Tocharische sind Sprachen, die neben dem Germanischen aus einer indogermanischen Ursprache entstanden sind (vgl. MCMAHON 1994: 3). Einige dieser Sprachen existieren nicht mehr, wie etwa das Tocharische, das ehemals im Tarimbecken (heutiges China) vom 5. bis ins 12. Jahrhundert gesprochen wurde. Andere Sprachen hingegen, wie die romanischen, werden noch heute gesprochen und es lassen sich Verwandtschaften nicht nur innerhalb der eigenen Sprachfamilie (z.B. zwischen dem Spanischen und dem Italienischen), sondern auch zwischen den Sprachfamilien (z.B. zwischen der germanischen und der romanischen Sprachfamilie) erkennen. Die folgende Übersicht zeigt Ihnen einige intra- und intersprachliche Gemeinsamkeiten (farblich hervorgehoben):

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9783846345368
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