Читать книгу: «INSEL DER URZEIT», страница 4

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»Mary, du sollst nicht so schlecht über deine Schwester reden. Sie hat alles richtig gemacht.«

»Mom, ich kann jetzt nicht weiter mit dir telefonieren. Ich wollte dir nur kurz Bescheid sagen, dass ich für eine Weile nicht erreichbar sein werde und du dir keine Sorgen machen brauchst.«

»Ich will doch nur, dass du ein gutes Leben hast, mein Liebes.«

»Ich habe ein gutes Leben, Mom. Ich muss jetzt los, sonst verpasse ich meinen Flug.«

»Pass auf dich auf.«

»Das mache ich doch immer. Hab dich lieb. Bye!« Sie beendete den Anruf hastig. Die Gespräche mit ihr wurden immer nerviger und anstrengender. Offenbar dachte ihre Mutter, ihre unaufhörliche Nörgelei würde sie irgendwie nachgiebiger machen. Jetzt war ihr bewusst, was ihr Vater all die Jahre hatte ertragen müssen.

Doch sie war fest entschlossen, sich ihr neues, aufregendes Abenteuer nicht madig machen zu lassen … dessen kleiner Bonus nebenbei darin bestand, dass sie von den anmaßenden Erwartungen ihrer Mutter für eine Weile verschont blieb. Wenn diese nur den Scheck und die Summe darauf hätte sehen können, die jetzt ihr Sparkonto füllte, würde sie vielleicht anders über das Leben ihrer Tochter urteilen.

David Lennox war ihr von den Galapagos-Inseln über das Mindo-Tal an den Westhängen der Anden in Ecuador zur Tiputini-Biodiversity-Forschungsstation im ecuadorianischen Amazonasgebiet hinterhergeeilt und hatte sie schließlich auf dem Rückweg zu den Galapagos-Inseln abgefangen. Jetzt war sie hier und flog in Kürze nach Vietnam, wo ein Hubschrauber sie zu einer der Offshore-Ölplattformen von Vietnam Petrocorps bringen würde. Dort würde ein weiterer Hubschrauber bereitstehen, um sie zu einer unerforschten Insel zu bringen, auf der sie Tierarten katalogisieren sollte, die offenbar für sehr lange Zeit in absoluter geografischer Isolation existiert hatten.

Das war schon immer ihr Leben gewesen … ständig unterwegs von einem Ort zum anderen … und jetzt deutete alles auf einen ganz besonderen Auftrag hin. Poseidon Tech hatte eine beträchtliche Summe an die California State University gespendet, woraufhin sie ohne Probleme von ihren Lehrverpflichtungen entbunden worden war, damit sie an dieser Expedition teilnehmen konnte. Offenbar war diese Sache äußerst dringend.

Ihr Telefon klingelte. »Hallo? Ja, klar… ich bin gleich unten.«

Ihr Fahrer wartete bereits auf sie. Sie zog schnell den Reißverschluss ihres Koffers zu und rollte ihn durch den Raum. Als sie die Tür öffnete, stand plötzlich Lyle im Hausflur. Er trug sein übliches enges schwarzes T-Shirt mit dem V-Ausschnitt. Sein Bizeps spannte die Ärmel. Das T-Shirt schmiegte sich so eng an seinen Oberkörper, dass sie darunter ein echtes Sixpack erkennen konnte.

Als er Mary sah, leuchtete sein Gesicht sofort auf. Er biss sich auf die Unterlippe. »Hi, Mary.«

»Ich habe leider gerade überhaupt keine Zeit, Lyle. Ich muss mich beeilen, sonst verpasse ich meinen Flug.«

»Ich wollte mich nur von dir verabschieden.«

Ihr gelang ein höfliches Lächeln. »Dann mach's gut, Lyle. Viel Glück.«

Er nickte, aber das war anscheinend noch nicht alles gewesen. Es gab offensichtlich noch etwas, was er zu sagen hatte. Seine Augen verrieten es. »Ich würde mich freuen, wenn wir uns wiedersehen könnten, wenn du zurück bist.«

»Ich weiß gar nicht, wie lange ich weg sein werde.«

»Das ist egal. Ich werde auf dich warten.«

Mary runzelte die Stirn. Sie hatte versucht, ihm subtile Hinweise zu geben, und als das nicht funktioniert hatte, weniger subtile. Doch Lyle war entweder störrisch oder einfach nur extrem schwer von Begriff. Sie umarmte ihn kurz. »Pass auf dich auf, Lyle. Ich wünsche dir ein großartiges Leben und alles Gute.«

Er umarmte sie zurück, aber es fühlte sich merkwürdig an. Er trat beiseite und ließ sie vorbeigehen.

Als sie über den Hotelflur zur Lobby ging, konnte sie nicht anders, als sich ein wenig schuldig zu fühlen. Es hatte durchaus Spaß gemacht, mit ihm Zeit zu verbringen, aber ihre Karriere ließ etwas Permanentes im Moment einfach nicht zu. Was sie aber vollkommen in Ordnung fand. Sie wollte alles genau so, wie es jetzt war.

Kapitel 3

Bill Gibson kauerte ängstlich in einer kleinen Höhle. Sein Hemd und seine Hose waren vollkommen zerrissen und er war schweißgebadet. Außerdem stank er nach Urin. Sein Magen fuhr gerade sein ganz eigenes Panikprogramm ab, zum einen in furchtbarer Erwartung der fünfzehn Fuß großen Echse, die ihn jagte, und zum anderen, weil er vorhin eine wilde, ihm unbekannte Frucht verzehrt hatte. Na gut, eine Frucht traf es vielleicht nicht ganz, denn Früchte waren bislang mehr oder weniger seine hauptsächliche Nahrungsquelle auf dieser gottverlassenen Insel gewesen.

Zuletzt war es ihm gelungen, einige kleinere Tiere mit einem selbstgeschnitzten Speer zu erlegen, und irgendwie hatte er es geschafft, sie roh zu verspeisen. Ihm war zwar übel geworden dabei, aber es war immerhin Protein. Außerdem brachte der Verzehr von Früchten meistens Durchfall mit sich, der ihn nur noch weiter dehydrierte. Er hatte irgendwann einen kleinen Wasserfall gefunden, war aber beim Trinken von etwas verjagt worden, das ausgesehen hatte wie ein großer, gefiederter Tyrannosaurus Rex.

Natürlich sagte er sich, dass das unmöglich war, denn es gab keine Tyrannosaurier. Zumindest nicht mehr. Doch hier, auf dieser Insel, auf der er offenbar der einzige Überlebende war, jagte ihn etwas, das nur ein T. Rex sein konnte.

Die Höhle war dunkel und kühl und bot ihm einen willkommenen Schutz vor der unerbittlichen Sonne. Er fragte sich, warum niemand nach dem abgestürzten Flugzeug suchte. Er kannte sich ein wenig mit Notfallsendern, die ihre Position funkten, aus und wusste daher, dass sie beim Aufprall über einen G-Sensor aktiviert wurden. Er wusste leider auch, dass diese höllisch unzuverlässig waren.

Etwa fünfzig Fuß vom Eingang seiner Höhle entfernt bewegte sich gerade etwas in der Vegetation. Bill presste sich, so flach er konnte, auf den Boden, während er den Blick nach vorn richtete und hoffte, dass er mit dem Schatten verschmelzen würde.

Eine drei Fuß große zweibeinige Echse stürmte jetzt auf die Lichtung. Für Bill sah das Tier aus wie ein Mini-T. Rex oder wie einer dieser Velociraptoren, nur dass dieses Exemplar viel kleiner war als die in Hollywood. Es schüttelte den Kopf wie ein nasser Hund und schnüffelte dann in der Luft. Kurz darauf schien es eine Fährte am Boden zu entdecken und näherte sich dem Höhleneingang.

Als es noch ungefähr fünfundzwanzig Fuß entfernt war, blieb es plötzlich stehen, hob den Kopf und gab ein Geräusch von sich, das wie ein Bellen klang. Einen Moment später kamen zwei weitere der agilen Jäger auf die Lichtung und erschnüffelten sich auf dem Boden ebenfalls ihren Weg.

Bill kroch weiter vom Höhleneingang weg und gab sich Mühe, dabei möglichst geräuschlos vorzugehen, doch er wusste, dass ihn sein Gestank verriet. Als er weit genug von der Höhlenöffnung entfernt war, nahm er eine geduckte Position ein und lauschte aufmerksam.

Doch es war nichts zu hören. Er stieß einen leisen Seufzer aus und hoffte inständig, dass die Raptoren seine Spur verloren hatten. Als direkt vor ihm ein Kratzen am Boden zu hören war, gefolgt von mehrfachem Schnauben, zuckte er erschrocken zusammen.

Verdammt. Sie hatten ihn gefunden. Er drehte sich um und rannte tiefer in die Höhle hinein, verfolgt von grunzenden und knurrenden Lauten in seinem Rücken. Das Kratzen der Klauen kam immer näher.

Bill lief Hals über Kopf in die Dunkelheit. Hinter sich hörte er schon das Schnappen der Kiefer. Er hatte keine Ahnung, was vor ihm lag, er wusste nur, dass ihm nichts anderes übrig blieb, als um sein Leben zu rennen.

Seine Flucht wurde jedoch jäh unterbrochen, als der Boden unter ihm plötzlich verschwand und Bill sich in freiem Fall wiederfand. Nach einem in seiner Wahrnehmung endlosen Sturz tauchte er plötzlich in eisiges Wasser ein. Es gab immer noch keinen Boden unter seinen Füßen, also musste er schwimmen, um sich über Wasser halten zu können. Kurz darauf spritzte es um ihn herum auf, als seine drei Verfolger eintauchten.

Sie jammerten voller Panik und ruderten wild mit ihren kleinen Vorderbeinen, während ihre Schwänze unter Wasser umherschlugen und seine Beine trafen. Bill trat nach ihnen und schrie dabei, so laut er konnte, während sie im Dunkeln aufeinanderprallten und das Wasser zum Schäumen brachten.

Nach einer Weile, als sie langsam untergingen, hörten die Schreie der Echsen auf. Bill schwamm und versuchte die Geräusche um sich herum einzuordnen. Erleichtert folgerte er, dass sie ertrunken sein mussten. Vorsichtig begann er vorwärtszuschwimmen und in der Dunkelheit nach irgendetwas Festem zu tasten.

Kurze Zeit später fühlte er eine harte, vertikale Felsklippe vor sich. Es gab keinen Weg zurück nach oben, also musste es einen anderen Weg aus diesem Becken geben.

Er beschloss, nach rechts zu schwimmen und der Klippe zu folgen, bis sie zu einer Art Öffnung oder Plattform führte. Er ertastete die Krümmung und folgte ihr langsam, bis sich das Gestein irgendwann öffnete, und zwar fast direkt gegenüber seiner vorherigen Position. Zumindest fühlte es sich so an. In der Dunkelheit war es nämlich äußerst schwer, sich zu orientieren.

Er schwamm nach vorn und hielt die Hand dabei ausgestreckt vor sich. Der Raum vor ihm schien sich bis ins Unendliche zu erstrecken, es war eine einzige klaffende Leere. Doch er hatte keine andere Wahl, also bewegte er sich weiter vorwärts und strampelte dabei mit den Beinen, um zu überleben. Das Wasser war so kalt, dass es das Atmen zu einem Kampf machte.

Endlich ertasteten seine Hände eine Wand zu seiner Linken und kurz darauf zu seiner Rechten. Die Höhle verengte sich offenbar um ihn herum, während er weiter vorwärts schwamm. Seine plätschernden Schwimmgeräusche veränderten sich, und die Oberseite seines Kopfes berührte jetzt eine niedrige Decke.

Normalerweise litt Bill nicht an Klaustrophobie, aber die immer weiter abfallende Decke ließ ihn nervös werden. Er erreichte irgendwann einen Punkt, an dem er seine Nase kaum noch über das Wasser halten konnte und sich die Decke direkt über ihm befand. Die Situation erinnerte ihn unweigerlich an die Höhlensysteme in Xcaret, Mexiko, wo er seine Flitterwochen verbracht hatte.

Er wusste, dass sich diese unterirdischen, miteinander verbundenen Höhlen in Mexiko über viele Meilen erstreckten und etliche Höhlenabschnitte vollständig unter Wasser lagen. Er erinnerte sich an die zahlreichen Schilder zurück, die Taucher davor warnten, über einen bestimmten Punkt hinauszuschwimmen. Dennoch hatte es im Laufe der Jahre mehr als nur ein paar tollkühne Abenteurer gegeben, die weitergegangen, aber niemals zurückgekehrt waren.

Trish und er waren bei einer geführten Tour dabei gewesen, gut ausgestattet mit Schwimmwesten und Stirnlampen, vor allem aber mit einem erfahrenen Führer, der genau gewusst hatte, wohin zur Hölle er gehen musste. Hier hatte er diesen Luxus leider nicht.

Bill wusste, dass er weiterschwimmen musste, auch wenn es bedeutete, den Atem anhalten und tauchen zu müssen. Denn wenn er an der Felskante verharrte und sich weiter schwimmend über Wasser halten musste, würde er irgendwann erschöpft werden und schließlich ertrinken.

Es war vielleicht eine Aktion auf gut Glück, aber er zwang sich trotzdem vorwärts und betete, dass sich rechtzeitig vor ihm eine weitere Höhle öffnete. Bill war katholisch erzogen worden, aber seit Ewigkeiten nicht mehr zur Messe gegangen. Er war allerdings kein Atheist, er war einfach nur faul.

Deshalb sprach er jetzt ein stilles Gebet und holte tief Luft. Dann tauchte er unter die Wasseroberfläche und schwamm in regelmäßigen Zügen nach vorn. In größeren Abständen tastete er nach oben und musste feststellen, dass sich die Decke mittlerweile komplett unter der Wasseroberfläche erstreckte.

Er machte noch ein paar weitere Schwimmzüge und zwang sich taumelnd im Wasser nach vorn, doch ihm ging der Atem aus. Panik stieg in ihm auf, dunkler als die Finsternis um ihn herum, doch er schob sie beiseite und zwang sich, ruhig zu bleiben. Sein Herzschlag beschleunigte sich immer mehr, bis sich sein Herz schließlich anfühlte, als würde es gleich aus seiner Brust springen. Der Sauerstoff in seinem Blut ging rapide zur Neige. Er schüttelte unter Wasser seinen Kopf hin und her, weil er spürte, dass er dabei war, das Bewusstsein zu verlieren.

Eine letzte Anstrengung, eine letzte Schwimmbewegung mit den Beinen, und Bill griff mit letzter Kraft nach oben. Dieses Mal durchbrachen seine Hände die Wasseroberfläche. Er tauchte hastig auf, füllte seine gequälten Lungen mit Luft und stöhnte erleichtert. Immer noch umgab ihn Dunkelheit.

Gierig atmete er die kühle Luft ein. Er zitterte, woran die Kälte ebenso großen Anteil hatte wie der unablässige Stress der letzten Stunden. Beinahe wäre er in dieser Dunkelheit ertrunken, nachdem er fast von fleischfressenden Reptilien verspeist worden war. Was für ein Tag.

Sein Herz schlug nun wieder langsamer und seine Atmung stabilisierte sich ebenfalls. Er schwamm weiter, trat mit den Beinen und zog sich mit den Armen durch das Wasser, bis er einen schmalen, sichelförmigen Lichtbogen vor sich sah. Er schwamm darauf zu, und allmählich tat sich eine Höhle vor ihm auf.

Erschöpft schwamm Bill an das rettende Ufer und rollte sich dort auf den Rücken. So blieb er eine ganze Weile schwer atmend vor Anstrengung liegen. Immer wieder fielen ihm die Augen zu, und innerhalb weniger Minuten war Bill eingeschlafen, ohne seine Lage oder seine Umgebung wirklich wahrzunehmen.

***

Als Bill aufwachte, zitterte er am ganzen Körper. Er zwang sich, langsam die Augen zu öffnen, auch wenn grelles Sonnenlicht auf ihn fiel und seine Augen schmerzen ließ. Er rollte sich auf die Seite und spürte Sand zwischen seinen Fingern. Er kniete sich hin und schöpfte mit den Händen kaltes, frisches Wasser. Dann bespritzte er sein Gesicht und sah sich neugierig um. Die Höhle schien leer zu sein. Er schöpfte erneut Wasser und trank. Sein Magen knurrte plötzlich laut, was ihn zusammenzucken ließ.

Er zwang sich, aufzustehen, taumelte zum Höhleneingang und schirmte dort seine Augen mit der rechten Hand ab. Er fragte sich, wie lange er wohl geschlafen hatte. Waren erst ein paar Stunden vergangen, oder war bereits der nächste Tag angebrochen? Dem Grummeln seines leeren Magens nach zu urteilen hatte er wahrscheinlich die ganze Nacht hier verbracht. Zum Glück ohne weitere Zwischenfälle.

Er betrachtete die Umgebung außerhalb der Höhle und erstarrte, als er eine Herde großer Tiere entdeckte, die nicht weit entfernt herumliefen. Doch sie schienen ihn gar nicht zu beachten. Sie fraßen das Gras und die sonstige Vegetation auf dem Boden.

Ermutigt, weil sie nicht auf ihn reagierten, schlich Bill aus der Höhle, um sich genauer umzusehen. Es waren mindestens ein Dutzend Tiere. Sie hatten dicke Körper und kurze Beine. Ihre Köpfe krönten große Knochenplatten, über den Nasenlöchern war ein kleines Horn zu sehen und über den Augen ragten zwei größere Hörner aus dem Schädel. Das sind Triceratops, dachte er. Aber das ist doch unmöglich.

Er fragte sich, ob er bei dem Absturz wohl gestorben, und dies hier vielleicht eine Art altmodische Hölle war. Aber er war der Meinung, dass er ein größtenteils anständiges Leben geführt und immer darauf geachtet hatte, keine größeren Missetaten zu begehen. Dass dies die Hölle war, war also unwahrscheinlich. War er stattdessen zurück in der Zeit gereist? War das überhaupt möglich? War er vielleicht in so eine Art Bermuda-Dreieck geraten?

Bill ging weiter aus der Höhle heraus, machte dabei aber einen weiten Bogen um die Kreaturen, die weiter grasten, dabei gelegentlich schnaubten und ihn vollkommen ignorierten. Sein Magen knurrte zwar, aber diese Tiere waren ganz abgesehen von den eindrucksvollen Hörnern viel zu groß, um sich mit ihnen anzulegen. In der Hoffnung auf erlegbare Beute machte er sich schließlich auf den Weg in den nahe gelegenen Dschungel.

Nachdem er ungefähr eine Stunde lang gelaufen war, zog etwas Glänzendes vor ihm seine Aufmerksamkeit auf sich. Es schimmerte metallisch in der Sonne. Bill beschleunigte seine Schritte und vergaß vor lauter Aufregung sogar für einen Moment seinen Hunger. Dann sah er, worum es sich handelte. Oben in einem Baum hing kopfüber der hintere Teil des Flugzeugs.

Na prima, dachte er. Wenn Notfallsender auf dem Kopf stehen, erleiden sie häufig eine Fehlfunktion und senden gar nicht mehr. Er fragte sich, ob der Sender noch intakt war. Es gab nur einen Weg, es herauszufinden.

Vorsichtig näherte er sich dem Baum und spitzte die Ohren, ob nicht irgendwelche schweren Stampfer oder ein dumpfes Grollen aus dem umliegenden Urwald zu hören war. Beruhigt, dass er bis auf einige kleinere Tiere allein war, ging er auf den Baum zu. Das Flugzeugheck war recht wackelig und wurde offenbar von etwas gehalten, das wie dicke Lianen aussah.

Der Stamm des Baumes war massiv, und die untersten Äste befanden sich gut zehn Fuß über dem Boden. Neben dem Baumkoloss stand jedoch ein kleinerer Baum, aus dessen Stamm etwas ragte, das wie rote Stacheln aussah. Er suchte einen Weg nach oben über die Stacheln bis zu den Zweigen, von denen einer Kontakt mit einem Ast des größeren Baumes hatte.

Bill ging zu dem stacheligen Baum hinüber und berührte sanft die Spitze eines Stachels mit der Innenseite seiner rechten Hand. Sie war scharf, der Schaft des Stachels war es aber zum Glück nicht. Er griff nach einem davon, die etwa einen Fuß aus dem Stamm ragten, und zog sich dann langsam nach oben. Sein Fuß fand schließlich Halt auf einem der darunterliegenden Stacheln. Sein ganzer Körper schmerzte bei dieser Bewegung und seine übersäuerten Muskeln wehrten sich lautstark gegen diese Anstrengung, aber den Notfallsender des Flugzeugs zu bergen war nun mal seine beste Chance auf eine Rettung. Außerdem war es die einzige Idee, die er im Moment hatte.

Langsam erklomm er den Baum, wobei er sorgfältig auswählte, wo er seine Hände und Füße platzierte. Das Ganze erinnerte ihn an eine dieser Kletterwände auf dem Kreuzfahrtschiff, mit dem Trish und er letztes Jahr unterwegs gewesen waren. Trish. Der Wunsch, seine Frau und seine Kinder wiederzusehen, gab ihm die Kraft, die er brauchte und so stieg er Stück für Stück den Baum nach oben. Der Anblick des Hecks neben ihm hatte etwas seltsam Tröstendes. Es war wie ein Relikt aus seinem früheren Leben, bevor er auf dieser bizarren Insel gestrandet war. Im Gegensatz zu allem anderen, was ihn umgab, fühlte sich dieses Teil irgendwie real an.

Als er den untersten Ast seines Kletterbaumes erreicht hatte, zog er sich hoch und legte sich darauf. Los geht's, Bill. Immer mit der Ruhe, dann schaffst du es. Schweiß tropfte von seiner Stirn und ließ seine Hände rutschig werden, aber die Rinde des Astes war zum Glück rau und bot ihm einen festen Griff. In kleinen Abständen schob er sich vorsichtig daran entlang, bis er den Ast darüber erreichen konnte. Ein großes Insekt klammerte sich an die Rinde. Ohne zu zögern, schnappte er es sich und schob es in den Mund. Es knirschte beim Kauen, und er kämpfte gegen die aufsteigende Übelkeit an. Er spürte, wie die Beine und Antennen des Insekts auf seiner Zunge zuckten, bis seine Zähne die Mahlzeit endlich zu einer knusprigen Paste zermahlen hatten. Er zwang sich, den Brei herunterzuschlucken. Es kratzte im Hals, fühlte sich aber gut an, als es in seinem Magen ankam.

Mein Gott, was habe ich denn da gerade gegessen? Egal. Es ist Protein, und genau das brauchst du jetzt. Er richtete sich auf und balancierte auf dem Ast. Dieser reichte hinüber zu einem Ast des größeren Baums. In Zeitlupe schob er sich vorsichtig weiter. Der Ast sackte unter seinem Gewicht zwar etwas ab, aber er fühlte sich dennoch stabil genug an.

Er schaffte es bis zu der Stelle, wo er den Ast des größeren Baumes berühren konnte. Vorsichtig kletterte er hinüber zu dem anderen Baum. Die Muskeln in seinen Armen brannten. Er kroch über den neuen Ast auf den Stamm zu. Dort hielt er einen Moment inne. Er musste dringend pinkeln und beschloss, es einfach laufen zu lassen. Sein Schritt wurde warm und nass und der Urin lief über sein rechtes Bein nach unten.

Der Dschungel war äußerst lebendig, überall quietschte und zwitscherte es. Grell gefiederte Vögel flogen von Ast zu Ast und beobachteten den Eindringling in ihrer Mitte ganz genau. Bill versuchte abzuschätzen, wie weit das Flugzeugheck noch entfernt war und welchen Weg er am besten nehmen sollte.

Er pflückte einen weiteren fetten Käfer von der Rinde. Dieses Mal ging er schon leichter runter. Er war sich nicht sicher, ob es das Essen oder das Ziel war, das er in diesem Moment verfolgte, aber er begann sich etwas besser zu fühlen, und war ein bisschen energiegeladener.

Er arbeitete sich nun methodisch von Ast zu Ast, nahm sich Zeit und gab acht, nicht auf den Boden zu stürzen, der jetzt etwa fünfzig Fuß unter ihm lag. Er konnte kaum glauben, dass er es so hoch geschafft hatte. Nichts würde ihn davon abhalten, das Heck zu erreichen. Er sehnte sich danach, das vertraute Artefakt in dieser fremden Welt zu berühren.

Er erstarrte, als er plötzlich schwere Schritte hörte, aber es war nur eine Gruppe Triceratops, die eilig vorüberzog. Er fragte sich, was sie dazu gebracht hatte, ihre Futterstelle aufzugeben. Wenn es ein Tyrannosaurus Rex war, der sie verfolgte, befand sich Bill zum Glück weit über seinem Kopf. Er musste sich einfach nur an den Baum klammern und warten, bis die Luft wieder rein war.

Er verharrte still, aber nichts passierte. Also kehrte er zu seiner eigentlichen Aufgabe zurück. Er kletterte, bis er sich über dem in den Lianen festhängenden Heck befand. Seine Füße balancierten auf dem Ast.

In der Ferne war jetzt ein seltsames Geräusch zu hören. Es klang für Bill wie ein tiefes, lang gezogenes Grunzen. Schlimmer war allerdings, dass es sich anhörte, als käme das Geräusch aus den Bäumen. Er erstarrte, suchte hastig die Äste und Baumkronen ab, konnte aber nichts entdecken. Welche böse Überraschung hatte dieser Albtraum jetzt für ihn in petto?

Er beschloss, seine Aufmerksamkeit wieder auf die vor ihm liegende Aufgabe zu richten. Das Flugzeugheck baumelte über dem Dschungelboden, und sein Gewicht lastete garantiert schwer auf diesen Lianen, die schon bei jeder kleinen Schwingung unheilvoll knarrten. Bill nahm sich ein Herz und ergriff eine der Lianen, die das Heck hielten. Ein lautes Knarzen war die Antwort, aber die Schlingpflanze hielt sein Gewicht. Vorsichtig rutschte er zum Heck hinunter.

Er verlor allerdings fast den Halt, als er wieder dieses tiefe Grunzen in den Baumwipfeln hörte. Dieses Mal klang es noch näher. Ihm war bewusst, dass ihm nicht mehr viel Zeit blieb. Er ließ sich auf den konisch zulaufenden Metallzylinder herab und setzte sich rittlings darauf. Sanft schwankte das Heck in der Schaukel aus Lianen.

Der Rumpf war komplett aufgerissen und bot gerade genug Raum, um hineinkriechen zu können. Bill drehte sich mit dem Rücken zur Öffnung, hielt sich an der gezackten oberen Metallkante fest und schwang sich dann mit den Füßen voran in den Hohlraum. Auf dem Rücken liegend, schob er sich hinein, stemmte sich dann mit beiden Armen gegen die Innenwände und drehte sich vorsichtig auf den Bauch. Er kroch nun so weit nach vorn, wie er konnte.

Dann entdeckte er das Gesuchte. Der Notfallsender befand sich in einer Box in leuchtendem Orange, wobei die Antenne mit der Außenhaut verbunden war. Er kroch hin, um das Gerät genauer zu untersuchen. Es schien noch intakt zu sein, ebenso wie das Antennenkabel. Auf der Box prangte ein großer Aufkleber: WARNING: For Aviation Emergency Use Only. Daneben gab es zwei weitere Aufkleber. Der eine enthielt eine Auflistung von Seriennummern und der andere eine Kurzanleitung in Form von Piktogrammen. Die Anleitung lieferte ihm den entscheidenden Hinweis … der Sender ließ sich auch manuell einschalten. Durch einen Schalter waren der automatische und der manuelle Modus wählbar, sogar ein manueller Reset des Geräts war möglich.

Normalerweise zeigten akustische Signale und Monitore im Cockpit an, ob das Modul sendete. Was in Bills Lage dadurch erschwert wurde, dass das Cockpit nicht einmal zu sehen war. Doch es gab auch eine gute Nachricht. Wenn der Sender sich nicht aktiviert hatte, Bill ihn aber manuell in Betrieb nehmen konnte, würde dieser ab sofort für etwa zwei Tage kontinuierlich Funksignale ausstrahlen. Vorausgesetzt, die Batterie war vollständig geladen.

An der Seite der Box befand sich ein Antennenanschluss, eine Buchse für eine Fernsteuerung, verschiedenfarbige Leuchtdioden für die Reset-Funktion und den Betrieb, dazu der Aktivierungsschalter mit den Positionen ON, ARM und OFF. Keine der Leuchtdioden war momentan in Betrieb. Das Gerät sendete also tatsächlich nicht. Er schob den Schalter auf die ON-Position, und das entsprechende Lämpchen leuchtete grün auf.

Bill konnte es nicht fassen. Das war alles? Wobei, so einfach war die ganze Sache nun auch wieder nicht gewesen. Er hatte immerhin einen Baum mit riesigen Stacheln hochklettern und von Ast zu Ast hüpfen müssen wie ein verdammter Affe. Er wischte sich den Schweiß von der Stirn und blieb einen Moment lang still liegen. Nur das Knarren der Lianen war zu hören.

Äußerst zufrieden, dass er sein Ziel erreicht hatte, dachte er über seinen nächsten Schritt nach. Jetzt musste er nur noch ein sicheres Versteck in der Nähe finden und abwarten. Er drehte sich im Inneren des Hecks um und kroch zurück zu der Stelle, an der das Flugzeug auseinandergebrochen war. Erneut war dieses schreckliche Geräusch zu hören, das klang, als würde es aus der Tiefe eines recht ansehnlichen Bauches stammen. Dieses Mal erklang es ganz in der Nähe, und auf einmal gab es von oben einen dumpfen Schlag auf den Rumpf.

Bill erstarrte. Als Nächstes hörte er, wie etwas an der Außenhülle entlangkratzte. Das Geräusch bewegte sich in seine Richtung. Er rollte sich vorsichtig auf den Rücken, packte die obere gezackte Kante der Öffnung und zog sich nach oben.

Unmittelbar über ihm befand sich ein großer Affe. Das Tier öffnete gerade das Maul und entblößte lange und äußerst scharfe Fangzähne. Bill geriet in Panik und ließ los; gleichzeitig stürzte sich der Affe auf ihn und landete auf seiner Brust. Die Wucht des Aufpralls ließ ihn aus dem Rumpf herausfallen. Es gelang ihm gerade noch, eine Liane zu ergreifen. Der Affe packte ebenfalls eine höher hängende Liane und schwang sich damit davon.

Bill klammerte sich an sein natürliches Rettungsseil, das ihn wild über dem Dschungelboden pendeln ließ, und kniff seine Augen zusammen. Er hörte erneut dieses tiefe Geräusch, dieses Mal allerdings aus mehreren Kehlen. Es war markerschütternd. Als er seine Augen wieder öffnete, war er umgeben von großen, braunen Affen. »Großartig, einfach großartig«, sagte er entnervt.

Als Antwort verstärkte sich das Grunzen der Tiere zu einem Bellen. Sie schrien ihn geradezu nieder, offenbar ein Zeichen von Dominanz. Sie bewegten sich auf ihn zu, indem sie sich von den Ästen und Lianen schwangen und schlugen nach ihm, während sie vorbeizischten. Bill wedelte wild mit einem Arm, um sie wegzuschlagen, was aber nur dazu führte, dass er seinen Halt verlor. Er rutschte die Liane unsanft hinunter, während sie ihn weiter umschwärmten und versuchten, ihn mit Füßen und Fäusten zu treffen.

Bill geriet in Panik und ließ komplett los, deshalb schlug er mit dem Rücken gegen einen Ast und stürzte anschließend auf den darunterliegenden Ast. Die Affen folgten ihm auf seinem Weg nach unten, während sie bellten, knurrten und nach ihm schlugen. Bill rutschte von Ast zu Ast, bis er schließlich auf eine zu einer Schlaufe hängenden Liane fiel, die er sich unter die Achseln schieben und sich so festklammern konnte.

Er griff mit beiden Händen danach und hielt sich fest, während seine Gegner dicht an ihm vorüberfegten, und versuchten, die Liane wegzuschlagen, an der er hing. Diese gab irgendwann nach und riss in der Mitte durch, und Bill schwang auf den Boden zu. Im Fallen glitt ihm das Stück der Liane, an dem er noch verzweifelt versuchte, Halt zu finden, durch die Hände, bis er irgendwann das Ende erreichte. Den Rest des Weges stürzte er im freien Fall und landete schließlich mit dem Gesicht voran auf dem Boden.

Der Aufprall presste ihm die Luft aus der Lunge, und er versuchte unter Schmerzen, wieder zu Atem zu kommen. Es fühlte sich an wie Ersticken, als es ihm nicht schnell genug gelang, die Qualen zu beenden und Luft zu holen. Ohne Zweifel war dies die schlimmste Empfindung, die er jemals im Leben gehabt hatte. Irgendwann konnte er endlich wieder atmen und rollte sich erschöpft auf den Rücken. Seine Sicht war immer noch verschwommen, aber er bekam mit, dass ihn mehrere Menschen umringten … nackte Menschen, die nichts am Leib trugen, bis auf einen groben Lendenschurz aus Tierhaut. Sie hatten ihre Speere auf ihn gerichtet und ihre Gesichter waren mit einer dicken, weißen Paste bestrichen, was ihnen irgendwie ein schockierendes Aussehen verlieh.

Bill wurde schwarz vor Augen, und er sank langsam in die Bewusstlosigkeit. Das Letzte, was er hörte, war ein metallisches Quietschen, das ihn an Filme erinnerte, in denen ein Schiff unterging.

***

Peter und Tracey waren auf der Offshore-Bohrinsel im südchinesischen Meer gelandet. Es war ein extrem lauter Ort. Die Projektmanagerin von Poseidon Tech führte sie gerade über die Ölbohrplattform an Pumpen und verschiedenen Tanks vorbei. Motoren dröhnten und laute Kommandos erklangen über die Sprechanlagen. Die Mitarbeiter standen an mehreren Computerterminals und bedienten große Schalter, die mit Druckmessern verbunden waren. Als sie vom Hubschrauberlandeplatz aus über die Plattform liefen, bemerkte Peter, dass diese vollständig vom Meer umgeben war.

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0+
Дата выхода на Литрес:
17 апреля 2022
Объем:
320 стр.
ISBN:
9783958355408
Переводчик:
Издатель:
Правообладатель:
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