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Indem die Deutschsprachigen in Freiburg selbst stets Französisch sprächen, bestätigten sie die Stärke des Französischen in der Stadt noch, merkt Conrad an. Ihr ist im Übrigen aufgefallen, dass häufig weder die Aussprache noch das Vokabular oder die Syntax sonderlich deutsch geprägt sind, wenn Deutschsprachige in Freiburg Französisch parlieren. Mit anderen Worten: Sie sprechen im Allgemeinen gut Französisch.

Nicht selten merkt ein Französisch sprechender Deutschfreiburger im Gesprächsverlauf in einem Freiburger Laden aufgrund einer kleinen sprachlichen Unsicherheit oder anhand des Akzents, dass das Gegenüber deutschsprachig ist. Dann lacht man und setzt den Dialog in Deutsch fort.

André Perler, ein junger Deutschfreiburger Dialekt-Experte und Radiomacher, sagt, er spreche in Freiburg das Personal in Läden und Restaurants grundsätzlich in Deutsch an. Er signalisiere so, dass er als Deutschfreiburger in Freiburg das Recht habe, Deutsch zu sprechen. Sein Kollege Marco Koller, Lokaljournalist und Student, sagt meistens «Guettag, Bonjour» – und drückt damit aus, dass er deutschsprachig ist, signalisiert aber gleichzeitig Flexibilität. Es komme eben auch auf die Situation an, sind sich Perler, Koller und ein weiterer junger Freiburger, der Student Matthias Schafer, in einem Gespräch zu diesem Buch einig. In einer kleinen, von Französisch sprechenden Portugiesen betriebenen Bäckerei beispielsweise sei es nicht sinnvoll, auf Deutsch zu pochen. Verlangen könne man aber beispielsweise Deutschkenntnisse des Personals in einer grossen Institution wie der Post.

Koller und Schafer haben festgestellt, dass in Freiburg hin und wieder das Englische verwendet wird, wenn beispielsweise jemand mit französischer Muttersprache, der nicht gut Deutsch spricht, auf einen Deutschsprachigen trifft – doch das geschehe eher selten, sagt Koller. Er erzählt, ein Kellner in einer Freiburger Bar habe beispielsweise auf Englisch gewechselt, als dieser bemerkte, dass er das Gespräch für seine Deutschschweizer Kollegen von Französisch auf Deutsch übersetzte. Auch informiere die Verwalterin seines Mietshauses die Bewohner in Französisch und Englisch über gewisse Hausregeln, nicht aber in Deutsch.

Evelyne Zbinden, eine 36-jährige in Freiburg aufgewachsene Biotechnologin, erzählt, sie sei zusammen mit französischsprachigen Kindern aufgewachsen. Sie habe sich nicht daran gestört, dass sie sich sprachlich anpassen musste. Im Gegenteil, sie habe von der Zweisprachigkeit profitiert: Auf diese Weise habe sie kostenlos Französisch gelernt. Auffallend in Freiburg sei, dass in einer zehnköpfigen Gruppe mit einem Französischsprachigen alle zehn Personen Französisch sprächen, sagt sie. Die neun Deutschsprachigen passen sich an.

Florence Lagger, eine 39-jährige Restauratorin französischer Muttersprache, stammt aus dem Kanton Wallis und spricht sehr gut Deutsch. Sie hat in Freiburg einen Job gefunden. Auf die Frage, ob sie die Stadt zweisprachig wahrnehme, sagt sie, Freiburg sei für sie ganz klar französisch geprägt mit einer deutschsprachigen Minderheit.

Munteres Hin und Her in Biel und Freiburg

In Biel und Freiburg wird nicht nur Deutsch und Französisch respektive Deutsch oder Französisch gesprochen. Manchmal reden beide Sprachen beherrschende Bieler und Freiburger auch wild durcheinander Deutsch und Französisch. Der Welschbieler Journalist Jean-Philippe Rutz sagt, Sätze wie etwa «on schwenze» («wir schwänzen») oder «il s’est fait schlaguer» seien in der Schule früher gang und gäbe gewesen. Noch heute würden solche Sätze kreiert.

In Freiburg ist dieses Hin-und-her-Wechseln zwischen den Sprachen als «Bolz» bekannt. Ursprünglich galt es als «Sprache der Freiburger Unterstadt», es ist aber keine Sprache und auch kein Dialekt, sondern einfach ein Mix aus Senslerdeutsch und Französisch. Die dort lebenden Deutschsprachigen waren darauf angewiesen, gut Französisch zu sprechen, sie wuchsen in gemischtsprachigen Familien auf oder spielten in der Freizeit mit französischsprachigen Kindern. Sie waren – respektive sind – dermassen in beiden Sprachen «zu Hause», dass sie beide verwenden.

Die Freiburgerin Fränzi Kern-Egger hat das Bolz in zwei Büchern verewigt. Sie heissen «Üsa Faanen isch as Drapùù» («Unsere Fahne ist ein ‹drapeau›»; von frz. le drapeau, die Fahne) und «D Sùnenerschyy vam ‹Soleil Blang›» («Die Sonnenenergie des ‹Soleil Blanc›» – das «Soleil Blanc» ist ein Restaurant in der Freiburger Unterstadt).3

Kern-Eggers Geschichte «De Foppalmatsch» im erstgenannten Buch beginnt wie folgt: «Lösch Sùnntig bǜn i so gäg di öufi anni i ds ‹Tannöör› yy, bǜ det im en a Eggeli ùf en as Tabure ghocket ù han as Ggaaffi ù Le bschtöut. A Blätz wyt va mier syna zwee Ùnderstettler zäme ghocket. Bǜm ena Baalong Wyyssa hii si ùber e Foppalmatsch dysggüttiert, wa sich am Samschtig am Aabe zwǜschen ‹Etuaal-Spoor› ù ‹Ssangtral› ùf ùm Terraingj hinder de Gäärte derulii het.»

Fränzi Kern-Egger besuchte also an einem Sonntag gegen elf Uhr morgens das Restaurant Les Tanneurs in der Freiburger Unterstadt. In einer Ecke setzte sie sich auf einen Hocker (auf ein «tabouret», frz.) und bestellte einen Milchkaffee (Café au lait). Ein Stück weit entfernt von ihr sassen zwei Unterstädtler beieinander. Bei einem kleinen Glas («un ballon») Weisswein diskutierten sie über das Fussballspiel, das am Samstagabend zwischen Etoile-Sport und Central Freiburg – zwei Fussballklubs der Freiburger Unterstadt – ausgetragen worden war. Fränzi Kern-Egger spricht vom «Foppalmatsch», da für Fussball das französische Wort «le football» verwendet wird. Und das ü im Wort «dysggüttiert» steht da, weil Kern-Egger damit die französische Aussprache des Verbs diskutieren benützt. Der Match «s’est déroulé»; er fand statt, und zwar auf dem «Terraingj», also dem Fussballfeld mit dem Namen «Hinter den Gärten» an der Saane.

Das Bolz ist letztlich das, was Linguisten Code-Switching nennen und was etwa Secondos aus Italien praktizieren. Sie wechseln ja auch fliessend und innerhalb eines Satzes von Italienisch auf Schweizerdeutsch und zurück. Allerdings gibt es laut Fränzi Kern-Egger einige Bezeichnungen, welche man in der Freiburger Variante des Code-Switching nie je in Deutsch verwenden würde, etwa Eislaufen. Dafür wird der Begriff patiniere (von frz. patiner) verwendet. Für den Freiburger Germanisten Walter Haas überwindet dieser Umgang mit den zwei Sprachen die Sprachgrenze, oder besser: Er lässt die Grenze verschwinden.

«Biels Zweisprachigkeit schadet der Sprache!»

In den 1920er-Jahren wurde eine öffentliche Diskussion darüber geführt, ob die Zweisprachigkeit in Biel dem guten Deutsch oder dem guten Französisch schaden würde. Lanciert wurde die Debatte von den Redaktoren des Bieler Jahrbuchs im Jahr 1927. Das Bieler Jahrbuch ist ein Werk, in welchem seit gut hundert Jahren mehrere Autorinnen und Autoren Artikel zu aktuellen Themen publizieren. Die Jahrbücher enthalten jeweils auch die «Bieler Chronik», welche stichwortartig die wichtigsten Ereignisse chronologisch wiedergibt.

Grundtenor der Beiträge von Heinrich Emil Baumgartner (dem deutschsprachigen Redaktor der Ausgabe 1927) und Adolphe Kuenzi (dem französischsprachigen Redaktor) war, dass die Qualität der Sprache leidet, wenn Deutsch ständig auf Französisch trifft und umgekehrt.4 Bieler gingen in der Regel unbefangen mit Sprache um, mischten sorglos Deutsch und Französisch, so Baumgartner. «Das trägt die Hauptschuld, dass wir heute in Biel weder eine bodenständige Mundart, noch ein anständiges Schriftdeutsch und Französisch hören.»

Das französische Wort suche heute «unsere Bieler Sprache geradezu heim», fährt Baumgartner fort und bringt Beispiele für «deutsch-französische Redensarten» wie «es Faible ha» und «mach doch nit gäng söttigi Sottise» («Mach doch nicht immer solche Dummheiten»). In behördlichen Erlassen zeige sich «die starke Durchdringung des Schriftdeutschen mit französischen Wörtern» ebenfalls: «Die gemachten Bemerkungen sind zu notieren», «Er war wegen Indisposition ersetzt worden.»

Kuenzi bringt Beispiele für die schlechte, vom Deutschen beeinflusste Verwendung des Französischen, etwa «il veut pleuvoir» (berndeutsch: «es wott cho rägne», auf gut Französisch etwa «il semble qu’il va pleuvoir») oder «Tu m’es au chemin» («Du bist mir im Weg»). Kuenzi sieht durchaus auch Vorteile der Zweisprachigkeit, verteufelt sie keineswegs, verlangt aber – wie Baumgartner – nach einem besonderen Effort der Bieler bei der Pflege ihrer Sprache.

Der Einfluss der Zweisprachigkeit auf die Sprache der Bielerinnen und Bieler wird auch in Bieler Jahrbüchern späterer Jahre hin und wieder thematisiert, so etwa im Jahr 1981. In einem Beitrag dieses Jahrgangs ist die Rede von Übersetzungen wie «Entrée défendue» (für «Betreten verboten», auf Französisch eigentlich «Défense d’entrer» – «Entrée defendue» meint eher «Eintreten wird bekämpft»), «Danger de vie!» («Lebensgefahr»; auf Französisch üblicherweise «Danger de mort!»).5

«Mit tollkühner Selbstverständlichkeit» setzten Stadtangestellte deutscher Muttersprache immer wieder «die lustigsten französischen Sprachgebilde» in die Welt, schreibt der damalige städtische Übersetzer Jacques Lefert im Bieler Jahrbuch von 1992.6 Er stelle aber mit Befriedigung fest, so Lefert weiter, dass dies in Biel zu keinen wilden Auseinandersetzungen führe. «Toleranz […] wird am Jurasüdfuss gross geschrieben.»

Politik
«Biel/Bienne» vs. «Ville de Fribourg»
Die Stadt Biel ist seit 1952 offiziell zweisprachig.7 Sie bietet sämtliche Dienstleistungen in beiden Sprachen an und lässt sich das pro Jahr mehrere Millionen Franken kosten. Die Stadt Freiburg hingegen heisst nach wie vor «Ville de Fribourg» und setzt auf kostengünstige, pragmatische Lösungen.

Die Freiburger Behörden haben die Zähringerstadt bis heute nicht offiziell für zweisprachig erklärt, obwohl in ihr laut den Historikern seit der Gründung im Jahr 1157 stets zwei Sprachen gesprochen wurden und der Anteil Deutschsprachiger an der Gesamtbevölkerung bis in die 1970er-Jahre hinein über 30 Prozent ausmachte. In den letzten Jahren nahm dieser Anteil stark ab und liegt heute bei 16,3 Prozent. Nur Deutsch- und Französischsprachige betrachtet, beträgt das Verhältnis aber immerhin noch 21,7 zu 78,3 Prozent. Zum Vergleich: In der Schweiz mit ihren drei Amtssprachen leben 62,8 Prozent Deutsch-, 22,9 Prozent Französisch- und 8,2 Prozent Italienischsprachige.8 Nur Deutsch- und Französischsprachige betrachtet, ist die deutschsprachige Minderheit in der Stadt Freiburg also noch heute nur unwesentlich schwächer als die französischsprachige Minderheit in der gesamten Schweiz.

Tabelle 1: Bevölkerungsentwicklung in der Stadt Freiburg in absoluten Zahlen


Jahr Ende13. Jh. 1798 1888 1930 1970 2000 2017
EinwohnerInnen 2000–3000 5 117 12 195 21 557 39 695 35 547 41 660
Sprache
Französisch 7 556 13 524 22 437 22 603 ca. 20 330*
Deutsch 4 523 7 176 11 114 7 520 ca. 5 620*
Italienisch 94 464 3 407 1 359 ca. 1 580*
Andere 22 393 2 737 4 065 ca. 14 120*

Quelle: Historisches Lexikon der Schweiz, Stichwort Freiburg (Gemeinde); Geschäftsbericht der Stadt Freiburg 2017. *Extrapoliert aus Prozentzahlen in Tabelle 2 (absolute Zahlen sind im Geschäftsbericht der Stadt Freiburg 2017 nicht aufzufinden).

Tabelle 2: Bevölkerungs- und Sprachentwicklung in der Stadt Freiburg in Prozent


Jahr 1888 1930 1970 2000 2017 2017 2017
Muttersprache Kor­re­spon­denz­spra­che (d.h. nur frz. oder dt.)* Nur Französisch- und Deutschsprachige (Muttersprache) betrachtet
Französisch 62 62,7 56,5 63,6 48,8 83,7 78,3
Deutsch 37,1 33,3 28 21,2 13,5 16,3 21,7
Italienisch 0,6 2,2 8,6 3,8 3,8
Andere 0,1 1,8 6,9 11,4 33,9

Quelle: Historisches Lexikon der Schweiz, Stichwort Freiburg (Gemeinde); Geschäftsbericht der Stadt Freiburg 2017. *Niedergelassene und Wochenaufenthalter.

Freiburgs Webseite ist seit einigen Jahren auch in Deutsch aufgeschaltet. Seit Neuestem ist sie nun komplett und konsequent zweisprachig, doch prangt immer noch das einsprachige Logo «Ville de Fribourg» auf der deutschsprachigen Version. Und ein klares Bekenntnis zur Zweisprachigkeit wie in Biel findet man nirgends.

Im fünfköpfigen Freiburger Gemeinderat wird Französisch gesprochen – ausser es geht um Informelles. In der aktuellen Freiburger Stadtregierung sitzen drei Französischsprachige, mit Stadtammann Thierry Steiert ein Zweisprachiger sowie eine Deutschsprachige, Andrea Burgener Woeffray.

Freiburgs Generalrätinnen und Generalräte – also die Mitglieder des Stadtparlaments – halten ihre Voten meistens in Französisch. Das gilt auch für die Deutschsprachigen. Wendet sich ein Generalratsmitglied doch in Deutsch ans Plenum, dann wechselt es meist für einen Teil des Votums ins Französische. Wichtige Parlamentsunterlagen werden mit einer deutschen Zusammenfassung versehen – allerdings nicht immer.


Das Stadthaus, der Sitz der Stadtregierung von Freiburg, ist aussen einsprachig in Französisch angeschrieben. Betritt man aber das Gebäude, sieht man die Plakette mit Freiburgs Stadtwappen und dem Städtenamen in Französisch und Deutsch (unten). (Bilder: Charles Ellena)

In Freiburgs Stadtverwaltung wird fast ausschliesslich in Französisch kommuniziert. Nur gerade sieben Prozent der gut 800 Stadtangestellten gaben 2017 Deutsch als Muttersprache an.9 Die rund 60 deutschsprachigen Stadtangestellten arbeiten in französischer Sprache – ausser sie treten mit deutschsprachigen Kollegen oder Bürgern in Kontakt. Im obersten Kader finden sich keine Personen mit deutscher Muttersprache.

Wie das Institut für Mehrsprachigkeit der Universität Freiburg 2018 in einem Bericht10 festgehalten hat, kommt in Freiburg oft ein «système de débrouille» zur Anwendung. Gemeint ist: Man sucht pragmatische Lösungen. Das heisst beispielsweise, dass im Sozialdienst deutschsprachige Klientinnen und Klienten deutsch- oder zweisprachigen Angestellten zugewiesen werden. Und wenn ein deutschsprachiger Einwohner eine Auskunft in Deutsch wünscht, dann wird entsprechend jemand gesucht. Der Bericht hält auch fest, dass in Freiburg das, was Deutschsprachige wirklich wissen müssen, übersetzt wird: Informationen zu Baustellen, zur Abfallentsorgung und zum Verhalten bei Hochwasser et cetera. Auch das Abstimmungsbüchlein liegt zweisprachig vor. Wenn hingegen in der Stadtverwaltung ein Apéro stattfindet, wird das nur in Französisch kommuniziert. In der Stadtverwaltung sprechen ja ohnehin alle Französisch. Wichtige Reglemente wie etwa das Personalreglement oder die Statuten der städtischen Pensionskasse liegen allerdings zweisprachig vor.

Freiburgs Mitteilungsblatt «1700» – benannt nach der Postleitzahl der Stadt – war lange Zeit ausschliesslich in Französisch erhältlich, heute wird es in beiden Sprachen publiziert. Die Stadt Freiburg hat kein eigenes Übersetzungsbüro, sondern vergibt externe Aufträge im Wert von rund 50 000 Franken pro Jahr. Das ist die einzige Summe, die das Institut für Mehrsprachigkeit in seiner Untersuchung der Freiburger Verhältnisse im Zusammenhang mit der Zweisprachigkeit erwähnt. Häufig springen auch deutschsprachige Stadtangestellte ein, wenn irgendwo eine Übersetzung benötigt wird. Laut Personalreglement der Stadt Freiburg muss der Gemeinderat dafür sorgen, dass die Stadtverwaltung qualitativ gute Leistungen sowohl in Französisch als auch in Deutsch erbringt.

Zweisprachigkeit kostet Biel fünf Millionen Franken

In Biel mit seinen rund 42 Prozent Französisch- und 58 Prozent Deutschsprachigen läuft der Politikbetrieb vollumfänglich zweisprachig ab. Der zweisprachige Betrieb kostet die Stadt nach neuesten Schätzungen rund fünf Millionen Franken, wie Stadtpräsident Erich Fehr in einem Gespräch zu diesem Buch sagte. Das entspricht bei einem Totalaufwand im Jahr 2016 von 371,1 Millionen Franken 1,3 Prozent.

Tabelle 3: Bevölkerungsentwicklung in der Stadt Biel in absoluten Zahlen


Jahr 1417 1770 1880 1930 1970 1990 2017
EinwohnerInnen ca.500 1700–2200* 16 579 37 726 64 333 51 893 55 755
Sprache
Deutsch 13 253 24 946 36 354 27 510 32 278
Französisch 3 207 11 673 17 396 15 906 23 315
Italienisch 98 949 8 322 3 927 k. A.
Andere 24 158 2 261 4 550 k. A.

Quelle: Bieler Geschichte (BG), hrsg. von der Stadt Biel. Baden 2013. S. 124; Historisches Lexikon der Schweiz, Stichwort Biel (BE, Gemeinde); Bourquin, Werner und Marcus: Biel, stadtgeschichtliches Lexikon. Biel 1999. S. 470. *Diskrepanz aufgrund unterschiedlicher Quellenangaben.

Tabelle 4: Bevölkerungs- und Sprachentwicklung in der Stadt Biel in Prozent


Jahr 1880 1930 1970 1990 2015 2017 2015
Hauptsprache (Mehr­fach­nen­nun­gen möglich) Amts- resp. Kor­re­spon­denz­spra­che (nur dt. oder frz.) Nur Deutsch- und Französischsprachige
Deutsch 79,9 66,1 56,5 53 56,3 57,9 (32 278) k. A.*
Französisch 19,3 30,9 27 30,7 36,4 42,1 (23 315) k. A.*
Italienisch 0,6 2,5 12,9 7,6 9
Andere 0,1 0,4 3,5 8,8 31

Quelle: Historisches Lexikon der Schweiz, Stichwort Biel (BE, Gemeinde); Statistisches Fact Sheet Stadt Biel von Mai 2018. *Die Stadt Biel erhebt im Einwohnerregister die ständige und nichtständige Wohnbevölkerung nach Amts- resp. Korrespondenzsprache und nicht nach Muttersprache, wie es auf Anfrage heisst.

Im Bieler Gemeinderat wird Schweizerdeutsch oder Französisch gesprochen. Der fünfköpfige Bieler Gemeinderat setzt sich in der aktuellen Legislatur aus zwei französisch- und drei deutschsprachigen Mitgliedern zusammen, er repräsentiert also die sprachliche Zusammensetzung der Bevölkerung gut.

Biels Stadträtinnen und Stadträte halten ihre Voten in Französisch, Schweizerdeutsch und Hochdeutsch. Laut Stadtpräsident Fehr kommt je länger, je mehr Hochdeutsch zum Zug. Dies deshalb, weil zugezogene Romands Bern- oder Schweizerdeutsch in der Regel weniger gut beherrschen als alteingesessene Welschbieler. Deutschbieler kommen auf diese Weise den Zugezogenen entgegen. Die Parlamentsunterlagen sind zweisprachig gehalten, die Abstimmungsbüchlein sowieso.

Der Sprachgebrauch im Bieler Stadtparlament zeigt auf, wieso Biel oft als Dreisprachenstadt bezeichnet wird: Verwendet wird Hochdeutsch, Schweizerdeutsch und Französisch. In Freiburg hingegen ist es für Deutschsprachige selbstverständlich, dass sie im Umgang mit Französischsprachigen die Standardsprache benutzen. Niemand würde im Stadtparlament Schweizerdeutsch reden. In Biel hört man oft, dass Französischsprachige auch das Berndeutsche einigermassen verstehen sollten, während in Freiburg niemand erwartet, dass Französischsprachige Schweizer Dialekt verstehen.


In Biels Stadtratssaal sprechen die Votanten Deutsch, Französisch und Dialekt – wie es ihnen beliebt. Immer mehr Deutschsprachige wählen allerdings das Hochdeutsche und kommen damit den zugezogenen Französischsprachigen, die Mühe haben mit dem Berndeutschen, entgegen. (Bild: Anne-Camille Vaucher/ Bieler Tagblatt)

Wie die Stadt Freiburg verzichtete auch die Stadt Biel darauf, in ihren Erlassen und Reglementen Bestimmungen zum Schutz der sprachlichen Minderheit zu verankern. Es gibt keine Quoten. Stadtpräsident Fehr sagt dazu, bei einem Verhältnis von 42 Prozent Französisch- und 58 Prozent Deutschsprachigen sei ja die Minderheit auch keine kleine. Allerdings steht in der Bieler Stadtordnung, dass Behörden, Parteien und Organisationen für eine angemessene Vertretung der zwei Amtssprachen und Geschlechter sorgen sollen.

Die Stadt Biel will nicht nur keine Quoten, sie berechnet laut Fehr beispielsweise auch nicht, welchen Anteil der Kulturgelder gestützt auf den französischsprachigen Bevölkerungsanteil die französischsprachigen Kulturanbieter zugute hätten und welchen Anteil die deutschsprachigen. Jeder Sprachgruppe werde das zugestanden, was sie zur Bewahrung ihrer Identität brauche, sagt Fehr.

In Biel sprechen keineswegs sämtliche Bewohnerinnen und Bewohner sowohl deutsch als auch französisch. Es gibt Leute, die lediglich eine Sprache beherrschen – und damit auch durchkommen. Das bestätigen sowohl Linguisten als auch der Stadtpräsident. In Freiburg leben ebenfalls viele Menschen, die nicht zweisprachig sind. Es dürfte aber nur wenige Deutschsprachige geben, die einzig Deutsch sprechen – und einsprachige Deutschfreiburger müsste man wohl mit der Lupe suchen.

Seit Langem kritisieren Welschbieler, in den Führungsetagen der Stadtverwaltung gebe es deutlich mehr Deutschals Französischsprachige. Auf diese Kritik reagierte der Bieler Gemeinderat im April 2019. Er beauftragte die Abteilung Personelles der Stadtverwaltung, Änderungen im Rekrutierungsprozess von Kaderleuten vorzunehmen. Dies mit dem Ziel, bis Ende 2024 den Anteil Französischsprachiger im Kader auf 45 Prozent zu erhöhen. Derzeit macht dieser Anteil 31 Prozent aus und entspricht damit nicht dem Anteil Französischsprachiger an der Gesamtbevölkerung.

Wie das Bieler Tagblatt berichtete, soll künftig bei der Rekrutierung von Kaderleuten explizit darauf hingewiesen werden, dass Französischsprachige bevorzugt werden. Auch will die Stadt Biel künftig Stellenausschreibungen in Publikationen oder auf Plattformen publizieren, die von Französischsprachigen gelesen werden. Vorstellbar ist für den Bieler Gemeinderat, dass sogenannte Headhunter gezielt nach französischsprachigen Führungskräften suchen.

Bei gleicher Qualifikation pflegte der Bieler Gemeinderat bereits seit mehreren Jahren, französischsprachige Bewerber einzustellen, wenn sich eine Vakanz im obersten Kader ergab. «Da dieses Prinzip in Konkurrenz tritt mit der Vorgabe, dass bei gleicher Qualifikation eine Frau angestellt wird, ist immer die welsche Frau gefragt», sagte Fehr im Mai 2018 in einem Gespräch zu diesem Buch lachend.

Wenn Biels Stadtpräsident an öffentlichen Anlässen auftritt, spricht er selbstverständlich beide Sprachen, manchmal sogar nur Französisch. Bei Medienkonferenzen in Freiburg hingegen dominiert das Französische. Pressemitteilungen verschickt Biel in beiden Sprachen. Freiburgs Communiqués werden erst seit Kurzem nicht nur in Französisch, sondern auch in Deutsch verfasst.

Amtliche Zweisprachigkeit Freiburgs geprüft – und verworfen

Die Freiburger Stadtregierung liess im Jahr 2018 prüfen, was es für die Stadt bedeuten würde, wenn sie sich für offiziell zweisprachig erklärte. Auslöser war ein im Stadtparlament mit sehr klarer Mehrheit überwiesener Vorstoss. Die Postulanten wollten wissen, wie sich die Einführung der zweiten Amtssprache in sozialer, kultureller und wirtschaftlicher Hinsicht auswirken würde. Der Freiburger Gemeinderat liess in der Folge vom Institut für Mehrsprachigkeit der Universität Freiburg ein Gutachten erstellen, das im Herbst 2018 vorgestellt wurde.11

Es war nicht das erste Mal, dass das Freiburger Stadtparlament in Sachen Zweisprachigkeit Druck ausübte. Ein deutliches Zeichen hatte der Freiburger Generalrat bereits 2013 gesetzt. Damals wurde ihm vom Gemeinderat ein neues Logo der Stadt präsentiert: Es war einsprachig, das heisst französisch. Nachdem Stadtparlamentarier protestiert und in einer Resolution ein zweisprachiges Logo gefordert hatten, entsorgte die Freiburger Stadtregierung das einsprachige Erkennungszeichen. Ein neues Logo existiert bis heute nicht.

Dass die Stadt Freiburg «faktisch zweisprachig» ist, hielt der Freiburger Staatsrat, genau mit diesen Worten, bereits 1992 fest. Damals hiess die Kantonsregierung eine Beschwerde der Grünen Partei der Stadt Freiburg gut. Sie hatte in deutscher Sprache beim Freiburger Oberamtmann (= Regierungsstatthalter) einen Rekurs gegen die Nichtberücksichtigung eines grünen Generalrats (= Stadtparlamentariers) bei einer Kommissionswahl eingereicht. Der Oberamtmann wollte die Beschwerde nur in Französisch entgegennehmen; er wurde vom Staatsrat zurechtgewiesen.

Auch der Freiburger Stadtammann Thierry Steiert sagte 2018 in einem Gespräch zu diesem Buch, Freiburg sei faktisch zweisprachig. Das Schulsystem sei beispielsweise vollständig in beiden Sprachen organisiert.

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