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Kapitel 4

Normalerweise hätte sich Chief Inspector Walsh darüber gewundert, dass er überhaupt so schnell und ohne Zwischenfälle hergefunden hatte, aber dafür hatte er nun gar keine Zeit. Er befand sich im Stadtteil ›Bromley‹, in der ›Shire Lane‹, auf Höhe ›High Elms Country Park‹. Vor ihm erhob sich ein vielstöckiges Gebäude. Lennox wusste, dass das große, mondän eingerichtete ›Penthouse‹ oben Clairé Beauvais gehörte.

Ehe er die Straße überquerte, sicherte er nach allen Seiten. Der Verkehr war hier mäßig und es zeigte sich nichts Verdächtiges. Vergeblich suchte er in seiner Erinnerung, ob die Möglichkeit bestand, dass er unterwegs verfolgt worden war. Aber offenbar war das nicht der Fall. Dennoch wollte er kein Risiko eingehen. Immerhin hatte er ihren Namen am Telefon genannt. Und inzwischen wusste er von den Gangstern, dass sie Isabelles Anschluss überwachten.

Clairé Beauvais war nur in der ›High Society‹ bekannt, aber gerade Vertreter dieser privilegierten Schicht waren es, die gesteigertes Interesse an Zack Richards' Tagebuch haben mussten. Wahrscheinlich hatten die Gangster in deren Auftrag gehandelt. Dass sie aus verschiedenen Teilen Großbritanniens stammten, bewies nur, wie brisant die ganze Angelegenheit war. Schließlich hatte sich Zack Richards nie lange an einem Ort aufgehalten. Überall, sogar im Ausland, hatte er Aufträge erledigt.

Lennox Walsh betrat das Apartmenthaus. Er wusste, dass der Fahrstuhl vor dem letzten Stockwerk, Clairés Wohnung, blockierte, wenn er sich nicht bei ihr anmeldete. Er holte das nach und wurde gleich darauf vom Lift nach oben getragen.

Clairé Beauvais erwartete ihn in der Diele.

Lennox verschlug es angesichts der berauschend schönen Frau die Sprache. Er sah in ihre unergründlichen kohlefarbenen Augen und gewann den Eindruck, darin zu versinken.

Clairé hingegen machte einen gelösten, fast heiteren Eindruck. Sie freute sich aufrichtig, einen alten Bekannten wiederzusehen, obwohl der Anlass dazu wahrscheinlich alles andere als erfreulich war. Sie erkannte seine Unsicherheit. »Komm rein, Chief Inspector!«, rettete sie die Situation. »Ich habe dir bereits einen Drink gemixt!« Sie sah ihn fragend an. »Ist dir doch recht so, oder?«

Lennox verzog das Gesicht, wobei ihm das schmerzende Jochbein den Grund seines Besuches wieder deutlich in Erinnerung brachte. »Du sollst mich doch nicht immer mit meinem Dienstgrad ansprechen«, knurrte er, ohne ihr deswegen wirklich böse zu sein.

Clairé lächelte entwaffnend und ging voraus. Sie trug ein ihre Knie umspielendes Kleid, das in seinem Schnitt schon ungewohnt züchtig gewirkt hätte, wäre es nicht rückenfrei gewesen.

Lennox bewunderte ihre makellos reine, samtene Haut, die von der Sonne ganz leicht gebräunt war. Der Ausschnitt des Kleides ging fast bis zum Ansatz ihrer hinteren Rundungen, die sich aufregend vor ihm hin und her bewegten. Er musste an sich halten, um nicht ihren herrlichen Rücken zu streicheln oder ihr einen Klapps auf das knackige Hinterteil zu geben. Der Ernst der Situation brachte ihn von derartigen Gedanken ab und sorgte dafür, dass die betörende Frau für ihn Ihre Bedeutung als Symbol der Sinnlichkeit verlor und er wieder voll in die Wirklichkeit zurückfand.

Sie erreichten den Salon.

Clairé Beauvais ließ sich in eines der Polster gleiten und legte damenhaft die Beine gegeneinander.

So wie sie dasaß, kam Lennox nicht umhin, einen Blick auf einen Teil ihrer schönen Schenkel zu werfen.

Sie strich sich ihr schwarzes Haar über die Schulter, lächelte aufmunternd und deutete auf eines der beiden Gläser, die auf den Tisch standen. Eine dickbauchige Flasche ›Dalmore King Alexander III‹ und ein Glaskelch mit Eiswürfeln befanden sich in seiner Gesellschaft.

Lennox ließ sich ächzend nieder und prostete Clairé zu. Dann trank er das Glas schottischen ›Single Malt‹ mit einem Zug leer. »Ah! … Das tut gut«, bemerkte er und lehnte sich bequem zurück.

Clairé ließ es sich nicht nehmen, ihm direkt nachzuschenken. Dabei ließ sie ihren Besucher keine Sekunde aus den Augen. Bewusst sprach sie kein Wort. Sie kannte Lennox und wusste, dass sie nicht in ihn eindringen durfte. Er musste Gelegenheit haben, seine Gedanken zu ordnen, dann würde er von ganz allein zu erzählen beginnen.

»Sag' mal, Clairé, hast du ein Pflaster?« Er deutete auf sein Gesicht. »Das Blut habe ich unterwegs schon notdürftig entfernt.«

Nachdem Clairé ihm das Gewünschte gebracht und ihn verarztet hatte, begann Lennox mit seinem Bericht.

»Es war vor etwas mehr als einem Monat. Ich hatte einen Fall … Mord! Opfer war ein Abgeordneter, Täter offensichtlich ein Killer. Die Spuren ließen nur einen Schluss zu: Sie deuteten auf einen Profi hin, einen bezahlten Profi! Ich tippte auf Zack Richards und lag damit goldrichtig.« Er fixierte die bezaubernde Frau mit einem eigenartigen Blick. »Du bist die erste, die es erfährt, Clairé. Ich brachte Zack Richards zur Strecke!«

Für einen kurzen Augenblick war sie nicht fähig darauf etwas zu entgegnen. »Hast du ihn … festnehmen können?«, fragte sie schließlich.

Lennox schüttelte den Kopf. »Nein, das wäre wohl durch alle Medien gegangen. Ich stellte ihn, und er tötete sich selbst vor meinen Augen.«

Clairé schien angestrengt nachzudenken. Die Sache kam ihr reichlich verworren vor.

Lennox ballte die Hände zu Fäusten. In seinen Augen stand eine gewisse Verzweiflung. »Verdammt! Ich habe mir jedes Wort genau überlegt, aber in meinem Innern ist das reinste Chaos. Wie soll ich es dir nur erklären? Also: Ich tippte als Auftraggeberin für den Killer erst auf die Witwe, … lag damit aber falsch. Dann kamen die Kinder an die Reihe. Ebenfalls Fehlanzeige! Zumindest schien mir das so. Dabei hatte ich einen grandiosen Einfall.« Er stockte.

»Und?«, drängte Clairé ihn ungeduldig.

»In mir kam der Gedanke auf, dass sich der Abgeordnete selbst hatte umbringen lassen …«

»Aber das ist doch …«, fiel sie ihm ins Wort.

»Moment, Clairé! Sag' nichts!«, unterbrach er sie. »Es stellte sich wenig später heraus, dass ich richtig lag. Du weißt von Zack Richards vermutlich nicht viel mehr als seinen Namen, wenn überhaupt … Also nicht mehr, wie jeder andere auf diesem Planeten. Mir ging es nicht anders. Ich fragte mich, warum das wohl so war? Ganz einfach: Es hat ihn nie jemand zu Gesicht bekommen. Nicht einmal seine Auftraggeber. Wer ihn sah, der musste sterben. Das war sein Prinzip, eines, dem er seinen Erfolg als Killer verdankte. Aber es sollte ihm einmal das Genick brechen. Nun, der Abgeordnete beauftragte ihn zum Mord an sich selbst. Nach Vollzug wollte Richards sein restliches Geld, ahnte dabei aber nicht, dass ihn der Abgeordnete aufs Kreuz gelegt hatte. Er forschte nach.«

»Ich habe die Sache mit dem Attentat verfolgt. Aber warum soll der Abgeordnete das getan haben? Das ergibt doch überhaupt keinen Sinn«, wandte Clairé ein.

»Auf dem Schreibtisch des Abgeordneten lag eine seltsame Notiz: ›Hier müsst ihr suchen. Der Mörder sucht den Auftraggeber und findet das Opfer‹. Einer meiner Leute hat sie gefunden und verschlampt. Ich bin erst wieder darauf gestoßen, als ich längst den Verdacht hegte, dass der Abgeordnete seinen eigenen Mord auf dem Gewissen hatte.« Er nahm einen Schluck vom ›Single Malt‹. »Ich untersuchte also noch einmal dessen Schreibtisch und stieß auf ein Geheimfach. Darin lag das Geständnis, dass der Abgeordnete Zack Richards' Dienste bereits schon einmal in Anspruch genommen hatte. In welcher Sache, spielt keine Rolle. Es ging jedenfalls noch etwas daraus hervor. Zack Richards erwies sich laut dieser Papiere nicht nur als Killer, sondern auch als Erpresser. Jahre nach der Tat hatte er den Abgeordneten aufgefordert, eine weitere Summe zu zahlen, da die erste nicht dem entsprach, was er dem Abgeordneten wert gewesen war. Schließlich habe er dem Mord seinen Posten und sein Ansehen zu verdanken.«

»Ich möchte jetzt dennoch wissen, was es mit dieser Tat auf sich hatte«, unterbrach Clairé, obgleich sie sich vorgenommen hatte, ihn aussprechen zu lassen.

»Also gut, Clairé. Der Abgeordnete hieß Jason Mitchell, wie du ja weißt. Du sagtest ja, du hättest den Vorfall verfolgt. Damals war er stets zweite Garnitur gewesen. Der Kandidat für das Unterhaus war Matthew Hopkins. Während einer Europareise Mitchells wurde der Mord verübt. Geschickt gelang es Mitchells Parteifreunden, die Sache dem ›Islamischen Staat‹ in die Schuhe zu schieben. Der Hass in der Bevölkerung sorgte dafür, dass Mitchell nicht nur schnell in die Auswahl und auf die Liste kam, sondern auch die Wahl gewann.«

»Ungeheuerlich!«

»Das dachte sich Zack Richards wohl auch und bat, wie erwähnt, zum zweiten Mal zur Kasse. So seltsam es auch klingen mag: Diese Tatsache war letztlich der auslösende Faktor für Mitchells Selbstmord. Er war so irrsinnig, dass er vor sich selbst ein Motiv brauchte, obwohl das wahre natürlich Verzweiflung über die eigene Tat an Matthew Hopkins, seinem ermordeten Freund, war. Ich erkannte meine Chance. Nächtelang hielt ich mich im Zimmer des Abgeordneten auf und sagte keinem Menschen etwas von der Sache. Ich wollte mir den großen Fang auf keinen Fall verpatzen lassen. Meine und die Rechnung des Abgeordneten ging auf. Zack Richards kam, … aber er schoss sich vor meinen Augen eine Kugel in den Kopf.« Er lächelte mit zusammengekniffenen Lippen und zuckte mit einem Mundwinkel. »Ein zäher Hund! Er war nicht sofort tot. Vorher flüsterte er etwas von Tagebüchern und nannte eine Adresse. Ich fand alles. Eines der Bücher hat vorhin den Besitzer gewechselt. Allerdings ist es schon uralt, und besitzt somit keinen großen Wert mehr.« Er unterbrach und horchte plötzlich auf.

Auch Clairé hatte es gehört, dem Geräusch aber keine weitere Bedeutung beigemessen.

Lennox Walsh erhob sich und lief zur Terrassentür.

Das Geräusch rührte von einem Hubschrauber, der in etwa fünfzig Yards vorbeiflog – nur etwa fünf Fuß höher als das ›Penthouse‹.

Clairé begriff im gleichen Augenblick. Sie hatte drüben ein Aufblitzen bemerkt. Die Sonne hatte sich im Glas gespiegelt.

Ein Zielfernrohr!

»Lennox!«, stieß Clairé hervor und sprang auf.

Doch da war es bereits zu spät. Etwas fetzte durch das dicke Glas der Terrassentür. Ohne einen lauten Ton kippte Lennox um. Er fiel auf den Rücken, während der Hubschrauber abdrehte.

Clairé warf sich über ihren Freund, aber Chief Inspector Lennox Walsh war tot, …

… und er hatte ihr nicht mehr sagen können, wo sich der Rest der Tagebücher befand.

Sie begriff, warum er verfolgt worden war. Die Tagebücher des Killers Zack Richards mussten einige Dinge enthalten, vor deren Offenbarung etliche einflussreiche Persönlichkeiten zitterten. Sie fragte sich nur, warum sich Lennox damit nicht an seine eigene Behörde gewandt hatte. Irgendetwas steckt dahinter, was du mir sicher noch sagen wolltest, mein Freund, ging es ihr durch den Kopf.

***


Kapitel 5

Als Isabelle Parker wieder zu sich kam, schien nicht viel Zeit vergangen zu sein. Es hatte sich nichts geändert. Es würgte sie, als sie die beiden Leichen sah. Gott sei Dank hatte die Kugel des einen sie nicht getroffen. In der Wand hinter ihr, fiel ihr ein kleines Loch auf. Es war der letzte Schuss gewesen, den der Mann in seinem Leben abgegeben hatte. Wie betäubt taumelte sie wie aufgelöst ins Wohnzimmer zum Telefon.

Lennox hatte ihr wiederholt eingeschärft, in der Angelegenheit keinem seiner Kollegen etwas zu sagen. Nun, er hatte es nach der ersten Bedrohung nicht für notwendig erachtet, sie beschützen zu lassen. Aber nachdem sich die Dinge derart zugespitzt hatten, wollte sie keine Sekunde mehr länger zögern. Die beiden Leichen waren ohnehin nicht mehr zu leugnen.

*

Bereits eine Viertelstunde später traf die Mordkommission ein. Sie wurde von Chief Inspector Richard Whitehead geleitet, einem Kollegen und persönlichen Freund von Lennox. Er sprach kein Wort, überließ Isabelle erst einmal sich selbst und den Tatort den Jungs von der Spurensicherung. Ein für ihn ungewohntes Vorgehen, denn es wäre naheliegend gewesen, dass Whitehead erst einmal mit der Verlobten seines Freundes über den genauen Tathergang gesprochen hätte. Zumindest vermisste Isabelle, die völlig am Boden zerstört war, jegliches tröstendes Wort in Anbetracht des Schrecklichen, was sie hatte erleben müssen.

Als sie Whitehead ansprach, wich er ihrem Blick aus, und Isabelle kam ein schrecklicher, ein ungeheuerlicher Gedanke. »Was ist mit Lennox, Richard?«

»Was soll mit ihm sein, Isabelle?«, zuckte er mit den Achseln. »Er ist seit einer Woche in Urlaub. Woher soll ich wissen, was er treibt.« Er versuchte zu lächeln. »Du solltest das eigentlich viel besser wissen, nicht wahr?«

»Er ist tot!«, kam es ihr plötzlich über die Lippen, und in ihrer Stimme lag eine untrügliche Bestimmtheit.

Whitehead zeigte sich entsetzt. »Wo … Woher weißt du das?«

Isabelle Parker bekam einen Weinkrampf.

Whitehead empfand Mitleid mit ihr und suchte krampfhaft nach einigen tröstenden Worten. Dann winkte er seinen Sergeant heran. Zusammen mit Smithers kümmerte er sich um die Verlobte ihres toten Kollegen.

Isabelle erholte sich erstaunlich schnell. Sie hatte in ihrem Beruf als Journalistin gelernt, persönliche Gefühle in den Hintergrund zu drängen, wenn es um Wichtigeres ging. »Richard«, sagte sie gefasst, »wo habt ihr ihn gefunden?« Bittend sah sie ihn an. »Wie ist er umgekommen?«

»Es tut aufrichtig mir leid«, erwiderte Whitehead mit brüchiger Stimme, »aber du weißt genau, dass ich darüber nichts sagen darf.« Er zögerte kurz. »Wenn … wenn du in der Lage bist … Würdest du mir erzählen, was hier passiert ist?« Innerlich verfluchte er es, für einen Kollegen eingesprungen zu sein und dessen heutigen Bereitschaftsdienst übernommen zu haben. Ich bin dieser Sache einfach nicht gewachsen, dachte er verbittert.

Chief Inspector Richard Whitehead war normalerweise ein absoluter Routinier, der bereits lange genug der Mordkommission angehörte und noch um vieles länger dem Yard. Aber die Tatsache, dass er gerade einen guten Freund auf tragische Weise verloren hatte und dessen Leichnam von Kollegen des Stadtbezirks ›Bromley‹ im Moment wohl schon ins Leichenschauhaus zur Autopsie gebracht wurde, setzte ihm mehr zu, als er sich einzugestehen bereit war.

»Wer ist diese Clairé Beauvais?«, fragte Isabelle unvermittelt und kniff ihre schwungvollen Lippen zusammen.

Die Erwähnung dieses Namens riss ihn aus seinen trüben Gedanken. »Hey«, entfuhr es ihm überrascht, »woher kennst du diesen Namen, Isabelle?«

Endlich hatte sie ihn soweit, dass sie ihm ihr Herz ausschütten konnte, und ihm gingen die Augen über.

Da tun sich ja Abgründe auf, dachte er bei sich. Aber ich kann ihr nicht sagen, wer genau diese Clairé Beauvais ist. Ich kenne nur ihren Namen …. Aber da ich dich eh mit auf die Dienststelle nehmen muss. Mal sehen, vielleicht kann ich dir dort weiterhelfen.

*

Drei Stunden später war Isabelle Parker auf dem Weg zu Clairé Beauvais. Auf eine Schutzhaft hatte sie freiwillig verzichtet, obwohl ihr Clairé in einem vorausgegangenen Telefonat, dringend dazu geraten hatte. Sie ahnte nicht, in welcher Gefahr sie sich aufgrund ihres Leichtsinns befand.

Hoffentlich würde Clairé Beauvais nicht umsonst auf sie warten, denn sie hatte den Fehler begangen, den Brief, den ihr Lennox vor einer Woche anvertraut hatte, in ihrer Handtasche mitzuführen, weil sie der Meinung war, dass er dort am besten aufgehoben wäre. Ein Fehlschluss!

***


Kapitel 6

Leonard Edwards hatte damals, als die Körperfülle verteilt worden war, wahrscheinlich gleich mehrfach ›Hier!‹ gerufen, weshalb er von Clairé Beauvais auch heimlich ›Fatso‹, Fettsack, genannt wurde. Auf jeden Fall hatte er eine gewisse Ähnlichkeit mit dem amerikanischen Schauspieler Charles Laughton in seinen späten Jahren. Aber die äußere Erscheinung täuschte über die ungeheure Energie hinweg, die dem Mann innewohnte. Sein bürgerlicher Tarnberuf war der eines Rechtsberaters der Großindustrie und ›High Society‹. In Wirklichkeit aber hatte er einen gewissen politischen Ehrgeiz und Freunde im Unter- und Oberhaus. Als Patriot arbeitete er längere Zeit für den britischen Auslandsgeheimdienst, dem ›Secret Intelligence Service‹, der den meisten besser als ›MI6‹, ›Military Intelligence, Section 6‹ bekannt war. Seine Aufgabe war es gewesen, nach gängiger Geheimdienstmanier Vertrauensleute in Firmen, gesellschaftlichen Gruppen, politischen Vereinigungen anzuwerben, die durch politische Unterwanderung und durch mafiaähnliche Strukturen gefährdet waren.

Verärgert durch das ständige Aneinandervorbeiarbeiten der großen Organisationen ›SIS‹, ›Defence Intelligence Staff‹, ›MI5‹ und Justizministerium, setzten politische Freunde im Parlament in einem Geheimausschuss für die Schaffung einer Art Superjobs durch. Er sollte in speziellen Fällen die Aktionen der britischen Geheimdienste und Spezialeinheiten koordinieren. In seinem Büro, verborgen hinter einer Tür, hinter die nicht einmal Clairé Beauvais einen Blick werfen durfte, liefen also alle wichtigen Fäden zusammen.

Es war kein Wunder, dass sie sich direkt mit ihm in Verbindung setzte, denn ›Fatso‹ war für ihren einträglichen Nebenjob verantwortlich. Eines Tages war er auf die Idee verfallen, das Luxus-Callgirl für den Geheimdienst zu akquirieren, um so eine gute Plattform für wichtige Operationen und vor allem eine ausgezeichnete, gut florierende Informationsquelle aus dem Bett und darüber hinaus zu haben.

Dennoch war Clairé nach wie vor eine freie Mitarbeiterin geblieben. Sie sah in ›Fatso‹ nicht ihren Chef, sondern nur einen Auftraggeber.

Wie immer war Edwards sofort am Apparat, als sie seine Nummer wählte. Sie hatte ihm vom Tod Lennox Walshs berichtet, und er hatte alles Erforderliche veranlasst. Nachdem alles überstanden war, telefonierten sie ein weiteres Mal.

»Miss Beauvais«, beschwor Leonard Edwards sie, »Sie schweben jetzt in ständiger Lebensgefahr. Die Gangster sind auf Sie aufmerksam geworden. Vielleicht wäre es besser, Sie tauchten zunächst für eine Weile unter.«

»Das ist doch nicht Ihr Ernst, Mr. Edwards? Das wäre ja das erste Mal, dass ich kneife, nicht wahr?«

Edwards holte tief Luft und seufzte. »Von mir bekommen Sie jedenfalls keinen Auftrag in diese Richtung, falls sich das erhofft haben.«

»Chief Inspector Walsh war ein guter Freund«, gab Clairé zu bedenken.

»Warum überlassen Sie die Sache nicht einfach seinen Kollegen? Halten Sie die etwa für unfähig?«

»Ich überlege die ganze Zeit, warum Walsh die Angelegenheit mit Zack Richards für sich behalten hat«, wich Clairé aus. »Was wissen Sie eigentlich über den Fall, Mr. Edwards?«

»Nun, der Mord am Abgeordneten Mitchell war als Unfall getarnt, aber er war ein gewichtiger Mann und die Tarnung platzte. ›MI5‹ und ›MI6‹ wurden eingeschaltet und arbeiten mit dem Yard Hand in Hand. Allerdings klappte die Zusammenarbeit nur zu Beginn. Man merkte, dass Chief Inspector Walsh plötzlich seine eigenen Wege zu beschreiten schien, kümmerte sich aber nicht weiter darum, weil er den Geheimdienstkollegen nicht in die Quere kam. Bis man dann im Arbeitszimmer des Ermordeten die unbekannte Leiche eines Selbstmörders fand.«

»Hatte man denn keinen Verdacht, wer der Tote sein könnte?«

»Einen Verdacht schon«, erwiderte Leonard Edwards, »aber keinerlei Beweis. Auch die Jungs vom ›MI6‹ dachten sofort an Zack Richards, hielten den Leichenfund aber vorerst geheim.«

»Was wissen Sie über den Mann?«

»Leider nicht allzu viel, wie ich zugeben muss. Wahrscheinlich ist der Name ein Pseudonym. Er tauchte immer mal wieder auf. Manchmal wurde vermutet, dass sich dahinter eine ganze Gruppe verberge. Inzwischen ist natürlich alles getan worden, die gefundene Leiche zu identifizieren … Leider erfolglos. Wenn es stimmt, was Walsh Ihnen erzählte, und eigentlich habe ich daran keinen Zweifel, dann dürfte in der nächsten Zeit noch so einiges passieren. Die erwähnten Tagebücher dürften hochbrisantes Material enthalten.«

»Und Sie wollen, dass ich mich heraushalte, Mr. Edwards?«, warf ihm Clairé vor.

»Das müssen Sie verstehen, Miss Beauvais. Die eigentlich Betroffenen werden bei dem sich anbahnenden Kampf wohl kaum selbst in Erscheinung treten, sondern ihre Handlanger, kleine Ganoven, schicken. Das ist nicht ihr Gebiet.«

»Ich würde Ihnen darin zustimmen Mr. Edwards, wenn ich wirklich vorhätte, mich mit den Kleinen zu messen«, entgegnete sie forsch. »Meine Pläne sehen allerdings ein wenig anders aus.« Clairé brach das Gespräch ab. Grübelnd lehnte sie sich in die Polster zurück. Sie war Edwards gegenüber nicht ganz ehrlich gewesen. Natürlich konnte von echten Plänen nicht die Rede sein, denn ihr fehlte noch jeglicher Ansatzpunkt. Diesbezüglich befand sie sich in einer Sackgasse, wie sie sich eingestehen musste.

Wenig später erhielt sie die Nachricht, dass Lennox Walsh eine Verlobte und sich diese Isabelle Parker explizit nach ihrem Namen erkundigt hatte. Der Anruf kam direkt von Edwards, die Nachricht selbst allerdings auf dem Umweg über Scotland Yard. Die Tatsache, dass Edwards es aber solcherart unterstützte, bewies ihr, dass er sich längst mit ihrem Alleingang abgefunden hatte.

***

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