Читать книгу: «Auf ihren Spuren», страница 7
Ich höre die Tür und zeitgleich wird der Kuss beendet und die Lippen laufen über mein Kinn, meinen Hals und meine Brust. Ich atme hektisch ein, weil ich glaube zu wissen, wohin sie laufen. Und schon der Gedanke daran, lässt mich erzittern.
Als sich die warmen Lippen um meinen Freund schließen und ich die feuchte Zunge spüre, werfe ich ergeben den Kopf in den Nacken und stöhne an die Decke. Das ist sogar besser als in meinem Traum. Ganz klar.
Ich schiebe meine Hände in die vollen Haare und registriere die Bewegungen meines Beckens und des Kopfes, wie ein eingespieltes Team. Es ist unglaublich. Und dann, bevor ich weiß, was geschieht, beginnt der Mund zu saugen und lässt damit einen Orkan in meinem Unterleib ausbrechen, der wie ein Tsunami aus mir herausschießt. Ich stöhne und keuche ungehalten und glaube umzukippen. Mir wird schwindelig und ich halte mich an den Schultern fest, die mir einen Augenblick Halt geben. Dann spüre ich Hände, die meine Arme wegziehen und registriere, dass der Körper sich vor mir erhebt. „Mein schöner, süßer Joel. Du bist unglaublich!“, höre ich die Stimme lieblich säuseln … und mein Verstand setzt ein.
Das ist nicht Katjas Stimme. Das wird mir plötzlich bewusst. Aber das ist mir egal. Was ich erlebte, kann Katja mir nicht besser geben. Da bin ich mir sicher.
Eine Hand schiebt sich in meine Haare und ich spüre warmen Atem an meinem Ohr. „Dein Wunschzettel ist noch nicht abgearbeitet. Du hast noch einen Punkt, den wir zwei uns noch erfüllen.“ Die Stimme klingt verheißungsvoll und ich bin froh, dass dies nicht Katja ist. Die würde gnadenlos sagen: „So fertig, mein Job ist getan. Ich habe wieder einen Monat frei wohnen“, …oder so. Hier ist das anders. Hier ist es mein Wunschzettel, der bestimmt, was geschieht. Ohne Wenn und Aber. Und dieses Geschöpf will das durchziehen.
Hände suchen meine Hände und legen sie auf den Körper vor mir.
Ich bin einen Augenblick irritiert von dem festen Fleisch, dass sie umspannen und von dem harten Kern. Erst langsam begreife ich, dass es Brüste sind, die meine Hände nicht ganz zu umschließen schaffen.
Ich ziehe eine Hand weg und reiße die Binde von den Augen. Ich will mir nicht mehr Katja vorstellen. Ich will sehen, mit wem ich es zu tun habe … und was ich da fühle.
Ich sehe blonde, lange Haare und wunderschöne dunkelblaue Augen, die mich mit einem Blick mustern, der mir durch und durch geht. Die Lippen sind rot und geschwollen, von unseren Küssen und ich starre dieses wunderschöne Mädchen nur an. Und sie erwidert meinen Blick, als hätte sie auch noch nie etwas Schöneres gesehen.
Ich sehe zu meiner Hand, die immer noch auf ihrer Brust liegt, die von einer gelben Bluse verdeckt wird. Ich ziehe sie von der warmen Masse und frage, meine Hände an ihren Blusenknopf legend: „Darf ich?“
„Mein wunderschöner Joel. Du darfst alles“, höre ich sie leise murmeln und sehe in ihre Augen, die mir das Gefühl geben, es wirklich so zu meinen. Dieses schöne Mädchen will mich wirklich.
Ich knöpfe die Bluse auf, während ihre Hände über meine Brust streicheln und ihre Augen ihnen folgen.
Aber ich habe nur noch Augen für das, was die Bluse freigibt.
Als ich sie ihr von den Armen ziehe, muss sie mich loslassen. Aber sie legt ihre Handflächen sofort wieder auf meine Brust und streichelt mich. Und ich streichele ihre Brüste, die in einem engen Spitzenbüstenhalter stecken.
Als sie ihre Hände in meine Haare schiebt und meinen Kopf zu sich herunterzieht, um mich zu küssen, bin ich schon wieder bereit für mehr. Als sie meinen Kopf noch tiefer schiebt und ich ihren Brustansatz küsse, zu sehr viel mehr.
Sie greift sich in den Rücken und der BH fällt weg. Einen Moment starre ich nur auf das, was er freigibt und spüre, wie ihre Hände sich um mein Gesicht legen und in die weiche Masse drücken.
Ich umschlinge diesen Körper, lasse meine Lippen die Rundungen erkunden und die harten Brustwarzen erforschen.
„Komm, mein schöner Joel. Steig aus deiner Hose. Wir machen es uns im Bett bequem.“
Ich richte mich auf und sehe dieses wunderschöne Mädchen an, dass mich mit einem hingebungsvollen Blick mustert. Dabei trete ich schnell meine Hose aus, als könne ich es kaum abwarten. Und so ist es auch. Ich will mehr von diesem Mädchen, dass mir alles geben will.
Ich lasse mich von ihr zum Bett ziehen und weiß jetzt schon, dass wird die Nacht aller Nächte.
Danke, Jeannie!
Ich werde von Marco geweckt, der leise lachend raunt: „Hey, Joel. Und, wie mache ich mich als Jeannie? War dein Wunsch mir Befehl genug?“
Ich jage hoch und sehe mich verwirrt um. Mein Schädel brummt und ich liege in dem großen Bett in Marcos Hotelzimmer unter der weißen Hoteldecke.
„Wo ist sie?“, rufe ich von meinen Erinnerungen hochgepuscht.
„Dein Wunschengel ist gegangen. Aber ich habe noch nie Augen so leuchten gesehen und sie hat sich auch noch nie bei mir bedankt.“ Marco lacht wieder. „Das war wohl eher ihre Wunscherfüllung!“ Er greift nach meiner Hand und hält sie hoch. Dabei raunt er seltsam ungehalten: „Das hat sie dir dagelassen. Das hat sie meines Wissens auch noch nie getan und ich muss wohl mal ein ernstes Wort mit ihr reden.“
Ich starre auf die Nummern auf meiner Hand.
Er schiebt sich von der Bettkante und ruft, diesmal wieder besser gelaunt: „Komm. Ich habe uns Frühstück bestellt.“
„Frühstück?“ Ich sehe mich entsetzt um. Dann läuft mein Blick zu meiner Armbanduhr. Es ist kurz nach sieben.
„Scheiße!“ Ich reiße die Decke weg und ziehe sie sofort wieder über mich, weil mir bewusstwird, dass ich nackt bin.
Marco lacht auf. „An deiner Schamhaftigkeit müssen wir aber noch arbeiten. Die ist echt über und in dieser Welt nur hinderlich. Vor allem, wenn man so aussieht wie du.“
Ich starre ihn an.
„Ich bin gestern gegangen, weil du echt etwas verklemmt gewirkt hast. Aber Lisa meinte, es hätte sich sofort gelegt, als ich weg war.“
LISA
Der Name rinnt wie Honig durch mein Innerstes.
„Also komm. Ab in die Dusche.“
Es sieht so aus, als wolle Marco mich herausfordern. Er bleibt einfach neben dem Bett stehen und ich muss wohl oder übel die Decke zur Seite schieben und aufstehen, wenn ich ihm zeigen will, dass ich keine Memme bin. Aber es fühlt sich seltsam an, nackt an jemandem vorbeizugehen. Aber ich schlucke meine Unsicherheit hinunter, gehe zu meiner Hose, die über einem der Sessel hängt und ziehe mein Handy heraus. Ich muss Manuel Bescheid geben, dass alles in Ordnung ist.
Ich tickere eine schnelle Nachricht ein und schicke sie ihm. Fast augenblicklich bekomme ich eine Nachricht und lese: „Bist du eigentlich bescheuert. Wir sind vor Sorge fast durchgedreht.“
Als ich sie schließe, sehe ich die etlichen Anrufe. Vier von Manuel, zwei von Katja und dazwischen die von Timo. Sie haben sich offensichtlich wirklich Sorgen gemacht.
„Ich frühstücke schnell und komme dann“, tickere ich als Antwort in mein Handy und fühle mich seltsam erhaben. Mir ist klar, was ich damit andeute und es fühlt sich gut an.
Das Handy wieder wegsteckend, gehe ich mit einer schon größeren Portion an Selbstbewusstsein zum Badezimmer. Ich muss duschen. Ich stinke nach Testosteron.
Über mein Gesicht huscht ein Lächeln.
Als ich vom Duschen zurückkomme, sitzt Marco in seinem Sessel und schlurft genüsslich seinen Kaffee.
Als ich mich auf das Sofa werfe, verfolgt mich sein Blick. Ich kann ihn nicht deuten. Aber als er raunt: „So, nach einer harten Nacht ist ein gutes Frühstück immer wichtig“, sage ich gut gelaunt: „Ja, Boss!“
Das war keine harte, sondern unglaubliche Nacht. Nur der Alkohol setzt mir noch zu. Ich habe einen seltsamen Druck in den Schläfen.
Marco fragt: „Und, was sagt das Gefühlsleben? Ich bin der Meinung, es ist nicht zwingend erforderlich, dass man das alles mit der großen Liebe erlebt. Viel wichtiger ist immer die Inszenierung. Weißt du, was ich meine?“
Ich schütte mir Kaffee ein und nehme mir hungrig ein Brötchen. Eigentlich will ich nicht darüber diskutieren, was und wie es heute Nacht war. Aber Marco sieht das offensichtlich anders. Als ich nicht antworte, fügt er hinzu: „Das hat Cecilia auch erkannt. Es ist nicht nur das Erleben selbst, es ist vor allem die Vorfreude, der Überraschungsmoment oder die Genugtuung, etwas Derartiges erleben zu können. Und diese Wunschgeschichte … das ist, was die meisten wirklich anmacht. Du wünschst dir was und wartest gespannt, was und wie es sich erfüllt. Du hast deine Story mit all dem bespickt, was in deinen Tiefen auf Erfüllung wartet und weißt, es wird etwas geschehen. Aber was, dass weißt du nicht. Und das ist, was so unglaublich mitreißt. Und zwar alle Beteiligten. Das durfte ich heute Nacht selbst erfahren. Ich glaube, ich verstehe Cecilia jetzt. Ihr Kick bestand nicht in der Ausführung, die nach einem Auftrag erfolgte, sondern in der Umsetzung und der Vorstellung, was der Wunsch selbst und die Möglichkeit, ihn erfüllt zu bekommen, in den Auftraggebern freisetzt. Das habe ich heute Nacht selbst gespürt. Mit dir deinen Wunsch auszuloten, zu wissen, was es bedeutet, dir diesen Wunsch zu erfüllen – für dich und für dein ganzes Leben – das war ein wirklich sonderbares Gefühl von Macht.“
Ich beiße hungrig in mein Brötchen mit Käse und kann selbst noch nicht fassen, was ich in der vergangenen Nacht erlebte. Lisa war der Hammer. Im Bett haben wir uns ewig geküsst und gestreichelt. Überall. Es war wie das ausloten von Sinnen. Und als sie sich auf mich setzte, dachte ich, ich sterbe. Sie bewegte sich so sanft und brachte alles in mir dermaßen zum Kochen … Ihr dabei auch noch zuzusehen und ihren Körper und ihr Gesicht betrachten zu können, das lässt sogar jetzt noch alles in mir vibrieren.
Und ich wollte sie in dem Moment festhalten und nie wieder loslassen. Ich wollte sie nie wieder verlieren. Sie und dieses Gefühl. Darum zog ich sie auf mich, umschlang sie und drehte mich mit ihr. Ich glaube, sie war über meine Kraft überrascht. Und ich war überrascht, was das Gefühl in mir auslöste, sie unter mir festnageln zu können, mich zu bewegen, wie ich es wollte und auszuloten, was sich wie anfühlt. Wir schliefen in der Nacht noch zweimal miteinander. Und sie war so unglaublich beweglich und kannte keine Scheu. Sie war eine unglaubliche und unermüdliche Lehrmeisterin. Und all diese Gefühle lassen es dumpf in meinem Unterleib rumoren und ich drohe schon bei dem Gedanken daran hochzufahren.
Ich schmiere mir das zweite Brötchen, als Marco mit hochgezogenen Augenbrauen meinen Heißhunger registriert und weiter sinniert: „Ich wollte eigentlich Jeannies Portal niemals ohne deine Mutter weiterführen. Aber ich glaube, dass wäre nicht in ihrem Sinne. Cecilia möchte, dass wir weitermachen.“
Mein herzhafter Biss ins Brötchen gerät ins Stocken und ich starre Marco verunsichert an.
„Joel. Ich habe mich heute Nacht entschlossen, die Seite weiterzuführen und ich biete dir an, mich zu unterstützen.“ Er sieht mich herausfordernd an. „Wer weiß, was die Zukunft uns bringt. Aber eins ist klar, wir sollten aufeinandertreffen und ich möchte wissen, weshalb Cecilia dich in mein Leben schickte.“ Marco trinkt seinen Kaffee aus und schüttet sich einen neuen ein. „Was sagst du?“
Ich starre Marco weiter nur an. Ist das sein Ernst? Ich habe doch gerade erst einen neuen Teil des Lebens kennengelernt und er möchte, dass wir nun auch noch diese dubiose Wunschgeschichte weiterführen, deren Ausmaß ich nicht im geringsten überblicken kann?
Als ich nicht antworte, raunt Marco, seine Locken aus dem Gesicht streichend. „Hör zu. Ich kann das auch ohne dich machen. Aber ich will dich dabeihaben. Und du willst doch immer noch wissen, was Cecilia nachts tat und was sie so viel Kohle verdienen ließ, oder?“
Ich bin von meinem Erlebten der letzten Nacht viel zu überflutet, als dass ich noch klar definieren kann, was ich wirklich möchte. Aber ich nicke erst mal.
„Okay. Deal. Ich werde dir alles zeigen, was ich weiß. Cecilia hat sich nicht gerne in die Karten sehen lassen, aber das eine oder andere werden wir schon zusammen auf die Reihe bekommen. Vielleicht nicht heute und nicht morgen. Wir haben beide schließlich auch noch ein normales Leben und es ist wichtig, dies weiterhin wie ein Hauptleben zu präsentieren. Aber wir werden beide sehen, was sich mit Jeannies Seite machen lässt. Okay?“
Ich nicke wieder nur, eigentlich völlig überfordert. Darum esse ich nur mein Brötchen und Marco erklärt voller Enthusiasmus: „Samstags treffen wir uns hier. Das ist unser Treffpunkt.“
„Hier?“, bekomme ich endlich mal ein Wort heraus.
„Ja, Joel. Hier. Ich werde wieder regelmäßig kommen und das Zimmer wird unsere Station, wie es das auch zu Cecilias Zeiten war.“
Ich sehe ihn betroffen an. „Mama kannte dieses Hotelzimmer?“
Marco lächelt und schiebt sich aus dem Sessel. „Komm her. Ich zeige dir was.“
Ich folge ihm an eins der Fenster. „Schau da rüber. Das hat Cecilia sich immer angesehen und gesagt: „Marco, das da, das wird mal mein Domizil.“
Ich sehe über den Park und die Häuser hinweg direkt auf das, in dem die WG liegt.
„Was hat Mama hier gemacht?“, frage ich verunsichert und von seltsamen Gefühlen durchdrungen bei dem Gedanken, dass Mama auch schon mit Marco hier an diesem Fenster gestanden hat. Mein Blick fällt in die Suite zurück, zu dem Bett.
„Manchmal ihren Job, manchmal ihre eigene Wunscherfüllung und viel zu selten meine.“ Marco klingt einen Moment frustriert, grinst mich dann aber entschuldigend an. „Aber sie schickte dich zu mir und wir beide können ihr Lebenswerk weiter voranbringen.“
Ich sehe wieder zur WG hinüber. Marco glaubt offensichtlich, dass Cecilia uns wirklich führt. Aber ich denke immer noch, sie wollte alles, nur nicht das.
Aber auch meine Mutter hatte nicht in allem recht. Ich habe eine der wundervollsten Nächte mit dem wundervollsten Mädchen hinter mir. Und das, ohne sie vorher gekannt zu haben und in Liebe entbrannt zu sein.
Ich seufze auf.
Mir geht es gut damit, meine erste Nacht mit einem Mädchen verbracht zu haben, dass nicht meine Freundin war. Vielleicht bin ich doch nicht so anders als Cecilia. Im Moment kann ich nur daran denken, diese Gefühle der letzten Nacht weiter auszuloten.
„Also. Ich muss bis zum Abend in Stuttgart sein. Sehen wir uns nächstes Wochenende? Dann führe ich dich in Jeannies Underworld ein. Das Programm wird dich überraschen. Wir haben lange daran herumgefeilt, um es sicher zu machen.“
„Sicher zu machen?“
„Joel, vieles, was Cecilia tat, war grenzwertig. Und diese Seite … sie birgt Möglichkeiten weit über die Grenzen hinaus. Darum ist es wichtig, dass wir mit niemandem darüber reden. Sonst kann uns das ins Gefängnis bringen. Das muss dir klar sein!“
Ich kann nicht richtig denken. Marco verlangt wirklich zu viel von mir. In meinem Kopf brummt es und langsam fühlt sich mein Magen wie mit Steinen gefüllt an. Darum nicke ich nur.
Marcos grünen Augen verengen sich. „Ich glaube, du solltest erst mal nachdenken. Überlege dir bis nächste Woche, was du tun willst. Und dann schauen wir, ob du Mann genug bist, dich ins Abenteuer des Lebens zu stürzen.“
Ich starre ihn einen Moment aufgebracht an. Was glaubt er von mir? Natürlich bin ich Mann genug.
„Wir treffen uns nächsten Samstag hier“, sage ich überheblich und Marco grinst wissend. „Ja, nächsten Samstag. Ich mache das Zimmer heute gleich wieder für nächsten Samstag klar.“
Ich bin froh, dass ich bis dahin Zeit habe, um zu verdauen, was alles passiert ist und was alles passieren soll. Ich brauche wirklich Bedenkzeit, um das alles zu begreifen. Aber ich werde nicht abspringen. Bestimmt nicht. Marco biete mir einen Einblick in Mamas Wirken, wie es sonst keiner kann.
Mein Blick läuft zu der Nummer auf meiner Hand.
Marco seufzt auf. „Das war ein dummer Aussetzer.“
Ich sehe auf und verstehe nicht, was er meint.
„Lisa sollte sich nicht zu solchen Gefühlsduseleien herablassen. Das schadet ihr nur. Sie braucht immer einen klaren Kopf, sonst kann sie ihren Job nicht mehr gut machen und geht unter.“
Ich verstehe nicht, von was er redet und murmele: „Was meinst du damit?“
Marco geht zu seinem Sessel zurück und greift nach der Kaffeekanne, um sich erneut Kaffee einzuschenken. „Dir ist doch klar, dass sie sich die Nacht mit dir bezahlen ließ?“
Ich starre Marco fassungslos an. Seine Worte kommen erst langsam in meinem Kopf an und ich zische wütend, weil ich nicht weiß, was ich sonst dazu sagen soll: „Ich zahle dir das zurück!“
Marco dreht sich zu mir um und verzieht das Gesicht, als hätte ich ihm vor die Füße gekotzt. „Ich habe dir doch gesagt, das war eine Gratiswunscherfüllung von Jeannie, die schon lange überfällig war.“
Was soll ich dazu sagen?
Marco wartet keine Antwort ab, sondern raunt nur: „Joel. Ich will dir auch nur damit sagen, dass diese Welt alles bietet, was man sich wünschen kann. In hundertfacher Ausführung. Aber du darfst dich nicht von Gefühlen leiten lassen.“
„Tue ich nicht“, zische ich und mir wird langsam klar, was er mir da zu verstehen gibt. Meine letzte Nacht war eine gekaufte. Dennoch war sie viel zu schön, um sie deshalb unterzubewerten und das Gefühl, Lisa zu lieben, durchströmt mich wie heißes Wasser. Egal, was Marco faselt. Und sie hat mir ihre Nummer gegeben. Sie wird dasselbe für mich empfinden.
Als ich eine halbe Stunde später auf den Park zusteuere, wird mir endgültig klar, dass ich in der letzten Nacht mit einem Milieu Bekanntschaft machte, dass ich bisher nur aus dem Fernsehen kannte und dessen Existenz ich notgedrungen kurz in meine Gedanken ließ, wenn ich über den Sinn und Unsinn von Mamas seltsamer Kleiderauswahl nachdachte.
Heute weiß ich, Mama lebte darin ihre Träume aus und das in dem Zimmer, in dem ich letzte Nacht das erste Mal Sex hatte. Und sie hatte ihn dort auch. Wie und mit wem will ich lieber nicht hinterfragen. Aber es war nicht immer Marco.
Dass er immer noch an dem Zimmer festhält, verstört mich. Auch Marco hat ein paar Eigenheiten, die ich noch nicht ganz durchschaue. Er liebte meine Mutter und ertrug, dass sie andere hatte und erträgt noch, in dem Zimmer zu sein, dass dafür prädestiniert war, ihn zu betrügen.
Was für eine Form von Liebe kann so etwas ertragen? Und welcher Mensch kann einem schönen Menschen wie Marco so etwas antun?
Ich frage, wie zum hundertsten Mal in den letzten Monaten: „Cecilia, wer warst du?“
Und zum ersten Mal frage ich mich: „Und zu wem werde ich werden, wenn ich deinem Pfad folge?“
Jeannie
Als ich in die Wohnung komme, sitzen Timo, Manuel und Katja am Tisch und sehen mir entgegen. Aber es ist Timo, der aufspringt und tobt: „Sag mal! Du kannst doch nicht einfach eine Nacht verschwinden!“
Ich sehe ihn überrascht an. „Warum nicht?“
„Weil ich für dich verantwortlich bin. Wir alle. Du bist nicht mal achtzehn und Papa macht mir die Hölle heiß, wenn dir etwas zustößt.“
Ich bin irritiert. Ich ahnte nicht, dass mein Ausbleiben eine Krise auslöst.
Mich umsehend, stelle ich fest, dass alles noch an seinem Platz ist. Ich wende mich Manuel zu, weil ich das Getue von Timo für völlig überzogen halte: „Und, gestern alles mit den Weibern glattgelaufen?“ Katja übersehe ich geflissentlich.
„Ja, ist es!“ Manuel ist sehr kurzsilbrig und hat tiefe Augenränder.
Ich nicke und gehe an Timo vorbei zu meinem Zimmer. Ich sehe noch, wie die drei sich aufgebrachte Blicke zuwerfen, als Timo mir hinterherruft: „Wo warst du?“
Ich drehe mich zu ihm um und antworte: „Frage ich dich, wo du gestern warst?“ Ich hoffe, er versteht den Wink mit dem Zaunpfahl, weil er sich schließlich mit einem anderen Mädel getroffen hat. Aber Timo scheint egal zu sein, ob das zur Sprache kommt. „Ich war nicht die ganze Nacht weg“, pfeffert er wütend zurück.
„Schade für dich. Dann hast du ja was verpasst. Da draußen gibt es wirklich unglaubliche Attraktionen, die einem die Nacht versüßen können“, sage ich und klinge dabei so altklug und herablassend, dass ich mich vor mir selbst erschrecke. Und ein kurzer Blick in Katjas Gesicht sagt mir, dass sie sich auch wohl gerade denkt, dass ich bestimmt von Aliens ausgetauscht wurde.
Ich drehe mich um und gehe in mein Zimmer. Manuel weiß als einziger, wo ich letzte Nacht war und ich weiß, er wird mich diesbezüglich noch löchern. Ich weiß noch nicht, was ich ihm dann sagen soll. Aber eins steht fest. Ich muss ihn langsam von meinen Recherchen abnabeln. Das Ganze wird zu undurchschaubar und gefährlich.
Da meine Nacht verdammt kurz war, werfe ich mich auf mein Bett. Aber ich kann nicht einschlafen. Es war so viel in den letzten Stunden passiert. Ich kann das alles noch gar nicht begreifen. Und jetzt, hier in meinem Bett liegend, kommt mir das Ganze auch ein wenig unwirklich vor und als hätte ich es nur geträumt.
Aber ich habe es wirklich erlebt. Alles!
Marco ist ein klasse Typ. Irgendwie. Er hat nicht gezögert, mir Lisa zu spendieren.
Das, was ich mit ihr erlebte, war der Burner. Aber nun kommen mir auch Bedenken. Mein Gewissen schaltet sich ein. Was würde Mama sagen, wenn sie wüsste, dass mein erstes Mal mit einer Prostituierten war.
Nein, ich kann Lisa nicht als solche sehen. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass sie gegen Bezahlung mit Männern schläft. Und ich will mich nicht als Kerl sehen, der es nötig hat, sich eine Frau zu kaufen. Irgendwie fühlt sich das nicht gut an und lässt alles erlebte in einem anderen Licht erscheinen. Und das Lisa nur mit mir schlief, weil sie dafür bezahlt wurde, lässt mein kurzzeitig gewachsenes Selbstbewusstsein schon wieder schrumpfen.
Aber mit diesem guten Gefühl, nicht der Kurzschwanz der WG zu sein, ging es mir viel zu gut, als dass ich mich wieder in dieses Tief fallen lassen will.
Es klopft an meine Tür und ich warte, wer erscheint. Es ist Manuel, der sich vor meinem Bett aufbaut und mich fragend mustert.
„Ist die Tür zu?“, raune ich müde.
Er nickt. Dann setzt er sich auf meine Bettkante. „Was ist passiert?“ Er mustert mich besorgt.
Was soll ich sagen?
„Also ich bin gestern in dieses Hotel gegangen und habe mich mit diesem Marco getroffen. Er war sowas wie Mamas Freund!“, erkläre ich und verschränke meine Arme hinter meinem Kopf, um Manuel besser ansehen zu können. „Er ist okay, hat aber selbst keine Ahnung, was Mama alles so machte. Sie hat sich von ihm auch nicht in die Karten blicken lassen. Und er wohnt nicht hier und kam nur ab und zu in die Stadt. Daher sahen sie sich auch nicht oft.“
„Dann weiß er nicht, dass sie solche Geschichten schrieb?“
Ich seufze und schüttele den Kopf. Manuel alles andere über Mama zu verheimlichen, fällt mir schwer. Aber ich muss dieser Jeannie Geschichte erst selbst auf den Grund gehen und sehen, was Marco mir darüber zeigt, bevor ich mich entscheide, wen ich noch mit ins Boot hole. Durch Marco brauche ich Manuel eigentlich nicht mehr. Zumindest nicht als Technik Freak. Aber er ist mittlerweile auch mein Freund und ich würde ihm so gerne von Lisa erzählen und dieser unglaublichen Nacht mit ihr. Und ich würde ihm am liebsten auch so eine Nacht spendieren, weil er mir in den letzten Monaten so viel geholfen hat und zu meinem Freund wurde und selbst nicht der Typ ist, dem die Mädels hinterherlaufen. Aber nicht mit Lisa! Sie gehört mir!
Dieser Gedanke verunsichert mich, weil mir etwas ganz klar ins Gedächtnis brennen will, dass ich da völlig falsch liege.
Aber ich will sie auf keinen Fall mit Timo oder Manuel teilen, so wie das mit denen und Katja läuft. Aber mir schießt kurz ein sehr amüsanter Gedanke in den Kopf. Ich höre darin unsere Türklingel, gehe lässig mit einer Zigarette im Mundwinkel zur Tür und öffne sie. Es kommen vier-fünf wunderschöne Mädchen herein, die mich sofort umschmeicheln und ich sage gönnerhaft zu Timo und Manuel: „Sie erfüllen uns jeden Wunsch.“ Und ich sehe Katja vor mir, die mich fassungslos anstarrt …
„Und was habt ihr gemacht, dass das die ganze Nacht gedauert hat?“ Manuel mustert mich misstrauisch.
„Wir haben viel gequatscht. Er hat Mama in ihrem Internetcafe kennengelernt, wo er immer noch für die PCs und so zuständig ist.“
„Hat er die Daten von dem Handy und Laptop gelöscht?“
Ich sehe Manuel nur an und ärgere mich, dass ich ihm im Vorfeld schon diese Vermutung geäußert hatte. „Ich denke nicht. Er hat wirklich keine Ahnung“, erkläre ich nach kurzem Zögern. „Also sind wir nichts weiter.“
Manuel mustert mich, als glaube er mir nicht und raunt dann: „Und wo warst du bis heute Morgen? Ey, ich bin fast durchgedreht. Ich habe mir echt beschissene Sorgen gemacht. Hättest du nicht wenigstens anrufen können, wenn du irgendwo versackst?“
Ich setze mich auf. „Tut mir leid. Aber Marco und ich sind noch durch die Stadt gezogen und haben ein paar Mädels getroffen.“ Ich schaffe es einfach nicht, Manuel mein Erlebnis zu verheimlichen. „Und da war so eine hammermäßige Braut. Die war wunderschön … und ich bin mit zu ihr gegangen.“
Ich lüge maßlos und um das zu kaschieren, werfe ich den letzten Satz wirklich ziemlich lapidar hin.
„Was? Du hast die Nacht bei irgendeiner Tussi verbracht?“
„Irgendeiner wunderschönen Tussi!“, berichtige ich ihn grinsend. „So einen Vorbau…“ Ich zeige mit den Händen eine imaginäre Masse weit von meiner eigenen Brust entfernt an. „Lange blonde Haare und unglaublich blaue Augen. Und die hatte echt was drauf!“
Manuel wird glatt etwas blass. „Was hatte sie denn so drauf?“
Ich bin etwas erschrocken, dass er das so genau wissen will und weiß nicht, was ich darauf sagen soll. Aber ich möchte, dass Manuel weiß, dass ich nicht mehr der Kurzschwanz der WG bin. Darum beginne ich zu schwärmen: „Die konnte küssen, unglaublich. Und nicht nur den Mund.“ Ich grinse. „Und dann haben wir es die ganze Nacht getrieben. Sie war so unglaublich gelenkig und zu allem bereit. Also, ich sage dir …!“ Ich schnalze mit der Zunge und mache ein anerkennendes Gesicht für hervorragende Leistung, als würde ich von einem Spitzensportler sprechen, der bei der Olympiade der Beste war.
Manuel starrt mich an, als sähe er mich zum ersten Mal. Dann raunt er: „Du verarschst mich doch?“
„Nein, warum sollte ich. Die Nacht war echt der Hammer!“
Manuel braucht einen Augenblick, um meine Worte wirklich erfassen zu können, dann fragt er: „Und siehst du sie wieder?“
Au weh. Das habe ich nicht bedacht.
Ich winke ab und sage überheblich und als gehöre mir die Welt. „Wozu? Das ist doch langweilig. Weißt du, wie viele solcher Mädchen da draußen herumlaufen?“
Manuel starrt mich wieder so seltsam an. Dann lacht er auf. „Du verarschst mich wirklich!“
Mir wird klar, er glaubt mir meine Geschichte nicht.
„Manuel …,“ sage ich, als würde ich einem unmündigen Kind etwas erklären wollen. „Ich werde nächsten Samstag erneut mit Marco losziehen und mich bestimmt nicht an eine hängen, wo die Welt voller unglaublicher Mädchen ist.“
Manuels Augen verengen sich wütend und er knurrt: „Sag mal, was hat der Typ mit dir gemacht? Irgendeine Gehirnwäsche?“
Mir wird klar, ich habe zu sehr aufgetrumpft. Deshalb winke ich schnell ab. „Nein, er hat mir bloß das wirkliche Leben gezeigt. Und das ist halt etwas größer, als unsere WG und hat mehr zu bieten als eine Katja.“ Ich klinge immer noch zu überheblich und weiß, dass ist nicht gut. Aber irgendwas drängt mich, Katja mit auf den Plan zu bringen, die immerhin an Timo und Manuel auch einige Dienste verrichtet. Darum soll Manuel mal ganz still sein.
Aber damit kann ich das Thema auch wechseln und frage: „Nun erzähl du. Wie war es mit deiner gestrigen Mädchenschwemme? Da waren ja ein paar ganz brauchbare bei.“
Manuel nickt. „Ich dachte mir schon, dass du ihnen noch begegnet bist. Aber das war ein ganz schöner Hühnerhaufen und Katja hat ziemlich angegeben. Ich hätte nicht gedacht, dass sie so eingebildet ist. Und mich hat sie echt als Haustrottel hingestellt. Manuel, verteil mal Getränke, Manuel, mach mal neue Musik, Manuel, im Fernsehen läuft doch bestimmt was Schönes, dass du dir in deinem Zimmer ansehen willst. Sie wollte mich wirklich loswerden. Aber du hast gesagt, ich soll auf deine Klamotten aufpassen, also bin ich in dein Zimmer gegangen und habe da ein wenig im Internet gedattelt und unser Spiel weitergespielt.“
Mir schießt, dass er vielleicht auch nur den Mädels zeigen wollte, dass er das schönste und größte Zimmer hat. Aber egal. Ich bin froh, dass er meine Sachen bewachte.
„Und was haben die Mädchen den ganzen Abend gemacht?“ Ich kann mir nicht denken, was man so als Hühnerhaufen tut.
„Die haben sich geschminkt und die Haare wer weiß wie aufgestylt. Irgendwann holten sie mich und begannen an mir herumzuzuzeln.“
„Ach wirklich?“ Ich grinse ihn an, weil ich glaube, dass das das Highlight seines Abends war.
„Ja, echt schrecklich. Aber …“ Er grinst unverschämt. „Zumindest mussten die Mädels sich ziemlich dicht vor mich hinstellen, wenn sie mir an den Haaren herumziepen wollten und dabei hatte ich einige Einblicke, die sich lohnten.“
Er beginnt mir genau zu erzählen, was er alles ertrug, damit er diese Einblicke länger genießen konnte. Er ließ sich sogar mehrmals schminken.
Ich muss wirklich lachen. Und als er losschießt und sein Handy holt, mit dem die Mädels ihn fotografiert hatten, haben wir noch mehr zu lachen.
„Also, ich hatte nur ein Mädchen, während du eine ganze Armada hattest“, sage ich anerkennend und will ihn dafür entschädigen, dass er den Abend mit dem Hühnerhaufen verbringen musste.
„Oh, ich glaube, ich hätte lieber mit dir getauscht“, erwidert er grinsend.
Ich winke nur belustigt ab und spüre erneut die Müdigkeit, die mich immer wieder daran erinnert, dass die Nacht sehr kurz war. Deshalb raune ich müde: „Also, wenn du nichts dagegen hast … mein eines Mädchen hat mich echt geschafft und ich muss noch eine Mütze voll Schlaf nachholen.“
Manuel grinst. „Ja, das geht mir nicht anders. Meine Armada war auch echt anstrengend.“ Er lacht süffisant. „Dann holen wir mal den versäumten Schlaf nach, um für die nächsten Abenteuer gewappnet zu sein.“ Er steht auf, zwinkert mir zu und geht.
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