Читать книгу: «Echte Schauermärchen der Weltliteratur», страница 3

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Alle diese Erzählungen, welche in dem schläfrigen, halblauten Tone vorgetragen wurden, womit Leute im Dunkeln reden, und wobei die Gesichter der Zuhörer nur dann und wann durch das Aufflammen einer Pfeife beleuchtet wurden, machten auf Ichabod’s Gemüht einen tiefen Eindruck. Er vergalt sie in gleicher Münze durch weitläufige Anführungen aus seinem unschätzbaren Schriftsteller, Cotton Mather, und fügte manche wunderbare Vorfälle hinzu, welche in seinem Geburtsstaate Connecticut sich ereignet hatten, so wie Erzählungen von den furchtbaren Geschichten, welche er bei seinen nächtlichen Wanderungen um die schläfrige Schlucht erblickt hatte.

Die Gesellschaft brach nun allmählich auf. Die alten Gutsbesitzer zogen ihre Familien in ihre Wagen zusammen, und man hörte sie eine Zeit lang in den Hohlwegen und über die entfernten Hügel dahinrollen. Einige von den Dämchen nahmen auf den Pferden ihrer Anbeter, hinter diesen, auf Kissen Platz, und ihr fröhliches Gelächter hallte, mit dem Geklapper der Hufe vermischt, in den stillen Waldgegenden wider, wurde immer schwächer und schwächer, bis es endlich ganz verhallte – und die noch vor Kurzem so geräuschvolle und fröhliche Scene war nun still und verlassen. Nur Ichabod zögerte noch, nach der Sitte ländlicher Liebhaber, um mit der Erbin unter vier Augen zu bleiben, vollkommen überzeugt, dass er nun auf der Heerstraße zu seinem Glücke sei. Was bei dieser Zusammenkunft vorgegangen, kann ich mir nicht heraus nehmen, sagen zu wollen, weil ich es nicht weiß. Etwas muss indessen, fürchte ich, nicht so ganz richtig gewesen sein, denn Ichabod kam nach einer nicht langen Zwischenzeit heraus, mit trostbedürftigem, mutlosem Wesen. – O, diese Weiber! diese Weiber! Hatte das Mädchen ihm vielleicht einen ihrer Kokettenstreiche gespielt?– Hatte sie den armen Pädagogen bloß zu begünstigen geschienen, um sich die Eroberung seines Nebenbuhlers zu sichern? – Der Himmel mag es wissen, ich nicht! – Es wird hinreichen, zu sagen, Ichabod stahl sich heraus, mit der Miene eines solchen, der eher auf einen Hühnerstall, aber nicht auf das Herz eines schönen Mädchens einen Angriff gemacht hat. Ohne sich zur Rechten oder zur Linken nach den ländlichen Reichtümern umzusehen, nach denen er früher so oft hingeschielt hatte, ging er geraden Weges nach dem Stalle, und brachte durch einige derbe Püffe und Stöße sein Ross sehr unfreundlich von dem behaglichen Lager empor, auf dem es ruhig schlief, von Bergen von Korn und Hafer und ganzen Wäldern von Timotheus-Gras und Klee träumend.

Es war gerade die Hexenstunde der Nacht, als Ichabod, mit schwerem Herzen und gesunkenem Mut an den hohen Hügeln hin, welche sich über Tarry Town erheben, seinen Weg nach Hause verfolgte, welchen er so fröhlich am Nachmittage zurückgelegt hatte. Die Stunde war so trübe, als er selbst. Weit unter ihm breitete die Trappan-Zee ihren finsteren und nur undeutlich sichtbaren Wasserspiegel aus, auf dem sich hie und da der hohe Mast einer Schaluppe erhob, welche ruhig am Lande vor Anker lag. In der Todesstille der Mitternacht konnte er sogar das Gebell der Kettenhunde von dem gegenüberliegenden Ufer des Hudson hören; allein es klang so unbestimmt und schwach, dass es nur eine Idee geben konnte von seiner Entfernung von diesem treuen Gefährten des Menschen. Dann und wann ertönte auch weit her von irgendeinem Meierhofe in den Hügeln, das langgezogene Krähen eines Hahns, der zufällig erwacht war, – aber es klang nur wie ein Ton des Traumes in sein Ohr. Kein Lebenszeichen war in seiner Nähe zu bemerken, als von Zeit zu Zeit das trübsinnige Zirpen einer Grille, oder vielleicht der Kehlton eines Brüllfrosches aus einem benachbarten Morast, als schliefe er unbehaglich, und habe sich plötzlich auf seinem Lager umgewendet.

Alle die Geschichten von Geistern und Kobolden, welche er am Nachmittag gehört hatte, kamen ihm nun zu Schaaren wieder in den Sinn. Die Nacht wurde dunkler und dunkler; die Sterne schienen tiefer in den Himmel zu sinken, und dahintreibende Wolken entzogen sie von Zeit zu Zeit seinen Blicken. Er hatte sich nie so verlassen und unglücklich gefühlt. Überdies näherte er sich dem Orte, wohin man mehrere der Szenen der Geistergeschichten verlegt hatte. Mitten auf dem Wege stand ein ungeheurer Tulpenbaum, welcher wie ein Riese über alle übrigen Bäume in der Nachbarschaft hinüberragte und eine Art von Wahrzeichen bildete. Seine Zweige waren knorrig und von abenteuerlicher Gestalt, groß genug, um Stämme für gewöhnliche Bäume zu bilden; sie bogen sich beinahe bis zur Erde hinab, und erhoben sich dann wiederum in die Luft. Er stand in Verbindung mit der tragischen Geschichte des unglücklichen André, der dicht dabei zum Gefangenen gemacht worden, und war allgemein unter dem Namen Major André‘s Baum bekannt. Die gemeinen Leute betrachteten ihn mit einer Mischung von Ehrfurcht und Aberglauben, teils aus Antheil an dem Schicksale des unglücklichen Mannes, und teils wegen Erzählungen von sonderbaren Erscheinungen, die man dort bemerkt, und der Klagetöne, die man dabei gehört haben wollte.

Indem Ichabod sich diesem furchtbaren Baume näherte, fing er an zu pfeifen; er glaubte, dass sein Pfeifen beantwortet würde – allein es war nur ein Windstoß, der scharf durch die trockenen Zweige strich. Als er ein wenig näher kam, glaubte er, etwas Weißes zu erkennen, das in der Mitte des Baumes hing – er hielt an, und hörte auf zu pfeifen; als er aber genauer hinsah, bemerkte er, dass dies ein Fleck war, wo der Baum vom Blitze getroffen worden und das weiße Holz sichtbar war. Plötzlich hörte er ein Stöhnen – seine Zähne klapperten und die Knie schlotterten ihm gegen den Sattel: es war nur das Reiben eines der großen Äste an einen andern, wie sie von dem Sturme bewegt worden. Er kam glücklich bei dem Baum vorüber; doch neue Gefahren lagen vor ihm.

Ungefähr zwei hundert Ellen von dem Baume durchschnitt ein kleiner Bach den Weg, und floss in eine morastische, dicht beholzte Schlucht, welche unter dem Namen Wiley’s Lache bekannt war. Einige rohe Holzblöcke, nebeneinander gelegt, dienten zur Brücke über dieses Wasser. An der Seite der Straße, wo sich der Bach in dem Walde verlor, verbreitete eine Gruppe von Eichen-und Kastanienbäumen, mit wilden Weinstöcken dicht durchflochten, eine höhlenartige Düsterheit darüber. Über diese Brücke hinwegzukommen, war die schwerste Prüfung. Gerade an dieser nämlichen Stelle war der unglückliche André gefangen genommen worden, und unter diesen Kastanienbäumen und Weinreben lagen die handfesten Milizen verborgen, welche ihn überfielen. Man hat dies Wasser von der Zeit an immer als unheimlich angesehen, und schauernd sind die Gefühle des Schulknaben, welcher nach dem Eintritt der Dämmerung allein darüber gehen muss.

Als er sich dem Wasser näherte, fing ihm das Herz mächtig an zu klopfen; er nahm indessen alle seine Entschlossenheit zusammen, gab seinem Pferde ein halbes Dutzend Rippenstöße, und suchte rasch über die Brücke zu kommen; statt aber vorwärts zu gehen, machte das eigensinnige alte Thier eine Seitenbewegung, und rannte gerade gegen die Umzäunung. Ichabod, dessen Furcht mit dem Verzuge wuchs, zog die Zügel nach der andern Seite an und stieß wacker mit dem entgegengesetzten Fuße; es war alles vergebens – sein Ross ging zwar vorwärts, aber nur, um auf die andere Seite des Weges, in ein Dickicht von Brombeeren und Erlengestrüpp hineinzulaufen. Der Schulmeister bearbeitete nun mit Peitsche und Sporn des alten Gunpowder’s hervorstehende Rippen, welcher schnaubend und schnaufend vorwärts schoss, dicht bei der Brücke aber mit einer solchen Schnelle Halt machte, dass sein Reiter beinahe über seinen Kopf hinweggestürzt wäre. Gerade in diesem Augenblicke vernahmen Ichabod’s feine Ohren ein Getrampel in dem Morast an der Brücke. In dem dunkeln Schatten des Gebüsches, am Ufer des Baches, sah er etwas Gewaltiges, Unförmliches, Schwarzes und Turmhohes. Es rührte sich nicht, sondern schien in dem Dunkel zusammengezogen wie ein riesenhaftes Ungeheuer, und im Begriff, sich auf den Reisenden zu stürzen.

Das Haar des erschrockenen Pädagogen sträubte sich vor Furcht auf seinem Kopfe. Was sollte er tun? Umzukehren und zu fliehen war jetzt zu spät; und überdies, welche Möglichkeit gab es, einem Geiste oder Kobold, wenn dies ein solcher war, zu entgehen, da diesem die Flügel des Windes zu Gebote stunden? Indem er also eine Art Muth zusammenraffte, fragte er stammelnd – »Wer seid Ihr?« Er erhielt keine Antwort. Er wiederholte seine Frage mit noch bewegterer Stimme. Noch immer gab es keine Antwort. Abermals zerprügelt er des unbeugsamen Gunpowder’s Seiten, und stimmte, indem er die Augen schloss, mit unwillkürlicher Inbrunst eine Psalmmelodie an. In diesem Augenblick setzte sich der dunkele Gegenstand des Schreckens in Bewegung, und stand mit einem Ruck und einem Sprunge plötzlich mitten auf dem Wege. Obgleich die Nacht dunkel und schauerlich war, so ward doch nun die Gestalt des Unbekannten einigermaßen kenntlich. Er schien ein Reiter von gewaltiger Größe, der ein schwarzes Pferd von mächtigen Formen ritt. Er machte keine Bewegung, die auf Belästigung, noch eine solche, die auf Geselligkeit hingedeutet hätte, sondern blieb in einiger Entfernung auf der einen Seite der Straße, an der blinden Seite des alten Gunpowder’s, der jetzt seine Furcht und Störrigkeit abgelegt hatte.

Ichabod, der an diesem fremden mitternächtlichen Gesellschafter keine Freude hatte, und dem das Abenteuer des Brom Bones mit dem galoppierenden Hessen einfiel, trieb jetzt sein Ross an, in der Hoffnung, ihn hinter sich zu lassen. Der Fremde ließ jedoch sein Ross zu gleicher Schnelle an. Ichabod hielt an, ritt Schritt, und dachte nun, hinten zu bleiben – der Andere tat dasselbe. Sein Herz fing an zu verzagen; er suchte seinen Psalmton wieder anzustimmen, allein seine trockene Zunge klebte ihm am Gaumen, und er konnte keine einzige Strophe herausbringen. Es lag etwas in dem mürrischen, finstern Stillschweigen seines beharrlichen Gefährten, das geheimnisvoll und niederschlagend war. Die Ursache davon erklärte sich bald auf eine furchtbare Weise. Als Ichabod eine Anhöhe hinaufritt, welche die Gestalt seines Reisegefährten frei zeigte, von riesenhafter Größe und in einen Mantel gehüllt, war er von Entsetzen zerschmettert, denn er sah, dass sie keinen Kopf hatte! – aber sein Entsetzen wuchs, als er bemerkte, dass er den Kopf, der auf den Schultern hätte stehen sollen, vor sich auf dem Sattelknopfe trug. Sein Schrecken stieg zur Verzweiflung; er ließ Püffe und Stöße auf Gunpowder regnen, und hoffte, durch eine plötzliche Bewegung seinem Gefährten den Rang abzugewinnen – aber das Gespenst sprengte so schnell dahin, wie er. Dahin sausten sie denn, durch Dick und Dünn; die Steine stoben und die Funken flogen bei jedem Satze. Ichabod’s leichte Gewänder flatterten in der Luft, indem er in dem Eifer seiner Flucht den langen dünnen Leib vorwärts über des Pferdes Kopf dahinstreckte.

Sie hatten nun den Weg erreicht, welcher abwärts nach der schläfrigen Schlucht führt; aber Gunpowder, der von einem Dämon besessen zu sein schien, machte, statt die Straße zu verfolgen, eine entgegengesetzte Wendung, und stürzte links den Hügel hinab. Dieser Weg führt durch eine sandige Schlucht und ist eine Viertelmeile lang von Bäumen beschattet, bis da, wo er über die Geisterbrücke geht, und dann dicht jenseits derselben der grüne Hügel anschwillt, auf welchem die weißgetünchte Kirche steht.

Bis jetzt hatte der Schrecken des Pferdes seinem unkundigen Reiter einen anscheinenden Vorteil bei dem Wettrennen gegeben; aber gerade, als er ungefähr die Mitte der Schlucht erreicht hatte, ließ der Gurt des Sattels nach, und er fühlte diesen unter sich entgleiten. Er ergriff ihn bei dem Knopfe und suchte ihn festzuhalten, aber vergebens; und er hatte gerade nur Zeit genug, den alten Gunpowder um den Hals zu fassen, als der Sattel auf die Erde fiel, und er seinen Verfolger darüber hin traben hörte. Auf einen Augenblick kam die Furcht vor Hans van Ripper’s Zorn über seine Seele, – denn es war dessen Sonntagssattel; allein es war keine Zeit für kleinliche Besorgnisse; der Kobold war ihm hart auf den Fersen, und als ungeschickter Reiter hatte er viel Mühe, sich in dem Sitze zu erhalten; zuweilen glitt er auf der einen Seite, zuweilen auf der andern herab, und öfters prallte er auf den scharfen Rückgrat seines Pferdes mit einer solchen Gewalt, dass er in der Tat fürchtete, mitten voneinander gespalten zu werden.

Eine Öffnung in den Bäumen erfreute ihn jetzt mit der Hoffnung, dass die Kirchenbrücke nicht mehr fern sei. Das zitternde Abbild eines silbernen Sternes in dem Schoß des Baches überzeugte ihn, dass er sich nicht geirrt habe. Er sah die Mauern der Kirche zwischen den Bäumen jenseits hindurch glänzen. Er erinnerte sich des Ortes, wo des Brom Bones geistiger Nebenbuhler verschwunden war. »Wenn ich nur diese Brücke erreichen kann,« dachte Ichabod, »bin ich in Sicherheit.« Gerade da hörte er das schwarze Ross dicht hinter sich keuchen und schnauben; er glaubte sogar seinen heißen Odem zu fühlen. Noch ein krampfhafter Rippenstoß und der alte Gunpowder sprang auf die Brücke; er donnerte über die tönenden Bretter; er erreichte das entgegengesetzte Ufer; und nun warf Ichabod einen Blick hinter sich, um zu sehen, ob sein Verfolger, der Regel nach, in einer Wolke von Feuer und Schwefel verschwinden würde. Gerade jetzt sah er den Kobold sich in den Steigbügeln erheben und eben im Begriffe, ihm seinen Kopf nachzuschleudern. Ichabod suchte der furchtbaren Wurfwaffe auszuweichen, aber umsonst. Sie begegnete mit einem gewaltigen Krache seinem Schädel – er stürzte kopfüber in den Staub, und Gunpowder, das schwarze Ross und der gespenstige Reiter sausten wie ein Wirbelwind vorüber.

Am nächsten Morgen wurde das alte Pferd ohne Sattel, und mit dem Zaume unter den Füßen, ganz ruhig vor seines Herrn Thür im Grase weidend, gefunden. Ichabod erschien nicht beim Frühstück – die Mittagessensstunde kam, aber kein Ichabod. Die Knaben versammelten sich im Schulhause, und schlenderten müßig am Ufer des Baches umher, aber kein Schulmeister war zu sehen. Hans van Ripper begann nun über das Schicksal des armen Ichabod und seines Sattels besorgt zu werden. Man erkundigte sich und kam nach genauer Nachforschung auf seine Spur. An einer Stelle des Weges, welcher nach der Kirche führte, fand man den Sattel in den Kot getreten; die Spuren von Pferdehufen, tief in den Weg eingedrückt, und offenbar wilde Eile bezeichnend, konnte man bis an die Brücke verfolgen, jenseits welcher, am Uferende einer breiten Stelle des Baches, wo das Wasser tief und schwarz war, der Hut des unglücklichen Ichabods, und dicht dabei ein zertrümmerter Kürbis gefunden ward.

Man durchsuchte den Bach, konnte aber den Körper des Schulmeisters nicht auffinden. Hans van Ripper untersuchte, als sein Testamentsvollstrecker, das Bündel, welches alle seine weltlichen Habseligkeiten enthielt. Diese bestanden aus zwei und einem halben Hemde; zwei Halsbinden; einem oder zwei Paar wollenen Strümpfen; einem alten Paar kurzer manchesterner Beinkleider; einem rostigen Rasiermesser; einem Buche mit Psalmmelodien, voll von Ohren; und einer zerbrochenen Thon-Pfeife. Was die Bücher und Möbel im Schulhause betraf, so gehörten sie der Gemeinde, mit Ausnahme von Cotton Mather’s Geschichte der Zauberei, einem Kalender für Neu-England, und einem Buche über Träume und Weissagungen; in welchem letzteren sich ein Bogen Schreibpapier befand, auf welchem mehrere verunglückte Versuche von Versen, zu Ehren der Erbin van Tassel’s, zu lesen waren. Diese Zauberbücher und das poetische Gekritzel übergab Hans van Ripper ungesäumt den Flammen; und da er aus dem sogenannten Lesen und Schreiben nie etwas Gutes hatte entstehen sehen, beschloss er, seine Kinder nicht mehr in die Schule zu senden. Das Geld, welches der Schulmeister besaß, und er hatte seine vierteljährige Besoldung nur erst vor einem oder zwei Tagen empfangen, musste er zur Zeit seines Verschwindens bei sich gehabt haben.

Diese geheimnisvolle Begebenheit gab am folgenden Sonntage in der Kirche zu manchen Vermutungen Anlass. Haufen von müßigen Zuschauern und Klätschern versammelten sich auf dem Kirchhofe, an der Brücke, und an der Stelle, wo man den Hut und den Kürbis gefunden hatte. Die Geschichten von Brouwer, von Bones und einer Anzahl von andern wurden wieder in das Gedächtniss zurückgerufen, und nachdem man sie alle gehörig hin und her überlegt und mit allen Einzelheiten des gegenwärtigen Falls verglichen hatte, schüttelten die Leute ihre Köpfe, und kamen endlich zu dem Schluss, dass Ichabod von dem galoppierenden Hessen hinweg geführt worden sei. Da er ein Junggesell und Niemand etwas schuldig war, so bekümmerte sich keiner mehr um ihn: die Schule wurde in eine andere Gegend der Schlucht verlegt, und ein anderer Pädagoge herrschte an seiner Stelle.

Es ist wahr, ein alter Landmann, der mehrere Jahre nachher nach New-York zum Besuche gereist war, und den man diese Geistergeschichte hatte erzählen hören, brachte die Nachricht nach Hause, Ichabod Crane sei noch am Leben, er habe, teils aus Furcht vor dem Gespenste und vor Hans van Ripper, teils aus Ärger darüber, dass er so plötzlich von der reichen Erbin abgewiesen worden, die Gegend verlassen, sich in einem entfernten Theile des Landes angesiedelt, Schule gehalten, und zu gleicher Zeit die Rechte studiert; sei Advokat, Politiker und Wähler geworden, habe für die Zeitungen geschrieben, und sei endlich zum Richter in dem Zehn-Pfund-Gericht ernannt worden. Auch Brom Bones, der kurz nach seines Nebenbuhlers Verschwinden die blühende Katharina im Triumphe zum Altare führte, sah man immer eine sehr schalkhafte Miene machen, wenn Ichabod’s Geschichte erzählt wurde, und er brach, wenn der Kürbis erwähnt wurde, immer in ein herzliches Gelächter aus; woraus Einige schließen wollten, dass er von der Sache mehr wüsste, als er zu sagen für gut fände.

Die alten Bauernweiber jedoch, welche in diesen Sachen die besten Richterinnen sind, behaupten bis auf diesen Tag, Ichabod sei durch übernatürliche Kräfte verschwunden; und es ist eine Lieblingsgeschichte, welche sehr oft in der Nachbarschaft bei dem Winterabendfeuer erzählt wird. Die Brücke wurde mehr als je zum Gegenstand der abergläubischen Furcht, und dies mag der Grund sein, warum man in neueren Zeiten den Weg verlegt hat, so dass man sich jetzt bei dem Mühlbache vorbei der Kirche nähert. Da das Schulhaus nun verlassen war, zerfiel es bald, und man sagte, der Geist des unglücklichen Pädagogen gehe darin um, und der Pflügerknabe, der am stillen Sommerabende nach Hause schlendert, hat oft geglaubt seine Stimme in der Entfernung zu hören, wie er in der ruhigen Einsamkeit der schläfrigen Schlucht eine trübsinnige Psalmweise absingt.

Das Spuk-Haus

Aus den Handschriften des verstorbenen Dietrich Knickerbocker.

Früher gab es beinahe in jedem Orte ein Haus der Art. Stand ein Haus an irgend einem düsteren Orte, oder war es auf irgend eine alte romantische Weise gebaut, oder hatte sich eine besondere Begebenheit, ein Mord, ein plötzlicher Todesfall, oder dergleichen, darin zugetragen, so kam ein solches Haus sogleich in besonderen Ruf, und man hielt es für die Wohnung eines Gespenstes.

Bourne’s Volksaltertümer.

In der Nachbarschaft der alten Stadt der Manhattos stand, vor nicht gar vielen Jahren, ein altes Gebäude, das, als ich ein Knabe war, nur das Spuk-Haus genannt wurde. Es war eines der wenigen Überbleibsel der Baukunst der alten holländischen Kolonisten, und muss zurzeit, als es gebaut wurde, ein Haus von einiger Bedeutung gewesen sein. Es bestand aus einem Mittelgebäude und zwei Flügeln, deren Giebel wie Treppen aussahen. Es war teils von Holz, teils von holländischen Backsteinen gebaut, wie sie die Kolonisten mit aus Holland gebracht, ehe sie entdeckt hatten, dass auch anderwärts Backsteine gemacht werden könnten, Das Haus stand in einiger Entfernung von der Landstraße, in der Mitte eines großen Feldes, und eine große Allee von Heuschreckenbäumen, unter denen mehrere vom Blitze zerspalten und zwei oder drei vom Winde umgestürzt worden waren, führte dahin. Einige wenige Apfelbäume wuchsen zerstreut auf dem Felde; auch sah man noch Spuren eines ehemaligen Küchengartens, aber die Umzäunung war niedergerissen, die Küchengewächse verschwunden oder in Unkraut ausgeartet, und nur hie und da stand ein verwilderter Rosenbusch, oder eine hohe Sonnenblume, die zwischen Brombeersträuchern emporgeschossen war, und kummervoll das Haupt senkte, gleichsam die umwohnende Zerstörung beschauend. Ein Teil des Daches des alten Hauses war eingefallen, die Fenster waren zertrümmert, die Türfelder zerbrochen, und mit unbehobelten Brettern ausgebessert, und zwei rostige Wetterhähne standen an den Enden des Giebels, die beim Herumdrehen einen gewaltigen Lärm machten, aber immer falsch zeigten. Das Aussehen des Hauses war bei dem besten Wetter öde und verlassen; bei stürmischem aber hatte das Heulen des Windes, der durch das alte verfallene Haus pfiff, und das Knarren und Klappern einiger etwas lose hängenden Fensterladen eine so schauerliche Wirkung, dass es der ganzen Nachbarschaft vor dem Hause graute und sie es geradezu für den Versammlungsort von Kobolden erklärte. Ich entsinne mich des alten Gebäudes sehr wohl; denn ich erinnere mich, wie oft ich, als müßiger, unbändiger Junge, mich mit einigen meiner gottlosen Spielgefährten, des Nachmittags an Festtagen, wenn wir auf einen Freibeuterzug in die Obstgärten ausgingen, bei demselben umhergetrieben habe. Nahe bei dem Hause stand ein Baum, der die allerschönsten, anlockenden Früchte trug; aber es war behexter Boden; denn man erzählte sich so viele furchtbare Geschichten von dem Orte, dass wir es gar nicht wagten, uns ihm zu nähern. Zuweilen wagten wir uns in einen Haufen hinein und näherten uns dem Hesperiden-Baume, wobei wir immer ein Auge auf das alte Gebäude richteten und scheue Blicke auf seine zertrümmerten Fenster warfen: in dem Augenblicke aber, wo wir uns unserer Beute bemächtigen wollten, konnte ein Ausruf von einem aus der Schaar, oder ein zufälliges Geräusch, uns alle in den tödlichsten Schrecken versetzen, und wir jagten über Hals und Kopf davon, und standen erst auf der Landstraße still. Da wurden dann gewiss eine Menge schrecklicher Geschichten von sonderbaren Tönen und Seufzern, oder von irgendeinem scheußlichen Gesicht, das sich plötzlich an einem der Fenster sehen gelassen, erzählt. Nach und nach wagten wir uns gar nicht mehr in die einsame Gegend, sondern blieben in der Entfernung stehen und warfen Steine nach dem Gebäude, und es lag etwas schreckhaft Angenehmes in dem Tone, wie sie auf dem Dache hin klapperten, oder zuweilen einige Bruchstücke Glas aus den Fenstern schlugen, dass sie klingend herabfielen.

Der Ursprung dieses Hauses verlor sich in die Dunkelheit, welche die frühere Zeit der Provinz bedeckt, als sie unter der Herrschaft Ihrer Hochmögenden, der Generalstaaten, stand. Einige behaupteten, es sei ein Landhaus des Wilhelm Kieft, gewöhnlich der Mürrische genannt, eines der holländischen Statthalter von Neu-Amsterdam gewesen; andere sagten, es sei von einem Seeoffizier erbaut worden, der unter van Tromp gedient und, da man ihn zurückgesetzt, aus Verdruss den Dienst aufgegeben habe, ein Philosoph geworden sei, und seinen ganzen Reichtum hierhergebracht habe, um nach seiner Laune leben zu können, und die Welt zu verachten. Die Veranlassung zu dem gänzlichen Verfalle des Hauses war ebenfalls ein Gegenstand des Streites; einige behaupten, ein Prozess darüber schwebe vor Gericht, und es habe bereits mehr Prozesskosten verursacht, als es wert sei; die am allgemeinsten angenommene und folglich wahrscheinlichste Ursache war aber die, dass es darin umgehe, und dass Niemand ruhig darin leben könne. In der Tat konnten auch nur wenig Zweifel darüber obwalten, dass dies der Fall sei: es wurden so manche Geschichten erzählt, welche dies bestätigten, – es war keine alte Frau in der Gegend, welche nicht wenigstens ein Dutzend der Art liefern konnte. Ein alter grauköpfiger Kerl von Neger, der dicht dabei wohnte, hatte einen ganzen Sack voll davon zu erzählen, von denen manche ihm selbst begegnet waren. Ich erinnere mich noch sehr wohl, wie ich manches Mal mit meinen Schulkameraden mich bei ihm aufgehalten, und mir einige derselben habe erzählen lassen. Der alte Mensch wohnte in einer Hütte, mitten auf einem kleinen, mit Kartoffeln und Mais bestellten Fleck Landes, den sein Herr, bei seiner Freilassung, ihm geschenkt hatte. Er kam wohl zu uns heraus, mit seiner Hacke in der Hand, und erzählte uns, während wir, wie eine Reihe Schwalben, in dem milden Zwielicht eines Sommerabends auf den Zaunpfählen saßen, so grausende Geschichten, die er mit einem so furchtbaren Rollen seiner weißen Augen begleitete, dass wir uns, wenn wir nachher im Dunkel nach Hause zurückkehrten, beinahe vor unsern eigenen Fußtritten fürchteten.

Armer alter Pompejus! manche Jahre sind verflossen, seitdem er gestorben ist, und den Geistern Gesellschaft leistet, von denen er so gern erzählte. Er ward in einer Ecke seines eigenen kleinen Kartoffelfeldes begraben: der Pflug ging bald über sein Grab, machte es dem übrigen Felde gleich, und Niemand dachte mehr an den grauköpfigen Neger. Durch einen eigenen Zufall ging ich einmal mehrere Jahre nachher, als ich schon zu einem jungen Mann herangewachsen war, in der Gegend spazieren, und fand einen Haufen Leute mit einander über einen Schädel schwatzen, der soeben durch eine Pflugschaar zum Vorschein gekommen war. Natürlich hatten sich Alle dahin entschieden, dass er das Gebein Jemandes sei, der ermordet worden, wobei zugleich einige Erzählungen vom Spuk-Haus auf das Tapet gebracht wurden. Ich erriet sogleich, dass es der Schädel des armen Pompejus sei, schwieg aber, denn ich hüte mich viel zu sehr, die Genüsse anderer Leute zu stören, als dass ich je eine Geschichte von einem Geiste oder einem Morde verderben sollte. Ich trug jedoch Sorge, die Gebeine meines alten Freundes an einem Orte begraben zu lassen, wo sie nicht so leicht wieder beunruhigt werden konnten. Wie ich auf dem Rasen saß und dem Begräbnis zusah, geriet ich in eine kurze Unterhaltung mit einem alten Herr aus der Nachbarschaft, Johann Josse Vandermoer genannt, einem freundlichen, geschwätzigen Manne, dessen ganzes Leben nur mit dem Hören und Wiedererzählen der Neuigkeiten in der Provinz hinging. Er erinnerte sich des alten Pompejus und seiner Geschichten vom Spuk-Hause noch sehr wohl; aber er versicherte mich, dass er eine wisse, die viel abenteuerlicher sei, als alle, die Pompejus je erzählt habe; und als ich große Neugierde bezeigte, sie zu hören, setzte er sich auf den Rasen neben mir nieder, und erzählte folgende Geschichte. Ich habe mich bemüht, sie, so viel als möglich, mit seinen eigenen Worten wiederzugeben; allein es ist jetzt viele Jahre her, und ich bin alt geworden, und mein Gedächtnis ist nicht das beste. Ich kann deswegen für die Sprache nicht einstehen; aber was Tatsachen betrifft, darin bin ich sehr genau.

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