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Santa Claus 1960
Waltraud Schäfer

Am 6. Dezember holten wir für gewöhnlich meine Großmutter ab, um mit ihr zusammen Nikolaus zu feiern. Bischof Nikolaus besuchte uns im Kindergarten, zu mir nach Hause kam jedoch der amerikanische Santa Claus. Verwirrt hat mich das nicht.

An diesem besonderen Nikolaustag im Jahre 1960 saß ich zusammen mit meinen Eltern und der Oma im Wohnzimmer. Wir tranken Kaffee und aßen die ersten Plätzchen, die ich mit meiner Mutter und der Großmutter zusammen gebacken hatte. Als es dunkel wurde, polterte es heftig im Treppenhaus. Dann klopfte es laut an unserer Tür. Mein Vater schaute mich an und sagte: „Na, ich glaube, der Nikolaus besucht dich heute Abend persönlich!“ Daraufhin versteckte ich mich erst einmal hinter der Oma. Vater rief laut „Herein!“, die Tür öffnete sich und ein großer Mann in einem roten Samtmantel erschien. Auf dem Kopf eine rote Mütze, die er tief ins Gesicht gezogen hatte. Es sah aus, als hingen große Wattebäusche an ihrem Rand. Ein langer weißer Bart verdeckte die untere Gesichtshälfte. Unter dem linken Arm trug er ein goldenes Buch und in den weiß behandschuhten Händen links eine Rute, rechts einen ebenfalls weißen Sack. Mir verschlug es die Sprache.

Der Nikolaus kam näher. Vorsichtig schaute ich hinter der Oma hervor. Er schlug das Buch auf und begann mit kräftiger Stimme vorzulesen: „Du bist in letzter Zeit nicht immer brav gewesen! Du hast nicht gemacht, was deine Mama dir aufgetragen hat! Im Haushalt könntest du mehr helfen!“

Ich suchte meine Stimme wieder. Schließlich antwortete ich zaghaft: „Lieber Nikolaus, ich werde mir in Zukunft mehr Mühe geben!“

Immerhin stand auch Gutes im Buch: „Im Kindergarten trocknest du die gespülten Becher nach dem Frühstück ab. Du hast schöne Bilder gemalt und auch gebastelt!“

Nun war meine Mutter dran. Der Nikolaus schaute sie mahnend an und verkündete: „Ich habe gehört, dass du zu langsam nähst!“ Meine Mutter war Schneiderin. Sie besserte unseren Haushaltsetat auf, indem sie privat für andere Leute nähte. Der Nikolaus nahm seine Rute und klopfte meiner Mutter tüchtig aufs Hinterteil. Meine Mutter gelobte Besserung.

Anschließend wandte er sich wieder mir zu. „Kannst du ein Gedicht oder ein Gebet aufsagen? Falls ja, dann hätte ich für dich noch etwas in meinem Sack.“ Vor Schreck hatte ich mein Gedicht vom Nikolaus vergessen, das ich mit meiner Großmutter zusammen gelernt hatte. Dafür fiel mir mein Abendgebet ein. „Kann ich das auch aufsagen?“ „Ja, das geht!“

Getreulich faltete ich die Hände, wie ich es abends immer tat, wenn ich mit meinem Vater betete: „Ich bin klein, mein Herz ist rein, es darf niemand drin wohnen als Jesus allein.“

Damit war der Nikolaus sehr zufrieden. Er öffnete endlich seinen Sack. Ich bekam Erdnüsse, Plätzchen, zwei große Apfelsinen und eine Tafel Schokolade. Ich freute mich riesig. Apfelsinen bekam ich nur selten, und Schokolade liebte ich über alles. Der Nikolaus ermahnte mich noch einmal, brav zu sein, dann machte er sich auf den Weg zu den anderen Kindern.

Der 8. Dezember
Maria Adler

Geboren in Mannheim und im Wesentlichen in einem Vorort davon groß geworden, war meine Muttersprache „Mannemerisch“ oder vielleicht „Friedrichsfelderisch“, eine leichte Abwandlung.

So kam es, dass der 8. Dezember für mich lange ein rätselhaftes Datum blieb. Zu Hause und im Kindergarten hatte ich einiges über die wichtigen Daten der Adventszeit gelernt: Nikolaustag, Barbaratag, Adventssonntage. Was aber war das mit dem 8. Dezember? Warum nur musste Maria ins Gefängnis? Was ihr vorgeworfen wurde, war nicht rauszukriegen. Sie tat mir so leid.

Von Maria war ich angetan, von den wunderschönen Bildern, die ich von ihr gesehen hatte, stolz darauf, denselben Namen wie sie zu tragen, auch ihn fand ich ganz besonders schön. Und dann so was! Ich getraute mich nicht nachzufragen, um mir Klarheit darüber zu verschaffen, was sie wohl verbrochen hatte. Zu oft schon hatte ich Fragen gestellt, deren unverständliche oder widerwillige Beantwortung mir das Gefühl vermittelt hatte, ich sei nicht besonders klug.

Also Jahr für Jahr dieses entsetzliche Datum, mitten in der schönen Adventszeit! Wie genau und wann Maria aus ihrem Gefängnis befreit wurde, weiß ich nicht. Nur den Grund für ihren unrühmlichen Aufenthalt: Mein „Friedrichsfelderisch“ war dafür verantwortlich. Mit „Empfängnis“ wusste ich nichts anzufangen. Was ich stattdessen verstand, war: „Maria im G’fängnis“.

Advent in den 50ern
Mechthild Müller

Anfang der 1950er Jahre lebten wir im Elternhaus meiner Mutter in der ersten Etage. Im Erdgeschoss wohnten meine Oma Anna, Onkel Heini und die Tante mit zwei Kindern. Eine echte Großfamilie und ein Kinderparadies. Onkel Heini besaß eine Wagnerei, in der die Bauern des Dorfes ein und aus gingen, außerdem gab es einen Holzplatz, einen Stall mit zwei Kühen, mit Schweinen und Hühnern und einen großen Hof: unser Spielplatz. Nebenan die Metzgerei und der Bäckerladen mit einem stattlichen Backhaus: Überall hatten wir Kinder unsere Nasen drin.

Der Wechsel der Jahreszeiten prägte unseren Alltag. Im Sommer lebten wir „auf der Gass“. Wenn es kälter wurde, begann die Zeit der Bilderbücher – gepaart mit leichter Langeweile. Mit dem ersten Adventssonntag wurde es erneut spannend und – geheimnisvoll.

Sonntags war Papa zu Hause. Er war es, der die erste Kerze anzünden durfte, nach dem voll Ungeduld gesungenen „Wir sagen euch an den lieben Advent“. Tannenduft verbreitete sich, Wachsgeruch, wohlige Wärme. Dann erzählte Papa alljährlich dieselbe Begebenheit von seiner Gefangenschaft in Amerika:

Die Überfahrt in einem kleinen Schiff war so stürmisch gewesen, dass alle sicher waren, nach den überstandenen Schrecken des Krieges jetzt im weiten Atlantik ertrinken zu müssen. Doch es ging gut. In den USA gab es dann erstaunlich viel zu essen. Mein Vater war mit den anderen Gefangenen beim Bau einer Brücke eingesetzt, in Texas. Nun hatte meine Mutter bereits im September eine Blechdose mit Weihnachtsplätzchen abgeschickt. Angekommen sind sie jedoch erst im Januar, als Krümel. Mein Vater öffnete die Dose, sah die Krümel und sagte zu seinen Freunden: „Holt Löffel. Die Krümel werden gegessen! Sie sind von daheim!“ Und schweigend löffelten die Gefangenen im fernen Texas die deutschen Krümel.

In der Adventszeit waren auch die Werktage außergewöhnlich. Wir Kinder durften den Plätzchenteig durch den Fleischwolf Marke „Alexanderwerk“ drehen. Aus den Teigresten formten die Mütter eine Brezel, die wir sogleich nach dem Backen verspeisen durften. Die Plätzchen dagegen wurden in bunten Blechdosen gut verwahrt und versteckt: unterm Sofa nämlich und auf dem Speicher. Wir taten so, als würden wir diese Verstecke nicht kennen.

Im Religionsunterricht hielt uns Fräulein Steinforth dazu an, freundlich zu sein und für jede gute Tat einen Strohhalm zu sammeln, der am Heiligen Abend dem Jesuskind im Krippchen ein weiches Lager bereiten sollte.

Schreckensauftritt im Kindergarten: Der Nikolaus im Bischofsgewand, mit Bart und heiligem Buch, im Schlepptau Knecht Ruprecht – unverkennbar: die Schwesternhaus-Liss! Wenn das vorüber war, stand abends ein Teller mit Schokolade vor der Tür, mit Orangen und einer Lebkuchenfigur, der ein Nikolausbildchen aufgepappt war. Ein Hochgenuss!

Und allmorgendlich durften wir unseren gemeinsamen Adventskalender öffnen. Abwechselnd. Auf einer Kordel waren Streichholzschachteln aufgereiht, gefüllt mit kleinsten Zweiglein, winzigen Schokoladenfiguren und Bonbons.

Im Mittelpunkt all dieses Geschehens lag der Adventskranz auf seinem weißen Keramikteller, mit dicken roten Kerzen, breiten roten Bändern. Lediglich seine Größe variierte von Jahr zu Jahr ein wenig. Daneben, auf der roten Decke mit den Sternen, lag das noch volle Schächtelchen „Welthölzer“. Spätestens am zweiten Advent hatten wir jedoch allen Respekt verloren: Die Kerzen wurden malträtiert. Sie seitlich ein wenig einzukerben genügte. Schon lief das Wachs einen neuen Weg entlang. Die Kerzen ähnelten bald kleinen, dickbäuchigen Chiantiflaschen. Wir Kinder waren beschäftigt, und unsere gütige Mutter gab es schließlich auf, das pyromanische Treiben unterbinden zu wollen.

Es war eine karge Zeit. In meiner Erinnerung steht sie mit ihrem Tannenduft und ihrem Kerzenlicht in der Dunkelheit dennoch als Symbol für Geborgenheit, für Advent – eine Ankunft.

Tulpen im Advent
Maria Adler

Seit 1955 wohnten wir in Friedrichsfeld, einem Mannheimer Vorort. Meine Oma hatte ein Haus mit einem großen Garten gekauft. Meine Eltern und ich wohnten im Erdgeschoss, die Großeltern im ersten Stock. Die beiden Wohnungen waren fast identisch, auch die Einrichtung. Nur das „kleine Zimmer“ war verschieden. Bei uns war es mein Kinderzimmer, bei Oma standen darin zwei Kleiderschränke, ein großer Ohrensessel und ein quadratischer Tisch.

Selbst die Adventskränze waren identisch: je ein Tannenkranz mit vier roten Kerzen. Ich erinnere mich auch an kleine Fliegenpilze und rote Kügelchen als Dekoration. Bei uns stand er in der Küche. Bei Oma im „kleinen Zimmer“, da hielt er besser und nadelte nicht so, denn das „kleine Zimmer“ wurde nicht geheizt.

Rechtzeitig zum 1. Dezember hängte meine Mutter einen Adventskalender in der Küche auf, hinter jedem Türchen ein kleines Bild, am Heiligen Abend war das Bild doppelt so groß, es hatte ein Türchen mit zwei Flügeln.

Das Zählen begann. Jeden Morgen durfte ich ein Türchen öffnen – allein die Tage bis Nikolaus erschienen mir endlos. Am Morgen des Nikolaustages stand endlich ein kleiner roter Stiefel vor unserer Wohnungstür. Er war gefüllt mit Süßigkeiten. Besonders mochte ich die mit Schokolade überzogenen Zuckersterne, die mit bunten Streuseln dekoriert waren. Am Abend stand für mich ein Knusperhäuschen – von der Größe her eher ein Knusperhaus – aus Lebkuchen auf dem quadratischen Tisch in Omas „kleinem Zimmer“.

Oma und Mama buken die gleichen Plätzchen nach denselben Rezepten; genau genommen buk Mama nach Omas Rezepten. Eine Sorte gab es nur bei Oma: kleine mit Zuckerguss bestrichene Brezeln, die nach Zitrone schmeckten. Am liebsten schleckte ich den Guss ab.

Omas Plätzchen waren perfekt: wohlgeformte Zimtsterne, Anisplätzchen mit einwandfreien Füßen, Spritzgebackenes, zu exakt einem Drittel mit Schokolade überzogen, perfektes Buttergebackenes. Oma buk auch einen köstlichen Christstollen.

Bei Mama waren es zwar die gleichen Plätzchen nach denselben Rezepten, sie sahen aber weniger perfekt aus – die Anisplätzchen hatten seltener Füße, der Guss auf den Zimtsternen war öfter verrutscht, beim Stapeln des Buttergebackenen passten die Teile nicht so genau übereinander und schmeckten eigenartigerweise auch anders.

Aufbewahrt wurden die Plätzchen bei Oma in mir damals riesig erscheinenden Blechschachteln: eine runde, grüne mit Pferdekopf und Reiterin auf dem Deckel und eine eckige mit Blumendekor auf goldenem Grund. Die kleinen Plätzchenstapel wurden mit Pergamentpapier säuberlich voneinander getrennt. (Ich habe die Dosen noch in Gebrauch, zum Aufbewahren von Fotos, Plätzchen backe ich nicht – als Single werde ich damit zugeschüttet von lieben Menschen, die mir etwas Gutes tun wollen.)

Barbarazweige gab es nur bei Oma. Sie schnitt einige Zweige vom Kirschbaum ab und stellte sie in ihr „kleines Zimmer“. Er war ihr Namenstag, der in unserer wenig religiösen Familie kaum eine Rolle spielte. Ich glaube, mit den Zweigen gratulierte sie sich selbst – in diesem Garten durfte sonst nie etwas abgeschnitten werden, um in einer Blumenvase zu enden.

Eine beliebte Sonntagabendbeschäftigung war es, zum Schaufenstergucken in die Stadt zu fahren. In der Adventszeit hatte dies besondere Reize: Auf dem Paradeplatz stand ein Mann mit einem qualmenden Gefährt und verkaufte gebackene Esskastanien. Ich durfte für 50 Pfennig eine Tüte davon kaufen. Die Schaufenster waren weihnachtlich dekoriert. Beim Kaufhaus Anker war jedes Schaufenster anders dekoriert: mal mit Steifftieren, mal mit Watteengeln, auch Märchen wurden dargestellt. Toll war ein Nikolaus, der von innen mit einer Rute ans Schaufenster klopfte. Überhaupt bewegte sich immer mal wieder was in den Fenstern.

In der Wartehalle des Hauptbahnhofs hatte man für die Vorweihnachtszeit eine große Eisenbahnlandschaft aufgebaut, durch die gleich mehrere Züge brausen konnten – wenn man entsprechend viel Geld einwarf. Papa gefiel das so gut wie mir: „Komm, wir lassen mal wieder einen fahren“, war seine bevorzugte Aufforderung an mich, wenn wir vor der Spielzeugeisenbahn standen. Noch heute mache ich das gerne und denke dabei schmunzelnd darüber nach, was ich gerade mache.

Wenn der Himmel an diesen Abenden besonders rot gefärbt war, sagte Oma, daran lasse sich erkennen, dass die Engel im Himmel gerade Weihnachtsplätzchen backten.

Unter der Woche durften die Kerzen am Adventskranz nicht angezündet werden. Mein Vater hatte Angst vor einem Brand und hielt von alldem sowieso eher wenig.

Spätestens nach dem dritten Advent wurde es richtig spannend. Am 18. Dezember habe ich Geburtstag. Immer wieder dieselbe Enttäuschung: „Du bekommst zum Geburtstag nicht so viele und nicht so große Geschenke; dafür bekommst du an Weihnachten mehr!“ Die Geburtstagsgeschenke, die ich bekam, waren meist weihnachtlich verpackt. Nur Oma achtete darauf, dass Weihnachten und Geburtstag nicht vermischt wurden. Sie hatte Übung damit: Opa hatte am 19. Dezember Geburtstag. Ich sehe deutlich einen Strauß frischer Tulpen von ihr vor mir, der ganz ohne Tannengrün auskam. Mitten im Winter, in jedem Jahr, in den 50ern! Am 18. Dezember einen für mich, am 19. Dezember einen für Opa. Und am Sonntag nach unseren Geburtstagen bereitete sie eine Ochsenzunge mit Pfifferlingen zu. Zum Nachtisch gab es Ananas aus der Dose, mit frisch geschlagener Sahne. Wir aßen in Omas Wohnzimmer, mit frisch geputztem Silberbesteck. Nur Papa bekam das Werktagsbesteck. Er besaß die Gewohnheit, beim Schneiden die Gabel mit dem Messer anzukratzen.

Manchmal habe ich auch am vierten Advent Geburtstag. So auch in diesem Jahr. Es ist mein sechzigster.

Weihnachten

Dauerwelle und Ragout fin
Peter Hecker

Irgendwann fehlen am Wohnzimmerschrank die Schlüssel – dann ist bald Weihnachten. Wenn wir Kinder nicht neugierig gewesen wären, jetzt sind wir es.

Schließlich ist auch das Wohnzimmer abgeschlossen – es ist Heiligabend. Hinter der verschlossenen Tür werkelt und knistert es. Auch wenn einer der Eltern das Zimmer verlässt – wir dürfen noch nicht den schnellsten Blick durch den Türspalt werfen.

Frisch gebadet, in unseren „guten Sachen“, sitzen wir, mein Bruder und ich, auf dem Boden vor der geheimnisvollen Tür und spielen Weihnachtslieder auf unseren Flöten. Erst als es draußen schon fast dunkel ist, klingelt drinnen im Wohnzimmer ein Glöckchen: Das Christkind war da.

Die Tür geht endlich auf, und wir stehen vor dem mächtigen Christbaum, deckenhoch wie immer. Die Kerzen brennen, lassen die Kugeln leuchten und das Lametta glitzern. Unterm Baum das Krippchen, Maria und Josef, das Kind, Ochs und Esel, die Hirten auf dem Felde und ein rot leuchtendes Lagerfeuer. Der Stern von Bethlehem prangt über dem Stall.

Im Halbkreis stehen wir vor Baum und Krippe, die Eltern, mein Bruder, ich, die Oma mit frischer Dauerwelle im bläulichen Haar, im guten Jackenkleid. Wie singen „Ihr Kinderlein kommet“, „Zu Bethlehem geboren“, „Kommet ihr Hirten“, doch niemals „O Tannenbaum“ – das ist verpönt als Weihnachtslied der Nazi-Zeit.

Der Vater liest die Weihnachtsgeschichte aus der Bibel: „In jenen Tagen geschah es, dass vom Kaiser Augustus ein Befehl ausging, dass der gesamte Erdkreis aufgezeichnet werde …“ Zuletzt singen wir „Stille Nacht, heilige Nacht“. Dann ist das Feierliche vorüber, und die Schlüssel stecken wieder an den Türen des Wohnzimmerschranks. Was sie vor unserer Neugier verborgen hatten, liegt unterm Baum: die Päckchen.

Die Oma packt das ihre aus: Stoff für ein neues Jackenkleid, das Fräulein Kleinmann nach demselben Schnitt wie immer schneidern wird. Sie selbst hat wieder lange Unterhosen für ihren Schwiegersohn beim Christkind abgegeben.

Nach der Bescherung gibt es wie immer Ragout fin und Königin-Pastetchen.

15, 20 Jahre später schmücken wir Brüder den Baum, zusammengekommen aus Wien, aus Hamburg, aus Essen. Voller vorweihnachtlicher Freude probieren wir schon mal einen Schluck Wein. Das schärft den Blick für die Symmetrie am Baum, sagen wir. Wie früher beim Vater will auch bei uns der Baum, deckenhoch, nicht ohne Kordel und Nägel in der Fußleiste gerade stehen. Die Kerzen sind inzwischen elektrisch, die Kunst besteht darin, die Kabel im Baum zu verbergen.

Und wenn das Christkind dagewesen ist, stehen wir wieder im Halbkreis vor Baum und Krippe, wieder singen wir die guten, alten Lieder in der guten, alten Reihenfolge, und der Vater liest aus der Bibel die Weihnachtsgeschichte: „In jenen Tagen geschah es, dass vom Kaiser Augustus ein Befehl ausging, dass der gesamte Erdkreis aufgezeichnet werde …“

Nur die Oma ist nicht mehr dabei – sie ist an einem Heiligen Abend gestorben. Aber das ist eine andere Geschichte.

Und nach der Bescherung gibt es wie immer Ragout fin und Königin-Pastetchen.

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9783784042329
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