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Kapitel 4

Der Raum war erfüllt vom Stimmengewirr der sich quälenden Sportler. Orion und Hyroniemus steuerten auf den Infotresen des Trainingscenters zu. Dort wandte sich Schroeder an die blonde Schönheit, die gelangweilt ihre langen rot lackierten Fingernägel betrachtete.

„Schroeder, Sicherheitsdienst, wir wollen uns den Duschraum anschauen.“

„Ja, da hinten links“, zwitscherte das Blondchen und zeigte hinter sich.

„Danke“, sagte Orion und ging in die angegebene Richtung. Fritsche zwinkerte der Mitarbeiterin zu und folgte Schroeder. Im Duschraum packte Fritsche die Kamera aus und schoss Fotos. Orion stand daneben und betrachte in aller Ruhe den Ort des Verschwindens. Dann suchten beide nach Spuren oder Hinweisen, aber als sie nach einer halben Stunde immer noch nichts gefunden hatten, reichte es Schroeder.

„Fritsche, Abbruch. Genau wie bei den anderen Tatorten – keine Spuren. Das ist doch langsam zum Schreien! Vier Orte, an denen Menschen verschwunden sind, und es gibt an keinem einzigen den geringsten Hinweis – von dem Erbrochenem hier mal abgesehen.“

„Ich verstehe das auch nicht, Chef“, sagte Fritsche und ließ die Arme resigniert fallen. Er war ratlos und frustriert, genau wie sein Chef. Wie sollten sie die Verschwundenen finden, wenn es keine Spuren gab? Und irgendwo hier im Turm mussten sie doch sein, denn niemand verließ den Turm freiwillig bei der ganzen Umweltscheiße da draußen.

„Okay, Fritsche. Wir haben uns die Tatorte angesehen und nichts gefunden. Jetzt sollten wir mal in die Quartiere der Vier gehen, vielleicht finden wir da irgendwas. Eine wie auch immer geartete Verbindung oder Gemeinsamkeit. Dieselbe Schuhgröße oder so was in der Art. Komm, wir machen Schluss – es ist sinnlos, sich hier noch weiter umzuschauen und den Kopf zu zerbrechen.“

Orion und Fritsche gingen zurück in die Trainingshalle zum Tresen.

„Ihr könnt die Dusche reinigen lassen und für den normalen Betrieb wieder nutzen, wir sind fertig.“

Sie begaben sich zurück ins Büro, wo Orion sich erst mal einen leckeren Espresso gönnte. Fritsche ließ sich ein Wasser schmecken, was Orion wie immer verwunderte.

„Du weißt gar nicht, was dir entgeht“, sagte er zu Fritsche, welcher ihn nur lächelnd anschaute.

Schroeder setzte sich an den Computer, rief die Daten der Verschollenen ab und druckte sie sich aus.

„So, dann wollen wir mal. Die Spurenleser haben ja nichts Auffälliges in den Quartieren gefunden, aber vielleicht haben wir beide mehr Glück!“

Orion schnappte sich die Datenfolie und gemeinsam machten sie sich auf zum Quartier von Allysia Lehmann in die 180. Etage im Block H.

Beim Wohnraum von Allysia handelte es sich – wie bei allen Singles – um einen kombinierten Wohn- und Schlafraum mit Hygienezelle. Eine Küche gab es nicht, da die Bewohner des Turmes in der Kantine aßen oder in eines der unzähligen Restaurants gingen. Der Raum wirkte aufgeräumt und war zweckmäßig eingerichtet. Ein paar Bilder an den Wänden und mehrere Pflanzen lockerten die ansonsten etwas kühle Atmosphäre des Raumes auf. Auf einem Sideboard standen Fotos von Allysia Lehmann. Fritsche betrachtete sie mit Interesse und nahm eines in die Hand.

„Hübsch!“, stellte er fest und steckte das Foto ein.

Dann durchsuchten sie den Raum auf das Genaueste, doch es gab nichts Besonderes im Quartier von Allysia. Keine ausgefallene Kleidung, keine besonderen Gegenstände und auch auf ihrem Homerechner keine außergewöhnlichen Dateien. Nichts, was vielleicht auf ein dunkles Hobby oder seltsame Vorlieben hindeuten würde. Deshalb verließen Orion und Fritsche den Raum nach geraumer Zeit wieder, um zum Quartier von Martha Blumenzweig zu fahren.

„Die Blumenzweig hat ihr Quartier in der 207., Block A. Ist ziemlich weit weg von hier“, brummte Schroeder missmutig.

Am Quartier öffnete Schroeder die Tür mit seiner ID-Marke und sie betraten den Raum. Der Grundriss beider Quartiere war identisch, nur zierten hier die Wände Stickereien von Blumen und Tieren.

„Ah, das Zeug ist wohl aus ihrem Club“, meinte Fritsche und zeigte auf die Bilderrahmen. Wieder unterzogen sie den Raum einer exakten Untersuchung und fanden – nichts! Fritsche schnappte sich abermals ein Foto der Verschwundenen und steckte es zum Bild von Allysia Lehmann.

„Das wird ja langsam zur Gewohnheit, dass wir nichts finden“, knurrte Schroeder verdrießlich. „Also lass uns gehen, das bringt ja eh nichts. Komm, Fritsche – Abflug!“

Verstimmt verließen sie die Wohnung und brachen zu den nächsten Quartieren auf. Doch wurden sie weder bei Melany Mandel noch bei Sören Maibach fündig. Maibach hatte eine Trainingsbank und ein paar Hanteln im Zimmer liegen und bei der Mandel hingen noch nicht mal Bilder an der Wand. Fritsche nahm überall Aufnahmen der Verschwundenen mit und legte diese zu den Akten. Vier Verbrechen ohne die geringsten Hinweise und Indizien, das gab’s doch gar nicht.

Schroeder wurde bei seinem Chef vorstellig und bat ihn, einen Aufruf über TT – Tower Television machen zu dürfen. Wolf fand die Idee ganz brauchbar und so wurde ein paar Tage später die Meldung verbreitet, dass die Turmbewohner sich bei Orion melden sollten, falls sie etwas wussten. Aber es meldete sich keiner, der Brauchbares zu berichten hatte. Und so verlief auch diese Aktion im Sande.

Es vergingen die Tage und Wochen, ohne dass die beiden Spürnasen in diesem Fall weiterkamen. Zwischenzeitlich kümmerten sie sich deshalb um andere harmlosere Fälle. In der Folge ging auch der Wettbewerb im Turm vorüber – natürlich mit Alex Winter als Gewinner, denn Sören Maibach war ja irgendwie verhindert. Jedoch hatte die ganze Zeit hindurch Schroeder das ungute Gefühl, etwas sehr Wichtiges im Fall der vier Verschwundenen übersehen zu haben. Er nahm sich vor, bei nächster Gelegenheit sich noch mal intensiv mit diesem Fall zu beschäftigen. Natürlich würde er das mit Fritsche zusammen machen – vier Augen sehen schließlich mehr als zwei. Fritsche hatte ein Auge für Besonderes und das konnten sie gebrauchen, wenn sie die Verschwundenen finden wollten.

Zwischenspiel

Der Schmerz holte Melany jäh in die Wirklichkeit zurück. War sie bis eben in einem Land der Albträume gefangen gewesen, hatte dieser plötzliche Schmerz sie in die Realität hereingerissen. Er wütete in ihrem Unterleib, zog, drückte, stach und schien sie von innen aufzuschlitzen.

Was war das nur? – Und wo bin ich?

Sie konnte sich nur schwach erinnern. Hatte sie nicht einen Generator repariert? Was war denn bloß danach passiert? Warum konnte sie nichts sehen, sich nicht bewegen? Diesem unbeschreiblichen Schmerz, der in ihr tobte, nichts entgegensetzen. Sie konnte nicht mal schreien, ihr schien irgendwas im Hals zu stecken, das ihre Stimme blockierte.

Aufhören, bitte aufhören!, flehte sie stumm und versuchte sich aufzurichten. Aber es ging nicht, etwas hielt sie mit Gewalt in ihrer Position fest. Sie hatte das Gefühl, als würde ihr Unterleib aufplatzen und sich jemand von innen herausschneiden. Eine unsagbar böse Kraft stülpte sie um und der Schmerz raubte ihr fast den Verstand.

Oh Gott, was passiert mit mir?

Es hörte nicht auf, wütete immer weiter in ihr. Doch urplötzlich war der Schmerz vorbei, als wäre dieses Etwas nun aus ihr heraus ans Tageslicht gekrochen und sie dabei von innen nach außen gedreht worden. Da kam schlagartig der Schmerz zurück, brannte in ihren Eingeweiden wie Feuer und schnitt in ihr Fleisch. Sie merkte noch, wie sie langsam in die Welt der Albträume zurücksank, ihr Geist verwirrte sich und sie fiel und fiel. Doch es war nicht die Welt der Albträume, sondern die Welt der absoluten Schwärze, aus der es kein Zurück mehr gab! Doch das wusste Melany nicht, sie merkte nur, dass der Schmerz weg war, endlich!

Dann war nur noch Dunkelheit.

Kapitel 5

Orion und Fritsche standen im Büro von Schroeder vor einer großen Wand. Sie hatten die Fotos der vier Verschwundenen, Portraits und Ganzkörperaufnahmen, an die Wand gepinnt. Dazu die Bilder der Tatorte. Alles schön geordnet und übersichtlich.

„So, Fritsche. Schauen wir mal, ob uns nicht doch etwas auffällt.“

„Jo, Chef.“

Minutenlang standen die Beiden wie versteinert da und betrachteten in aller Ruhe die Aufnahmen. Ihre Köpfe arbeiteten auf Hochtouren. Da räusperte sich Hyroniemus.

„Wenn ich mir die Portraits anschaue, kann ich nichts entdecken. Aber auf den Bildern, die die Verschwundenen in voller Größe zeigen, fällt mir auf, dass sie alle eine relativ große Oberweite haben. Na, bis auf Maibach, der ist ja ein Mann.“

„Stimmt, Fritsche. Das wäre schon mal etwas, was alle gemeinsam haben. Ist zwar eine ziemlich abgefahrene Gemeinsamkeit, aber es ist eine! Schauen wir uns doch mal die Fotos der Tatorte an, vielleicht gibt es da etwas, das wir bis jetzt übersehen haben.“

Die beiden versenkten sich wieder in den Anblick der Aufnahmen und schwiegen minutenlang. Etwas musste da ja sein!

Orion kniff die Augen zu Schlitzen zusammen und fixierte die Fotos auf das Genaueste. Die Spannung schien durch das Büro zu knistern und da fiel es Schroeder wie Schuppen von den Augen. Er schnappte sich einen Marker und ging zur Wand. Foto für Foto ging er durch und malte Kreise um etwas drum herum.

„Fritsche, ich glaube, das ist es! Das, was wir bis jetzt übersehen haben, etwas, was alle Tatorte gemeinsam haben. Sieh es dir an!“

„Verdammt, du hast recht, Chef! Überall die Abdeckungen von der Klimaanlage. Hinter der Mangel, unweit der Stelle, an der wir die Fasern im Rohrschacht gefunden haben, in der Nähe des Werkzeugkastens und neben der Kotze von Maibach. Sind die etwa durch die Klimaschächte weg?“

„Genau. Oder sie wurden da reingezogen und weggebracht. Ist aber ziemlich eng, um jemanden zu tragen. Das sollten wir uns mal genauer ansehen. Auf geht’s, Fritsche! Wir ziehen uns Overalls an und treffen uns vor dem Rohrschacht, in dem die Lehmann verschwunden ist. Bis gleich.“

Sie verließen das Büro und trafen sich umgezogen im Wartungsraum wieder, um den Rohrschacht zu inspizieren. Sie stiegen in den Schacht und krabbelten bis zum Klimadeckel, in dessen Nähe der Scanner von Allysia Lehmann gefunden worden war und die Fasern ihres Arbeitsanzuges. Orion kroch zur Lüftungsklappe und rüttelte daran.

„Lose“, sagte er und klappte die Abdeckung hoch.

Er kroch in den Klimaschacht und Fritsche folgte ihm. Sie bewegten sich langsam vorwärts, Abzweigung folgte auf Abzweigung.

„Die könnten viele Wege genommen haben. Hier gibt es so viele Möglichkeiten – wir können unmöglich das gesamte Klimasystem des Turmes absuchen. Fritsche, wir brauchen eine Idee. Aber eine verdammt gute!“

Hyroniemus sah Orion an und plötzlich strahlte er über das ganze Gesicht.

„Chef, ich glaube, ich habe die Lösung für unser Problem! Der Scanner! So ein Scanner, den die Lehmann benutzt hat. Unsere Techniker müssten ihn doch auf die Biodaten der Verschwundenen programmieren können, ihre Gensequenzen sind im System gespeichert. Damit könnten wir dann in dem Klimaschacht das Biomaterial ausfindig machen. Jeder Mensch verliert ständig Haare und Hautschuppen, die zeigen, wo er langgegangen ist, oder?“

„Fritsche, du bist genial! Das ist es. Komm, lass uns zurück ins Criminallabor gehen und uns solche Scanner anfertigen lassen. Da bekommen die Jungs mal eine anspruchsvolle Aufgabe!“

Gemeinsam machten Orion und Fritsche sich auf den Rückweg.

Drei Tage später waren zwei Scanner auf Biomaterial programmiert und Schroeder und Fritsche konnten sich damit auf die Suche nach den Verschwundenen machen.

Kapitel 6

Schroeder keuchte. Seit fast einer Dreiviertelstunde krochen sie durch den Klimaschacht. Die Idee von Fritsche hatte sich bewährt. Sie hatten wirklich Biomaterial gefunden und folgten nun dieser Spur. Ohne die Scanner hätten sie den Weg von Allysia Lehmann nie gefunden, denn es ging kreuz und quer durch die stählernen Eingeweide des Turmes, eine Kreuzung auf die andere. Plötzlich hörte die Spur auf. Sie krabbelten ein Stück zurück, um sie wiederzufinden, aber vergebens. Jetzt gab es nur noch zwei Blindschächte hier und einen, den ein Ventilatorrad verschloss, welches auch noch vergittert war.

„Ende, Fritsche! Hier haben wir wohl die Spur verloren. Aber du hast doch alles auf der Karte markiert!?“

„Jo, Chef. Hab unseren Weg eingetragen, wir können ihn jederzeit wieder gehen.“

„Okay, dann mach mal am Ende der Spur eine Markierung, damit wir wissen, wie weit wir waren.“

Fritsche zog eine Dose Farbe aus seiner Overalltasche und sprühte ein kleines X auf den Boden. Dann steckte er die Dose zurück an seinen Oberschenkel.

„Fertig!“

„Dann lass uns zurückkriechen, es warten noch drei Wanderungen auf uns.“

Sie machten sich auf den Rückweg, um sich den Klimaschacht in der Wäscherei anzusehen.

Zielstrebig gingen sie auf die Mangel zu und stiegen in den Schacht dahinter ein, setzten die Scanner in Betrieb, suchten nach menschlicher DNS und folgten durch die Gänge dieser Spur. Wieder ging es kreuz und quer durch das Klimasystem und wieder brach die Spur von Martha Blumenzweig plötzlich ab. Sie suchten auch hier die umliegenden Abzweigungen ab, aber die Suche lief ins Leere – die Spur hörte einfach auf.

„Das gibt es doch gar nicht, schon wieder Ende“, Orion schüttelte ungläubig den Kopf. „Hier ist doch etwas faul! Ich bin gespannt, ob das in den beiden letzten Gängen auch so ist. Du hast den Weg aufgezeichnet, Fritsche?“

„Ja, hab ich.“

„Okay, dann lass uns hoch in die Generatorhalle fahren und dort nach der Spur von Melany Mandel suchen!“

Orion und Hyroniemus begaben sich zum Fahrstuhl, fuhren bis ganz nach oben und wechselten in den Wartungsaufzug. In der Halle mit den Stromgeneratoren begaben sie sich zur Lüftungsklappe, an der man die Werkzeugkiste von Melany Mandel gefunden hatte. Sie stiegen in den Schacht und verfolgten die Spur über eine Stunde. Dann hörte sie einfach auf und mögliche Wege endeten in Sackgassen oder vor riesigen vergitterten Ventilatoren. Frustriert verließen Schroeder und Fritsche den Schacht und begaben sich in den Duschraum des Sportcenters.

Über zwei Stunden später saßen sie niedergeschlagen in Schroeders Büro. Wie nicht anders zu erwarten gewesen, hatte sich auch die letzte Suche als ein Schlag ins Wasser herausgestellt.

„Fritsche, die ganze Sache stinkt zum Himmel. Jetzt haben wir endlich etwas gefunden, um die Verschwundenen ausfindig zu machen, wissen sogar, dass sie irgendwie in die Klimaanlage gekommen sind, und dann verliert sich bei allen Vieren einfach so die Spur. – Wir übersehen etwas! Du hast doch unsere Wege aufgezeichnet und die Punkte markiert, an denen die Spuren endeten?“

„Ja, hab ich alles gemacht, Chef!“

„Dann setz dich mal an den Computer und trage unsere Wege und die Markierungen in den Bauplan des Turmes ein, mal sehen, ob uns das etwas weiter bringt.“

Fritsche nahm vor dem Computer Platz und sendete die Daten der Wege durch die Klimaschächte von der ID-Marke in den Bauplan des Turmes. Dann betrachteten die Zwei diese Muster. Die Wege, die sie gegangen oder besser gekrochen waren, verliefen an völlig verschiedenen Orten des Turmes. Sie berührten oder kreuzten sich nicht. Die Orte, an denen die Vier verschwunden waren, lagen weit voneinander entfernt.

„Fritsche, so kommen wir nicht weiter. Irgendwas muss doch korrelieren, die kriechen doch nicht freiwillig in die Klimaschächte, um gemeinsam an verschiedenen Orten spurlos zu verschwinden. Man löst sich doch nicht einfach in Luft auf, oder?“

„Stimmt, Chef! Warum verschwinden vier völlig verschiedenartige Personen fast zur gleichen Zeit durch die Klimaanlage des Turmes und verwandeln sich alle vier in Nichts? Ich muss mir das noch mal genauer anschauen, vielleicht gibt es doch etwas Gemeinsames.“

Zusammen sahen sie sich erneut das Modell des Turmes mit ihren zurückgelegten Wegen an. Minutenlang saßen sie vor dem Bildschirm und grübelten. Die Zeit verging, ohne dass einer der beiden etwas sagte. Plötzlich schrie Orion laut auf.

„Hah, Fritsche, das ist es. Sieh dir mal die vier Markierungen an, an denen die Spuren endeten.“

„Ja, aber die sind doch weit auseinander?“

„Fritsche, du schaust in die Horizontale und da ist nichts. Aber wenn du dir die Vertikale anschaust, was siehst du dann?“

„Verdammt noch mal, du hast recht, Chef! Wenn man es sich aus dieser Perspektive anschaut, sieht man, dass die vier Endpunkte fast auf einer senkrechten Linie liegen. Aber was soll das denn bitteschön bedeuten? Es ging doch gar kein Weg nach unten, das hätten wir doch gesehen. Man konnte doch nur waagerecht weitergehen, doch da gab es keine Spuren.“

„Das stimmt. Aber es ist unsere einzige Möglichkeit. Es muss einen Weg senkrecht nach oben oder unten geben, nur haben wir ihn nicht gesehen, vielleicht ist er versteckt. Im Bauplan ist jedenfalls kein senkrechter Schacht verzeichnet. Ich glaube, wir sollten uns morgen noch mal ins Klimasystem begeben und uns die Sache gründlich anschauen. Also dann, bis morgen früh.“

Fritsche und Orion verließen das Büro und begaben sich zu ihrem wohlverdienten Feierabend.

Mal schauen, was der morgige Tag für Überraschungen bringt, lächelte Schroeder gedankenverloren.

Zwischenspiel

Ein Erdbeben rumorte in ihrem Unterleib. Etwas hämmerte voller Macht in ihr herum, quetschte ihre Organe zusammen, dass ihr der Schmerz fast die Besinnung raubte.

Besinnung? Besinnung – ich kann denken!

Doch Martha wusste absolut nicht, wo sie war, was war und was, verflixt noch mal, ihren Unterleib zertrümmerte. Sie war in der Wäscherei gewesen, an der Mangel – dann war da ein … Tier gewesen? In der Klimaanlage! Dann war die Dunkelheit hereingebrochen. Sie hatte keine Ahnung, was hier eigentlich lief und was überhaupt los war. Schon allein dass sie nichts sehen konnte, beunruhigte sie extrem. Schlimmer war aber, dass sie sich nicht bewegen konnte, da sie wohl festgebunden war. Am allerschlimmsten war der Schmerz in ihr.

Sie versuchte sich aufzurichten, aber es gelang ihr nicht. Sie wollte ihren Kopf drehen, aber auch der schien fixiert.

Mein Gott, was passiert mit mir?, dachte sie, als ein Flüstern an ihre Ohren drang. Ein Flüstern ohne Worte und ohne Sinn.

Wer ist das? Ist der verantwortlich für meine Qual?

Kaum hatte sie diesen Gedanken zu Ende gebracht, als glühender Schmerz in ihren Bauch fuhr, dass sie glaubte, aufzuplatzen zu müssen wie eine überreife Melone. Das Flüstern steigerte sich und klang verstörender als zuvor. Glühendheiß floss etwas in ihre Hand und schwappte über in ihren gesamten Körper. Dichter Nebel verbarg ihre Wahrnehmungen und ihre Gedanken wurden langsamer, flossen wie in Zeitlupe dahin. Langsamer und langsamer. Bis ihr Geist zurückfloss in den Strom der Dunkelheit, in dem sie seit Monaten schwamm.

Kapitel 7

Schroeder und Hyroniemus trafen sich morgens im Büro, um gemeinsam auf Entdeckungstour in der turmeigenen Klimaanlage zu gehen. Sie zogen sich wieder ihre Spu-Si-Overalls über, packten die Scanner ein und nahmen Werkzeug mit. Als erstes Ziel hatten sie sich den Schacht ausgesucht, in dem Allysia Lehmann verschwunden war. Er lag ihrem Büro am nächsten und ehrlich gesagt war die Hoffnung, etwas zu finden, bei beiden nicht sehr groß. Mit gemischten Gefühlen stiegen sie in den Schacht und krochen durch die endlos scheinenden Gänge bis zu der Markierung, an der die DNS-Spur so abrupt endete. Sie schalteten die Scanner ein und vereinbarten, dass jeder in einer anderen Richtung forschen sollte.

„Fritsche, du suchst den Bereich links ab und ich nehme den rechten Teil hinter der Markierung. Wir untersuchen maximal zwei bis drei Abzweigungen jenseits der Markierung, sonst entfernen wir uns zu weit von der Vertikalen, die wir entdeckt haben.“

„Okay, Chef, verstanden.“

Die beiden krabbelten kreuz und quer durch das Blechgedärm, klopften die Wände und den Boden ab, suchten nach verdächtigen Spalten oder Ritzen, leuchteten Ecken und Winkel aus und scannten immer wieder nach DNS-Spuren. Aber so viel Energie sie auch in die Suche steckten, ein Erfolg stellte sich nicht ein. Die DNS-Spur blieb verschwunden und auch der Schacht war, wie er sein sollte – nicht das kleinste Krümelchen von etwas Verdächtigem. Nach über zwei Stunden brachen sie ihre Suche ab.

„Warum wundert mich das überhaupt nicht, Fritsche?“

„Keine Ahnung, Chef. Aber es müsste doch nach unserer Theorie irgendwo einen Weg in die Senkrechte geben. Ich verstehe es auch nicht.“

„Komm, lass uns in die Trainingshalle gehen und da noch mal den Klimaschacht untersuchen, vielleicht übermannt uns ja da die Erleuchtung!“

Wieder machten die Beiden sich auf den Weg nach den Verschwundenen, die sich doch immer noch irgendwo im Turm aufhalten mussten. Niemand ging freiwillig nach draußen, und selbst wenn er es gewollt hätte, er wäre auch nicht nach draußen gekommen. Die wenigen Zugänge zur Außenwelt waren gut gesichert und wurden außerdem streng bewacht.

In der Trainingshalle angekommen, steuerten sie zielstrebig die Dusche an, öffneten die Abdeckung des Schachts und begaben sich hinein. Ebenso zielstrebig krochen sie bis zur Markierung, an der die Spur von Maibach sich verlor, starteten die Scanner und trennten sich für ihre Suche.

„Fritsche, du nimmst den Gang zum Ventilator und ich die Blindschächte auf der anderen Seite. Ich will verdammt sein, wenn wir nichts finden!“

„Geht klar. Ich gebe mein Bestes!“

„Gib mehr, Fritsche. Unser Bestes scheint in diesem Fall nicht zu reichen.“

Erneut suchten sie Zentimeter für Zentimeter des Schachtes ab, um dem Geheimnis dieses Falles auf die Schliche zu kommen. Auch diesmal schien ihre Suche vergeblich. So penibel sie auch suchten – absolut nichts! Kein einziger Hinweis auf eine Auffälligkeit, der Schacht war genauso, wie ein Klimaschacht sein sollte. Irgendwas war an dieser Geschichte ganz faul, da rackerten sie sich ab wie verrückt und fanden trotzdem nichts. Die Beiden gaben auf und trafen schließlich wieder an der Markierung ein. Frustriert setzte sich Orion und lehnte sich mit dem Rücken an die Schachtwand, Hyroniemus hockte sich deprimiert neben ihn.

„Verdammt, was machen wir falsch?“, Orion sah Fritsche enttäuscht an.

„Ich habe nicht den blassesten Schimmer einer Ahnung, Chef. Wir haben die Spuren aller vier Verschwunden gefunden, obwohl die so gut verschleiert waren, wie ich es noch nicht erlebt habe. Und wir haben Gemeinsamkeiten des Falles entdeckt, wo es gar keine zu geben schien. Die Idee mit den Scannern war doch genial, das ist doch nicht nach Lehrbuch, oder? Ich verstehe es einfach nicht.“

„Ich auch nicht, Fritsche. Ich auch nicht!“

Schroeder verschränkte seine Hände über dem Kopf und streckte sich, sodass seine Handflächen fast die Decke des Schachtes berührten.

„Wir haben irgendwas vergessen zu untersuchen, Fritsche. Irgendwas Offensichtliches, und ich habe keine Ahnung, was das sein könnte.“

„Klick!“

Mit einem sanften Schmatzen fuhr auf einmal neben Schroeder ein Stück der Wand zur Seite und gab den Blick in einen Tunnel frei.

„Leck mich doch am A …! Fritsche, was war das denn? Wie haben wir das gemacht? Ich fasse es ja nicht, noch ein Gang!“

„Ich glaube, du warst das, Chef! Mit deinen Händen, da ist vielleicht über dir ein Wärmesensor, der angesprochen ist, als du dich eben so gestreckt hast.“

„Das ist ja verdammt clever. Aber wer baut denn geheime Gänge in die Klimaanlage ein und wozu überhaupt?“

„Das ist hier, glaube ich, die große Frage!“

„Komm, hol deinen Scanner raus, wir gehen hier rein und ich fresse einen Besen, wenn wir nicht die verlorene Spur wiederfinden.“

Hochmotiviert machten sie sich erneut auf die Suche nach der DNS-Spur und fanden sie tatsächlich in dem Geheimgang wieder. Weit hinein ging es jedoch nicht, nach ein paar Metern endete der Gang an einem senkrechten Schacht. Sie suchten den Boden um diesen Schacht ab und fanden über und unter dem Einstieg ebenfalls Spuren menschlicher DNS.

„Nach oben oder nach unten, Fritsche?“

„Wir sollten uns den Schacht anschauen, der im Turm an der höchsten Stelle liegt und den an der tiefsten Stelle. Ich denke, dann finden wir die Richtung, in der wir die Vier suchen müssen. Also gehen wir vorher noch mal in die Wäscherei und zur Generatorhalle.“

„Genau, Fritsche, du hast recht. Komm, lass uns los, diesmal kriegen wir sie. Das ist die Fährte, der wir nun folgen werden!“

„Vielleicht sollten wir uns was zum Klettern mitnehmen, Chef? Da sind zwar Sprossen im Schacht, aber wäre es nicht besser, was zum Sichern einzustecken, Geschirr, Haken und so, oder?“

„Jo, dann lass uns mal das Zeug holen und dann geht’s los auf die Jagd.“

Zwischenspiel

Er flog durch ein Universum aus Farben und Formen.

Eine Sonne explodierte neben ihm und überschüttete ihn mit einem Regen von Photonen.

Es tat so gut, wieder zu fliegen. Endlich wieder.

Sie hatten sich neue Spender besorgt.

Die Farben verwoben sich zu abstrakten Mustern.

Natürlich im Geheimen, die Alten durften nichts davon wissen.

Formen flossen ineinander.

Es war verwerflich und falsch, denen zu schaden, die sie beherbergten.

Farben wurden zu Formen.

Die alten Spender waren abgemolken und leer.

Formen wurden zu Farben.

Sie hatten ihre verdorrten Körper heimlich dem Biomasse-Recycling zugeführt.

Goldene Funken regneten auf ihn herab.

Viele von ihnen hielten es hier nicht aus. Die Enge im Schiff und im Habitat.

Blutiges Rot umspülte seine Sinne.

Und dann noch dieser trostlose Planet.

Ein gigantisches, fantastisch anmutendes Geschöpf kam auf ihn zu, nahm ihn in sich auf, verdaute ihn und schied ihn wieder aus – und er ward neu erschaffen.

Grauer Himmel voller Aschewolken, Regen, der die Haut verbrennt, und die Luft zerfrisst einem das Innere des Körpers.

Wärmendes Orange strömte über ihn hinweg und durchdrang ihn bis in die letzte Zelle seines Körpers.

Aber endlich hatten sie wieder Stoff zum Fliegen und konnten überall hin. Der Enge entfliehen, auch wenn es nur für Stunden war.

Ein Rad aus Regenbogenmessern zerschnitt ihn und setzte ihn wieder zusammen.

Alles besser als die Wirklichkeit.

Ein grünes Oktaeder vor ihm faltete sich auf und ward zur Blüte, die ihn mit farbenprächtigen Stempeln lockte. Gern gab er sich der Versuchung hin und sein Geist trank den Nektar.

Der Tunnel eines Kaleidoskops nahm ihn auf in seinen Schoß und er labte sich am Mutterkuchen des Universums.

So gestärkt schwebte er weiter in der Geometrie seines Rausches.

Vorbei an Kugeln, die durchsichtig und voller bunter Flüssigkeit waren.

Vorbei an Quadern, die sich ineinander schoben und zu bunten Funken zerstoben.

Vorbei an Nebeln aus schillerndem Glas, die Planeten gebaren.

Und weiter flog er, immer weiter.

Bis zur Heimat, die er so sehr vermisste.

399
477,84 ₽
Возрастное ограничение:
0+
Дата выхода на Литрес:
22 декабря 2023
Объем:
327 стр. 12 иллюстраций
ISBN:
9783960085973
Издатель:
Правообладатель:
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