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Kapitel 3

Seit Generationen belieferten die ›Buchanan Atomic Unlimited‹-Werke die britische Armee ebenso wie die Marine mit allem möglichen militärischen Material. Der Juniorchef des Unternehmens hieß Zachary Buchanan. Sein Verdienst war es, dass die ›Buchanan Atomic Unlimited‹ von der Regierung auf Jahre hinaus mit der Produktion von wichtigen Teilen für militärische Langstreckendrohnen beauftragt worden war. Auch wurde eifrig an der Entwicklung eines eigenen Models unter der internen Bezeichnung ›Legacy of Kain‹ gearbeitet, die den ›Predator‹ der US-Amerikaner in den Schatten stellen sollte. Seine Unterschrift stand unter den gewinnbringenden Verträgen. Sein Vater trieb sich schon seit einigen Jahren mit seiner dritten Ehefrau irgendwo in der Weltgeschichte herum. Er kümmerte sich nicht mehr um den Konzern, wusste er ihn doch bei Zachary in den besten Händen. Trotz seiner vierunddreißig Jahre war der junge Buchanan ein mit allen Wassern gewaschener Geschäftsmann – und es versteht sich, dass er auch mit allen Salben geschmiert war. Ihn übers Ohr zu hauen war zumindest ebenso schwierig, wie gegen den amtierenden Schachweltmeister Magnus Carlsen im Blitzschach zu gewinnen. Er kannte einfach alle Schliche. Und den Rest machte sein Gespür für ein sicheres Geschäft aus.

Buchanan war groß, breitschultrig, hätte mit seinen Muskelpaketen vermutlich Arnold Schwarzenegger zu dessen Mister Universum-Zeiten auf Platz zwei verwiesen. Obendrein sah er gut aus und gefiel sich in der Rolle des Playboys. Zumindest war das bis vor einem Jahr so gewesen. Dann hatte sich das blitzartig geändert, denn Ye-Jin Lyang war in sein Leben getreten. Der heißblütige Buchanan, dessen einziger Fehler die gefährliche Neigung zum Jähzorn war, hatte sich Hals über Kopf in die attraktive Nordkoreanerin verliebt. Er hatte von dem Mädchen, das ihn so sehr in seinen Bann geschlagen hatte, nahezu nichts gewusst, und er wusste immer noch nicht sehr viel von ihr. Es war ihm nur bekannt, dass sie aus dem Norden Koreas geflohen und nach Großbritannien gekommen war, dass sie sich ihr Geld als Grafikerin verdiente – und dass sie ihn genauso liebte, wie er sie. Das genügte ihm, um allmählich den Entschluss in ihm reifen zu lassen, sie zu seiner Frau zu machen. Noch hatte Buchanan zu keinem Menschen darüber gesprochen. Aber er wollt sich Ye-Jin schon bald erklären. Er wartete nur noch auf den günstigsten Moment. Im nächsten Monat hatte sie Geburtstag. Buchanan hatte vor, sie mit Geschenken zu überhäufen. Und dann wollte er sie fragen, ob sie seine Frau werden wollte, einfach über alle Schranken der menschlichen Gesellschaft hinweg. Das arme Mädchen und der reiche Playboy, der sich die Hörner bereits abgestoßen hatte. Er ersehnte sich nichts so sehr wie ihre Zustimmung. Alles andere konnte er sich für sein Geld kaufen.

Sie saßen in einem weißen Rolls Royce. Das war einer der neunzehn Wagen, die Buchanan sein Eigen nannte. Lance Ironside, ein ehemaliger Catcher, steuerte den Schlitten. Clarence Gilyard, ein ehemaliger Boxer, saß neben ihm, während sich Buchanan im Fond des Wagens befand. »Halten Sie dort vorne an, Lance!«, verlangte Buchanan vom Fahrer.

»Im Halteverbot, Sir?«

»Ich bin sicher, die Polizei wird uns diese kleine Sünde verzeihen.« Zachary Buchanan grinste, und Ironside trat auf die Bremse. Er wollte aus dem Wagen springen und seinem Arbeitgeber den Verschlag öffnen – doch da war Buchanan bereits draußen.

»Bemühen Sie sich nicht«, sagte der blonde Millionär schmunzelnd. »Ich werde erst im Greisenalter auf Ihre Hilfsbereitschaft zurückkommen.«

Ironside grinste schief. »Ich wette, dann sind Sie immer noch schneller als ich, Sir.«

Buchanan betrat das Haus, vor dem der Rolls Royce hielt.

Ironside blickte auf seine Armbanduhr. »Wir hätten ihn fragen müssen, ob wir ihn begleiten sollten.«

Gilyard zuckte die Achseln. »Er hätte uns gesagt, dass wir mitkommen sollen, wenn es nötig gewesen wäre.«

»Und wenn ihm nun was zustößt? Dann bleibt es an uns hängen.«

Gilyard winkte ab. »Findest du nicht, dass du deinen Job ein bisschen zu ernst nimmst, Lance?«

»Verflucht, ich lebe von diesem Job. Und nicht mal so schlecht. Vielleicht denke ich ein bisschen weiter als du, Junge. Überleg' doch mal, was geschieht, wenn es ihn durch irgendeinen dummen Zufall plötzlich nicht mehr gibt. Dann sind wir diesen Job los, stimmt's?«

»Sicher.«

*

Buchanan erreichte den zweiten Stock. Er dachte daran, dass er Blumen hätte mitbringen sollen, nahm sich vor, später welche für Ye-Jin zu besorgen, oder noch besser, sie selbst welche aussuchen zu lassen. Er legte den Daumen auf den Klingelknopf.

Drinnen schellte es.

Buchanan setzte ein erwartungsvolles Lächeln auf, richtete die ohnehin korrekt sitzende Krawatte ungeduldig und nahm sich vor, Ye-Jin blitzschnell mit seinen Armen zu umschlingen, sie hochzureißen, sie an sich zu drücken und sie so lange zu küssen, bis ihr die Luft wegblieb. Enttäuschung färbte sein Lächeln, als Ye-Jin nach dem zweiten Klingeln immer noch nicht öffnete. Das gibt es nicht, dachte Buchanan. Wir sind doch verabredet. Es ist neun. Wir wollten auf's Land fahren. Sie kann das nicht vergessen haben. Ye-Jin hat bisher alle Termine eingehalten.

Er legte die flache Hand an die Tür, und da er nicht damit gerechnet hatte, dass sie aufgehen würde, erschrak er leicht. Beunruhigt lauschte Buchanan. Etwas lähmte ihn. Er vermochte den ersten Schritt nicht sofort zu tun. Die Sorge um das Mädchen, das er mehr als sich selbst und mit einem alles verzehrenden Feuer liebte, begann beängstigend schnell in seinem Innern aufzusteigen. »Ye-Jin!«, rief er in die Wohnung. Seine Stimme klang heiser. Der Ruf war nicht viel lauter als ein verlegenes Flüstern. »Ye-Jin, bist du da?«

Niemand antwortete.

Buchanan holte tief Luft und betrat dann die Wohnung. »Ye-Jin? Wo steckst du, Sweety?«

Doch da war nur Stille – eine dumpfe, irgendwie unheilschwangere, fühlbare und unangenehme Stille!

Ein kaltes Prickeln lief Buchanan über den Nacken und die Wirbelsäule hinunter. Dass hier irgendetwas nicht in Ordnung war, ahnte er mit erschreckender Deutlichkeit. Sein Herz schlug rasend schnell. »Ye-Jin? So sag' doch was! Bitte!« Er machte einige rasche Schritte durch die Diele und erreichte die halb offenstehende Tür zum Wohnzimmer. Sein Blick irrlichterte durch den Raum und blieb schließlich starr an dem nackten toten Mädchen hängen. »Ye-Jin!« Sein Schrei barg Grauen, Entsetzen und namenlose Verzweiflung in sich. »Mein Gott, Ye-Jin!«, murmelte er verstört. Sein Gesicht war mit einem Schlag teigig geworden. Seine Lider flatterten, der Mund stand weit offen. Unbeschreibliche Panik verzerrte seine Züge. Heulend fiel er neben dem Mädchen auf die Knie und fasste nach ihrem hübschen, bleichen Gesicht. Mit beiden Händen hielt er es, hob es zitternd hoch, starrte es ungläubig an, wollte nicht begreifen, dass seine Ye-Jin nicht mehr lebte. »Oh, mein Gott! … Oh, Gott! Oh, Gott … Gott!«, jammerte Buchanan verzweifelt. Er hatte geglaubt, nicht weinen zu können, doch nun, angesichts dieser Toten, füllten sich seine Augen plötzlich mit glitzernden Tränen. Erschüttert starrte er auf die hässlichen Würgemale am Hals der hübschen Asiatin. »Wer hat das nur getan?«, fragte er keuchend vor Schmerz. Sein Herz drohte zu zerbrechen. »Wer hat dir das angetan, meine süße Ye-Jin?«

Plötzlich war da Etwas. Ein vages Geräusch, kaum zu vernehmen.

Buchanan registrierte es zwar, aber er reagierte nicht schnell genug darauf. Als ihn der Schreck dann aber doch hochriss und herumwirbeln ließ, war es für jede Art von Verteidigung zu spät.

Etwas – oder Jemand – flog auf ihn zu.

Instinktiv nahm er die Arme hoch, um sich zu schützen.

Der Angreifer war jedoch um vieles flinker. Ein dunkel schimmernder Gegenstand in seiner rechten Hand fegte von oben auf Buchanans Kopf herab.

Der bestürzte Mann steppte zur Seite, doch der Totschläger traf ihn trotzdem und warf ihn brutal in eine Welt, die nur aus schwarzen Schatten und sonst nichts bestand.

*

»Einmal im Monat lasse ich die Puppen tanzen«, sagte Lance Ironside grinsend. »Da achte ich nicht darauf, was die Welt kostet. Einmal im Monat möchte ich mir all das gönnen, was sich unser Boss jeden Tag leisten kann.«

Clarence Gilyard schob die Unterlippe vor und blickte auf seine fleischigen Finger. »Blödsinn! Was sich Buchanan leisten könnte, wenn er wollte, kriegst du doch für deine paar lausigen Pfund nicht.«

»Mir reicht es.«

»Es macht dir Spaß, das Geld mit vollen Händen zum Fenster rauszuschmeißen, wie?«

Ironside grinste. »Ich genieße es richtig.«

»Und wenn du mal alt und schäbig bist, gehörst du zu jenen Typen, die irgendwo an einer Ecke herumlungern, den Hut zwischen den Knien, und darauf warten, dass ihnen jemand ein paar Pence hineinwirft.«

»Was willst du damit sagen?«

»Dass du auch an die Zukunft denken solltest, statt die Moneten sinnlos zu verjubeln.«

Ironside zog die Mundwinkel nach unten. »Das musst ausgerechnet du mir sagen?«

Die Unterhaltung der beiden unterbrach sich von selbst, als das Haustor aufging und ein ganz in Schwarz gekleideter Mann mit einem auffälligen Hut herauskam.

Ironside grinste. »Nun sieh dir diesen Asiaten an, Clarence. Sieht der nicht aus, als wäre er zu seiner eigenen Beerdigung unterwegs?«

Gilyard nickte. »Scheint ein ganz besonders komischer Vogel zu sein.«

Der Mann mit der Kopfbedeckung sah sich kurz um, schlenderte dann die Straße entlang und verschwand kurz darauf aus dem Blickfeld der Leibwächter.

Ironside musterte seinen Kollegen. »Wovon haben wir vorhin gesprochen?«

Gilyard winkte ab. »Ach, lass' gut sein, Lance. Die Unterhaltung führt sowieso zu nichts.«

Ironside zuckte mit den Achseln, steckte sich eine Zigarette an, blies den Rauch zum Seitenfenster hinaus, schob die Manschette hoch und schaute ungeduldig auf seine Uhr. »Schon eine Viertelstunde um«, brummte er. »Was macht der Boss denn so lange da oben!«

»Vielleicht war sie noch nicht fertig.«

»Sie ist doch sonst immer pünktlich wie ein Schweizer Uhrwerk.«

»Auch Ye-Jin Lyang kann einmal verschlafen, oder nicht?«

»Na ja«, reagierte Ironside misstrauisch. »Ich rauch' mal meine Zigarette fertig und dann schau ich mal nach dem Rechten … Mir schmeckt das ganz und gar nicht, ihn so lange unbeaufsichtigt zu lassen … Schließlich werden wir dafür auch nicht bezahlt, dass wir den Boss allein …«

»Verdammt«, unterbrach Gilyard ihn. »Du bist wirklich viel zu gewissenhaft. Was sollte denn schon passieren?«

»Dennoch.« Nach sechs weiteren Zügen hatte er genug von seinem Glimmstängel. Er klemmte ihn zwischen Daumen und Mittelfinger und schnippte ihn dann bis zur Hauswand. »Komm, Clarence! Wir lüften mal ein bisschen unseren Hintern aus!«, meinte er auffordernd und verließ den weißen Rolls Royce.

*

Sie erreichten die offenstehende Wohnungstür.

Ironside warf Gilyard einen erschrockenen Blick zu. »Na, was sagst du jetzt?«

»Was soll ich sagen?«

»Gefällt dir das?«

»Die offene Tür?«

»Ja.«

»Ist das denn so 'ne Sensation? Er hat halt vergessen sie zuzuziehen.«

Ironside winkte ärgerlich ab. Seine Hand fuhr instinktiv ins Jackett. Er zog seine fünfzehnschüssige ›Striker APX‹ von ›Beretta‹, entsicherte sie und betrat gleich darauf mit zusammengekniffenen Augen die Wohnung. »Ich habe 'ne Nase für Sachen, die stinken, sag' ich dir, Clarence. Und hier drinnen stinkt es ganz gewaltig!«

»Mr. Buchanan!«, rief Gilyard, nun selbst unsicher.

»Rufen hat keinen Zweck!«, zischte Lance Ironside und stürmte los.

*

Augenblicke später stand er im Wohnzimmer. Geräuschvoll entwich die Luft durch seine weit geblähten Nasenlöcher. Mit eingefrorenen Gesichtszügen starrte er auf Zachary Buchanan, der zu seinen Füßen lag, und dann ließ er seinen Blick zu dessen Freundin Ye-Jin Lyang weitergleiten.

Gilyard stöhnte hinter ihm laut auf. »Ach, du Scheiße!«, entfuhr es ihm ungeschönt.

»Was habe ich dir gesagt«, murmelte Ironside.

»Wir müssen sofort Scotland Yard verständigen!«, stieß Gilyard aufgeregt hervor.

Sein Kollege nickte. »Nimm am besten dein Smartphone. Wir sollten keine möglichen Fingerabdrücke verwischen.«

***


Kapitel 4

Clairé Beauvais stand mit einem Drink an der Panoramascheibe ihres ›Penthouses‹ im Stadtteil ›Bromley‹, in der ›Shire Lane‹, und schaute auf den ›High Elms Country Park‹ hinunter. Die Eiswürfel in ihrem Glas schmolzen allmählich dahin. Warten, dachte sie. Es gibt nichts Schlimmeres als das. Die berauschend schöne Frau leerte ihr Glas und verließ ihren Platz am Fenster. Ihre unergründlichen kohlefarbenen Augen fielen auf ihr Smartphone. Nur wenige kannten ihre spezielle Rufnummer, um die sich ein kleines Geheimnis rankte, was sie als Escort kostbar und teuer werden ließ. Schon von Anfang an hatte sie darauf geachtet sorgfältig auszuwählen und darauf zu achten, wem sie die Nummer gab. Männer wie Min-Ho Choung waren gewöhnlich nicht darunter. Zumeist waren es Industriemanager, denen sie mit allen erlaubten und unerlaubten Tricks jene Würmer aus der Nase zu ziehen hatte, die Leonard Edwards interessierten. Wie hätte sie das besser bewerkstelligt können als in diesem unauffälligen Rahmen. Sie stellte ihr Glas weg.

Obwohl die Klimaanlage für eine konstante Temperatur im Raum sorgte, kam es Clairé ziemlich schwül vor. Sie schälte sich hastig aus ihren Kleidern und lief mit nackten Füßen ins Bad, um zu duschen. Bevor sie ihre prächtige Haarfülle unter die Badehaube schob, betrachtete sie sich wohlgefällig im Spiegel.

Sie hatte einen makellosen Körper – jung, geschmeidig, schlank, mit einem herrlichen Busen, einer aufregend engen Taille, schwellenden Hüften und vollendet geformten Beinen.

Rasch drehte sie an den Hähnen. Dann genoss sie die nadelfeinen Strahlen der Brause, die wohltuend auf ihre weiche, samtene Haut trafen. Hinterher fühlte Clairé sich wie neu geboren. Nackt wie sie war verließ sie das Bad, um ins Schlafzimmer zu huschen, als ihr Smartphone im Salon anschlug. Im Vorbeigehen fischte sie ein Badehandtuch vom Haken, und während sie das Gespräch annahm, begann sie die glitzernden Wasserperlen von ihrer nahtlos braunen Haut zu frottieren.

Leonard Edwards war der Anrufer. »Choung ist da!« sagte er bitter.

Clairé spürte sofort, dass etwas Schreckliches passiert war. Sie hatte eine ausgezeichnete Antenne für Unausgesprochenes im Subtext.

»Er hat bereits einen ersten Mord verübt«, fügte ›Fatso‹ wütend hinzu.

»Wen?«

»Eine junge Landsmännin … Ye-Jin Lyang … eine hochqualifizierte Genossin ... Parteischule ... wurde zur Agentin ausgebildet, bei uns eingeschleust und auf einen Mann namens Zachary Buchanan angesetzt ...«

»Buchanan … Militärtechnik, nicht wahr?!«, fiel Clairé Edwards ins Wort.

»Sehr richtig, Miss Beauvais. Ye-Jin Lyang hatte den Auftrag, sich an den jungen Buchanan heranzumachen und ihn laufend zu bespitzeln. Aber gegen die Liebe haben auch die in Ostasien auch noch kein Kraut gewachsen.«

»Ye-Jin hat sich in Buchanan verliebt?«, fragte Clairé erstaunt nach.

»Ja. Und Buchanan hat an dem hübschen Mädchen ebenfalls Feuer gefangen. Die beiden wurden zu einem unzertrennlichen Paar. Buchanan wollte Lyang im nächsten Monat einen Heiratsantrag machen. Soviel wir herausbekamen, ließ Ye-Jin ihre Auftraggeber wissen, dass sie das schmutzige Spiel mit ihm nicht mehr weiterspielen wollte. Sie sagte, sie würde aussteigen.« Edwards seufzte. »Aussteigen, … als ob das bei denen so leicht ginge.«

»Das geht nirgendwo leicht.«

»Jedenfalls ein armes Ding. Sie hätte sich an uns wenden sollen. Vielleicht hätten wir ihr dieses Schicksal ersparen können.«

»Wie kommen Sie darauf, dass es dieser Choung getan hat?«, wollte Clairé wissen.

»Buchanans Leibwächter haben Choung aus dem Haus kommen gesehen, in dem Ye-Jin Lyang ermordet wurde.« Edwards schilderte ihr nun in allen Einzelheiten, was er von der zuständigen Polizeidienststelle erfahren hatte. »Sieht so aus, als hätte Zachary Buchanan einen schweren Schock erlitten«, fuhr ›Fatso‹ dann fort. »Der Junge ist an Leib und Seele gebrochen. Er soll kaum ansprechbar sein, döst vor sich hin, redet wirres Zeug, brüllt und tobt zeitweilig. Kann sein, dass er eine Menge Dummheiten anstellt, wenn er wieder einigermaßen klarsieht. Er soll ein gefährlicher Hitzkopf sein, heißt es. Solche Menschen sind unberechenbar, wenn sie vom Schicksal einen ordentlichen Tritt unter die Gürtellinie bekommen haben. Manchmal macht die eiskalte Wut sie blind, und sie laufen Amok. Dann werden sie sogar für sich selbst zur Gefahr.«

»Wer bearbeitet den Mord an Ye-Jin Lyang?« fragte Clairé. Sie war inzwischen trocken und warf das Handtuch über ihre wohlgerundeten nackten Schultern.

»Chief Inspector Judd von der zuständigen Mordkommission im Yard«, antwortete Edwards.

»Ein fähiger Mann?«

»Einer, der sich so richtig in einen Fall verbeißt. Zäh wie Leder und hart wie ›Sheffield‹-Stahl. Er hat sofort eine Großfahndung angekurbelt. Ich wollte ihm in seine Arbeit nicht dreinreden, aber mit einer Großfahndung wird er Min-Ho Choung ganz sicher nicht erwischen.«

»Apropos Choung«, hakte Clairé nach. »Sie wollten ihm meine Telefonnummer zuspielen.«

»Die Sache läuft, Miss Beauvais. Die Angeln sind bereits ausgeworfen. Jetzt heißt es, darauf zu warten, bis Choung nach dem Köder schnappt.«

»Wie schätzen Sie die Chancen ein?«

»Das weiß kein Mensch. Sollte er sich in den nächsten vierundzwanzig Stunden nicht bei Ihnen melden, fahren Sie zu Howard van Eyck. Das ist ein guter Bekannter von uns.«

»Sie meinen: Van Eyck arbeitet für Sie?«

»Ja.«

»Wo wohnt der Mann?«

»Er ist in ›Soho‹ zu Hause«, sagte Leonard Edwards und nannte ihr die Adresse des Agenten. »Der Mann kann in dieser Angelegenheit für uns vielleicht noch zum heißen Eisen werden.«

»Eines, welches keiner anzufassen wagt?«, hakte Clairé nach.

»Eines, mit dem wir diesen Choung möglicherweise packen können, wie mit einer glühenden Zange.«

»Was ist denn das Besondere an Howard van Eyck, Sir?«

»Er kennt Min-Ho Choung fast so gut wie sich selbst. Sie wissen ja, wie das in unserem Beruf so geht. Van Eyck hatte schon mal in Nordkorea zu tun. Man fing ihn allerdings ab und polte ihn um. Und dann schickten sie ihn zusammen mit Min-Ho Choung auf Tournee. Van Eycks Flucht war eine kleine Sensation. Natürlich haben sie mehrmals versucht van Eyck fertig zu machen, aber wir konnten uns bislang jedes Mal schützend vor ihn stellen. Wenn Choung also nicht zu Ihnen kommt, Miss Beauvais, gehen Sie zu Howard van Eyck und hören sich an, was er über den Asiaten zu erzählen weiß. Vielleicht bringt Sie das dann auf eine gute Idee.« Damit war für den Augenblick alles gesagt und Edwards hatte das Gespräch beendet.

*

Clairé holte frische Wäsche aus dem Schrank und kleidete sich an. Mit schlängelnden Bewegungen streifte sie ihren streichholzschachtelgroßen Slip nach oben. Dann legte sie das dünne Gewebe des Büstenhalters über ihre Brüste, hakte das Ding mit einer gekonnten Bewegung zu und ließ Strumpfgürtel und Nylons folgen. Kaum war sie vollständig angezogen und frisiert, da schlug ihr Smartphone erneut an. Sie rechnete fest damit, dass es noch einmal Edwards war. Vermutlich kommt jetzt direkt die nächste Hiobsbotschaft, dachte sie bei sich.

Aber es war nicht ›Fatso‹.

Es war Min-Ho Choung!

Für einen kurzen Augenblick blieb ihr das Herz stehen.

***


Kapitel 5

Zachary Buchanan saß auf der Terrasse seines Tudor-Hauses. Ein malvenfarbener Schirm spendete reichlich Schatten. Buchanan hatte einen mehrstöckigen Whisky neben sich stehen. Es war die vierte oder fünfte Füllung seines Glases. Er zählte nicht mit. Wieder trank er. Wehmütig schaute er zum Swimmingpool, auf dessen Wasseroberfläche blitzende Lichtreflexe tanzten. Ye-Jin ist so gern geschwommen, dachte er wehmütig und glaubte ihr vergnügtes Lachen zu hören. Plötzlich weiteten sich seine Augen. Seine Vorstellung war mit einem Mal so realistisch, dass er sicher war, Ye-Jin im Wasser planschen zu sehen. Sekundenlang hielt er den Atem an. Ye-Jin winkte ihm. Dann kraulte sie auf ihn zu ... Und dann war sie plötzlich verschwunden.

Buchanan erschrak.

Doch dann war Ye-Jin wieder da. Diesmal war sie nackt und lag auf dem Grund des Schwimmbeckens. Sie regte sich nicht, und an ihrem schlanken Hals waren diese grauenvollen Würgemale zu sehen. »Nein!«, schrie er entsetzt auf und schlug die zitternden Hände vors bleiche Gesicht. »Oh, nein!« Wieder kam die lähmende Lethargie über ihn. Er trank sein Glas leer. Seine Finger vibrierten. Er hob beide Hände vor die brennenden Augen und wünschte sich nichts sehnlicher, als diese Finger um den Hals jenes Mannes zu legen, der ihm seine Ye-Jin auf so grausame Weise genommen hatte.

Rache!

Ja, er wollte Rache nehmen – unbarmherzig und gnadenlos würde sie sein, wenngleich er noch nicht wusste, wie er es anstellen sollte. Aber eines wusste er genau: Er würde den Mann töten, sobald er ihn gefunden hatte!

***

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9783748542322
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