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Читать книгу: «Überirdische Rätsel», страница 4

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KÜSSE FÜR „ADAMS STEIN“

Das heiligste Ritual namens Tawāf wird seit Jahrhunderten praktiziert und stammt aus vorislamischer Zeit. Dabei umkreisen die Gläubigen sieben Mal das „Haus Gottes“. Die Umrundung erfolgt gegen den Uhrzeigersinn, währenddessen die Pilger den schwarzen Kaaba-Stein küssen und berühren. Er ist in Brusthöhe der südöstlichen Mauerecke in eine ovale Silberumhüllung eingebettet.

Um das Einsetzen des Wundersteines rankt sich eine Legende: Als der zukünftige Prophet Mohammed noch ein sanftmütiger junger Mann war, gab es große Streitigkeiten unter den arabischen Stammesführern. Nach einem Brand musste die Kaaba wieder einmal restauriert werden. Jeder Klan beanspruchte für sich, den heiligen Stein ins „Haus Gottes“ einsetzen zu dürfen. Das endlose und kindische Gezanke endete damit, dass sich die Ältesten darauf einigten, dass derjenige, der als Erster das Tor zur Kaaba passieren würde, diese Ehre erhalten sollte. Das war der junge Mohammed. Er schlug vor, dass der Schwarze Stein auf ein Tuch gelegt werde. Dann sollten alle am Wiederaufbau beteiligten vier Stammesführer jeweils eine Seite des Tuches greifen und den Stein gemeinsam zur Kaaba tragen. Osmanische Miniaturen illustrieren diese Szene. Erzählt wird, Mohammed habe dann beim „Haus Gottes“ den Stein vom Tuch genommen und ihn an eine Ecke der Kaaba eingesetzt. Damit waren alle zufrieden (siehe Farbteil Seite 69 unten).

ENTEHRTES HEILIGTUM

Lange hielt die Eintracht in Mekka nicht. Gemäß dem muslimischen Glauben ist der Koran die wortwörtliche Offenbarung Gottes an den Propheten Mohammed, höchstpersönlich diktiert vom Engel Gabriel. In Sure 3,97 wird die Kaaba als „Friedensstätte“ bezeichnet, an der jeder, der sie betritt, sicher vor Verfolgung ist. (Sure 3,97) Die Praxis sah leider anders aus: Im Jahr 683 wurde im Zuge kriegerischer Auseinandersetzungen zwischen arabischen Volksgruppen die Kaaba durch Katapultgeschoße zerstört.

Dabei ist der heilige Stein in mehrere Teile zerbrochen. Mit der neu errichteten Kaaba wurden die zusammengefügten Fragmente erstmals in eine Silberfassung gesetzt, die inzwischen mehrmals erneuert wurde. Einer dieser Silberrahmen ist im Topkapi-Palast in Istanbul ausgestellt. 931 folgte die nächste Hiobsbotschaft. Radikal-schiitische Qarmaten raubten den religiösen Schatz und brachten ihn ins Königreich Bahrain am Persischen Golf. Erst zwanzig Jahre später kehrte er dank Vermittlung der Fatimiden zurück nach Mekka.

Der Steinkult an der Kaaba ist islamistischen Extremisten bis heute ein Dorn im Auge. Dschihadisten und selbsternannte „Gotteskrieger“ haben es nicht nur auf „Ungläubige“ abgesehen. Muslime, die dem fanatischen Weltbild nicht folgen wollen, werden als Abtrünnige des „wahren islamischen Glaubens“ ebenso verfolgt. Die Ergebenheit zum schwarzen Stein an der Kaaba ist gemäß ihrem radikalen Glaubenssatz ein „Götzendienst“. Die Kaaba-Zerstörung wäre das letzte „heiligste“ Ziel, nach einer abscheulichen Spur des Schreckens und der Verwüstung. Anschläge auf das Heiligtum gab es bereits mehrere. Ein besonders dramatischer ereignete sich am 20. November 1979, dem Neujahrstag des Jahres 1400 nach islamischer Zeitrechnung. Hunderte bewaffnete Islamisten stürmten die Große Moschee von Mekka und nahmen versammelte Gläubige als Geiseln. Die Aktion endete nach zwei Wochen in einem Blutbad mit fast tausend Toten.

VERBOTENE UND VERSCHOLLENE HEILIGTÜMER


Vorislamische Mondgottheit in der Kaaba: Al-lah Hubal

Im Schock des Terrors ging ein brisanter archäologischer Fund unter. Während der Gefechte riss eine Bombe den Boden der Kaaba auf. Zum Vorschein kamen etliche vorislamische Idole, die seit Mohammeds Zeiten eingemauert im Verborgenen lagen. Die saudischen Behörden beseitigten die „regelwidrigen“ Schätze rasch. Über ihren Verbleib ist nichts bekannt.

Waren womöglich urchristliche Symbole darunter? Auszuschließen wäre es nicht, denn bevor die Kaaba 632 zum Heiligtum des Islam erklärt wurde, war sie ein Pilgerziel vieler unterschiedlicher Religionen, und auch Christen und Juden lebten in der Region. In der Kaaba stand ein Kultbild des altarabischen Mond- und Orakelgottes Hubal mit einem verkürzten Arm. Er galt als oberster Chef aller Götter. Verehrt wurde auch die Göttin al-Lāt, deren Thron ein würfelförmiger weißer Stein war. Oder al-Uzzā, die Verkörperung des Morgensterns, sowie die Schicksalsgöttin Manāt. Zu diesen Hauptgottheiten gesellte sich eine Unzahl anderer untergeordneter und lokaler „Götzenidole“ hinzu.

Im Jahr 630 machte Prophet Mohammed mit seinem Heer der Vielgötterei ein Ende. Die Stadt Mekka unterwarf sich fast kampflos und wurde weitgehend geschont. Unter dem Jubel der Sieger wurden die heidnischen Symbole aus der Kaaba entfernt. In einer Erzählung heißt es, dass sich unter den Idolen auch eine Ikone mit dem Bildnis von Maria mit dem Jesuskind befunden haben soll. Der Prophet Mohammed ließ es unversehrt. Das wäre nicht verwunderlich, denn Jesus und Maria werden im Islam geehrt. Nicht wie im Christentum als Erlöser und Gottesmutter, aber Jesus als letzter Prophet Mohammeds und die jungfräuliche Maryam als seine Mutter.

Doch etwas irritiert: Während des Triumphzugs soll Mohammed siebenmal um die Kaaba geschritten sein und den Schwarzen Stein als Ausdruck des ursprünglichen Bündnisses zwischen dem Schöpfer und seiner Schöpfung geküsst haben. Dabei habe der Prophet die vom Heidentum „gereinigte“ Kaaba mit dem Ruf „Allahu akbar!“ („Allah ist groß“ oder „Allah ist größer“) seinem Gott geweiht. Für Muslime ist Allah der einzig wahre Gott: „Er ist Gott, außer dem es keinen Gott gibt.“ (Sure 59,22)

In vorislamischer Zeit war „Allah“ jedoch kein Eigenname. Das Wort Al-Lah bedeutet einfach nur „der Gott“. Auch der in der Kaaba von dem großen Volksstamm Quraisch verehrte Mondgott Hubal wurde als Al-Lah betitelt, nämlich als ihr oberster Gott.

Mohammed und etliche seiner Gefährten stammen von den Quraisch ab. Mohammeds Vater trug den Namen Abdallah. Abd al Lah heißt übersetzt „Diener Gottes“. Es gibt schon seltsame Zufälle. Übrigens: Das religiöse Symbol des Sternengottes Hubal war die Mondsichel über seinem Haupt. Dazu passt, dass eines der bedeutendsten muslimischen Embleme die Mondsichel Hilal ist.

DIE METEORITENTHESE

Der Schwarze Stein an der Kaaba ist ebenfalls ein Überbleibsel aus präislamischer Epoche. Seine Beschaffenheit, Herkunft und einstige Größe bleiben ungeklärt. Mekka-Besucher haben im Laufe der Jahrhunderte unterschiedliche Auskünfte gegeben. Obwohl das islamische Gesetz „Ungläubigen“ den Zutritt zur Großen Moschee verwehrt, gab es etliche Europäer, die mit „Adams Stein“ in Berührung kamen. Der Schweizer Forschungsreisende Jean Louis Burckhardt (1784–1817) war einer von ihnen. Nach eigenen Aussagen war er zum muslimischen Glauben konvertiert.

Es hält sich aber ebenso das Gerücht, der Abenteurer sei als verkleideter moslemischer Pilger (wie viele andere nach ihm) zum Allerheiligsten gelangt. Burckhardt vermerkte in seinen Reisenotizen: „Für mich wirkt er wie ein Lavastein mit etlichen kleinen fremden Partikeln von weißlicher und gelblicher Substanz.“ Er sei dunkel und von den Händen unzähliger Pilger blank poliert gewesen. Manche Gelehrte meinen, es könnte ein Achat oder Tektit sein.


Der Schwarze Stein an der Kaaba nach Angaben von Augenzeugen. Er ist inzwischen in mehrere Stücke zerbrochen.

Die erklärte kosmische Herkunft des Steines ließ Wissenschaftler seit dem 19. Jahrhundert vermuten, dass es sich um einen Meteoriten handle. Der österreichische Geologe und Mineraloge Paul Partsch (1791–1856) war der Erste, der darüber einen umfassenden Bericht verfasste. Er wurde erst im Nachlass gefunden und 1856 von der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in Wien veröffentlicht.

Ob die „Meteoritenthese“ stimmt, bleibt jedoch Spekulation. Mineralproben des heiligen Kaaba-Steines wurden – zumindest offiziell – bisher nie wissenschaftlich analysiert. Eine Genehmigung für eine Untersuchung, die endgültig Klarheit über seinen Ursprung geben könnte, werden oberste Imame nicht erteilen. Da müsste schon der allwissende Allah ein deutliches Himmelszeichen setzen, ganz im Sinne des Propheten Mohammed: „Ohne Gottes Wille vermag der Mensch nichts“ – Inschallah.

Le Puy und der schwarze „Fieberstein“
EIN AUSSERGEWÖHNLICHER ORT

In allen Weltreligionen gibt es Kultsteine mit oft ungeklärter Herkunft. Sie verbindet eine Gemeinsamkeit: Bereits in prähistorischen Zeiten hatten sie eine besondere Bedeutung und besaßen angeblich wundersame Heilkräfte. Im Christentum finden sich viele Zeugnisse dafür, dass erstarrte Steinwunder einst auf heidnischen Kultplätzen gestanden haben, lange bevor sie eine neue Deutung erhielten.

Ein solches Exemplar versteckt sich in Le Puy-en-Velay, einem idyllischen Städtchen in Zentralfrankreich, südlich von Clermont-Ferrand in der Region Auvergne. Die vor Abermillionen Jahren geformte Vulkanlandschaft mit bizarren Basalttischen und spitzen Felspfeilern, die wie Obelisken senkrecht zum Himmel ragen, sind ein Anblick für Götter. Die auffallenden Vulkanschlote versetzten gewiss bereits unsere Urahnen in Staunen.

Im Mittelalter war Le Puy ein Pilgerzentrum. Bischof Gotescalk war 962 von hier zu einer der ersten Jakobs-Wallfahrten nach Santiago de Compostela aufgebrochen. Nach seiner Rückkehr ließ er die Kirche „St. Michel d’Aiguilhe“ auf dem 82 Meter hohen und extrem steilen Lavafinger „Rocher d’Aiguilhe“ errichten (siehe Farbteil Seite 70 oben). Sie soll einen Tempel aus römischer Zeit ersetzt haben, der dem Gott Merkur (gleichgesetzt mit dem griechischen Götterboten Hermes) geweiht war. Der Aufstieg erfolgt – damals wie heute – über eine gewundene Treppe und raubt einem im wahrsten Sinn des Wortes den Atem. Oben angekommen, fällt das dreigeteilte Kirchenportal ins Auge, das offenbar byzantinische oder maurische Stilvorlagen hatte. Es ist mit bunten Mosaiksteinen und apokalyptischen Szenen übersät (siehe Farbteil Seite 71 oben).

Panorama Le Puy-en-Velay

Der benachbarte Vulkankegel, der „Rocher Corneille“ (Corneille-Felsen), ist nicht weniger kolossal. Auf seiner Spitze thront die 16 Meter hohe und 110 Tonnen schwere Metallstatue „Notre-Dame de la France“, die 1860 aus erbeuteten Kanonen gegossen wurde. Wieder führt ein steiler Pfad hinauf zum Gipfel. Die „Riesenmaria“ kann innen über eine eiserne Leiter erklommen werden. Was bestenfalls als Fußnote in Reiseführern angemerkt ist: Neben dem Monument der Jungfrau liegen die letzten Felstrümmer eines vorchristlichen Heiligtums (siehe Farbteil Seite 70 unten).

PLATZ DER ERSCHEINUNG


Corneille-Felsen mit Riesenmadonna und Resten eines antiken Tempels

Wer Le Puy besucht, dem wird auffallen, dass viele Gebäude in Baustil und Dekor orientalisch anmuten. Das gilt auch für die Kathedrale von Le Puy-en-Velay, in der zwei eigenwillige Schwarze Madonnen aufbewahrt werden. Sie sollen aus Äthiopien stammen und die Jungfrau Maria mit Jesuskind zeigen. Was damit nicht harmoniert, ist der fremdartige Ausdruck der Gottesmutter.

Noch etwas überrascht in der Kathedrale: Ein glatt polierter, pechschwarzer Monolith, der in den Boden eingefasst ist. Es ist ein rechtwinkeliger Block von etwa 2,5 Metern Länge und einem Meter Breite. Beim Betrachten kam mir die Assoziation zum außerirdischen „Schwarzen Monolithen“ aus Stanley Kubricks (1928–1999) Science-Fiction-Filmklassiker „2001: Odyssee im Weltraum“. Er steht im Opus symbolisch für Bewusstseinsveränderung, Sprung und Erkenntnis. So ein „Ding“ passt durchaus zu einem Andachtsort, aber wie kam es dorthin und welchem Zweck diente es? Die Bevölkerung nennt den schwarzen Block Pierre aux Fièvres („Fieberstein“), weil er heilende Kräfte besitzen soll. Bemerkenswert: Die Steinplatte war vor 1600 Jahren der Auslöser dafür, dass sich Le Puy zu einem der wichtigsten westeuropäischen Marienwallfahrtsorte entwickelte. Der Wink dazu kam wieder einmal von ganz „oben“. Die Gründungslegende erzählt, dass die Gottesmutter um 420 einer fieberkranken Frau aus der Umgebung von Le Puy erschienen sein soll. Maria kündigte die ersehnte Gesundung an, wenn die Kranke eine Nacht lang auf dem Stein liegend verbringen würde. Einzige Bedingung: Am Ort der Heilung müsse eine Gnadenstätte zu Ehren der Himmelskönigin errichtet werden. Als sich Wunderheilungen wiederholten, wurde der ominöse „Stein der Erscheinung“ zum Zentrum der ersten an dieser Stelle errichteten Kirche.


Aufwärts zur Kathedrale von Le Puy-en-Velay

VOM UNHEILIGEN ZUM HEILIGEN

Historische Spuren zeigen, dass dieses Gotteshaus auf den Ruinen eines „heidnischen“ Tempels erbaut wurde. Der schwarze Monolith dürfte die Deckplatte eines prähistorischen Steintischs, eines sogenannten Dolmen, gewesen sein. Obwohl im Zuge der Christianisierung viele ähnliche prähistorische „Götzenrelikte“ zerstört wurden oder eine neue Bestimmung erhielten, blieb der Heidenstein erhalten.

Als dann im 11. Jahrhundert mit dem Bau der Kathedrale begonnen wurde, gelangte der „Wunderstein“ ins südliche Seitenschiff. Dort zog er bald mehr „Fiebergläubige“ in die Kirche als der Abendmahltisch des Herrn. Erstaunlich lange, nämlich bis ins 18. Jahrhundert hinein, blieb es dabei. Dann aber wurde es den Kirchenfürsten doch zu bunt. Das Gotteshaus war ständig mit zahlreichen Kranken überfüllt, die hier übernachteten, Wunder erflehten und die Andachtsfeiern störten. Die Notlösung des Klerus sah vor, die schwarze Steinplatte aus der Kirche zu verbannen. So landete der Kultstein am Portal auf der Fassadentreppe. Allerdings nur kurz, denn das Kirchenvolk rebellierte mit Erfolg gegen die bischöfliche Verordnung. Heute befindet sich der druidische „Ketzerstein“ wieder im Inneren an prominenter Stelle: in der Kapelle des Heiligen Kreuzes, gleich links im Anschluss zum Hauptaltar mit einer Schwarzen Madonna. Gott sei Dank! (siehe Farbteil Seite 71 unten)

Der rote Fridolin-Stein zu Rankweil
SEHENSWERTER LIEBFRAUENBERG

Machen wir einen Sprung nach Vorarlberg. Hier gibt es zwei merkwürdige Felsbrocken zu bestaunen, denen der Volksglaube übersinnliche und heilende Kräfte nachsagt. Einer davon wird nordöstlich von Feldkirch im kleinen reizvollen Städtchen Rankweil aufbewahrt. Genauer gesagt in der Ortsmitte, wo sich ein 515 Meter hoher Fels, der Liebfrauenberg, mit Resten der alten Burg Hörnlingen aus dem 14. Jahrhundert erhebt. Hier thront die berühmte Basilika Rankweil, die eine Reihe sonderbarer Schätze beherbergt: den Schädel des heiligen Eusebius († 884), der in früheren Zeiten Kopfkranken aufs Haupt gelegt wurde, ein wundertätiges Kreuz aus dem 13. Jahrhundert, das aus dem Orient stammen soll (zwischen 1600 und 1728 sind 146 mit Daten und Zeugen belegte Wunderheilungen in der Kirchenchronik dazu verzeichnet), ein romanisches Holzkreuz mit der wunderlichen „Heiligen Kümmernis“, auch als „Bärtige Jungfrau“ bekannt und eine Muttergottesstatue, die alle kriegerischen Zerstörungen seit dem 15. Jahrhundert unversehrt überstanden hat.

Das eigentümlichste und zugleich älteste Heiligenrelikt ist der etwa ein Meter hohe und genauso breite, grotesk verformte rote Quarzmarmorstein des irischen Wandermönchs Fridolin von Säckingen († 538). Er war als Missionar im 6. Jahrhundert auf das europäische Festland gekommen und hatte sich am Oberrhein niedergelassen. Seine Gebeine liegen im Fridolinmünster in der deutschen Kurstadt Bad Säckingen, etwa 35 Kilometer flussaufwärts von Basel gelegen. Der heilige Fridolin ist außerdem Schutzpatron des Schweizer Kantons Glarus. Seine Verbindung zum Rankweiler „Kultstein“ geht aus einer seltsamen Legende hervor, die auf Gedächtnistafeln in der Bergkirche in Bild und Text dargestellt ist.


Liebfrauenberg mit der Basilika Rankweil

EIN ZOMBIE ALS ZEUGE


Der heilige Fridolin und der tote Ursus als Zeuge (Hans Burkmair d. Ä., 1517)

Demnach erhielt Fridolin von einem zum Christentum bekehrten wohlhabenden Gönner namens Ursus wertvolle Güter. Damit sollte der Bau eines Klosters finanziert werden. Als Ursus starb, bestritt dessen Bruder Landolf die Schenkung und brachte die Angelegenheit anno 531 vor Gericht. Im alten Gaugericht Müsingen in Rankweil wurde Fridolin aufgefordert, einen lebendigen Zeugen vorzuführen. Doch den gab es nicht. Es fehlte somit ein beglaubigter Beweis für das mündliche Testament. Verzweifelt ging Fridolin in den Wald, um zu beten. Als er längere Zeit auf einem harten Stein gekniet war, erschienen plötzlich leuchtende Wolken. Eine Gestalt wurde sichtbar und sprach zu Fridolin: „Zieh gegen Glarus und ruf den toten Ursus, dass er Zeugnis ablege.“ Als der himmlische Bote wieder verschwunden war, bemerkte Fridolin, wie seine Knie und Arme im weich gewordenen Stein versanken. Als er sich erheben wollte und das Gewicht auf das zweite Knie legte, sank er noch mehr ein. Deshalb, so der Volksglaube, ist ein Abdruck tiefer als der andere (siehe Farbteil Seite 72 links oben).

Nach diesem Vorfall machte sich Fridolin auf zum Grab des toten Ursus, holte ihn aus der Gruft, nahm ihn bei der Hand und führte den „Zombie“ vor den Richter in Rankweil. Der wieder zum Leben Erweckte sprach dort zu Landolf: „Bruder, warum hast du meine Seele der Güter beraubt, die mir gehören?“ Der Richterschaft stellte es bei der Zeugenaussage alle Haare auf. Noch mehr erschrocken war Landolf. Er zog seine Erbansprüche zurück und vermachte sogar das eigene Vermögen dem Kloster Säckingen. Nach dem gelungenen Auftritt legte sich Ursus wieder in seine Gruft und gab Ruhe. Diese etwas abstruse Geschichte ist der Grund dafür, warum der heilige Fridolin oft zusammen mit einem Skelett abgebildet wird. Die Legende ist erstmals im 10. Jahrhundert vom Mönch Baltherus schriftlich festgehalten worden und wird auch in Glarus und Säckingen erzählt (siehe auch Farbteil Seite 72 rechts oben).

DIE FRIDOLINSTEINKAPELLE

Der Wunderstein, auf dem der Mönch der Sage nach gebetet haben soll, steht heute in der kleinen „Fridolinsteinkapelle“ der Basilika. Sein ursprünglicher Standort ist nicht bekannt. Man weiß nur, dass er irgendwo auf den Höhen von Rankweil lag, dort bereits lange Zeit verehrt wurde und schließlich im 17. Jahrhundert auf den Kirchberg gelangte. Seit damals ist er als Gebetsstuhl deklariert, dem viele heilsuchende und gläubige Menschen die Befreiung von Schmerzen an Armen und Füßen zuschreiben. Göttliche Wunder? Wahrscheinlicher ist, dass die Verformungen durch natürliche Verwitterungsprozesse entstanden sind.

Faszinierend ist die Geschichte dennoch. Das erkannte offenbar auch der schottische Arzt und Schriftsteller Sir Arthur Conan Doyle (1859–1930), der als geistiger Vater von Meisterdetektiv „Sherlock Holmes“ Weltruhm erlangte. Was weniger bekannt sein dürfte: Als 16-Jähriger verbrachte Doyle ein Studienjahr am Jesuitengymnasium Stella Matutina in Feldkirch. Der Fridolin-Stein muss bei ihm tiefgründige Spuren hinterlassen haben. Gab der Erfolgsautor doch Jahrzehnte später als zentrale Erkenntnis seines Lebens zu Protokoll: „Den größten Fortschritt erzielt man auf Knien.“

Der weiße Stein des heiligen Arbogast
RENDEZVOUS MIT DEM SAGENSAMMLER

Noch ein Vorarlberger Steinkuriosum gibt es zu bestaunen. Es ist genauso grotesk geformt wie der Fridolin-Stein, hat eine ähnliche Geschichte und heißt „Arbogast-Stein“. Er ist in die südseitige Mauer der Wallfahrtskirche St. Arbogast bei Götzis eingemauert. Oder vielmehr umgekehrt: Das Kirchlein, urkundlich erstmals 1473 erwähnt, wurde neben den auffallenden Stein gesetzt. Wenn es eine Beziehung zum Wundertäter Arbogast gibt, dann muss sich der Stein bereits neun Jahrhunderte zuvor auf diesem Platz befunden haben. Hier nämlich soll der Überlieferung nach der heilige Arbogast († 618) vor seiner Erhebung auf den Straßburger Bischofsstuhl als Einsiedler gelebt haben. Der Volksglaube erzählt, dass er so innig auf dem „Kultstein“ betete, dass dieser weich wie Wachs wurde und die Knie des Heiligen ihren Abdruck hinterließen. Seither wandern Menschen zu dem deformierten Stein und erhoffen sich Linderung bei Gelenks- und Fußleiden. Die Parallele zur Legende vom heiligen Fridolin ist unverkennbar.

Sind in Arbogast Wunderheilungen belegt? Und wo liegt der Ursprung dieser Steinverehrung? Lassen sich die Hintergründe erhellen? Elvira und ich sind mit dem Drahtesel unterwegs, kommen beim Radeln hinauf zur Anhöhe der Wallfahrtskirche ordentlich ins Schwitzen. Unvermutet strampelt ein Naturbursche im Eiltempo an uns vorbei. Er lässt uns Stadtmenschen alt aussehen. Am Zielort angekommen erkennen wir den flinken Radsportler. Es ist der Autor und Historiker Franz Elsensohn aus Götzis. Wie kein anderer kennt der Sagenkundschafter die Geschichte jedes Kultplätzchens zwischen Bodensee und Arlberg. „Es lohnt sich, altes Erzählgut zu studieren“, sagt Elsensohn und weiß: „Selbst wenn Sagen nicht ‚wahr‘ sind, können sie doch Wahrheiten enthalten, die aus volkskundlicher und historischer Sicht sehr wertvoll sind.“


Der Vorarlberger Sagenforscher Franz Elsensohn

Der ruhelose Sagensammler bedauert, dass es zum „Arbogaster Wunderstein“ keine ausführliche Legende gibt. Erst im Jahr 1655 wird er schriftlich in einem Werk von Pater Gabriel Bucelin, damals Gerichtsschreiber und Prior zu St. Johann in Feldkirch, mit dem Vermerk „für viele Fußleiden heilsam“ erwähnt. Und doch ist auch Elsensohn sicher, dass seine rituelle Verehrung weit in die Vergangenheit zurückreicht: „Es spricht einiges dafür, dass sich an dieser Stelle einmal eine uralte Kultstätte befunden hat, in deren Bereich der Stein einen Zweck gehabt haben könnte. In diese Richtung deutet auch der ehemalige ‚prachtvolle Eichenhain von bedeutendem Alter‘, von dem berichtet wird. Der stand hier noch im 19. Jahrhundert, bevor er zur Gänze niedergelegt wurde, weil man die Eichenstämme für den Bau der neuen Pfarrkirche in Götzis benötigte.“

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Дата выхода на Литрес:
22 декабря 2023
Объем:
347 стр. 229 иллюстраций
ISBN:
9783990404300
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Правообладатель:
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