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11. Andere Sichtweisen

Sie führte sie bis auf das Dach des zwanzigstöckigen Gebäudes. In der Mitte der Ziegel thronte eine flache Plattform, umgeben von einem schmiedeeisernen Geländer. Das Emblem des Arkanen Instituts prangte auf allen Gitterstäben.

Die Aussicht war atemberaubend. Løbago lag zu ihren Füßen. All die riesigen Häuser und die windschiefen Hütten, die roten und die grauen Ziegeldächer und die steinernen Brüstungen, die ein chaotisches Muster ergaben. Sie konnten bis zur Stadtmauer sehen, die sich rund um Løbago erstreckte. Und sie sahen noch etwas.

Magie war überall. Viel stärker als in dem blöden leeren Raum. Sie waberte über die Stadt, durch die schmalen Gassen und die breiten Alleen. Norman legte den Kopf in den Nacken und selbst dort sah er sie. Bis hoch in den Himmel hinaus.

»Wahnsinn«, murmelte er und natürlich suchte Eterna sich diesen Moment aus, um hinter ihm zu erscheinen.

»Magst du es?«, zwitscherte sie. »Wunderbar, oder? Immerhin das ist ein Anblick, der den Motoren verwehrt bleibt.«

»Oh.« Schade. Irgendwie dachte er, dass Lauchi den Anblick gemocht hätte. Die Schwaden bewegten sich fast wie in einem unendlichen, trägen Tanz um sie herum. Sie wurden sichtbarer, wenn er sich konzentrierte, und verblassten beinahe bis zur Unsichtbarkeit, wenn er auf etwas anderes achtete. Auf die Arbeiter, die das Dach gegenüber reparierten zum Beispiel. Schweiß glänzte auf ihren bloßen Oberkörpern.

Gudrun pfiff ihnen nach und Ove schaute verletzt. Standen tatsächlich Jungs auf Gudrun Lovell? Norman hätte seine Mitstudenten gern gefragt, aber … Na ja, er redete nicht mit ihnen und sie nicht mit ihm.

»Sollte ich netter sein?«, fragte er Lauchi beim Abendessen. Es gab Runkelrübeneintopf mit Fett. »Ich meine … Kann es sein, dass ich zu gemein zu den anderen Saugern war?«

Lauchis Augen hinter den Brillengläsern musterten ihn vorsichtig. Der Kleine kaute auf der Unterlippe herum, bis sie prall und gerötet war.

Norman schluckte. Sein Mund war mit einem Mal trocken.

»Also vielleicht?« Lauchi lächelte unsicher. »Du … bist ziemlich direkt.«

»Danke, Lauchi.« Norman kratzte den Teller aus. Dann hob er ihn vor das Gesicht und leckte ihn sauber.

»Heimfried«, sagte Lauchi. Norman senkte den Teller und sah ihn fragend an. Lauchi saß sehr gerade. Sein Blick war fest, aber die schmalen Schultern zitterten ein wenig.

»Was?«

»Ich mag nicht, dass du mich Lauchi nennst«, sagte der Kleine. »Bitte nenn mich Heimfried.«

Norman grinste.

»Du hast also doch ein bisschen Rückgrat, was?« Er schüttelte den Kopf. »Ist gut, Heimfried.«

Heimfried lächelte. Seine Augen strahlten und schon wieder verwandelte er sich in ein echt hübsches Kerlchen.

»Danke, Norman.«

»He, ich muss noch ’ne Weile mit dir auskommen, oder? Kann dich doch nicht wütend machen.« Norman wackelte mit den Augenbrauen. »Immerhin bist du ein gefährlicher Typ. Klappt’s jetzt mit den Feuerbällen?«

»Ein bisschen. Also.« Heimfried schaute auf seinen nur halb leeren Teller. »Ich wollte dich etwas fragen. Aber du kannst Nein sagen. Du sagst bestimmt Nein.«

»Damit hab ich kein Problem«, bestätigte Norman. »Isst du das noch?«

»Wie? Nein.« Heimfried schob den Teller zu ihm herüber. Norman begann, gierig zu löffeln. »Was ich fragen wollte, ist … Am Samstag trainieren wir doch alle zusammen. Da ist der Hindernislauf und so. Und jeder Motor braucht einen Katalysator. Äh.«

Er schluckte. Norman tauchte den Löffel in die Suppe.

»Stimmt ja. Machen wir das zusammen?«

Lau... Heimfried blinzelte.

»Das wollte ich dich fragen. Aber ich halte dich doch bestimmt auf, oder? Da muss man schnell sein und … und stark und gut und das bin ich alles nicht.«

»Wird schon.« Norman schenkte ihm ein Grinsen, das sich anfühlte, als würde es bis zu seinen Ohren gehen. »Mit wem soll ich denn sonst den Lauf machen? Wir kriegen dich schon auf Vordermann.«

»Echt?« Heimfried schaute, als wüsste er nicht, ob er lachen oder abhauen sollte. »Du willst mich trainieren?«

»Jupp. Als Dankeschön, weil du mir die Wahrheit über diesen Keuschheitsscheiß erzählt hast.«

»Oh. Bitte.« Heimfried wurde knallrot.

12. Fruchtlose Zusammenarbeit

Die Tage vergingen wie im Flug. Norman stellte fest, dass er der Schlechteste in der verdammten Katalysatorenklasse war, dicht gefolgt von Gudrun Lovell, die ihre Wut darüber an jedem ausließ, der ihr in die Quere kam.

Ein Katalysator zu sein war leider saulangweilig. Unglaublich langweilig. Alles, was sie übten, war, mehr Magie aufzunehmen. Anscheinend konnte man die im ganzen Körper ansammeln. Als wäre man ein riesiger Beutel oder so.

Ove, der Streber, schaffte es von den Fingerspitzen bis zu den Schultern. Norman immer noch nur bis zu den Ellenbogen.

Zwischen den Übungen verzapfte Eterna seltsames Geschwafel über die Bereitschaft zu dienen oder so. Norman versuchte wirklich, sich zu konzentrieren. Er wollte schließlich der beste Katalysator aller Zeiten werden. Aber es war hart. Verdammt hart.

Etwas anderes war auch oft hart und eigentlich hätte er jetzt etwas dagegen tun können. Doch nach zwei Jahren Abstinenz kam es ihm zu einfach vor, sich nachts heimlich einen runterzuholen, sobald Heimfried schlief. Er wollte es richtig feiern. Also plante er, am Sonntag in sein altes Viertel zu gehen und sein erwettetes Geld mitzunehmen. Es würde sich schon jemand finden. Wenn er ehrlich war, konnte er es kaum erwarten. Nur musste er erstmal den Hindernislauf überstehen.

Am Samstagmorgen versammelten sich alle Erstjahres-Motoren und -Katalysatoren in einem gefliesten Raum. Einem viel größeren als ihrem langweiligen Klassenzimmer. Trotzdem war es brechend voll.

Aus irgendeinem Grund nahmen die Motoren mehr Platz ein als die Katalysatoren. Dabei waren sie nicht mehr. Oder dicker, höchstens im Schnitt ein wenig muskulöser. Norman war vermutlich der einzige Katalysator, der beim Langhantel-Bankdrücken 100 Kilo stemmen konnte.

Dass sie größer wirkten, lag an ihrer raumgreifenden Art. Sie machten sich verdammt breit. Lärmende Motoren in Trainingsanzügen waren überall, wo Norman hinschaute. Selbst deren Kleidung war besser als die der Katalysatoren. Die Baumwollhosen waren enger geschnitten als das blöde Teil, das er anhatte, und darüber trugen sie lederne Westen und Armschützer. Die brauchten sie auch, so, wie sie mit Feuer hantierten.

Brenna zwang den armen Ove, ihr Magie zu spenden. Woher konnten die das schon? Fröhlich lachend ließ sie einen Feuerball über der Hand kreisen. Fast hätte Norman sehnsüchtig geseufzt, als er das sah.

Nein, dachte er. Du hast einen neuen Traum. Du musst ein unglaublicher Katalysator werden. Gunnars Katalysator.

Etwas abseits vom Trubel stand Heimfried. Norman zwinkerte ihm vom anderen Ende des Raums aus zu und er lächelte scheu.

»Mit wem flirtest du denn, Glühwürmchen?«, rief ein massiger Motor. Norman erinnerte sich an ihn, von der Erweckungszeremonie. Pessni Dieksson.

»Niemand«, murmelte Heimfried, sichtlich unglücklich darüber, dass man ihm Aufmerksamkeit widmete.

»Bist du scharf auf den Klops da?« Pessnis breiter Finger deutete auf Norman. Der ließ die Schultern rollen und die Knöchel knacken.

Heimfried errötete.

»Er ist scharf auf ihn!« Pessni lachte. »Hey, Klops, das ist dein Glückstag. Ach ne, du bist ja ein Schäfchen! Määäh!«

Als Eterna Sølmgard und der Dozent der Motorenklasse den Raum betraten, wälzten Norman und Pessni sich auf dem Boden. Norman rammte seinem Gegner das Knie in den Unterleib und Pessni brüllte laut auf. Er musste aus der Mittelschicht stammen oder so. Wusste nicht, wie man einen Kampf gewann.

Ein Luftstoß riss Norman von ihm herunter. Er schrammte über die Fliesen und rollte bis an die Wand. Wütend rappelte er sich wieder auf.

»Was wird das?« Der Lehrer der Motorenklasse, ein muskulöser Rothaariger mit einem beeindruckenden Bart, stierte ihn böse an. »Greifst du meine Schüler an, Junge?«

»Nur dieses Arschloch da.« Norman warf Pessni einen verächtlichen Blick zu. Der lag immer noch am Boden und hielt sich den Schritt. Alle anderen starrten. »Und nur, weil er ein Arschloch ist.«

Die Augen des Rothaarigen wurden schmal. Ohne Eterna anzusehen, streckte er die Hand aus.

»Magie, Sølmgard«, befahl er. »Jetzt.«

Vielleicht irrte Norman sich, aber er glaubte, dass Eternas Augenlid leicht zuckte. Ihr Lächeln war selig und unverrückbar.

»Mein armes Schäfchen hat genug, denke ich.« Sie legte den Kopf schief. »Wir wollen die Bestrafung doch nicht übertreiben. Oder, Friedhelm?«

Der Rothaarige schaute sie verächtlich an.

»Du bist zu weich, Sølmgard. Kein Wunder, dass deine Schüler sich so aufführen.«

»Für gewöhnlich sind es deine, die …« Eterna atmete tief ein und schloss die Augen. »Streiten wir uns nicht. Fangen wir lieber damit an, diese Bande in hübsche Zweiergrüppchen aufzuteilen.«

Der Rothaarige knurrte und warf seinen goldgelben Umhang über die Schulter zurück. Er stolzierte in die Mitte des Raums und hob eine Hand. Sofort war es still. Selbst die lautesten Motoren hielten die Klappe. Norman hatte vorhin gar nicht gemerkt, wie ohrenbetäubend der Lärm gewesen war.

»Ruhe!«, brüllte der Kerl überflüssigerweise. »Heute findet euer erster Hindernislauf statt, also verliert keine Zeit. Jeder Motor sucht sich einen Partner und dann wird geübt! Mit Feuer! Alles klar?«

»Klar!«, riefen die Motoren und die Katalysatoren stimmten stotternd ein.

»Eine kleine Anmerkung noch.« Eterna trat neben ihn und er rollte mit den Augen. Norman mochte den Kerl nicht. Was für ein Platzhirsch. »Wie Friedhelm bereits erwähnte, findet ihr euch in Paaren zusammen. Mit eurem Partner oder eurer Partnerin bleibt ihr für den Rest des Semesters beisammen. Im zweiten werden wir stetig hin- und herwechseln, aber zunächst sollt ihr lernen, euch auf die Energien einer einzigen Person einzulassen.« Sie lächelte mal wieder. »Falls es in den ersten Stunden nicht so funktioniert, wie ihr es euch wünscht: Macht euch keine Sorgen. Ihr habt ein halbes Jahr, um euch an euren Partner und die arkane Gabe zu gewöhnen.«

»Ja, ja.« Friedhelm stemmte die Fäuste in die Hüften. »Damit eins klar ist: Beim Hindernislauf gibt es eine Rangliste. Und die wird jede Woche im Speisesaal ausgehängt. Macht euch also klar, dass die Letzten das Gespött des ganzen Instituts sind.«

»Friedhelm …«, begann Eterna, doch der unterbrach sie.

»Hat noch jemand Fragen?«, bellte er. Norman hob die Hand.

»Hat Frau Sølmgard Sie mal abblitzen lassen oder warum sind Sie so ein Kackstiefel?«, fragte er.

Er hörte nervöses Kichern aus der Menge. Waren die Augen des Rothaarigen bisher schmal gewesen, so waren sie nun nur noch zwei Striche.

»Du schon wieder!« Seine Stimme hallte durch den Raum. »Du bist bestimmt ein ganz toller Katalysator, was?«

»Der Beste«, behauptete Norman und spürte die ungläubigen Blicke seiner Mitschüler auf sich. Aber keiner sagte etwas.

»Na dann bist du ja fantastisch, egal mit wem du das Hindernisrennen machst.« Friedhelm grinste böse. »Glühwürmchen, du suchst dir den Kerl da aus, klar?«

Heimfried zuckte zusammen. Mit riesigen Augen schaute er zu dem Rothaarigen auf.

»J-ja, Herr Dombas!«, stotterte er und sah Norman entschuldigend an. Dabei hatten sie das doch eh schon beschlossen. Norman unterdrückte ein Grinsen.

»Oh nein«, sagte er, wenig überzeugend. Komisch, die Motoren grienten ihn alle so hämisch an. So schlecht konnte Heimfried nicht sein, oder?

War er aber. Besser gesagt: Sie waren zusammen eine Katastrophe.

»Konzentrier dich, mein Schäfchen«, säuselte Eterna. Sie saß im Schneidersitz neben ihnen und versuchte, zu retten, was zu retten war. Das war nicht viel.

Norman, ebenfalls im Schneidersitz, hob die Hände und nahm so viel Magie auf, wie er konnte. Einen Eierbecher voll etwa. Jämmerlich. Das kalte Kribbeln in den Fingerspitzen ekelte ihn immer noch an. Widerlich war das …

»Sträub dich nicht dagegen«, sagte Eterna. »Lass es zu.«

Das wollte er, aber … es klappte einfach nicht. Die Magie schleppte sich bis zu seinen Ellenbogen. Das war alles. Das Lichtnetz war nur ein löchriger Handschuh. Er räusperte sich, peinlich berührt. Viel zu viele Leute sahen ihnen zu. Die, die nicht gerade damit beschäftigt waren, Feuerbälle hin- und herzuwerfen. Herr Dombas hatte das erlaubt. Jetzt war Norman auch klar, warum sie sich in einem Raum mit Steinfliesen bis zur Decke befanden.

»Nicht übel, mein Schäfchen«, log Eterna. »Nun gib die Magie an deinen Partner weiter.«

Heimfried streckte die Hände aus. Sie zitterten nervös, als er Norman die Handflächen hinhielt. Der berührte sie vorsichtig. Eiskalt waren die, fast so kalt wie seine magieverseuchten Finger. Er befahl der Magie, sich in Heimfrieds Körper zu verkrümeln und ihn in Ruhe zu lassen und zog die Hände wieder weg. Er spürte selbst, wie wenig er übertragen hatte. Von dem Eierbecher voll ging höchstens ein halber Teelöffel in Heimfried über, der Rest verpuffte in der Luft.

Heimfried japste trotzdem, als der Hauch Magie in ihn eindrang. Mit zusammengepressten Lippen starrte er auf seine Fingerspitzen. Das goldene Netz reichte kaum bis zu seinen Handgelenken.

»Versuch es mit Feuer, Mäuschen«, sagte Eterna. »Das habt ihr gelernt, oder?«

Heimfried nickte, totenbleich. Als wären sie hochexplosiv, drehte er die Handflächen nach oben.

»Atmen nicht vergessen, Mäuschen.«

Heimfried schnappte nach Luft wie ein Fisch, dann schloss er die Augen. Ein Schweißtropfen rann an der weißen Schläfe hinab. Ein winziges Flämmchen blitzte über den Handflächen auf. Kleiner als ein Kerzenlicht. Es verpuffte sofort. Norman verstand langsam, warum sein Spitzname »Glühwürmchen« war.

»Gar nicht schlecht«, sagte Eterna. »Immer weiter so. Stellt euch aufeinander ein.«

Sie nickten bedröppelt. Eterna ging zum nächsten Pärchen. Gudrun Lovell und Tore. Ausgerechnet die beiden hatten sich zusammengefunden. Wie? Und wieso schaute Tore Gudrun an, als wäre sie ein frischgebackenes Törtchen? Schien ihr nicht sonderlich zu gefallen.

»Na, wie läuft’s, ihr Versager?«, rief Pessni zu Norman und Heimfried herüber. Norman wandte den Kopf, um ihn warnend anzusehen. Über Pessnis Hand flackerte ein faustgroßer Feuerball.

»Traust du dich nochmal, mich anzugreifen?« Der Drecksack grinste breit. »Komm doch her.«

»Feigling«, knurrte Norman. »Mach die Funzel aus und komm mit vor die Tür, wenn du Kloppe willst.«

»Hm.« Pessni schien nachzudenken. Die Flamme flackerte unruhig. Dann lächelte er. »Nö. Glaub, das mach ich nicht. Willst du, dass ich dir die Augenbrauen abflämme?«

»Mein Frettchen, wir wollen uns doch nicht gegenseitig verletzen, oder?« Eterna stand plötzlich hinter Pessni. Er schrak zusammen. Die Flamme zuckte und erlosch.

»Nein«, murmelte er. »Ich wollte nur das Pärchen da ein bisschen ärgern. War ganz harmlos.«

Norman grunzte verächtlich. So ein Feigling. Allerdings einer, der das Rennen gewinnen konnte. Bei ihm und Heimfried sah es eher mau aus.

»Stört es dich nicht?«, flüsterte Heimfried, als sie beim Mittagessen saßen. Er schien noch niedergeschlagener als sonst.

»Was soll mich stören?«, fragte Norman. Er fühlte sich auch niedergeschlagen, aber das durfte man ihm nicht ansehen. Also saß er extra aufrecht und spachtelte den Eintopf in sich hinein. Auch wenn er keinen Hunger hatte.

»D-dass Pessni uns ein Pärchen nennt.«

»Wär doch nicht schlimm, wenn es so wäre, oder?« Norman zuckte mit den Achseln. »Ist ja nicht verboten.«

Heimfried sah ihn an, als wollte er etwas herausfinden. Was, war Norman schleierhaft.

»Nein, ich schätze nicht.« Er räusperte sich. »Aber er sagt es, um uns zu ärgern.«

»Ja, und? Wenn er weiter nervt, hau ich ihm halt eine. Kein Problem.«

»Er k-kann Feuerbälle werfen.«

»Stimmt, das könnte ein Problem sein.« Norman legte den Kopf schief. Er würde lernen müssen, sich schnell zu ducken. »Aber so blöd, mich anzugreifen, ist der nicht, oder? Wir dürfen uns doch nicht verletzen.«

»Na ja.« Heimfried griff nach seinem Pferdeschwanz, der nur noch ein verkohlter Stummel war. Oh.

»Ist der noch kürzer geworden?«

Heimfried nickte. Die großen Augen wurden feucht.

»War das wieder Brenna? Soll ich mit ihr reden?« Man muss seine Kämpfe selbst austragen, rief seine Mutter in seinem Kopf. Es bringt dich nicht weiter, wenn es jemand anders macht. Aber Heimfried war doch viel zu schwach dafür …

»Nein, das war Pessni«, murmelte der Kleine. »Ich glaube, er wollte Brenna beeindrucken.«

»Was?« Norman sah zu dem Motorentisch herüber. Pessni beugte sich über die halbe Tischplatte, um Brenna irgendetwas zu erzählen. Die lehnte sich zurück und lächelte süß. Armer Pessni. Sie hatte es den Kerlen nie leicht gemacht.

»Er schaut immer zu ihr herüber«, flüsterte Heimfried. »Wenn er mich ärgert. Als wollte er, dass sie es sieht.«

»So ein Arsch. Und dieser Friedfurz tut nichts dagegen.« He, Friedfurz. Lustig.

»Nein, aber … das ist das Recht des Stärkeren. Sagt Herr Dombas. Der Stärkere gewinnt halt.«

»Ich wette, er hält auch die Motoren für die Stärksten, richtig? Für besser als … als uns.«

Trotz allem ging es Norman nicht flüssig über die Lippen. All die Feuerbälle heute hatten ihm gezeigt, was er verloren hatte, als das lila Licht ihn eingehüllt hatte.

Heimfrieds Schweigen sagte ihm alles, was er wissen musste.

»Dem Arsch zeig ich’s«, knurrte Norman. »Heimi, kneif die Arschbacken zusammen, klar?«

»Wie bitte?«

»Streng dich an. Wir gewinnen dieses bekackte Rennen.«

»Wie bitte?!« Heimfried packte das Besteck so fest, als wäre es sein Anker im Sturm.

»Wir gewinnen.« Norman beugte sich vor. »Du und ich. Versagen ist nicht erlaubt, klar?«

Heimfrieds Augen waren riesig. Die Unterlippe zitterte.

»Ist das klar?«, wiederholte Norman lauter. Erst, als er die Faust auf den Tisch donnerte, reagierte Heimfried.

»J-ja, ich geb mir Mühe«, flüsterte er.

»Mühe geben reicht nicht! Willst du gewinnen?«

Heimfried zuckte mit den Achseln und schaute Norman an, als wäre er ein Eismonster.

»Schon, aber …«

»Es gibt kein Aber!«

Heimfrieds Unterlippe zitterte. Mist, wenn er so weitermachte, würde der Kleine in Tränen ausbrechen. Norman seufzte.

»Du gibst dir Mühe, klar? Richtig viel Mühe. Tausend Prozent Mühe.«

»J-ja.« Heimfried sprach so leise, dass er ihn kaum verstand. Super.

13. Gemeinsam versagen

Der Hindernislauf fand im Park statt. Der war durch vier Meter hohe Mauern von der Außenwelt abgeschirmt. Zum Glück, denn so konnte niemand sehen, wie sie sich blamierten. Und sie blamierten sich. Fürchterlich.

Es fing damit an, dass Heimfried bei der Einführung umknickte. Einfach so, bevor Norman ihn stützen konnte.

»Entschuldigung«, murmelte er, als Norman ihm aufhalf. »Ich fühle mich plötzlich so mies. Vielleicht werde ich krank, oder …«

»Bist du fertig mit Schwächeln, Glühwürmchen?«, brüllte Friedhelm über alle Köpfe hinweg und Heimfried wäre fast wieder umgefallen. Norman hörte Kichern. Die anderen Motoren. Und ein paar Katalysatoren. Klar, die freuten sich, dass mal jemand erbärmlicher war als sie.

Sie standen mit den Rücken zum Institutsgebäude. Vor ihnen erstreckte sich eine geschwungene Hecke. Dahinter sah man nur Himmel, aber man erahnte noch mehr Gestrüppe, immer gleiche, fein gestutzte. Norman hatte sie vom Fenster aus gesehen, aber er wusste nicht, wie viele es waren. Viele auf jeden Fall. Er ahnte schon, worauf es hier hinauslaufen würde.

Wie der Rest des Parcours aussah, wusste er leider nicht. Geschweige denn, welche Hindernisse sie erwarteten.

Der Duft von feuchter Erde und fauligen Blättern lag in der Luft. Und etwas anderes, auf das er gerade nicht kam. Etwas … hm, blaues? Konnte nicht sein. Blau war kein Geruch. Über ihnen und um sie herum tanzte Magie. Norman schauderte, als ein transparenter Strang Magie über seine Schulter strich. Er spürte sie kaum, aber es war schlimm genug, sie zu sehen.

»Wie ich bereits sagte, ist die Strecke ausgeschildert. Wer versucht, abzukürzen, bekommt zehn Minuten Strafzeit. Wer die Strecke nicht innerhalb einer halben Stunde absolviert, wird disqualifiziert! Jeder Abschnitt wird überwacht, also glaubt nicht, ihr könnt uns verscheißern!« Friedhelm holte tief Luft, um noch lauter zu werden. »Als Erstes lauft ihr an den Hecken entlang. Wenn ihr nicht völlig verblödet seid, folgt ihr den Pfeilen, die überall hängen! Habt ihr das kapiert?«

»Ja!«, rief die gesamte Gruppe. Die Katalysatoren gewöhnten sich langsam auch den militärischen Tonfall an. Eterna stand mit vor dem Bauch verschränkten Fingern neben Friedhelm. Das hier überließ sie wohl ihm.

»Habt ihr alle eure Schilder?«

Unwillkürlich sah Norman an sich herunter. Um seinen Hals hing ein Pappschild, auf das man mit lilafarbener Schrift »13« geschrieben hatte. Lauchi, äh, Heimfried trug das gleiche Schild in Gelb. Die Nummer Eins hatte Friedhelm Brenna gegeben. Sie war gerade dabei, Ove letzte Anweisungen zu erteilen. Friedhelm brüllte weiter.

»Dann stellt euch hinter der Ziellinie auf! Schön zusammenbleiben, klar?«

»Klar!«

Sie marschierten auf die weiße Linie im Kies zu. Rechts neben ihnen lag die gesamte Länge der ersten Hecke. Norman musste Heimfried stützen und das gefiel ihm gar nicht.

»Reiß dich zusammen!«, zischte er. »Einatmen, ausatmen! Und Brust raus!«

»J-ja.« Der Kleine wirkte wieder, als würde er gleich heulen.

Sie stellten sich neben Gudrun und Tore. Der sah Norman nicht an. Schon die ganze Zeit über. Wahrscheinlich traute er sich nicht.

»Na, Lovell?« Norman grinste. »Freust du dich auf den letzten Platz?«

»Wir gewinnen«, knurrte Gudrun. »Ist das klar, Tore?«

»Klar.« Tore schien so nervös, als säße ihm eine Raubkatze im Nacken.

»Auf die Plätze!«, brüllte Friedhelm und ein Energiestoß durchzuckte Norman. Gewinnen!, schrie er innerlich. »Fertig! Los!«

Kies spritzte, als über dreißig Leute auf einmal starteten. Heimfried stolperte. Norman packte ihn am Ärmel und zerrte ihn mit. Das war der einzige Grund, aus dem sie die anderen nicht schon bei der ersten Biegung aus den Augen verloren.

Es ging scharf nach rechts um die Ecke. Heimfried rutschte fast im Kies aus, strauchelte und fing sich wieder. Dann rannten sie zwischen zwei Hecken entlang. Am Ende der Reihe ging es scharf nach links. Heimfried stolperte wieder und eine weitere Reihe erstreckte sich vor ihnen.

Und eine weitere.

Und eine weitere.

Nach fünf Reihen war Normans Rücken schweißnass und die anderen waren außer Sicht. Er hörte ihre Schritte und Rufe, gedämpft durch die Blätter. Heimfried keuchte, als wäre er kurz vorm Verrecken.

»Bisschen langsamer«, brachte er hervor. Norman ignorierte ihn. Er zerrte ihn voran. Der blöde Kies rutschte ihm unter den Füßen weg und nun wäre er selbst fast umgekippt. Seine Lunge brannte, aber er durfte nicht aufgeben. Nie!

Reiß dich zusammen!, dachte er. Du gewinnst dieses Rennen, und wenn du den Kleinen die ganze Strecke über hinter dir herschleifen musst.

Er packte den dünnen Arm fester und seine Pranke umschloss ihn fast ganz. Kein Wunder, denn er war schlank wie ein junger Zweig. Der Kleine würde heute beim Training mitmachen, ob er wollte oder nicht …

»M-muss mich übergeben«, keuchte der Kleine und Norman ließ ihn mit einem frustrierten Knurren los. Heimfried stützte sich japsend auf die Knie. Sein Gesicht war knallrot. Zum Glück spuckte er doch nicht.

Norman wartete mit zusammengebissenen Zähnen, bis das Schlimmste vorbei war. Er hatte keine Wahl. Alleine weiterlaufen ging nicht. Sie mussten den Lauf gemeinsam absolvieren, denn irgendwo da hinten waren Hindernisse, die man nur mit Magie überwinden konnte. Zu zweit also.

»Geht’s wieder?«, fragte er.

Der Impuls, dem Kleinen den Rücken zu tätscheln und ihm irgendetwas Aufmunterndes zuzuflüstern, war mächtig. Aber er kämpfte ihn nieder. Mitleid hatte noch niemandem geholfen.

Heimfried nickte atemlos. Norman packte ihn wieder am schmächtigen Handgelenk und zog ihn weiter. Etwas langsamer diesmal.

Es waren zwölf Hecken. Schon ab der elften klangen die Stimmen der anderen Studenten näher als zuvor. Ah, da mussten die ersten Hindernisse sein. Anscheinend hielten sie die anderen lang genug auf, dass Norman und Heimfried aufholen konnten. Durch die bereits rotbräunlichen Blätter drang ein Jubeln. Irgendetwas war passiert. Es hörte Tuscheln und Fluchen.

Dann bogen sie um die Ecke und eine Eismauer ragte vor ihnen auf. Bestimmt sechs Meter hoch, glänzend, nass und kalt. Jetzt kapierte Norman, was er vorhin gerochen hatte. Künstliches Eis. Aus Magie erzeugt roch es metallischer als echtes.

»Riesig«, japste Heimfried.

»Jupp.«

Die Mauer erstreckte sich von einer Seite des Parks bis zur anderen. Kein Durchkommen. Es sei denn … man brannte sich hindurch. Das versuchten 16 Motor-Katalysatorpaare gerade. Eins hatte es wohl schon geschafft. In der Mauer prangte ein Loch. Die Wände waren so breit wie Normans Schultern.

»Wieso gehen sie nicht einfach durch das?«, fragte Norman, als sie darauf zuliefen.

»Zahlen.« Heimfried konnte kaum sprechen. Aber sein wackelnder Finger deutete auf eingeritzte Nummern in der Wand. Oh.

Brenna flämmte sich gerade durch die Nummer 1. Ihr Gesicht war schweißnass und entschlossen. Immer wieder reckte Ove die Hände in die Luft, sie klatschten sich ab und Brenna warf Feuerbälle auf das kleine Loch, das sie erzeugt hatten. Im Gegensatz zu den meisten waren sie ruhig. Schreie, Anfeuerungen und Flüche gellten in ihren Ohren. Die meisten Teams waren noch nicht weit. Noch konnten sie es schaffen!

Sie fanden die Nummer 13 da, wo sie hingehörte, zwischen der 12 und der 14. Die beiden Paare dort hatten erst kopfgroße Kuhlen in das Eis gefräst.

»Gut, Heimfried.« Norman rieb sich die Hände. »Du wirfst alles, was du hast, auf diese Mauer, klar?«

Heimfried nickte, halbwegs entschlossen. Norman reckte die Hände hoch, in die nächstbesten Magieschwaden und … ekelte sich. So klamm und widerlich. Nein, er hatte keine Zeit, zu zögern. Er war doch kein Feigling, verdammt! Er musste das tun, egal, wie übel es sich anfühlte. Mit zusammengebissenen Zähnen zapfte er die Atmosphäre an. Wie immer kroch die Kälte nur bis zu den Ellenbogen, aber egal. Schwer atmend legte er die Handflächen auf Heimfrieds und gab ab. Er unterdrückte ein erleichtertes Seufzen, als der Frost seinen Körper verließ.

»Los, Heimfried!«, rief er.

Der wirbelte herum und schleuderte alles, was er hatte, gegen das Eis. Alles, das war ein Mini-Flämmchen, das eine fingernagelgroße Kuhle in das Eis schmolz. Norman grunzte frustriert und Heimfrieds Schultern sanken.

»Egal, Heimi. Weiter! Wir kommen da durch!« Wieder reckte er die Hände in die Luft. Links von ihnen erklang Jubeln. Brenna hatte es geschafft.

Alle schafften es, nach und nach. Kurz vor Schluss standen sie alleine vor einer Eiswand voll Löcher und Norman hätte am liebsten geheult. Die Vertiefung, die sie hineingeschmolzen hatten, war erst kopfgroß. Links und rechts von ihnen waren Arkane Beamte postiert. Sie überprüften, dass sie nicht durch eins der fremden Löcher auf die andere Seite gelangten.

Norman hatte schließlich die Idee, auf das Eis zu pinkeln, was genau so viel Schaden verursachte wie zwanzig Minuten Magie. Heimfried machte nicht mit. Er sagte, er könnte nicht, wenn Leute zusahen.

»Zehn Minuten Strafzeit!«, rief einer der Beamten. Norman zog seine Hose wieder hoch und fuhr herum.

»Was? Aber …«

»Nichtmagische Mittel sind verboten!« Der schnauzbärtige Typ durchbohrte ihn mit den Augen. Norman ballte die Fäuste. Dann ließ er sie sinken. Brachte ja eh nichts. Sie waren zu schlecht. Egal, ob er sich mit dem Kerl stritt oder nicht, sie hatten verloren.

Zehn Minuten lang standen sie herum und Heimfried entschuldigte sich immer wieder.

»Es tut mir leid, dass ich so miserabel bin«, murmelte er. »Vielleicht kannst du noch einen anderen Partner bekommen, wenn du fragst.«

»Mich will doch keiner.« Norman steckte die Hände in die Taschen des Bademantels. Das Versagen lag ihm bleischwer auf der Seele. »Ich bin genau so mies. Und zusammen sind wir extra-scheiße.«

»Ja.« Heimfried sah zu Boden. Er atmete tief ein, dann lächelte er verzagt. »Trotzdem danke, dass du … dass du mich nicht alleingelassen hast.«

»Warum hätte ich dich denn …« Norman schüttelte den Kopf. »Bitte.«

Ein lautes Tröten verkündete das Ende des Rennens. Ja, sie waren die Letzten.

Der schnauzbärtige Beamte bedeutete ihnen, sich durch eins der fertigen Löcher zu quetschen. Das taten sie. Auf der anderen Seite war der Park auch ein Park. Ein idyllischer, kurviger Weg führte zwischen rotblättrigen Bäumen hindurch bis zum Ziel. Mutlos latschten sie über den Pfad und jede Menge Bretter, unter denen sich irgendetwas verbarg. Sie konnten die anderen Studenten nicht sehen. Die mussten ganz hinten um eine Ecke verschwunden sein.

Heimfried wandte sich zu der Mauer um.

»Was denkst du, was sie mit der machen? Ist die immer hier?«

»Ne, die löst sich schon auf«, brummte Norman. »Stimmt ja, du siehst das nicht. Merkst du, dass die Tropfen, die runterlaufen, nie bis zum Boden kommen?«

»Oh, ja.« Heimfried blinzelte. »Jetzt, wo du es sagst …«

»Das Eis wird wieder zu reiner Magie. Zu diesen komischen Schlieren in der Luft.«

»Oh, du meinst, sie kehrt in ihren Ursprungszustand zurück?« Erneut blitzte ein scheues Lächeln auf. »Das würde ich gern sehen. Du hast Glück.«

»Ist nichts Besonderes.« Norman zuckte mit den Achseln.

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