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A. § 324 StGB

§ 324 StGB [21]

Gewässerverunreinigung

(1) Wer unbefugt ein Gewässer verunreinigt oder sonst dessen Eigenschaften nachteilig verändert, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) Handelt der Täter fahrlässig, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe.

§ 324 StGB a.F. [22]

(bis 31.10.1994)

Verunreinigung eines Gewässers

(1) Wer unbefugt ein Gewässer verunreinigt oder sonst dessen Eigenschaften nachteilig verändert, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) Handelt der Täter fahrlässig, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe.

I. Allgemeines

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§ 324 StGB hat als Vorläufer die Bestimmung des § 38 WHG a.F., die nahezu unverändert durch das 1. UKG im Jahre 1980 in das Strafgesetzbuch aufgenommen wurde. Die damalige Rechtsprechung und das Schrifttum zu § 38 WHG a.F. hatte deshalb zunächst weitgehend Bedeutung behalten. § 38 WHG a.F. ist heute ersatzlos gestrichen.[23] Durch die Novellierung der Umweltstrafbestimmungen im Jahr 1994 (2. UKG) wurde § 324 StGB nur unwesentlich geändert. Die Überschrift wurde in „Gewässerverunreinigung“ umbenannt in Angleichung an die Überschriften „Bodenverunreinigung“ in § 324a StGB und „Luftverunreinigung“ in § 325 StGB. Lediglich die Strafandrohung für die Fahrlässigkeitstat in § 324 Abs. 3 StGB ist von vormals zwei auf drei Jahre angehoben worden. Mittelbar erweitert wurde der Tatbestand der Gewässerverunreinigung durch das 2. UKG allerdings insofern, als das „Gewässer“ nach der Begriffsbestimmung in § 330d Nr. 1 StGB nicht mehr nur auf den „räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes“ beschränkt ist (so noch § 330d Nr. 1 StGB a.F.), sondern alle, d.h. auch die ausländischen Gewässer, betrifft. Dies bedeutet, dass eine Gewässerverunreinigung – unter den Voraussetzungen der §§ 3-7 und 9 StGB[24] – auch dann strafbar sein kann, wenn ein Deutscher ein ausländisches Gewässer verunreinigt oder der Taterfolg der Verunreinigung allein im Ausland, z.B. dort im Grundwasser, eintritt.[25] Wegen des eigenständigen und umfassend ausgestalteten strafrechtlichen Gewässerschutzes spielt § 2 WHG, der den Anwendungsbereich des Wasserhaushaltsgesetzes bestimmt und in § 2 Abs. 2 WHG bestimmte Einschränkungen vorsieht (z.B. „kleine Gewässer von wasserwirtschaftlich untergeordneter Bedeutung“) keine Rolle.[26] Der strafrechtliche Gewässerbegriff hat sich damit von dem wasserrechtlichen Definition weitgehend[27] losgelöst.

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Die europarechtlichen Bestrebungen zu einem umfassenden Umweltschutz haben insbesondere in der Richtlinie RL 2008/99/EG ihren Niederschlag gefunden. Diese Richtlinie verpflichtet die Mitgliedsstaaten, bestimmte Umweltdelikte unter Strafe zu stellen. Während die vorhergehenden Regelungen in den Rahmenbeschlüssen RB 2003/80/JI und RB 2005/667/JI noch durch den EuGH für nichtig erklärt wurden[28], stehen diese Mängel der Richtlinie 2008/99/EG nicht mehr entgegen. Angesichts der obiter dictum getroffenen Aussagen in den genannten Entscheidungen des EuGH kann davon ausgegangen werden, dass die Richtlinie 2008/99/EG unionsrechtmäßig ist. In Art. 3 Buchst. a) RL 2008/99/EG wird der für § 324 StGB relevante Vorgang des Einleitens, Abgebens oder Einbringens von Stoffen in Gewässer, der erhebliche Schäden verursachen kann, erwähnt. Der deutsche Gesetzgeber hat wegen des ohnehin weitrechenden Regelungsumfangs des § 324 StGB keinen Umsetzungsbedarf gesehen. Dies gilt auch im Hinblick auf die Verpflichtung der Mitgliedsstaaten durch die Richtlinie 2009/123/EG, die Einleitung von Schadstoffen in das Meer von Schiffen aus unter Strafe zu stellen. Die gesetzlichen Voraussetzungen, die dies ermöglichten, waren bereits durch das 2. UKG infolge der Ergänzung des § 330d Nr. 1 StGB a.F.[29] geschaffen worden.

Von der im Jahr 2011 durch die Novellierung des § 330d Abs. 2 StGB[30] eingeführten Europarechtsakzessorietät[31] ist das Gewässerstrafrecht ausgenommen. § 330d Abs. 2 StGB sieht vor, dass bei bestimmten im europäischen Ausland begangenen Umweltstraftaten die i.S.d. § 330d Abs. 1 Nr. 4 StGB bezeichnete „verwaltungsrechtliche Pflicht“ etc. gleichzusetzen ist mit der am Tatort geltenden (EU-harmonisierten) Verwaltungsrechtslage.[32] Bei deren Verletzung können demnach Auslandstaten Deutscher unter den Voraussetzungen des § 7 Abs. 2 Nr. 1 StGB auch im Inland verfolgt werden.[33] § 324 StGB ist in § 330d Abs. 2 StGB nicht aufgeführt, weil sein Tatbestand nicht das Merkmal der Verletzung einer verwaltungsrechtlichen Pflicht enthält und der Gesetzgeber im Übrigen davon ausgeht, dass sich der Straftatbestand nicht auf die Verletzung deutschen Strafrechts beschränkt.[34] Offen ist bei § 324 StGB, ob der Gewässerbenutzer, der sich auf eine EU-ausländische Genehmigung berufen kann, durch eine solche Befugnis gerechtfertigt i.S.d. § 324 StGB ist.[35] Die besseren Gründe sprechen dafür, die in § 330d Abs. 2 StGB normierte enge Anbindung an die EU-ausländischen Verwaltungsvorschriften auch auf die dortigen Gestattungen, die – wie die verwaltungsrechtlichen Pflichten – auf den dortigen Verwaltungsvorschriften beruhen, Anwendung finden zu lassen und auf dieser Grundlage eine Strafbarkeit zu verneinen.[36]

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§ 324 StGB gilt nach der überwiegend vertretenen Auffassung als ein von jedermann begehbares Erfolgs- bzw. Verletzungsdelikt[37]. Der Taterfolg bzw. die Verletzungshandlung des § 324 StGB besteht in der unbefugten nachteiligen Veränderung des Gewässers, insbesondere in dessen Verunreinigung. Nur wer demgegenüber den Menschen und nicht das Gewässer als zu schützendes Gut in den Mittelpunkt der Bestimmung rückt, kann die Auffassung vertreten, es handele sich bei § 324 StGB um ein (abstraktes oder konkretes) Gefährdungsdelikt[38]. In diesem Fall kommt der Gewässerverunreinigung keine i.S. eines ökologischen Schutzgutes eigenständige Bedeutung zu. Sie ist lediglich ein Mittel, das im Ergebnis – konkret oder abstrakt – zu einer Gefährdung der menschlichen Gesundheit, und damit des Menschen selbst führen kann. Eine praktische Bedeutung für die Auslegung des § 324 StGB kommt diesem Meinungsstreit nicht zu. Die Vertreter der These vom Gefährdungsdelikt sind zudem erkennbar in der Minderzahl. Jedenfalls sieht auch der Gesetzgeber § 324 StGB als ein Erfolgsdelikt an.[39] Gleichwohl hat die Diskussion über die anthropozentrische versus ökologische Schutzzweckausrichtung eine nicht unwesentliche Bedeutung für die generelle Frage nach der Definition der Rechtsgüter in den einzelnen Umweltstraftatbeständen.[40]

II. Schutzgut

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Das Schutzgut dieser Vorschrift ist nach überwiegender Auffassung in Literatur und Rechtsprechung die natürliche Gewässereigenschaft im physikalischen, chemischen und biologischen Sinn (sog. ökologisch orientierte Auslegung)[41]. Ob damit das Gewässer in seiner „absoluten“ Reinheit[42] geschützt wird oder lediglich das relativ reine Gewässer in seinem konkreten Zustand, kann für die Praxis dahinstehen. Die Ausrichtung am ökologischen Idealzustand eines Gewässers jedenfalls hat zur Konsequenz, dass jede Veränderung des bestehenden Zustandes, sofern sie nur nachteilig ist, den Tatbestand des § 324 StGB erfüllt.[43] Diese Interpretation des § 324 StGB hat Anfang der 80er Jahre insbesondere durch Papier[44] Kritik erfahren. Er wandte sich gegen eine Auslegung des § 324 StGB, die sich an einem nicht existenten Ideal von Natürlichkeit und absoluter Reinheit orientiert und die menschlichen und gesellschaftlichen Benutzungserfordernisse des Gewässers in der heutigen Zeit verkennt. Papier setzte sich für den Schutz eines an den Kriterien der optimalen Gewässerbewirtschaftung ausgerichteten Gewässerzustands ein und hielt demzufolge den Tatbestand des § 324 StGB erst dann für erfüllt, wenn die Realisierung der Bewirtschaftungskonzeption vereitelt, erschwert oder verzögert wird.[45]

Der BGH hat sich im Einklang mit der herrschenden Literatur, entgegen Papier, der rein ökologisch orientierten Auslegung angeschlossen unter Hinweis auf den Willen des Gesetzgebers, mit § 324 StGB möglichst alle Fälle einer schädlichen Gewässerverunreinigung zu erfassen[46]. Damit dürfte jedenfalls für die Rechtsprechung der Streit um das Schutzgut des § 324 StGB entschieden sein. Bestehen bleibt der sich aus einer rein ökologischen Interpretation ergebende grundlegende Konflikt mit den Prinzipien des verwaltungsrechtlichen Gewässerrechts, die auf eine Gewässerbewirtschaftung ausgerichtet sind.[47]

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Eines der Grundprinzipien des Umweltstrafrechts ist das der verwaltungsrechtlichen Akzessorietät[48], d.h. der Abhängigkeit des Strafrechts vom Umweltverwaltungsrecht. Strafbar nach § 324 StGB kann eine Gewässerbenutzung nur dann sein, wenn sie unbefugt erfolgt, d.h. ohne eine wasserrechtliche Erlaubnis z.B. nach dem Wasserhaushaltsgesetz. Durch die vom BGH vertretene ökologische Interpretation des § 324 StGB geraten indes die Wertungen des Strafrechts mit denen des verwaltungsrechtlichen Gewässerrechts in Konflikt[49]. Während das Wasserhaushaltsgesetz und die Landeswassergesetze die Verwaltungsbehörden ausdrücklich zur Bewirtschaftung der Gewässer beauftragen oder ermächtigen (vgl. z.B. § 6 WHG) und der Gesetzgeber dabei selbst davon ausgeht, dass dies auch in der Form der (kontrollierten) Abwassereinleitung geschehen kann (vgl. z.B. § 57 WHG), bedeutet eine an der (relativen) Reinheit der Gewässer orientierte Schutzgutbestimmung bei § 324 StGB, dass auch die von der Verwaltungsrechtsordnung anerkannte und geforderte Bewirtschaftung in Form der Abwassereinleitung in ein Gewässer als solche bereits unmittelbar den Tatbestand des § 324 StGB erfüllt; denn die Frage der Befugnis einer Einleitung wird dogmatisch erst der Rechtswidrigkeitsprüfung zugeordnet.[50] Dies heißt streng genommen, dass der Staat auf der einen Seite – über das verwaltungsrechtliche Wasserhaushaltsgesetz – zu einer Handlung ermuntert (Wasserbewirtschaftung), die er auf der anderen Seite – über das Strafrecht – mit einem Unwerturteil (strafbare Gewässerverunreinigung) belegt.

Schmitz[51] weist zu Recht daraufhin, dass infolge des uferlosen strafrechtlichen Gewässerbegriffs, der jede (auch nur geringste) Abweichung vom „Idealzustand“ kriminalisiert, das Erfolgsdelikt des § 324 StGB praktisch zu einem abstrakten Gefährdungsdelikt „verkürzt“ werde. Er mahnt, sich der Spannungen zwischen dem strafrechtlichen und verwaltungsrechtlichen Verständnis bewusst zu sein, „um die Notwendigkeit einer Sanktionierung im Einzelfall hinterfragen zu können“.

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Dass auch unter Zugrundelegung der Auffassung der h.M. im Ergebnis dann doch nur die auch verwaltungsrechtlich „unbefugte“ Abwassereinleitung sanktioniert wird, ist im Umweltstrafrecht aus praktischen Gründen weniger erträglich als im übrigen Kernstrafrecht. Zwar wird beispielsweise auch der ärztliche Heileingriff grundsätzlich erst im Rahmen der Rechtswidrigkeitsprüfung von dem Makel der tatbestandlich erfüllten Körperverletzung befreit.[52] Während dort aber auf der Ebene der Rechtswidrigkeit im Wesentlichen nur die Frage zu diskutieren ist, ob eine Einwilligung des Patienten zum ärztlichen Eingriff vorliegt, sind die im Gewässerstrafrecht unter der „Rechtswidrigkeit“ zu behandelnden Fragen zur „unbefugten“ Gewässerverunreinigung um ein Vielfaches essenzieller und nicht zuletzt komplizierter. Dies beginnt mit der Frage nach dem Vorhandensein einer verwaltungsrechtlichen Einleiteerlaubnis, setzt sich fort in der Prüfung der Wirksamkeit, Ausgestaltung und des Umfangs der behördlichen Gestattung, der Unterscheidung zwischen der formellen und materiellen Verwaltungsrechtswidrigkeit, der möglichen Nichtigkeit eines Verwaltungsaktes, der sich hieraus ergebenden Konsequenzen und endet schließlich ganz allgemein bei der Auslegungsproblematik von behördlichen Verfügungen, um nur die gängigsten Themen zu benennen, mit denen der Strafjurist im Regelfall in Umweltstrafverfahren (erst) auf der Ebene der Rechtswidrigkeit befasst ist. Es ist nicht recht einsichtig, weshalb der Tatbestand des § 324 StGB auch dann erfüllt sein soll, wenn sich bei der Rechtswidrigkeitsprüfung herausstellt, dass die Abwassereinleitung (d.h. die Gewässerverunreinigung) nach den Kriterien des Wasserhaushaltsgesetzes genehmigt war. Diese Ungereimtheiten setzen sich fort in der rechtlichen Behandlung von Irrtümern. Auch nachvollziehbare Irrtümer über komplizierte genehmigungsrechtliche Vorgänge führen nicht zum Tatbestandsausschluss, sondern wirken sich allenfalls als Verbotsirrtum aus.[53]

In der Praxis führen diese rechtlichen Unklarheiten nicht selten dazu, dass ein Strafverfahren wegen des Verdachts eines Umweltvergehens eingeleitet wird, um auf diese Weise, oftmals in langwierigen Ermittlungen oder einer Hauptverhandlung, die verwaltungsrechtlichen Vorfragen zu prüfen. Stellt sich später heraus, dass der erforderliche behördliche Gestattungsakt zur „Tat“-Zeit vorhanden und wirksam war, wird das Verfahren eingestellt oder endet mit Freispruch. Die umweltbewusste Bevölkerung sieht sich hierdurch in ihrer Auffassung bestätigt, dass das geltende Umweltstrafrecht ein „stumpfes Schwert“ zur Bekämpfung der Umweltkriminalität ist. Für den „Tatverdächtigen“, der sich womöglich jahrelang mit dem Status eines Beschuldigten oder Angeklagten abfinden musste, dürfte die Bestätigung seiner Unschuld ein schwacher Trost und nur unter Vorbehalten geeignet sein, ihn für die Zukunft von der Vertrauenswürdigkeit der Justiz zu überzeugen.

§ 324 StGB gilt nicht als ein Schutzgesetz i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB, weil die Strafvorschrift allein dem Schutz der Allgemeinheit vor einer Beeinträchtigung der Gewässergüte dient und nicht einem Einzelnen oder einem bestimmten Personenkreis.[54] Aus demselben Grund ist der Anzeigeerstatter eines Umweltdelikts auch nicht zur Beschwerde (§ 172 Abs. 1 StPO) bzw. zum Klageerzwingungsantrag (§ 172 Abs. 2 StPO) gegen die Einstellung eines Verfahrens wegen der §§ 324 ff. StGB nach § 170 Abs. 2 StPO befugt. § 172 StPO setzt voraus, dass es einen in seinem individuellen Rechtsgut Verletzten gibt. Dies ist bei den überindividuellen Rechtsgütern des 29. Abschnitts des StGB generell nicht der Fall.[55]

III. Das Gewässer
1. Gewässerarten

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Schutzobjekt des § 324 StGB sind die Gewässer, was nach der Begriffsbestimmung des § 330d StGB bedeutet: die oberirdischen Gewässer, das Grundwasser und das Meer.[56]

Durch die Novellierung des § 330d Nr. 1 StGB im Jahr 1994 (2. UKG[57]) wurde die in der alten Begriffsbestimmung enthaltene Beschränkung auf den „räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes“ (§ 330d Nr. 1 StGB a.F.) aufgehoben. Damit ist das Gewässer im In- und Ausland zum Schutzobjekt des § 324 StGB geworden.[58] Es war das Ziel des Gesetzgebers, durch die Neuregelung in verstärktem Maße Auslandstaten, insbesondere von Deutschen zu erfassen.[59] Nach der alten Bestimmung des § 324 StGB a.F. (1980) war eine Verunreinigung eines Gewässers nur strafbar, wenn der Taterfolg in der Bundesrepublik Deutschland eingetreten war.[60] Hatte ein Deutscher einen ausländischen Fluss[61] verunreinigt, so konnte er für diese Tat nicht in der Bundesrepublik Deutschland, sondern nur im Ausland bestraft werden. Nach der Novellierung des § 330d StGB im Jahr 1994 konnte auch die Auslandstat (eines Deutschen) im Inland strafrechtlich verfolgt werden. Da für die Umweltstraftatbestände – und somit auch für § 324 StGB – das Weltrechtsprinzip des § 6 StGB nicht gilt, können demgegenüber im Ausland durch Ausländer begangene Gewässerverunreinigungen hier nur dann verfolgt werden, wenn gleichzeitig die (engen) Voraussetzungen des § 7 Abs. 2 Nr. 2 StGB vorliegen.[62] Durch die Novellierung des § 330d Abs. 2 StGB im Jahr 2011[63], mit der die Europarechtsakzessorietät[64] eingeführt wurde, hat sich hieran nichts geändert, zumal das Gewässerstrafrecht von der Europaakzessorietät ausgenommen ist.[65] Zur Frage des Einflusses ausländischer wasserrechtlicher Genehmigungen siehe unten Rn. 469. In der Kommentierung von Sack[66] findet sich unter der Überschrift „Umweltstrafrecht im Ausland“ eine hilfreiche Zusammenstellung von Literatur zur Handhabung dieser Rechtsmaterie in einer Reihe von anderen Staaten.

2. Oberirdische Gewässer

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Der strafrechtliche Begriff des oberirdischen Gewässers orientiert sich an den §§ 2 Abs. 1, 3 Nr. 1-3 WHG[67], ist aber insgesamt weiter gefasst und umfasst auch das gesamte Meer einschließlich der Hohen See und der Küstengewässer ausländischer Staaten.[68] Ein oberirdisches Gewässer i.S.d. Strafrechts ist danach, d.h. in Anlehnung an das WHG, „das ständige oder zeitweilig in Betten fließende oder stehende oder aus Quellen wild abfließende Wasser“ (§ 3 Nr. 1 WHG), also Bäche, Flüsse, Seen[69], aber auch die wasserwirtschaftlich unbedeutenden kleinen Wasserläufe und Heilquellen, wobei letztere nicht zwangsläufig der Anwendung des Wasserhaushaltsgesetzes unterfallen (§ 2 Abs. 2 WHG). Für diese „ungeregelten“ kleinen Wasserläufe bedeutet dies, dass deren Nutzung zunächst grundsätzlich[70] auch keiner wasserrechtlichen Erlaubnis bedarf. Gleichwohl wird die Auffassung vertreten, dass auch diese Tatobjekt des § 324 StGB sein können.[71] Das Verwaltungsrecht behilft sich nicht zuletzt aus haftungsrechtlichen Gründen[72] mit der Hilfskonstruktion, dass solche (kleinen) Gewässer regelmäßig in größere Gewässer einmünden, die dann und ab da dem WHG unterfallen.[73]

Weder zu den oberirdischen noch überhaupt zu den Gewässern i.S.d. § 324 StGB zählen die Moore und Sümpfe[74], das sich nur gelegentlich in Regenpfützen oder in Baugruben ansammelnde Wasser, sofern keine Verbindung mit dem Grundwasser besteht[75] und Wasser, das sich in festen Behältnissen, wie z.B. in einem Schwimmbecken oder in einer Kläranlage oder in geschlossenen Abwasser- oder Wasserversorgungsleitungen befindet.[76] Eine Einleitung schadstoffhaltigen Abwassers allein in die Kanalisation erfüllt deshalb den Tatbestand des § 324 StGB nicht.[77] Zur Thematik des sog. flüssigen Abfalls vgl. unten Rn. 43.

Wird das fließende Gewässer dagegen nur zeitweilig und teilweise durch Röhren oder Tunnel geleitet und verliert es nicht die Verbindung zum natürlichen Wasserkreislauf (etwa indem es direkt einer Kläranlage zugeführt wird), handelt es sich wieder um ein i.S.d. § 324 StGB oberirdisches Gewässer.[78]

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Auch das Gewässerbett als solches wird grundsätzlich[79] von § 324 StGB geschützt. Die h.M. im Strafrecht geht insoweit von einer Einheit von Wasser, Bett und Ufer aus, was allerdings im Wasserrecht umstritten ist, da das Ufer in der Begriffsbestimmung des § 3 WHG nicht erwähnt ist.[80] Dies gilt jedoch nicht für Flussbetten, die ganzjährig trockenliegen.[81] Es soll aber ausreichen, dass die Schadstoffe, die dem trockenen Wasserbett zugefügt wurden, später Bestandteil eines temporär einfließenden Gewässers werden.[82]

3. Grundwasser

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Zum Grundwasser zählt das gesamte unterirdische Wasser (in der „Sättigungszone“[83]), unabhängig davon, ob es sich um stehendes, fließendes oder in Erdhöhlen befindliches Wasser handelt. Für die Anwendbarkeit des § 324 StGB entscheidend ist auch hier, dass das Wasser dem natürlichen Wasserkreislauf zuzurechnen ist.[84] Danach fällt das in Leitungen, Rohren oder auf ähnliche Weise künstlich gefasste Wasser nicht unter § 324 StGB, es sei denn, es steht (wie z.B. in unterirdischen Drainageleitungen) mit dem Wasserkreislauf in Verbindung.[85]

Wasseransammlungen in Sand- oder Baugruben, Regenpfützen o.ä., die als solche nicht zu den (oberirdischen) Gewässern i.S.d. § 324 StGB zählen,[86] können, sobald sie ins Erdreich bis in die „Sättigungszone“ versickert sind, Bestandteile des Grundwassers werden. Wurde das Sickerwasser zuvor verunreinigt, kann damit eine nachteilige Veränderung des Grundwassers herbeigeführt werden.[87] Umgekehrt verliert das bei einem Wassereinbruch in einem Keller oder in einer Baugrube hervorgetretene Grundwasser seine natürliche Verbindung zum unterirdischen Wasserkreislauf und damit auch seine Gewässereigenschaft i.S.d. § 324 StGB.[88] Verbleibt die Versickerung von schadstoffhaltigem Abwasser in der ungesättigten Zone des Erdreichs, also ohne Verbindung zum Grundwasser, kann der Bereich des Bundesbodenschutzgesetzes (§ 2 Abs. 1 BBodSchG) tangiert sein.[89]

Das Amtsgericht Schwäbisch Hall hat in einem Fall, in dem es bei einem Autounfall zum Austritt von Dieselkraftstoff in das Erdreich kam, den Tanklastfahrer vom Vorwurf des § 315c StGB (Gefährdung des Straßenverkehrs) freigesprochen. Es hat dies damit begründet, dass das (belastete) Erdreich selbst keine Sache von bedeutendem Wert sei. Etwaige Entsorgungskosten stellten keinen für das Erdreich wertbildenden Faktor dar. Hinsichtlich etwaiger Auswirkungen auf das Grundwasser hat das Gericht die Auffassung vertreten, dass es hierbei an der Eigenschaft der „fremden Sache“ i.S.d. § 315c StGB fehle, da das Grundwasser nach dem Baden-Württembergischen Wassergesetz in niemandes Eigentum stehe und demzufolge „eigentumsähnliche Rechte“ am Grundwasser nicht gebildet werden könnten.[90]

Das OLG Jena hatte sich mit der Versenkung von Salzabwässern (sog. Kaliendlaugen) in tief gelegene Steinschichten zu befassen. Die Staatsanwaltschaft Meiningen hatte ursprünglich Anklage u.a. nach den §§ 324, 326 StGB mit der Begründung erhoben, dass die entsprechenden wasserrechtlichen Versenkerlaubnisse rechtswidrig seien, weil sie dem wasserrechtlichen Besorgnisgrundsatz (§ 48 WHG) nicht Rechnung getragen hätten. Sie seien zudem in kollusivem Zusammenwirken (§ 330d Abs. 1 Nr. 5 StGB) mit den zuständigen Behördenvertretern bewirkt worden. Das (gleichwohl bereits salzhaltige) Grundwasser sei durch die Salzabwässer verunreinigt worden. Das LG Meiningen hat die Anklage nicht zugelassen und die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt. Das OLG Jena hat die Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen die Nicht-Eröffnungsentscheidung des Landgerichts in einer – auch für die Frage eines kollusiven Zusammenwirkens i.S.d. § 330d Abs. 1 Nr. 5 StGB – lesenswerten Entscheidung zurückgewiesen.[91]

Zum sog. Fracking in großen Tiefen des Erdreichs und damit möglicherweise in Grundwasserbereiche siehe unten Rn. 31.

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