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Humboldts Innovationen
Daniel Klink / Martin Mahn / Alexander Schug (Hg.)
Humboldts
Innovationen
Soziales, wissenschaftliches und wirtschaftliches Unternehmertum an der Humboldt-Universität zu Berlin
Impressum
Bibliografische Informationen der Deutschen Nationalbibliothek:
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in
der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische
Daten sind im Internet über http://dnb.d.nb.de abrufbar.
ISBN (eBook, epub): 978-3-940621-54-2
Lektorat: Xaver Elavon
Grafisches Gesamtkonzept, Titelgestaltung, Satz und Layout:
Stefan Berndt – www.fototypo.de
© Copyright: Vergangenheitsverlag, Berlin / 2010
Alle Rechte, auch die des Nachdrucks von Auszügen,
der fotomechanischen und digitalen Wiedergabe
und der Übersetzung vorbehalten.
eBook-Herstellung und Auslieferung:
readbox publishing, Dortmund
Inhalt
Vorwort
Einleitung
Ein akademisches Unternehmen: das Corpus Inscriptionum Latinarum - Theodor Mommsen
„Lassen Sie das, mit dem Gespüle ist ja doch nichts anzufangen!“ - August Wilhelm von Hofmann
„Ein Leben voller Arbeit und Mühe ist keine Last, sondern eine Wohltat.“ - Rudolf Virchow
Jenseits von Afrika - Heinrich Barth
Ein Leben für das Licht - Albrecht von Graefe
Neue Zeit zum Anfassen - Wilhelm Julius Förster
Dem Dünger auf der Spur - Adolph Frank
Die Revolution im Papier - Alexander Mitscherlich
Morphinistische Katzen an der Minibar Moralia - Louis Lewin
„Bisher nahm ich den Kampf umso eifriger auf“ - Emil von Behring
Der Ein-Frau-Betrieb - Alice Salomon
„Und im Traum, in einigen Fällen, hört er den Polarfuchs bellen.” - Alfred Wegener
Die Vorturnerin - Karin Janz
Tanz zwischen den Stühlen - Jürgen Kuttner
„Wir wollen Bedingungen schaffen, damit andere nachfolgen können“ - Andreas Heinz
Ideen und Idealismus - Conny Smolny
„Inspiration erfährt nur der vorbereitete Geist“ - Stephan Bayer
Nachwort
Autoren- und Herausgeberinfo
Anmerkungen
Abbildungsverzeichnis
Vorwort
Prof. Dr.
Michael Linscheid,
Vizepräsident für
Forschung der Humboldt-Universität zu Berlin
Muss sich Forschung durch Anwendung rechtfertigen? Ist das Geld der Steuerzahler nur dann gut angelegt, wenn eine neuartige Krebstherapie für morgen absehbar ist, wenn bessere Bremsen für Autos sofort machbar werden oder noch aussagefähigere Studien zur schulischen Kindererziehung oder zum altersbedingten Umbau der Gesellschaft damit bezahlt werden?
In seinem heute wie damals im Jahr 1997 hochaktuellen Buch „Pasteur’s Quadrant“ hat Donald E. Stokes, der ehemalige Dean der Woodrow Wilson School of Politics and Public Affairs der Princeton University, die Zusammenhänge zwischen Grundlagenforschung und angewandter Forschung umfassend beleuchtet. Eine seiner zentralen Thesen soll hier diesem Buch vorangestellt sein: Es gibt keinen einfachen, planbaren Weg von der Grundlagenforschung zu Anwendungen, sondern beide haben ihre Berechtigung, sind auf vielfache Weise miteinander verwoben und bedingen sich gegenseitig.
Zur Darstellung wählte er vier Quadranten, deren Achsen der reine Erkenntnisgewinn einerseits und orthogonal dazu die Möglichkeit einer Anwendung angeordnet sind. Das führt, wie nun leicht einsehbar ist, zu den vier Feldern (1) reine Grundlagenforschung, ohne jede Anwendung im Sinn (er nannte diesen Niels Bohrs Quadrant), (2) durch Anwendung inspirierte Grundlagenforschung (das ist Pasteurs Quadrant), (3) Forschung zur Lösung spezieller Fragen ohne allgemeinen Erkenntnisgewinn und (4) Forschung, direkt gezielt auf Anwendung und technische Innovation (Edisons Quadrant).
Universitäten bewegen sich in den ersten drei Quadranten und überlassen den vierten, dies gilt zumindest in Deutschland, eher den Firmen oder spezialisierten Forschungsinstituten, die aber ebenfalls meist mit Industriepartnern zusammenarbeiten. Dies heißt aber eben nicht, dass universitäre Forschung keine Innovationen zur Folge hat – das Gegenteil ist richtig. Da die Forschung im 4. Quadranten immer auch auf Grundlagenforschung zurückgreifen muss, ist indirekt auch daran die Forschung in der Universität beteiligt; gleiches gilt natürlich auch für Forschungsinstitute, die sich der Grundlagenforschung verschrieben haben. Auch Universitäten können Innovation zeitigen, wenn es nur gewollt wird – und wenn erkannt wird, dass sich, wie oben schon gesagt, beides bedingt. Innovation, verstanden als technologischer Fortschritt mit gesellschaftlicher Relevanz, kann eben wiederum als Auslöser für Grundlagenforschung wirken und dies nicht nur in den technikaffinen Wissenschaften, sondern in allen Wissensbereichen einer Universität, in den Materialwissenschaften ebenso wie in den Sozialwissenschaften, der Jurisprudenz oder der Linguistik. Daher ist es lohnend, auch innerhalb einer Universität den Forscherinnen und Forschern Mut zu machen, nach Innovationen Ausschau zu halten.
Das Ihnen hier nun vorliegende Buch „Humboldts Innovationen“ mit seinen sehr unterschiedlichen Beispielen aus der Geschichte der Humboldt-Universität belegt dies aufs Nachdrücklichste und eben nicht nur für die Naturwissenschaften oder die Medizin. Faszinierende Geschichten von ehemaligen Studenten und Lehrenden dieser traditionsreichen Universität aus allen möglichen Wissenschaftsfeldern zeigen die verschlungenen Wege, auf denen Forschung Ergebnisse hervorgebracht hat, die schließlich zum Wohle der Gesellschaft bis heute wirken – eben wirkliche Innovationen. Die nicht geplant oder vorhergesehen waren, sondern die sich ergeben haben. Letzteres allerdings ist kein Zufall, sondern das Erkennen einer möglichen Innovation muss geübt, gefördert und – vielleicht – gefordert werden, zum Wohle der Gesellschaft, der Universität, der beteiligten Wissenschaftler und auch als Inspirationsquelle für weitere Forschung. Das Lesen der Geschichten in diesem Buch soll Lust darauf machen einmal praktisch zu denken, wenn pure Wissenschaft gemacht wird, soll anregen nach grundlegenden Fragen Ausschau zu halten, wenn eigentlich gerade Anwendungen ausgearbeitet werden und soll beweisen, dass beides geht.
Und, natürlich, das Lesen dieses Buches soll auch einfach nur Spaß machen.
Einleitung
Innovative Unternehmerpersönlichkeiten an der Humboldt-Universität und ein Alumnitreffen, das so nie stattfinden konnte
von Daniel Klink / Aexander Schug
Emil von Behring: „Mir war die Theorie nie genug. Ich wollte mehr wissen und verstehen, um da draußen zu helfen. Haben Sie einmal ein Kind sterben sehen? Als Arzt konnte ich die Hilflosigkeit nicht ertragen. So viele Kinder starben an den Folgen der Diphtherie. Vor meinen Augen. Wir mussten einfach ein Gegenmittel finden und es unter die Menschen bringen, damit dieser Sinnlosigkeit des Sterbens ein Ende gesetzt wird. Heute kann sich das ja glücklicherweise kein Mensch mehr vorstellen.“
Rudolph Virchow: „Mein lieber Behring, das ging mir ja zeitlebens ganz ähnlich. Die „soziale Frage“ brannte und wir gingen für unsere Überzeugungen auf die Barrikaden. Da braucht man durchaus auch Mut und Durchsetzungsfähigkeit. Das Risiko habe ich mit Freude getragen. Wissen Sie noch als Bismarck mich zum Duell herausforderte? Ja. Das meine ich. Aber wenn man dann sieht, dass die eigenen Ideen zum Bau der ersten kommunalen Krankenhäuser führen, weiß man doch, dass sich die Beharrlichkeit gelohnt hat.“
Theodor Mommsen: „Wem sagen Sie das? Für verrückt haben sie mich gehalten, als ich meine Idee von der Sammlung aller lateinischen Inschriften bis zum sechsten Jahrhundert in einem internationalen Großprojekt zusammenzutragen vortrug. Und was höre ich? Heute wird noch immer an meiner Sammlung gearbeitet. Das zeigt doch: Wenn Sie die richtigen Menschen für Ihre Unternehmung finden, für Ihre Idee werben, um die nötigen Mittel zusammenzubringen, und wirklich an die Umsetzung glauben, haben Sie gute Chancen, aus der Idee Wirklichkeit werden zu lassen. Innovation nennen das die Leute heute.“
Wer steckt hinter der Innovation
Nicht die Idee oder Erfindung allein ist eine Innovation. Entscheidend ist ihre Durchsetzung in gesellschaftliche Realität – in neue Produkte, Dienstleistungen oder auch innovative Werte. Die Durchsetzung als das entscheidende Kriterium für eine Innovation zu sehen, bedeutet gleichsam den Personen dahinter eine besondere Rolle zuzuschreiben. Innovationen brauchen Persönlichkeiten, die in der Lage sind, Ideen Wirklichkeit werden zu lassen, Personen mit eigener Problemlösungsfähigkeit, Risikobereitschaft, Leistungsmotivation, einem starken Realitäts- und Eigensinn, Eigeninitiative, Unabhängigkeitsstreben und natürlich der Kreativität, die erst den Grundstein für die Ideen darstellt. Das schließt eine große Experimentierfreudigkeit und eine überdurchschnittliche Beobachtungsgabe mit ein. Ergänzt werden diese Eigenschaften durch soziale Fähigkeiten:
Durchsetzungsvermögen, emotionale Stabilität, Einfühlungsvermögen und der Fähigkeit zur Zusammenarbeit in Netzwerken. Die Aufzählung der Eigenschaften innovativer Unternehmerinnen und Unternehmer hört sich natürlich großartig an – und man ist leicht versucht, diesen Typ Mensch zu überhöhen, wenn es nicht auch einige weitere motivationstreibende Faktoren gäbe, die das Superheroenbild wieder durchkreuzen würden. Unabhängigkeitsstreben, Eigensinn, Kreativität sind manchmal auch nur der Ausdruck sozialer Isolation und Außenseitertums. QuerdenkerInnen sind oft auch unbeliebt. Sie durchkreuzen die gängigen Denkformen, Konventionen, Glaubenssätze – all das, was uns Halt zu versprechen gibt. Innovatoren sind demgegenüber jedoch auch Umstürzler, kreative Zerstörer, die gerade durch ihre Opposition zum glatten Mainstream erst erneuernd wirken können.
Wilhelm Julius Förster: „Unternehmertum und Wissenschaft schließen sich ja nicht aus. Ich war immer der Überzeugung, dass wir Wissenschaftler unser Wissen dem Volk verständlich vermitteln müssen. Warum sollten wir das nicht mit unternehmerischen Mitteln wagen? Mein Freund Werner von Siemens war mir da sicher auch Vorbild, als ich in Berlin die einzigartige Urania gründete. Die Menschen liebten sie und kamen. Sie tun es noch heute. Meine Kollegen fühlten sich da auf den Schlips getreten. Ich sei unwissenschaftlich. Das ist natürlich Unsinn. Diese selbstverliebten Starrköpfe wollen nur nicht zugeben, dass sie sich allzu gern hinter ihrer akademisch-sprachlichen Unverständlichkeit verstecken.“
Heinrich Barth: „Das ist aber jetzt reichlich übertrieben, mein lieber Kollege Förster, manchem ist diese Gabe nun einmal nicht gegeben. Das hat mit Arroganz nichts zu tun. Ich liebte meine Afrikaexpeditionen und die ausführlichen Dokumentationen waren nun einmal für die wissenschaftliche Exaktheit notwendig. Und als ich mit meinen aufregenden neuen Erfahrungen aus dem afrikanischen Kontinent in diese von sich selbst eingenommene Gesellschaft zurückkam, kämpfte ich gegen Windmühlen, als ich für die Akzeptanz und Würde der afrikanischen Völker eintrat. Manchmal kommen neue Gedanken eben auch zu früh.“
Stephan Bayer: „Ich finde das wirklich ermutigend. Das Internet ist zwar kein lebensgefährlicher Trip durch die afrikanische Wüste, aber wir betreten mit Sofatutor ja auch Neuland. Ich bin mir sicher, dass unsere Onlinelernplattform vielen Schülern aus ärmeren Schichten helfen wird, günstig ihre schulischen Leistungen zu verbessern. In Zukunft wird die Onlinenachhilfe für mehr Bildungsgerechtigkeit führen. Das ist eine soziale Innovation, wir bei Sofatutor setzen sie unternehmerisch um.“
Es geht nicht nur ums Geld: Soziale, kulturelle, wissenschaftliche Unternehmungen
Gemeinhin wird der Begriff der Unternehmerin und des Unternehmers, ebenso der „Innovation“, mit „wirtschaftlicher Schaffenskraft“ assoziiert. Aber wenn wir das Unternehmerische nicht nur auf das Wirtschaftliche und auf monetäres Gewinnstreben in unserer Gesellschaft beziehen, ergibt sich eine neue Perspektive auf das Unternehmertum. Unternehmertum kann als Haltung gegenüber der Gesellschaft verstanden werden, etwas zu wagen, zu verändern, Neuland zu betreten. Der unternehmerische Geist, den wir hier vorstellen wollen, ist getragen von grenzenloser Neugier – und die findet sich in allen Bereichen einer Gesellschaft. Es geht nicht darum, einen Konzern zu gründen, reich zu werden, Tausende von Mitarbeitern zu haben. Es geht um die Lust zu gestalten, die wir auch an der Universität, in Sozialeinrichtungen oder in Kulturbetrieben finden.
Jürgen Kuttner: „Ich habe zu DDR-Zeiten an der Humboldt-Universität studiert. In Philosophie promoviert über den ,Begriff der Masse in der ideologischen Auseinandersetzung‘. Die Zeit dort hat mich natürlich geprägt. Aber ich bin ein Selbständiger – Freigeist. An der Universität war ich dauerhaft nicht gut aufgehoben. Bei der Gründung der taz-Ost nach dem Fall der Mauer passte das dann alles sehr gut. Geschäftsführer Jürgen Kuttner‘ klang echt spießig und dann ging es los: GmbH gründen, Räume und Telefonanschlüsse besorgen. Man sagt mir nach, ich könne Menschen für Ideen begeistern. Hat ganz gut geklappt, mit zwanzig Mitarbeitern hatten wir bald eine Auflage von 45.000 Exemplaren.“
Wagniskapital – was die Universität mitgibt
Am Anfang einer Innovation steht eine Idee. Der Prozess der Ideenfindung wird in erheblichem Maße von Wissen und Bildung beeinflusst, die das wichtigste Kapital für Unternehmerinnen darstellen. Innovative Unternehmer sind vielseitig und interessieren sich dabei auch für grundverschiedene Dinge. Sie verknüpfen ihre Beobachtungen zu neuen Kombinationen. Wie eine Universität für diesen Prozess ein Katalysator sein kann, lässt sich einfach zeigen. Universitäten sind das Tor der Wissbegierigen. Sie ermöglichen Forschern neues Wissen zu schaffen (Wissenschaft), das diese dann an die Studierenden weitergeben. Die Studierenden ihrerseits geben den Forschern durch kritische Beteiligung wiederum Denkanstöße. Es ist das Humboldtsche Ideal von der Einheit von Forschung und Lehre, das sich in der ganzen Welt durchgesetzt hat (Auch eine Innovation! Eine soziale. Diesmal von Wilhelm von Humboldt!). Universitäten beeinflussen daher in zweierlei Hinsicht das Entstehen von Innovationen: Erstens sind sie die geistige Heimat für leidenschaftliche Forscher. Zweitens begleiten sie viele Menschen eine Zeit lang in ihrem meist prägenden, persönlichen Bildungsprozess – als Studierender oder Promovierender und auch als wissenschaftliche Hilfskraft oder wissenschaftlicher Mitarbeiter. Sie stellt die Grundlage für ihr künftiges schöpferisches Handeln dar und beeinflusst mittelbar auch die Innovationen, die sie außerhalb der Uni erschaffen werden.
Alfred Wegener: „Ich? Eine innovative Unternehmerpersönlichkeit? Das stimmt schon. Ich habe wohl mehr unternommen als unterlassen. Zum Schluss habe ich alles im Eis riskiert und blieb zurück. Natürlich war das etwas vollkommen Neues. Eine riesige Expedition in die Polarregion hat es so vorher nicht gegeben. Ich musste an so viele Dinge denken. Wir brauchten eine Finanzierung. Wir mussten genau planen, brauchten viele Mitarbeiter, mussten die Einheimischen für unser Vorhaben gewinnen und waren natürlich immer in großer Gefahr. Letztlich wollten wir mehr über den Einfluss der Polarregion auf das Weltklima herausfinden. Meine größte Innovation ist aber zweifelsfrei die Theorie der Kontinentalplattenverschiebung in der Welt durchgesetzt zu haben.“
August Wilhelm von Hofmann: „Anfangs haben die Meisten nur mit dem Kopf geschüttelt, als ich anfing mit Teer zu experimentieren. Ich war überzeugt davon, dass dieser Stoff Geheimnisse birgt, die es zu lüften gilt. Und ich fand meine Anilin-Base, die der Welt die Farben schenken sollte. Diese neuen Farben waren später nicht nur eine Innovation. Sie waren eine Sensation! Überzeugt von der Wichtigkeit der Erkenntnisse, habe ich gemeinsam mit der jungen chemischen Industrie die wissenschaftlichen Erkenntnisse in die Wirklichkeit gebracht. Wenn Sie das so nennen wollen, dann war das sicher unternehmerisch. In jedem Fall innovativ.“
Alexander Mitscherlich: „Die Chemie war auch meine Leidenschaft. Mein Bruder wollte eine Papierfabrik aufbauen und da befasste ich mich mit den Herstellungsverfahren, die ich für ineffizient hielt. Ich konnte nicht loslassen und erfand das Sulfit-Zellstoffverfahren. Gemeinsam mit der systematischen Verbesserung der Arbeitsschritte war die Produktionsweise marktkreif. Mit diesen Entdeckungen im Gepäck gründete ich meine eigene Fabrik und wurde Unternehmer. Die Probleme, die sich durch die Vermischung von Unternehmertum und Wissenschaft ergaben, kosteten mich viele Nerven. Später gab es auch noch Patentstreitigkeiten. Man bezweifelte allen Ernstes meine Erfinderschaft. Ich kämpfte hart um die Anerkennung und war erfolgreich. Mein Verfahren verbreitete sich in Deutschland und ganz Europa.“
200 Jahre quergedacht – oder: Was dieses Buch eigentlich soll …
Welche Innovationen gingen in den letzten 200 Jahren direkt und indirekt aus der Humboldt-Universität hervor? Welche Persönlichkeiten stecken hinter den Innovationen? Welche Widerstände mussten sie überwinden und welche Rolle spielte die Humboldt-Universität für ihre Leistung? Diese Fragen möchte das Buch beantworten. Es werden wirtschaftliche, soziale und wissenschaftliche Innovatorinnen und Innovatoren vorgestellt, die in ihrem Leben mit der Humboldt-Universität verbunden waren oder es noch sind. Die Uni wird dabei als Katalysator neuen Wissens, neuer Ideen und Innovationen vorgestellt. Die ausgewählten Beispiele von 17 Wagenden aus 200 Jahren Humboldt-Universität sollen vor allem Lust auf ein Denken jenseits von Konventionen machen. Sie machen auch Mut, neue Gedanken zu spinnen, neue Perspektiven auf diese Welt und unser Leben zu werfen – und vor allem Mut, Ideen auch in die Tat umzusetzen, damit sie gesellschaftlich wirksam werden können.
Louis Lewin: „Das ist doch erbauend, liebe Kollegen. Wir sind in hier in einer Art schriftlichen Ruhmeshalle. Die Ehre ist umso größer als sich unsere Nachfolger mit uns beschäftigen. Uns nicht vergessen. Selbst noch so jung, schreiben Sie in diesem Buch für ein breites Publikum verständlich über unsere Geschichte und innovativen Errungenschaften. Ich habe selbst Bestseller geschrieben. Mir lag es sehr am Herzen meine Forschung der Toxikologie der gesamten Bevölkerung näher zu bringen. „Die Gifte in der Weltgeschichte“ verkauften sich zum Beispiel sehr gut und ich konnte mit dem finanziellen Ertrag meiner Forscherleidenschaft an der Humboldt-Universität weiter nachgehen.“
Albrecht von Graefe: „Es ist doch wirklich eine schöne Würdigung. Man hat uns fast schon vergessen. Meine Pionierleistungen im Bereich der Augenheilkunde habe ich mit unternehmerischem Geschick über meine Privatkliniken finanziert. Um wirkliche Neuerungen durchzusetzen, musste ich mit meiner Leistung überzeugen und ungewöhnliche Mittel ergreifen. Zum Schluss stand der Erfolg, die Augenheilkunde von der Chirurgie emanzipiert zu haben. Unsere so verschiedenen innovativen Leistungen waren doch alle unternehmerisch. Mal wissenschaftlich, wie beim Kollegen Mommsen, mal sozial, wie beim verehrten Herrn Virchow aber auch kulturell, wie bei Herrn Kuttner.“
Adolph Frank: „Im Blick hatten wir dabei immer das Ganze: Die Wissenschaft, die Gesellschaft und die unternehmerische Umsetzung unseres neuen Wissens. Ich selbst gründete gleich mehrere chemische Fabriken. Ich bin viel gereist. Immer zwischen Forschung und Wirtschaft. Auch gedanklich natürlich. Für einen freien Geist, sind die Verknüpfungen zwischen der theoretischen Wissenschaft und der praktischen Wirtschaft, Kultur und Gesellschaft kein Gegensatz, sondern ein aufregendes Spielfeld. Liebe Kollegen, lassen Sie uns demütig Vorbild sein für die Studierenden und Forscher der Humboldt-Universität, die künftig mutig ihre Ideen zu Innovationen werden lassen!“1