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Gleichzeitig: Verlässliche Pächter auf St. Antony

Kurz nachdem Pfandhöfer seine neue Hütte Gute Hoffnung in Betrieb genommen hatte, schied er aus dem Vertrag mit von Wenge als Mitpächter der St. Antony-Hütte aus. Seine Kompagnons, die die Hütte nun allein weiter betrieben, entschädigte er mit tausend Fass Eisenstein.70 Döeinck & Comp. kamen ihren Verpflichtungen gegenüber von Wenge und den staatlichen Stellen pünktlich nach. Doch mit dem Abflauen der Konjunktur im Hauptexportmarkt der Niederlande und der Inbetriebnahme der neuen Konkurrenz verschlechterte sich die Lage von St. Antony. Beide Hütten konkurrierten auf den Beschaffungs- und Absatzmärkten. Die Erzversorgung für St. Antony gestaltete sich immer schwieriger, vor allem als 1783 das preußische Bergamt die Ausfuhr von Eisenstein aus Kleve in das Vest Recklinghausen verbot. Gleichzeitig stiegen die Preise für Holzkohle. Der kölnische Staat reagierte auf diese Situation mit der Gewährung von Vergünstigungen bei Zoll und Abgaben auf Eisenwaren, die im Vest hergestellt worden waren.71

1783 war die St. Antony-Hütte 27 Wochen in Betrieb. Über die Kampagnen der Folgejahre ist kaum etwas bekannt. Damm und Wasserrad waren 1784 auf Kosten der Pächter, der Schlackenabfluss auf Kosten von Wenges zu reparieren. Zum Ende der Pachtzeit verschlechterte sich die Zahlungsmoral von Döeinck & Comp. Von Wenge musste Zahlungen anmahnen. Dennoch wollten die Pächter den Vertrag um mehrere Jahre verlängern, was von Wenge aber ablehnte. So kam es im April 1787 nur zur einjährigen Verlängerung des Vertrags bei reduziertem Pachtzins. Wegen Absatzproblemen in Holland wurden die Pächter kurz darauf wegen der Stundung der Pachtzahlungen bei von Wenge vorstellig. Auch verhandelten sie erneut über einen längeren Vertrag, da umfangreiche Reparaturen und Investitionen anstanden, die jedoch nur bei einer langfristigen Nutzung sinnvoll waren. Bis zum Tod von Wenges 1788 wurde jedoch kein neuer Vertrag mehr abgeschlossen.72

Auch unter den Erben von Wenges blieben Döeinck und seine Partner mit jährlicher Pachtverlängerung zunächst Pächter der Hütte, bis sie im Februar 1790 den Vertrag kündigten. Mit einer Kündigungsfrist von vier Wochen wurde den Pächtern zugestanden, auch über das Ende des Pachtjahres hinaus die restlichen Vorräte zu verarbeiten. Vermutlich wegen der unsicheren Pachtsituation unterließen Döeinck & Comp. nun weitere Neuinvestitionen und Reparaturen. Bis Mitte 1792 scheinen sie noch auf St. Antony gearbeitet zu haben. Sie lieferten von dort noch Waren aus, bearbeiteten Aufträge in Kommission für Pfandhöfer und stellten den Erben von Wenges den Neubau eines Magazingebäudes in Rechnung. Dann scheinen sie die Hütte verlassen zu haben.73 Von Wenges Erben verhandelten mittlerweile über den Verkauf der Hütte.

5. Die Dritte im Bunde: Die Hütte Neu-Essen im Reichsstift Essen

Mittlerweile hatte der Run auf den Profit aus der Eisenverhüttung auch das Reichsstift Essen erreicht. Um dem Mangel an Raseneisenstein im Vest Recklinghausen entgegen zu wirken, hatte sich am 12. Juni 1783 zunächst der Pächter der St. Antony-Hütte Döeinck eine Erlaubnis zum Graben von Erz im Stift Essen ausstellen lassen.74 Zuvor war schon ohne besondere Erlaubnis Eisenstein aus der Gegend um Karnap über die Grenze gebracht worden. Neben Erz bezog die St. Antony-Hütte auch Holz aus dem Essener Staatsgebiet. Als 1789 der Essener Hofgärtner H. Ferdinand Langen weitere ergiebige Eisensteinlager in der Lipperheide entdeckte, erkannte auch die Essener Fürstäbtissin Maria Kunigunde75 die Chancen der Eisengewinnung. Sie ließ zwei Proben zur Untersuchung zur damals bekannten Sayner Hütte bringen. Diese lag in Bendorf bei Koblenz, wo der Bruder Maria Kunigundes als Kurfürst von Trier residierte und wo sie sich auch selbst die meiste Zeit aufhielt. Der Direktor der Sayner Hütte, Johann Heinrich Jacobi, stellte bei den Proben einen Eisengehalt von 34 bzw. 53 Prozent fest. Das Erz war gut zur Herstellung von Gusswaren geeignet. Die Größe der Lagerstätte ließ die Anlage einer Eisenhütte lohnenswert erscheinen. Ein zusätzliches Gutachten des Essener Kanzleidirektors Johann Jakob Schmitz bewies die Profitabilität einer Hütte.76

Am 24. März 1790 gründeten Kanzleidirektor Schmitz, Hofgärtner Langen, der Essener Hof- und Regierungsrat Karl Franz Ludwig Radermacher und ein aus Trier stammender Arenbergischer Hütteninspektor Werner, der die Untersuchungen auf der Sayner Hütte begleitet hatte, die Gesellschaft „Werners und Compagnie“. Die Gesellschaft plante den Bau einer Eisenhütte und eventuell weiterer Werke zur Verarbeitung des Eisens.77 Am 30. Oktober 1790 erhielt diese Gesellschaft das Privileg zur Ausbeutung der Erzfunde im Stift Essen. Johann Jacob Schmitz unterzeichnete es selbst im Auftrag der Fürstäbtissin. Am 26. Dezember war zu lesen: „Ihro Königliche Hoheit lassen der fürstlichen Regierung gnädigst bekannt machen, dass Hochdieselbe den vierten Theil der Essendischen Eisenhütte von Höchstdero Kanzlei Direktor übernohmen haben […].“78 Schmitz hatte seinen Anteil an Maria Kunigunde verkauft.

Vier Wochen später genehmigte Maria Kunigunde „Werners und Compagnie“, an der sie ja jetzt selbst beteiligt war, „den in unserem Hochstifte und seinen Zubehörungen bereits entdeckten, oder noch zu entdeckenden Eisen-Erz zu suchen, zu gewinnen, und nach Wohlgefallen mit Schmeltz und Hammer zu benutzen“ sowie „ein oder mehrere Hütten und Hammer-Werke anzulegen.“79 Das Unternehmen wurde vor Konkurrenten innerhalb des Hochstifts geschützt, allerdings bezog sich der Schutz nicht auf Betriebe, die das Eisen weiter verarbeiteten. Schäden, die durch Erzförderung oder Eisengewinnung entstanden, waren zu bezahlen. Die Fürstäbtissin sagte in der Urkunde die Versorgung mit „Klafterholz“ zu einem festen Preis zu und gewährte der Hütte sowohl für den Bezug von Rohstoffen als auch für den Absatz eigener Produkte Zollfreiheit. Alle Steuern und Abgaben wurden durch eine jährliche Pauschalzahlung von 40 Reichstalern abgegolten.

Maria Kunigunde engagierte zum Bau der Hütte Gottlob Julius Jacobi (1770 – 1823).80 Er war der Sohn des Direktors der Sayner Hütte, Johann Heinrich Jacobi, und von seinem Vater im Hüttenwesen ausgebildet worden. Die Sayner Hütte genoss zu dieser Zeit ein hohes Ansehen. Gottlob vertiefte sein Wissen durch Lehrjahre in England, dem zu diesem Zeitpunkt in der Eisenhüttentechnik führenden Land. Mit Gottlob Jacobi kam ein resoluter, technisch versierter Fachmann in die Region, der bis zu seinem Lebensende das Eisenhüttenwesen im Raum Oberhausen prägen sollte.


Abb. 16: Maria Kunigunde von Sachsen (1740 – 1826), Fürstäbtissin von Essen und Thorn. Das Porträt wird dem Maler Heinrich Foelix (1757 – 1821) zugeschrieben.

Jacobi baute für die Gesellschaft „Werner und Co.“ die Hütte „Neu-Essen“ direkt an der Emscher unterhalb der Oberhausener Mühle in der Gemeinde Lippern-Lirich gelegen. Die preußischen Behörden beobachteten das Vorhaben mit Argwohn. Schon im Juli 1790 untersuchte Eversmann im Auftrag des preußischen Bergamts die Essener Pläne.81 Die Konkurrenz einer weiteren Hütte sollte möglichst verhindert, zumindest aber verzögert werden. Eversmann schlug vor: „Es würde demnach sehr erwünscht seyn, ein Mittel ausfindig zu machen diese Anlage zu vereiteln“. Einen möglichen Ansatz hierzu schien die Wasserversorgung der neuen Hütte zu bieten. Zu ihrem Betrieb war ein Damm in der Emscher geplant. Da die Grenze zwischen dem preußischen Herzogtum Kleve und dem Reichsstift Essen mitten durch den Fluss verlief, hätte dieser Damm teilweise auch auf preußischem Territorium errichtet werden müssen. Das Bergamt ließ also den Bau auf preußischem Gebiet in der Hoffnung verbieten, dass die Gesellschafter von Neu-Essen dann aufgeben würden. Die jedoch ließen nun einen Seitenkanal an der Emscher zum Betrieb des Wasserrades graben, so dass der Bau der neuen Hütte sich zwar verzögerte, aber nicht verhindert werden konnte.

1791 kam die Hütte Neu-Essen unter der Leitung Jacobis in Betrieb. Damit existierten nur wenige Kilometer voneinander entfernt drei Hütten, die sich Erze, Brennstoffe, Arbeiter und Absatzmärkte streitig machten. Bis 1794 erwarb die Fürstäbtissin sämtliche Anteile an Neu-Essen. Direktor blieb Gottlob Jacobi, der die Hütte weiter ausbaute. Eversmann lobte 1804 die Arbeit des „geschickte(n) Hütte-Faktor(s)“ Jacobi auf Neu-Essen. Er habe die ledernen Blasebälge 1797 mit großem Erfolg durch ein hölzernes Zylindergebläse ersetzt, was zu besserem Eisen und zu deutlichen Einsparungen an Kohlen geführt habe. Auch habe er einen Polierhammer für die in großem Umfang produzierte Munition gebaut.82 Aber Eversmann schrieb angesichts der Konkurrenz der drei Hütten in unmittelbarer Nachbarschaft auch:

Abb. 17: Urkunde der Fürstäbtissin Maria Kunigunde vom 23. Januar 1791, Verleihung des Rechtes zur Suche nach Eisenstein im Hochstift Essen an Werner & Co.

„Es würde diesen drei beieinander liegenden Hütten sehr zuträglich sein, wenn wenigstens eine von ihnen einginge oder in ein Hammerwerk umgestellt würde; der Vorrat an Holz in dieser Gegend ist nicht zureichend, um einen vorteilhaften Betrieb aller drei Hütten zugleich zu gestatten.“83

6. Mit Gebetbuch und Pistole: Der Zusammenschluss dreier Eisenhütten

Als Franz Ferdinand von Wenge am 5. September 1788 starb, warf die St. Antony-Hütte mittlerweile Profite ab. Die Enkel seiner Schwester erbten sein Vermögen und planten bald, die Eisenhütte zu verkaufen. So schrieben sie in der „Essendischen Zeitung von Kriegs- und Staats-Sachen“ vom 21. Mai 1790 die Hütte, „bestehend in schmelz und hammer, mit zugehörigen Wohn- und Formhäuser, Kohlschoppen und Garten“, zur Versteigerung aus.84 Nach zwei weiteren Anzeigen am 27. Juni 1790 und am 23. September 1791 folgte ein regelrechter Vertragspoker.85

Ein betrügerischer Verkauf?

Im Juli 1790 hatte Bergrat Eversmann dem preußischen Bergamt über den anstehenden Verkauf berichtet.86 Er befürchtete, dass, wenn die Eigentümer der im Aufbau befindlichen Hütte Neu-Essen die St. Antony-Hütte erwerben würden, die Hütte Gute Hoffnung in Sterkrade von allen Holzkohlevorräten abgeschnitten wäre. Da es im Herzogtum Kleve keine ausreichende Menge an Holz gebe, plane Eberhard Pfandhöfer, den Kölner Forst in Erbpacht zu nehmen, um sich ausreichende Vorräte zu sichern. Dann wolle er die St. Antony-Hütte aufkaufen, still legen und durch einen Eisenhammer ersetzen. Zur Finanzierung des Vorhabens benötige Pfandhöfer jedoch eine finanzielle Unterstützung des preußischen Staates. Doch das lehnte das preußische Hüttendepartement in Berlin mit dem Hinweis auf die mangelnde Finanzkraft Pfandhöfers ab. Dennoch versuchte Pfandhöfer, die St. Antony-Hütte zu übernehmen. Im März 1791 begannen Wenges Erben Verkaufsverhandlungen mit Eberhard Pfandhöfer. Dieser hatte gegenüber Eversmann betont, dass der Erwerb von St. Antony für die Hütte Gute Hoffnung lebenswichtig sei. Ein Kauf der Hütte reduziere die Zahl der Konkurrenten und gleichzeitig wäre die Holzkohleversorgung für die Hütte Gute Hoffnung gesichert sowie die Versorgung mit Erzen verbessert. Auch wäre eine Absperrung des Elpenbachs und damit die Unterbrechung der Wasserversorgung durch die St. Antony-Hütte nicht mehr möglich.

Im Lauf des Jahres 1791 trat als weitere Kaufinteressentin die Essener Fürstäbtissin Maria Kunigunde auf den Plan. Sie war im Gegensatz zu Pfandhöfer kapitalkräftig. Ihr Hüttendirektor Gottlob Jacobi führte die Verhandlungen. Für ihn spielte eine Verbreiterung der Erzbasis der in Bau befindlichen Hütte Neu-Essen die wesentliche Rolle. Auch reizte ihn, dass die St. Antony-Hütte oberhalb der Hütte Gute Hoffnung am gleichen Bachlauf lag. Dies versprach Einfluss auf den Betrieb der Konkurrenz. Was er mit der St. Antony-Hütte vorhatte, blieb zunächst unbekannt. Jacobi gab ein Gebot von 4.500 Reichstalern ab.

Die Verkaufsverhandlungen zogen sich in die Länge. Als im Juli 1793 als dritter Interessent ein Kaufmann Theodor Schmölder aus Neuenrade – zu dieser Zeit an der Hütte Gute Hoffnung beteiligt – 5.000 Reichstaler für St. Antony bot, beschleunigten sich die Verhandlungen. Am 18. Juli 1793 wurde ein Verkaufsvertrag mit Jacobi aufgesetzt, gleichzeitig aber die Verhandlungen auch mit Pfandhöfer weiter geführt. Am Ende verkauften Wenges Erben die Hütte an zwei Interessenten – und zwar vollständig und nahezu gleichzeitig.


Abb. 18: Gottlob Julius Jacobi (1770 – 1823), Gemälde eines unbekannten Künstlers

Abb. 19: Erste Seite des Vertrages zwischen den Erben von der Wenges und Gottlob Jacobi vom 28. Juli 1793 über den Kauf der St. Anthony-Hütte

Am 26. Juli 1793 schlossen die Erben einen Kaufvertrag über 6.000 Reichstaler mit Eberhard Pfandhöfer ab. Anwesend waren Peter Friedrich Krupp, Sohn von Helene Amalie Krupp, und Theodor Schmölder; beide waren zu diesem Zeitpunkt an der Hütte Gute Hoffnung beteiligt. Bei Anzahlung des Kaufpreises sollten die Kaufverträge ausgetauscht und damit der Kauf endgültig vollzogen werden. Pfandhöfer wollte am nächsten Tag die ihm von Peter Friedrich Krupp vorgestreckte87 Anzahlung übergeben. Doch erklärte der Beauftragte der Erben von Wenges, die Anzahlung käme zu spät und zusätzlich fehle ihm für den Verkauf die Vollmacht einer der Erben, so dass der Vertrag nicht vollzogen werden könne. Pfandhöfer protestierte, doch wurde ihm der Vertrag nicht ausgehändigt.

Am 27. Juli schloss der Vertreter der Erben von Wenges einen zweiten zunächst mündlichen, am Tag darauf dann schriftlich verfassten Kaufvertrag ab, jetzt mit Gottlob Jacobi zugunsten der Essener Fürstäbtissin.88 Der Kaufpreis betrug ebenfalls 6.000 Reichstaler, 1.000 Taler waren sofort zu entrichten. Im Vertrag wurde erwähnt, dass „die am 26ten dieses mit dem Herrn Gerhard (!) Pfandhöfer gepflogene Verkaufs Unterhandlung wegen Mangel der auf der stelle zu erlegenden Gelder zu keinen Abschluß gebracht werden konnte“. Jacobi sicherte in einer Nebenabrede außerhalb des Vertrages den Erben von Wenges zu, dass die Fürstäbtissin alle aus dem Vertrag mit Pfandhöfer entstehenden Kosten tragen würde.

In der Folge pochten beide Käufer auf Einhaltung der Verträge. Pfandhöfer ließ am 29. Juli Eisenstein anfahren und begann mit mehreren Zimmerleuten, die St. Antony-Hütte instand zu setzen. Noch am selben Tag erschien auch Gottlob Jacobi mit mehreren Leuten und vertrieb unter Einsatz von Schusswaffen Pfandhöfer mit seinen Handwerkern von der Hütte. Jacobis Leute hielten nun die Hütte besetzt, so dass ein erneuter Versuch Pfandhöfers scheiterte, mit der Arbeit auf der Hütte zu beginnen. Zusätzlich sperrte Jacobi im August Pfandhöfer das Wasser für die bachabwärts liegende Hütte Gute Hoffnung. So musste dieser den Hochofen ausblasen, nachdem vergeblich versucht worden war, die Blasebälge durch Arbeiter zu betreiben.89 Am 14. August 1793 erhielt der Kaufvertrag mit der Fürstäbtissin die gerichtliche Bestätigung.

Der Kaufvertrag bestimmte, dass „mit der Arbeit auf der Hütte sobald als möglich angefangen werden“ sollte. Immerhin war angesichts der kriegerischen Zeiten Eisenverhüttung lukrativ und auch für den Staat so wichtig, dass er 1794 die zugewanderten Kohlebrenner unter den Schutz der Bergordnung und damit vom Rekrutendienst frei stellte.90 Als jedoch Jacobi die Produktion auf St. Antony wieder aufnahm, kam es zu erneuten Klagen des Klosters und der Bewohner von Sterkrade.91 Sie beschwerten sich beim preußischen Landgericht in Dinslaken, dass das ansonsten sehr gute Wasser des Elpenbachs durch tägliches Erzwaschen auf der St. Antony-Hütte verdreckt und für Mensch und Vieh ungenießbar sei. Die Mühl- und Fischteiche würden verschlammt, was die Fischzucht unmöglich mache und zum Stillstand der Mühlen führen werde. Bei einem Ortstermin am 3. Dezember 1793 – die neue Äbtissin des Zisterzienserinnenklosters wies dabei auf die Auseinandersetzung der 1750er Jahre hin – fand das Gericht die Beschwerden „vollkommen begründet“ und forderte am 10. Dezember vom kölnischen Hofrat in Bonn schleunigste Abhilfe. Die Hofkammer bat nun die Verwaltung des Fürstbistums Essen um Stellungnahme, schließlich galt die Essener Fürstäbtissin als Eigentümerin der Hütte. In Essen gab man sich erstaunt über die Vorwürfe. Indem sich die Verwaltung eine Stellungnahme von Jacobi zu eigen machte, behauptete man, es sei unbegreiflich,

„wie sich seit zwei Jahren, welche Zeit die Antoni Eisenhütte stillestand, der Geschmack der Einwohner und des Viehs zu sterkrade so sehr verzärtelt haben kann, dass ihnen nun die Bache durch das Waschen der Eisenerde ganz unbrauchbar scheint, im Gegenteil sollte die ganze Gemeinde vom menschen bis zum Vieh längstens ihren Gaumen daran gewöhnt haben, weil seit der Entstehung der Hütte bis auf diese Stunde das Eisenerz immer auf nämliche art gewaschen worden […].“


Abb. 20: „Geometrischer Grundriß der Bockmühle mit allen darin gelegenen Bau, Weide und Eichelnkampe, gemessen 1793 durch G. W. Strack sen.“

Zudem würden sich die ausgewaschenen Bestandteile rasch auf dem Boden des Bachs absetzen, so dass sie gar nicht bis Sterkrade gelangen würden. Dennoch wurde die Verschlammung der Teiche zugegeben, allerdings gegen die Beschäftigung von „40 armen Taglöhnern“ durch die Hütte aufgerechnet. Das Waschen des Erzes sei für eine rationelle Produktion notwendig. Dass die Sterkrader Hütte kein Erz wasche, läge allein daran, dass es ihr bei der Gründung verboten worden wäre. Auch vermutete man hinter der Beschwerde die Konkurrenz der Hütte Gute Hoffnung in Sterkrade. Diese Stellungnahme aus Essen reichte der Bonner Hofkammer, um Anfang 1794 die Beschwerde aus Sterkrade als unbegründet zurückzuweisen.

Der Streit um das Eigentum an der St. Antony-Hütte war aber immer noch nicht entschieden. Pfandhöfer wehrte sich juristisch, was bei den aneinander grenzenden Kleinstaaten mehrere Prozesse in verschiedenen Staaten bedeutete. Auch schaltete er den Freiherrn vom Stein als Vermittler ein und verklagte Jacobi wegen dessen Gewaltanwendung auf der Hütte. Es folgten langjährige Auseinandersetzungen vor verschiedenen Gerichten. Selbst für die Gerichte und die Regierungen scheint der Fall sehr verworren gewesen zu sein. Zwischenzeitlich wurde Jacobi sogar von den preußischen Behörden bei einem Aufenthalt in Duisburg verhaftet und bis Ende 1793 auf der Festung Wesel inhaftiert. Erst Ende 1795 kam es zur endgültigen Klärung der Besitzverhältnisse. Noch am 16. März hatte der Kölner Erzbischof Max Franz den Kaufvertrag mit der Fürstäbtissin anerkannt.92 Im November wurde dann aber letztinstanzlich doch Pfandhöfer das Eigentum an der Hütte zugesprochen, allerdings war er mittlerweile nicht mehr in der Lage, den Kaufpreis zu entrichten. So kam es am 21. Dezember 1795 zu einem Vergleich zwischen der Fürstäbtissin und Pfandhöfer. Das Eigentum an St. Antony ging an die Fürstäbtissin über, aber sie hatte die Hütte bis 1801 für 600 Taler jährlich an Pfandhöfer zu verpachten. 1796 blies Pfandhöfer den Hochofen auf St. Antony für acht Wochen, den Ofen auf der Hütte Gute Hoffnung gar nicht an.93 1797 arbeiteten von Mitte Juli bis Anfang September beide Hütten letztmals unter der Ägide Pfandhöfers.94

Pfandhöfer geht pleite

Noch in den 1780er Jahren hatte sich Pfandhöfer an verschiedenen Hüttenprojekten sowie an einer holländischen Glashütte beteiligt.95 Mit Beginn der 1790er Jahre verschärften sich allerdings seine Finanzprobleme wieder. Gegenüber verschiedenen Gläubigern häufte er erhebliche Schulden an.96 Hauptgläubiger blieb die Familie Krupp aus Essen. Hier machte man sich schon 1793 keine Illusionen mehr über die Solvenz ihres Schuldners. Außerdem sahen sie Anzeichen, dass Pfandhöfer „dem Tranke so sehr ergeben ist.“97 Pfandhöfer geriet in eine aussichtslose Lage. Am 5. August 1796 beantragten Doeinck und Co., seine ehemaligen Kompagnons von der St. Antony-Hütte, mit denen er immer wieder Geschäfte gemacht hatte, eine Pfändung wegen einer ausstehenden Forderung von 1.000 Reichstalern.98 Noch im gleichen Monat ließ auch die preußische königliche Forstkasse Mobiliar und Vieh von Pfandhöfer wegen Zahlungsrückständen pfänden. Nochmals zahlte Amalie Krupp die Schulden, wahrscheinlich um ihre eigenen Forderungen zu retten.

Am 17. September 1797 zog der überschuldete Pfandhöfer seine Konsequenzen. Er verließ Sterkrade und Osterfeld. Sein neuer Aufenthaltsort war zunächst unbekannt.99 Tatsächlich hatte er sich nach Holland abgesetzt, wo er später wieder im Eisenhüttenwesen tätig war.100 Am 11. Januar 1798 wurde der Konkurs über das im Herzogtum Kleve befindliche Vermögen Pfandhöfers eröffnet. Bis zum 26. April waren alle Forderungen bei Gericht zu melden.101 Sie summierten sich auf fast 30.000 Taler, von denen allein der Familie Krupp über 24.000 Taler geschuldet waren. Am 29. August wurde die Versteigerung des Pfandhöferschen Vermögens erstmals angekündigt. Helene Amalie Krupp ersteigerte am 29. März 1799 die Hütte Gute Hoffnung für 12.000 Reichstaler. Den endgültigen Zuschlag erhielt sie jedoch erst am 12. April 1800.102 So sicherte sie sich zumindest einen gewissen Gegenwert für ihre hohen Forderungen.

Auf der St. Antony-Hütte übernahm nach Pfandhöfers Flucht wieder Gottlob Jacobi die Leitung und vereinigte sie mit der Hütte Neu-Essen. Er selbst zog mit seiner Familie in die Direktorenwohnung nach Osterfeld. Dort modernisierte er die Hütte grundlegend, was sie zur vorbildlichen Anlage machte. Am Hochofen installierte er ein Kastengebläse und ließ den ersten ▶ Kupolofen in Deutschland außerhalb Oberschlesiens errichten. 1799 ging St. Antony wieder in Betrieb und Jacobi konzentrierte die Produktion von Roheisen auf dem Werk am Elpenbach. Die Kampagnen dauerten etwa dreißig Wochen. Der preußische Fabrikencommissarius Eversmann nannte Jacobi in seiner 1804 erschienen „Übersicht der Eisen- und Stahlerzeugung auf Wasserwerken in den Ländern zwischen Lahn und Lippe“ einen experimentierfreudigen Hüttenfaktor und „Mann von einer vollkommenen hüttenmännischen Kenntnis“.103 Auch lobte er den technischen Stand der St. Antony-Hütte und beschrieb sie ausführlich: Der Hochofen war 22 Fuß (= 6,90 Meter) hoch. Ein 16 Fuß (= 5,00 Meter) hohes Wasserrad trieb das Kastengebläse an. Für die Hütte arbeiteten 80 Personen, davon am Hochofen der Hüttenmeister, der Unterschmelzer und zwei Aufgeber in achtstündigen Schichten. Weiter beschäftigte die Hütte in der Sandformerei zwei Meister, sechs Knechte, vier Putzjungen und einen „Platenformer“, in der Lehmformerei zwei Meister und sieben Knechte. Zwei Putzknechte und vier Tagelöhner besorgten die Möllerung, also die Befüllung des Hochofens. Außerdem arbeiteten für die Hütte 16 Erzgräber sowie 32 Kohlenbrenner und Holzraider. 1802 stellten die Arbeiter 602.593 Pfund Gusswaren her. Auf der Hütte Neu-Essen sah Eversmann als Bemerkenswertes allein die Einrichtung eines Polierhammers und das Kastengebläse, stellte ansonsten nur fest, dass die Hütte still lag.104

Offensichtlich war auch die Fürstäbtissin mit Jacobis Arbeit zufrieden. Durch einen Vertrag vom 16. November 1799 ermöglichte sie ihm, für 5.000 Reichstaler an beiden Hütten ein Viertel der Anteile zu erwerben.105 Gleichzeitig gründeten beide eine gemeinsame Gesellschaft zum Betrieb der Hütten. Jacobi hatte seine Schulden aus den Erträgen der Hütten zu zahlen. Die Fürstäbtissin und Jacobi räumten sich gegenseitig ein Vorkaufsrecht für den Verkauf von Anteilen ein. Der Vertrag sicherte Jacobi ein Gehalt für die Hüttenleitung von 600 Reichstalern jährlich zu. Zusätzlich erhielt er freien Brand und Licht, die Genehmigung zur freien Nutzung der Ländereien der Hütten sowie die Fourage, also das Futter, für ein Pferd. Auf diese Weise gelang es Maria Kunigunde, Jacobi dauerhaft an die Hütten zu binden.


Abb. 21: Skizze des Hochofens der St. Antony-Hütte, 1797

765,11 ₽
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Дата выхода на Литрес:
22 декабря 2023
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9783874683265
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