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Читать книгу: «Theater in Afrika II - Theaterpraktiken in Begegnung», страница 2

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Berichte, Kooperationen, Bestandsaufnahme Comptes rendus, coopérations, états des lieux
Auf den Spuren des Kaisers
Ein Rechercheprojekt zur deutsch-togoischen Kolonialgeschichte

Elisa Elwert & Jonas Pätzold

Résumé en français: page 20

Seit 2009 arbeitet das Theater Konstanz eng mit der Compagnie Louxor de Lomé in Togo zusammen. Die Compagnie existiert seit 1996, ist als eingetragener Verein organisiert und formiert sich je nach Projekt aus einem Pool von verschiedenen Künstler*innen. Sie ist in der Hauptstadt Lomé, im ländlichen Raum um die Hauptstadt und überregional tätig.

Das Theater Konstanz und die Compagnie Louxor kooperierten in den vergangenen zehn Jahren in zahlreichen Projekten und Gastspielen in Deutschland und in Togo. Ramsès Alfa, der Leiter der Compagnie, inszenierte in Konstanz bereits im Jahr 2009 Ein Bericht für eine Akademie (von Franz Kafka) und brachte zuletzt im Winter 2019 Ngunza – Der Prophet (von Rafael David Kohn) zur Uraufführung. Derzeit entsteht in Lomé auf einem durch den Verein Theater in Afrika e.V. finanzierten Grundstück ein Gebäude, das Probe- und Aufführungsräume für die Compagnie Louxor und assoziierte Künstler*innen bereitstellt. Als Schauspieler arbeitet Ramsès Alfa regelmäßig mit unterschiedlichen Regisseuren. In Lomé fanden wiederholt Kooperationen der beiden Theater statt: 2010 eine Inszenierung von Warten auf Godot in internationaler Besetzung, 2011 das Projekt Kinderkreuzzug, das sich auf brechtscher Basis thematisch mit Gewalt gegen Kinder und mit Kinderhandel auseinandersetzte, und zuletzt 2015 – 2020 das Projekt One coup for Kaiser, das sich mit der togoisch-deutschen Kolonialgeschichte auseinandersetzt und das im Fokus dieses Berichtes steht. Elisa Elwert hat es in der Wiederaufnahme als Dramaturgin und Projektleiterin betreut und Jonas Pätzold war als Schauspieler Teil des Projektes.

Akassimé (Lomé), 10. Dezember 2016

Während die Sonne erbarmungslos auf den weiten Platz herunterbrennt, stehe ich umringt von freilaufenden Hühnern und Ziegen und warte auf meinen Auftritt. Der weiße Anzug – für die Premiere noch einmal gereinigt und gebügelt – ist schon gezeichnet von den Spuren des schwarzen Staubs, der unseren Spielort, einen ehemaligen Kohlenmarkt, bedeckt. Direkt neben mir auf dem Boden kocht eine Frau über einem Feuer ein einfaches Abendessen. Immer wieder schaut sie mich mit einem merkwürdig ausdruckslosen Gesicht an. Zum ersten Mal seit meiner Ankunft hier in Lomé fühle ich mich völlig fehl am Platze und hoffe einfach, dass sie begreift, dass ich Teil einer Theateraufführung bin. Und auch, wenn die Deutschen in Togo anscheinend ein gutes Ansehen genießen, ist es mir wahnsinnig unangenehm, im Kolonialanzug samt Tropenhelm hier zu stehen.

Rund um die gemeinsame Geschichte Togos und Deutschlands initiierte Ramsès Alfa das Kooperationsprojekt. Im Sommer 2015 entstand ein Theatertext, im Jahr darauf eine Straßentheaterinszenierung zur Auseinandersetzung mit dem Einfluss der gewaltsamen Kolonialregierung Deutschlands in Togo.

Das Stück wurde 2016 in Togo mit den sechs togoischen Schauspieler*innen Akofa Kougbenou, Joseph Koffi Bessan, Jean Touglo, Marléne Douty, Sonia Akou Novinyo, Raoul Ketehouli und dem deutschen Schauspieler Jonas Pätzold vom Konstanzer Ensemble inszeniert. Regie führte Ramsès Alfa, die dramaturgische Betreuung lag bei Asmara Lechner (Theater Konstanz). Parallel zu den Proben fand eine theaterpädagogische Arbeit mit Kindern statt, die anschließend in die Inszenierung integriert wurden. Weiterhin waren Statist*innen an den Proben und am Inszenierungsprozess beteiligt, die unter der Leitung des Choreographen Raouf Tchakondo tänzerisch in die Inszenierung eingebunden wurden.

Lomé, 29. November 2016

Die sogenannten Statisten sind integraler Bestandteil der Inszenierung. Die meisten von ihnen sind professionelle Musiker oder Tänzer und bringen eine wunderbare Energie und Dynamik in die sonst für ein Straßentheater recht textlastige Aufführung. Mich fasziniert es, mit welch unermüdlicher Freude die Kollegen trotz der herausfordernden Probenbedingungen die Choreographien wiederholen. Ich bin schon nach dem gemeinsamen Aufwärmen schweißgebadet und suche mir immer sofort ein Schattenplätzchen, von dem aus ich zuschauen kann, wenn ich nicht selbst dran bin. Während sich die Probenarbeit an den Spielszenen zunächst nicht groß von der in Deutschland unterschieden hat, kommen nun durch Musik und Tanz neue Elemente dazu, die dem Ganzen etwas Lebendiges und oft auch herrlich Groteskes verleihen. Ich merke, wie ich die Kolleg*innen etwas neidisch beobachte. Ich darf in meiner Rolle die meiste Zeit nur als stocksteifer deutscher Kolonialbeamter herumbrüllen und frage mich insgeheim, ob diese Darstellung überzogen ist oder nicht doch der damaligen Realität entspricht. Wie werden die togoischen Zuschauer wohl auf meine Rolle und die Inszenierung reagieren?


Kurz vor Aufbruch zur Tournee in den Norden des Landes mit One coup for Kaiser. / Peu avant le départ en tournée dans le nord du pays avec One coup for Kaiser. Foto: Moïse Pak


Der kaiserliche Verwalter mit seinem Übersetzer und der lokalen Bevölkerung kurz vor seiner Flucht vor der Wut der Dorfbewohner. / L’administrateur impérial avec son traducteur et la population locale peu avant sa fuite devant la fureur des villageois.

Foto: Moïse Pak

Die Premiere fand am 10. Dezember 2016 statt und wurde in und rund um Lomé mehrmals aufgeführt. Mit dem Ziel, das Projekt auch auf die abgelegeneren Regionen auszudehnen, wurde das Stück im März und April des Jahres 2019 wiederaufgenommen und ging auf Tournee. Die Reise führte weit in den Norden Togos, Spielorte waren ausschließlich Straßen und öffentliche Plätze in den größeren Städten Sokodé, Sotouboua, Atakpamé, Kpalimé, Assahoun und Lomé. An den einzelnen Orten fand eine enge Zusammenarbeit mit den lokalen Ansprechpartnern statt, was für die Mobilisierung und Generierung von Aufmerksamkeit auf das Theaterstück von zentraler Bedeutung war, genauso wie für die Akquise der Kinderstatist*innen. Über die Arbeit mit den Kindern kamen auch die Eltern in Kontakt mit dem Projekt und wurden zu interessierten Zuschauer*innen. Zu Beginn der Vorstellungen bestand das Publikum meist nur aus einigen wenigen Personen, im Verlauf der Aufführung wurden sukzessive Bewohner*innen und Passant*innen aus der unmittelbaren Umgebung aufmerksam – gegen Ende der Vorstellung hatten sich jedes Mal mehrere hundert Personen als Publikum versammelt.

Sokodé, 02. April 2019

Immer wieder spähe ich im Off durch die Bastmatten, die uns als Kulissen dienen und kann kaum glauben, dass immer noch mehr Menschen hinzuströmen und stehen bleiben. Auch wenn ich dieses Phänomen von den Vorstellungen meines ersten Aufenthaltes schon kenne, wundere ich mich, ob die hinteren Zuschauer, die teilweise in die Bäume geklettert sind, um besser zu sehen, überhaupt noch etwas verstehen können. Die Stimmung ist unglaublich ausgelassen und die Zuschauer reagieren unmittelbar und lautstark auf das Bühnengeschehen. Sie lachen, grölen, empören sich, rufen dazwischen, feuern an … An einigen Stellen ist das Lachen des Publikums so ansteckend, dass ich mich auf der Bühne sehr zusammen nehmen muss, um nicht aus der Rolle zu fallen.

Der Text entstand im Schreibatelier mit den Schriftsteller*innen Joël Amah Ajavon, Kokouvi Dzifa Galley, Marie-José Gbegbi, Jean Kantchebe, Séli Kodjovi-Numado, Ayao Edem Modjro aus Togo und dem mit dem Theater Konstanz assoziierten Schriftsteller Rafael David Kohn aus Luxemburg. Der Text befasst sich mit der togoisch-deutschen Geschichte zu Zeiten der deutschen Kolonialherrschaft. Durch die differenzierte Zeichnung der Figuren stellt er eindrücklich die verschiedenen (macht-)politischen Interessen der lokalen Bevölkerung und der deutschen Kolonialmacht in einem humoristischen Stil dar.

Lomé, 26. November 2016

Der Text wurde im Schreibprozess komplett auf Französisch verfasst, doch schnell stellt sich bei den Proben heraus, dass sich das Nichtverstehen zwischen den Figuren nicht erklärt, wenn sowohl die Einheimischen im Stück, als auch der Deutsche und der zwischen ihnen vermittelnde Übersetzer dieselbe Sprache sprechen. Also entscheidet Ramsès, die meisten Szenen in Éwé zu spielen. Immer wieder gibt es längere Diskussionen zwischen den Spielern, wie man den ein oder anderen Satz wohl am besten formulieren kann. Die Wirkung ist jedenfalls verblüffend. Während die Szenen auf Französisch einfach nur glatt durchliefen, kringeln sich die Kollegen jetzt teilweise vor Lachen auf dem Boden. Eine Szene, die gestrichen werden sollte, bleibt nun sogar in der Inszenierung, weil sie in Éwé so gut funktioniert.

Die bewusste sprachpolitische Entscheidung, etliche Passagen bestimmter Figuren von Französisch in Éwé zu übersetzen, machte die Figurenzeichnung und ihre unterschiedlichen (Macht-)Positionen und Motivationen noch deutlicher. In den durchaus ambivalenten Figurenkonzeptionen wurden so die deutsche Kolonialvergangenheit und die bizarren Beziehungskonstellationen der unterschiedlichen Akteur*innen verhandelt. So trifft die alte Frau aus dem Dorf, Stellvertreterin für Traditionen und lokale Interessen, auf eine junge togoische Nonne, die unter dem Deckmantel der Moral und christlicher Religiosität letztlich Akzeptanz und Förderung von Seiten der Kolonialverwaltung erwirken will. Der Dorfälteste ist traditionellerweise eine der mächtigsten Personen der Region; ihm ist daran gelegen, seinen Einfluss zu erhalten und er kooperiert dafür bereitwillig mit dem Verwalter des Kaisers. Zwischen dem Verwalter und dem Dorfältesten agiert nun noch ein Übersetzer, der auf den ersten Blick von beiden Parteien hin und her gescheucht wird. Letztlich ist er aber derjenige, der die Fäden des Ganzen in der Hand hat – nur er verfügt über das nötige Wissen, um sich einen Überblick über die Situation und die einzelnen Machtinteressen zu verschaffen. Zuletzt agiert der Oberbefehlshaber, der Befehle des Verwalters an die militärische Söldnertruppe delegiert. Er zieht mit dem deutschen Verwalter an einem Strang und behält damit das Sagen über die Lokalbevölkerung.

Terrain d’Anome Atigan Copé (Lomé), 25. Januar 2020

Am Ende des Stückes vertreibt die Dorfgemeinschaft alle, die mit den Deutschen kooperiert haben – den Oberbefehlshaber Garsu, den Übersetzer Agbodaze und die Nonne Sara – und macht sich mit Gesängen auf den Weg zur Hütte des Kolonialbeamten, um an ihm Rache zu üben. Doch statt mich zu lynchen, fallen mir die Kollegen hinter der Bühne in die Arme. Freude mischt sich mit Traurigkeit. Mittlerweile sind Freundschaften entstanden, sind wir fast eine kleine Familie geworden, und uns allen ist klar, dass dies vermutlich das letzte Mal gewesen sein wird, dass wir gemeinsam One Coup for Kaiser gespielt haben. Andererseits haben wir das 2016 auch gedacht. Und 2019 … Eines ist jedenfalls sicher: Ob als Schauspieler oder als Freund – zurückkehren werde ich auf jeden Fall.


Wiederaufnahmeproben für One Coup for Kaiser, 2019. / Répétition en vue de la reprise de One Coup for Kaiser, 2019. Foto: Elisa Elwert


Spielort in Assahoun vor dem Foyer des Jeunes d’Assahoun im Bühnenbild von Yasmine Yerima. / Lieu de représentation à Assahoun devant le Foyer des Jeunes d’Assahoun, scénographie de Yasmine Yerima. Foto: Moïse Pak

Sur les traces de l’Empereur
Un projet de recherche sur l’histoire coloniale allemande au Togo

Elisa Elwert & Jonas Pätzold

Depuis 2009, le Theater Konstanz collabore étroitement avec la compagnie Louxor de Lomé, au Togo. Celle-ci a été créée en 1996 sous forme d’une association, et son champ d’action s’étend à la périphérie rurale, tout en bénéficiant d’un rayonnement suprarégional.

Au cours des dix dernières années, le Theater Konstanz et la compagnie Louxor ont coopéré à de nombreux projets en Allemagne et au Togo. Ramsès Alfa, le directeur de la compagnie, a ainsi mis en scène à Constance en 2009 Rapport pour une académie de Franz Kafka, et, plus récemment, à l’hiver 2019, la première représentation de Ngunza – Le prophète de Rafael David Kohn. À Lomé, la compagnie disposera bientôt de salles de spectacle et de répétition grâce à l’association Théâtre en Afrique qui vient d’y acquérir un terrain et construit actuellement un bâtiment à cet effet. Les collaborations entre Constance et Lomé ont toujours été nombreuses. On peut citer par exemple la mise en scène en 2010 de En attendant Godot, dont la distribution était internationale, puis en 2011 de La Croisade des enfants, qui s’inspirait de Brecht et traitait de la violence contre les enfants, mais aussi le projet One coup for Kaiser, né en 2015 et joué jusqu’en 2020, qui jetait un regard critique sur l’histoire coloniale allemande au Togo.

One coup for Kaiser a été mise en scène au Togo en 2016 par Ramsès Alfa et jouée par des comédiens togolais et un comédien allemand. Lors des répétitions, un travail de pédagogie théâtrale a été organisé avec des enfants et des figurants. Même si la pièce comporte beaucoup de texte et que les répétitions ont eu lieu dans des conditions difficiles, les comédiens et danseurs ont su y insuffler une incroyable énergie.

La première de la pièce a eu lieu le 10 décembre 2016, puis les représentations se sont succédé à Lomé et dans ses environs. Afin de toucher des régions plus éloignées, une tournée a suivi en mars et avril 2019. Les représentations se sont déroulées exclusivement dans les rues et sur les places publiques de grandes villes telles que Sokodé, Sotouboua, Atakpamé, Kpalimé, Assahoun et Lomé, en collaboration étroite avec des personnes résidant sur place, ce qui a permis de mobiliser la population et d’attirer l’attention sur la pièce. Le travail avec les enfants a ainsi amené les parents dans le public, les habitants et passants ont été interpellés pour les rejoindre, et en fin de représentation, on comptait souvent une centaine de spectateurs dans une ambiance très détendue, propice au rire, à l’indignation, et aux interactions avec la scène.

Le texte de la pièce est né au cours d’un laboratoire d’écriture auquel participaient les auteurs et autrices togolais Joël Amah Ajavon, Kokouvi Dzifa Galley, Marie-José Gbegbi, Jean Kantchebe, Séli Kodjovi-Numado, Ayao Edem Modjro ainsi que l’auteur luxembourgeois associé au Theater Konstanz Rafael David Kohn. La pièce traite de l’histoire germanotogolaise au temps de la domination coloniale, et donne à voir, avec force et humour, les intérêts politiques de chacun (ceux de la population locale comme ceux de la puissance coloniale allemande). Si le texte a été rédigé en français, il a finalement été décidé de jouer la plupart des scènes en éwé. Il est intéressant de noter que ce sont les missionnaires allemands qui avaient fait renaître les langues vernaculaires, ce qui leur avait octroyé un prestige plus élevé qu’aux Français, qui avaient imposé leur langue aux Togolais. La traduction de certains rôles du français en éwé a permis de rendre les systèmes de domination en place et les motivations de chacun plus clairs encore.

Citons par exemple l’ancien du village, traditionnellement l’une des personnes les plus puissantes de la région. Celui-ci désire conserver son autorité et coopère ainsi volontiers avec l’administrateur de l’empereur. Entre l’administrateur de l’empereur et le commandant en chef intervient un traducteur qui est, à première vue, ballotté entre les deux partis. Pourtant, c’est bien lui qui tient les rênes, disposant d’une vue d’ensemble de la situation. Le commandant en chef, quant à lui, transmet les ordres de l’administrateur et conserve ainsi son droit de regard sur la population locale.

À la fin de la pièce, la communauté villageoise chasse tous ceux qui ont coopéré avec les Allemands. Contrairement à ce qui se passait sur scène, où le conflit entre colonialistes et Togolais finissait par éclater, la situation en coulisse était bien différente : les comédiens de la troupe se serraient dans les bras et le comédien allemand (qui incarnait la force coloniale) était embrassé par ses partenaires de jeu togolais. Ce travail et cette confrontation commune avec le passé colonial ont vu naître des amitiés, et lors de la dernière représentation, toutes et tous étaient certains de se revoir un jour.

Comédie?Humaine 21st
Mit den Farben des Lachens unterwegs zwischen Konstanz und Bujumbura

Georg Melich

Résumé en français: page 27

Seit 2014 bestehen Kooperationen des Theater Konstanz mit burundischen Theatergruppen. Im Mai 2014 hatte Intendant Christoph Nix auf Einladung von Minister Peter Friedrich an einer Delegationsreise teilgenommen. Es entstanden Theaterpartnerschaften zu der Gruppe Troupe Lampyre, unter der Leitung von Freddy Sambibona, und der von Marshall Impinga Rugano geleiteten Gruppe Troupe les einfoirés Sanoladante. Oft bilden biographische Erfahrungen den Ausgangspunkt für ihre Arbeiten, häufig thematisieren die jungen Theatermacher*innen direkt oder indirekt die politischen Verhältnisse in Burundi.

Im Jahr 2015 gab es massive Unruhen in Burundi. Präsident Nkurunziza kandidierte verfassungswidrig für eine dritte Amtszeit und ging mit seinem Regime massiv gegen Proteste Oppositioneller vor, in deren Folge starben, flohen und verschwanden unzählige Menschen. Unter den Protestierenden Burundis befanden sich vorwiegend junge Menschen, die eine dritte Amtszeit des Präsidenten verhindern wollten. Doch wofür kämpfte diese Generation? Und welche Rolle spielt Kultur und ihre Förderung in dieser Krisenzeit?

In den Jahren 2016 bis 2018 kooperierten das Theater Konstanz und die Troupe Lampyre für das Projekt Comédie?Humaine 21st. Der inhaltliche und ästhetische Schwerpunkt lag darin, Formen von Komödie und Komik zu untersuchen. Unter welchen Rahmenbedingungen entwickelt Komik eine subversive oder friedensstiftende Kraft? Welche Rolle kann sie in einer zunehmend labilen gesellschaftlichen Situation spielen? Welche Formen von Komik werden interkulturell geteilt?

Das Projekt begann im November 2016 in Konstanz mit einem Rechercheworkshop. Im Juni 2017 folgten theaterpädagogische Workshops in Bujumbura. Die Ergebnisse wurden in zwei Inszenierungen zusammengeführt: Die Stücke Die Farbe des Lachens und Nicht Lustig feierten im November 2017 in Konstanz ihre Premiere. Diskursveranstaltungen begleiteten das gesamte Projekt.

Für uns Schauspieler begann die Zusammenarbeit mit unseren Kolleg*innen aus Burundi im November 2016 mit einem 10-tägigen Rechercheworkshop in Konstanz. So trafen wir zusammen, sieben Künstler*innen aus zwei sehr unterschiedlichen Ländern, um uns mit Humor und Komik auseinanderzusetzen. Die erste Herausforderung war, uns auf eine gemeinsame Arbeitssprache zu einigen. In Burundi gibt es drei Amtssprachen: Kirundi, Französisch und Englisch. Englisch und Französisch werden von der Grundschule an unterrichtet. Wir entschlossen uns, für den Workshop Englisch zu nutzen – der kleinste gemeinsame Nenner. Die meiste Zeit herrschte dennoch ein großes Sprachengewirr von Englisch, Französisch, Kirundi und Deutsch. Nicht alle beherrschten das Englische gleich gut, dafür konnten andere weniger gut Französisch und manchmal war es einfacher, etwas in seiner Muttersprache auszudrücken. Dieses Durcheinander sollte uns während der gesamten Zusammenarbeit nicht nur begleiten, sondern produktiver Bestandteil der Inszenierung werden.

Wer lacht wann und worüber? Gibt es einen Unterschied zwischen deutschem und burundischem Humor? Welche Rolle spielt Komik in Kultur und Gesellschaft? Das waren Fragen, die wir uns stellten. Wir führten viele Gespräche, erzählten uns Witze aus den unterschiedlichen Kulturen, schauten Filme und luden Gäste ein, einen klassischen Clown sowie einen Zauberer. Schnell stellten wir fest, dass wir trotz unterschiedlicher Herkunft über sehr viele Dinge gemeinsam lachen konnten, dass Humor nicht unbedingt von kulturellem Background abhängt. Sobald die Komik aber politisch wurde oder eine Gesellschaftskritik beinhalten sollte, wurde es herausfordernder. Um ironische Bemerkungen zu politischen oder gesellschaftlichen Vorgängen zu verstehen und diese als komisch zu empfinden, ist es nötig, die Umstände zu kennen. Wir sprachen über die politische Lage in Burundi, über Zensur und die Bedeutung ethnischer Zugehörigkeit. Es war ein reger und spannender Austausch und so lernten wir uns in diesen Tagen recht schnell und gut kennen. Nun versuchten wir, uns spielerisch in Improvisationen mit interkulturellen Missverständnissen auseinanderzusetzen. Auch hatten wir festgestellt, dass Komik immer wieder mit Hierarchien spielt, angefangen beim Hofnarren, der sich seinem Herren gegenüber mehr erlauben darf als andere, über das Paar Weißclown und dummer August, bei dem die Hierarchie klar festgelegt ist, bis hin zu modernen Komödien, in denen der „liebenswerte Looser“ am Ende doch gewinnt. Wir improvisierten und arbeiteten an einigen Szenen aus Eugène Labiches Die Affäre Rue de Lourcine, die wir zum Abschluss des Workshops präsentierten.

Begleitend besuchten deutsche und burundische Theaterpädagoginnen gemeinsam eine Schulklasse, um mit den Schüler*innen Szenen zum Thema Komik zu erarbeiten. Diese Begegnung und die Szenen waren Ausgangspunkt für einen interkulturellen Dialog zwischen Jugendlichen aus beiden Ländern zur Frage: Was ist für dich komisch? Über erste Briefe an Schüler*innen in Burundi, welche die Gäste mitnahmen, etablierte sich zwischen den burundischen und deutschen Schüler*innen ein reger Austausch über soziale Netzwerke und per E-Mail.

Im Juni 2017 wurde die begonnene Zusammenarbeit fortgesetzt. Christoph Nix, Clemens Bechtel, die Dramaturgin Antonia Beermann und die Theaterpädagogin Stéphanie Dreher reisten nach Burundi, wo sie weitere Workshops hielten. Am Institut Français führte Antonia Beermann einen Workshop mit den Schauspieler*innen und Autor*innen der Troupe Lampyre durch, die bereits 2016 in Konstanz zu Gast gewesen waren. Neben der Erarbeitung von Szenen aus Die Affäre Rue de Lourcine wurden vor allem eigene Geschichten erzählt. Dabei fokussierten sich die Teilnehmer*innen auf den Umgang mit Tabus wie Sexualität, Religion und Politik sowie die theatrale Verarbeitung von Geheimnissen. Auch mit den gesellschaftlichen Konventionen des Humors und dem unterschiedlichen Umgang mit Humor setzten sich die Teilnehmer*innen auseinander. Dabei spielte die Frage, welchen Stellenwert Humor in Zeiten der Krise einnimmt, immer die zentrale Rolle. Auf der Grundlage dieser ersten Workshop-Tage schrieben die Autor*innen Szenen, die anschließend für eine Werkschau erarbeitetet wurden. Die Szenen dienten später als Inszenierungsgrundlage für die Stückentwicklung in Konstanz.

Parallel dazu wurde in Schulen theaterpädagogisch zur Thematik gearbeitet. In einem weiteren Workshop brachte Christoph Nix den Kindern die spezifische Komik eines Clowns nahe. Den Abschluss dieser Arbeit an der Schule bildete der Besuch der Werkschau im Institut Français. Die Schulworkshops waren ausgesprochen erfolgreich und konnten durch das theaterpädagogische Team der Troupe Lampyre bis in den Sommer 2018 weitergeführt werden.

Im September 2017, fast ein Jahr nach unserer ersten Begegnung, begann in Konstanz die Probenarbeit zu den Produktionen Die Farbe des Lachens für den Abendspielplan und das Klassenzimmerstück Nicht Lustig in der Regie von Clemens Bechtel und Freddy Sabimbona. Die Theaterleitung hatte es möglich gemacht und so war das Team in leicht veränderter Besetzung wiedervereint. Beide Stücke verarbeiteten inhaltlich die Ergebnisse der vorangegangenen Workshops.

Nicht Lustig behandelt den Umgang mit Fremdheit und die Rolle von Humor in solchen Situationen. Aus der Sicht der beiden afrikanischen Autor*innen wurde von Situationen erzählt, in denen sich die Figuren wie Außerirdische fühlten. Eine besondere Herausforderung war auch hier der Umgang mit der Sprache, weshalb der Fokus der Inszenierung auf der körperlichen Darstellung lag. Zwei Schulklassen begleiteten den Probenprozess: Die Schüler*innen gaben Feedback, das in die Probenarbeit aufgenommen wurde. Gerade durch Nachgespräche mit den französischsprachigen Schauspieler*innen war Nicht Lustig gut geeignet, als sprachpraktischer Teil in den Unterricht integriert zu werden und wurde im Oktober viele Male an unterschiedlichen Konstanzer Schulen gespielt.

In dem Stück Die Farbe des Lachens geht es um zwei Männer, die nach einer durchzechten Nacht in dem Glauben aufwachen, einen Mord begangen zu haben. Die Geschichte dreht sich im weiteren Verlauf darum, wozu man bereit ist, wenn man davon ausgeht, einen Tabubruch begangen zu haben, und was man alles tut, um diesen zu vertuschen. Der Grundansatz unserer Inszenierung war die reale Probensituation: Eine internationale Theatertruppe versucht, Labiches Die Affäre Rue de Lourcine auf die Bühne zu bringen. So begann eine herrliche Arbeit, in der wir mit vielen verschiedenen theatralen Mitteln sowohl die Geschichte des Stückes erzählten als auch die Erfahrungen aus der gemeinsamen Arbeit auf die Bühne brachten. Die drei Hauptfiguren, der Herr des Hauses Lenglumé, seine Frau Norine und sein „Komplize“ Mistingue, traten doppelt auf die Bühne, in einer burundischen und in einer deutschen Version. Auch die sprachliche Herausforderung, die wir im Workshop und in der Probenarbeit erlebt hatten, brachten wir auf die Bühne. In einigen Szenen gab es Übertitel, in einer Szene spielten die burundischen Kolleg*innen, während wir live übersetzten. Aus dieser Mehrsprachigkeit ergab sich eine ganz eigene Komik. Am 21.10.2017 feierten wir eine sehr gelungene Premiere in Konstanz, die Komödie bereitete Zuschauer*innen und Darsteller*innen Spaß, gleichzeitig vermittelte das Stück einen Einblick in unsere Zusammenarbeit.

Die Kooperation musste damals vorzeitig beendet werden. Wenn ich nun mit dem Abstand von ein paar Jahren zurückblicke, erinnere ich mich gerne an die gemeinsame Zeit. Für mich waren die intensive Zusammenarbeit und Begegnung mit diesem internationalen Team eine ganz besondere Bereicherung.


Die Farbe des Lachens, Konstanz 2017. / La couleur du rire, Konstanz 2017. Fotos: Ilja Mess

1 222,79 ₽
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229 стр. 33 иллюстрации
ISBN:
9783957493163
Издатель:
Правообладатель:
Bookwire
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