Читать книгу: «Geld her oder es kracht! Was jede(r) über Geld jetzt wissen muss!», страница 2

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3. Ist es nicht ein Privileg in Europa zu leben?

Europa2 ist ein Gebiet der Erde, das besonders dicht an vielfältiger Kultur45 und Geschichte ist, damit gewiss ein Teil der Welt, für den man viel empfinden kann. Einst reichster Platz der Welt, bietet es noch relativ hohen Wohlstand. Das »Privileg« eines Lebens in Europa meint hauptsächlich den Zugang zu diesem Wohlstand.

Der größte und wichtigste Teil dieses Wohlstands ist unsichtbar, er ist nicht in Geld oder Konsumgütern ausgedrückt. Es ist der unter der Oberfläche liegende Teil des Eisbergs, den die Kapitalstruktur bildet. Kapital im tieferen Sinne wird gebildet durch all jene Verbindungen von Geistigem und Materiellem, die helfen, menschliche Ziele zu erreichen.

Am wenigsten sichtbar und damit am meisten unterschätzt ist stets die geistige oder kulturelle45 Komponente. Werkzeuge sind wertlos ohne das Wissen und die Fähigkeit, sie zu nutzen. Und die Voraussetzung für materielle Werkzeuge sind geistige Werkzeuge wie Sprache, Vorstellungskraft, Problemlösungsfähigkeit47. Die Gesamtheit nützlicher Verbindungen geistiger und kultureller Elemente dieser Art können wir kulturelles Kapital nennen.

Die hohe Lebensqualität für viele (nicht alle) Menschen in weiten (nicht allen) Teilen Europas ist nichts anderes als die Möglichkeit, das vorhandene Kapital zu nutzen. Eine Nutzung, welche die Abnutzung oder Vergänglichkeit von Kapital jeder Art nicht kompensiert, ist Konsum. Viele Konsummöglichkeiten sind nur über Tausch zugänglich, weil sie von uns fremden Menschen privat bereitgestellt werden. Teile Europas scheinen sich dadurch von anderen Orten zu unterscheiden, dass relativ mehr freie Konsummöglichkeit besteht: viel freier Zugang zu Natur49 und Kultur45. Das ist einerseits die Folge hohen unsichtbaren Kapitals: Die vermeintliche Natur Europas ist das Ergebnis besonders langer und kapitalintensiver Landschaftspflege. Der freie Zugang ist wiederum eine Folge hohen Wohlstands (wenn die Bewirtschaftung über Zugangskontrolle gar nicht lohnt), vielmehr aber noch die Folge einer lange gewachsenen Kultur hohen Vertrauens40.

Dieser Teil des kulturellen45 Kapitals schwindet jedoch am schnellsten, daher wird auch die Lebensqualität in Europa für die meisten Menschen sinken. Insbesondere dann, wenn diese Lebensqualität von Menschen, die sie konsumieren, ohne zu ihr beizutragen, wütend als Recht und unverdienter Identitätsstolz4 proklamiert wird.

Kapitel, die auf dieses verweisen: Kap. 9, 40, 47, 56, 57, 60, 62

4. Sollten wir nicht gerade jetzt die europäische Identität stärken?

Identität ist ein menschliches Grundbedürfnis. Sie stellt un­sere Existenz in einen größeren Sinnzusammenhang. Grundbedürfnisse sind Teil unserer Natur49. Diese müssen wir res­pektieren, sonst richtet sie sich gegen uns. Doch wir sollten ihr mit Vorsicht begegnen – wie einem wilden Tier.

Die europäische Identität erscheint vielen als Hoffnungsschimmer, weil sie an die Stelle des Nationalismus treten soll, der in Europa besonders stark wütete. Doch gerade der heute so gefürchtete deutsche Nationalismus war einst als fortschrittliche Einigungsbewegung angetreten, als moderne Identität freier Bürger60. Ein »Wir« wird aber am stärksten genährt durch gemeinsame Feinde.

Die neue europäische Identität ist noch frisch, nicht durch Kriege belastet, sogar dem Frieden verbunden. Doch sie be­nötigt ebenso den Kontrast zu den Anti-Europäern, den ewiggestrigen Nationalisten oder zu den USA57. In der ersten Ausprägung kann man dann »europäische Gesinnung« leicht mit den Interessen einer kosmopolitischen Oberschicht verwechseln, welche geringschätzig auf die Unterschicht blickt, die nicht genug Muße zum Reisen und nicht genug Beziehungen für die internationale Karriere hat. In der zweiten Ausprägung ist es der Anti-Amerikanismus, der ein wichtiges Korrektiv zu imperialem Zynismus und transatlantischer Ergebenheit sein mag, aber keine positive Identität nähren kann, nur Selbstgerechtigkeit und Selbstgefälligkeit, kulturellen Snobismus und weinerliche Nostalgie.

Identität gibt Kraft, und als Einzelmensch mit einem Kontinent mythisch verwoben zu sein, mag Sinn stiften. Da ist es allerdings ein wunder Punkt, dass der Kontinent nicht klar abtrennbar von der asiatischen Masse ist. Man könnte das Christentum bemühen, das wäre aber zu universalistisch für einen engeren Europäismus und zu unmodern für den aufgeklärten Europäer.

Europäische Identität meint daher oft nur die politische Position, eine weitere Übernahme von Agenden durch die EU5 zu befürworten. Doch die vermeintliche Einigung könnte sich noch als Spaltung39 erweisen.

Kapitel, die auf dieses verweisen: Kap. 2, 3, 23, 46, 49, 57, 59, 60

5. Können die Folgen von Pandemie und Wirtschaftskrise nur auf europäischer Ebene bewältigt werden?

Die Europäische Union ist die große Nachkriegshoffnung ­Europas. Sie drückt den Wunsch nach Einigung und Frieden aus und ist ein ambitioniertes Projekt der Gründung einer ­neuen Institution, das – trotz aller Probleme – als gelungen gilt, wenn auch lange nicht als abgeschlossen.

Dass kluge Menschen nach dem Krieg über einen institu­tionellen Neuanfang auf der Grundlage einer geeinten freien Welt nachdachten, ist ihnen hoch anzurechnen. Doch Visionäre sind meist Denker und keine Macher, sie sind selten diejenigen, die eine neue Institution wirklich aufbauen. Sie liefern Ideen, Begründungen, ideologische Alibis, hinter denen Macher ­harte Bretter bohren.

In der Politik ein »Macher« zu sein, unterscheidet sich leider vom Unternehmertum. Interessenausgleich mag ein Ergebnis von Politik sein, doch es werden nur organisierte Interessen ausgeglichen. Der nötige Kuhhandel hat mit Handel wenig zu tun: Es geht nicht um den Tausch zwischen Landwirten, die über ihre Rinder verfügen, sondern eher um Menschenwirte, die über Menschenherden verfügen.

Die Europäische Union war wie jede politische Institution53 durch solchen »Kuhhandel« über die Köpfe von Menschen hinweg geprägt. Besonders der Euro23 zeigt eine dunkle Vorgeschichte eiskalter Interessenpolitik, die sich weniger an Bürgerinteressen als an den Interessen der Herdenhirten orientiert.

Solch ein Ausgleich muss nicht schlecht sein, wenn die ­Alternative Entzweiung zwischen politischen Räumen ist. Oft ist aber die langfristige Folge eine Spaltung39, wenn das Vertrauen40 Schaden nimmt – etwa durch wachsende Sorge, als Bürger60 übervorteilt zu werden.

Je größer die Institution, je komplexer, desto wichtiger wird die kritische Durchleuchtung. Denn komplexe Institutionen bieten hervorragende Blasen18 für Menschen, die Kapitalkonsum betreiben, anstatt Werte für ihre Mitmenschen zu schaffen. Komplexe Institutionen schirmen Verantwortung ab und nähren damit Selbstüberschätzung und Inkompetenz.

So kommt es, dass sich Menschen, die außerhalb der Blase18 der Politik keinerlei Erfahrung aufzuweisen haben, plötzlich für Investoren, Feldherren und Manager kontinentaler Dimension halten.

Wahrscheinlich wird die Europäische Union zu einem Papiertiger, zu einem Beschäftigungsprogramm für weltwirtschaftlich nicht mehr vermittelbare Akademiker und nationalstaatlich nicht mehr gewählte Politiker. In den kommenden Problemen, für welche die aktuelle Pandemie nur eine sanfte Generalprobe war, geht die Spaltung quer durch die Gesellschaften. Solidarität, Frieden, Einigung werden dann vielleicht wieder reale Notwendigkeit und nicht bloß politische Phrasen sein. Im besten Fall werden die positiven Elemente der europäischen Nachkriegsvision wieder reale Wirkung und Relevanz entfalten. Erzwingen kann man sie nicht, man muss sie sich erarbeiten. An manchen Stellen wird man wieder bei null anfangen müssen.

Kapitel, die auf dieses verweisen: Kap. 4, 7, 13, 19, 23, 25, 53, 55, 58, 60

6. Die alte Leier vom Untergang des Abendlandes?

In der Tat wurde in keinem Teil der Welt öfter der Untergang prophezeit, herbeigesehnt oder als Vorwand politischer Interessen genutzt. Je dynamischer Europa wurde, desto stärker wurden diese Untergangsphantasien.

Die Modernität lastet dem Menschen ein enormes Sinnproblem auf. Wie Viktor Frankl erkannt hatte, sagen dem modernen Menschen weder Instinkt noch Tradition, was richtig ist. Das führt zu Angst und Wut. Die Dynamik28 Europas vergrößerte die Widersprüche und Spannungen.

Den Niedergang dieser Dynamik festzustellen, ist etwas ganz anderes als die historischen Warnungen vor einer unkontrollierbaren und rasanten Fahrt in den Abgrund.

Noch schlimmer aber als das Schwinden einer Dynamik, was man empathisch als verdiente Altersschwäche betrachten könnte, wäre eine falsche Dynamik aus Ungeduld, Selbstüberschätzung und Selbstgerechtigkeit. Dann schwindet die Fruchtbarkeit europäischer Spannung. Zwischen Zwangsvereinheitlichung und spalterischem Misstrauen könnte dann aufgerieben werden, was Europa immer noch besonders lebenswert macht.

Viele Europäer haben es sich in Blasen18 so bequem eingerichtet, dass sie Wirtschaft für den nebensächlichen Zeitvertreib der Zu-kurz-Gekommenen und der Zu-hoch-Gewachsenen sehen, der Ärmsten und Reichsten. Das gemächliche Weitergereicht-Werden durch Institutionen53 wird zum Ideal der Mittelschicht – von der Wiege bis zu Bahre: Kindergarten, Schule, Universität, Behörde oder staatlich finanzierte »NGO«, Ruhestand.

Es droht kein Krach, sondern viel schlimmer, eine ewige Wirtschaftskrise17 im Sinne einer sich selbst nährenden Lernunfähigkeit. Der ökonomische Begriff Stagflation27 lässt harmlos erscheinen, was tatsächlich selbstbeschleunigter11 Kapitalverzehr werden könnte – ein Wirtschaftswunder im Umkehrschub.

Das lässt die Spannungen wachsen, ohne die Mittel und Bereitschaft, sie in positive Dynamik umzumünzen. Mit steigenden Vorerkrankungen und sinkender geistiger Immunität könnte die alte Dame Europa dann wirklich einer Pandemie zum Opfer fallen – einer Pandemie von Gedankenviren42. Auch dann wird der Subkontinent nicht im Mittelmeer untergehen. Aber die besten Europäer werden Europa dann (wieder) den Rücken kehren.56

Niedergang bedeutet also vor allem, an Potenzial zu verlieren, zu stagnieren. Aufgrund der Überspanntheit unserer Gesellschaften, die demographisch, ideologisch und geldpolitisch unter Druck stehen, bedeutet Stagnation27 nicht gemächliches Dahinleben auf hohem Niveau, sondern steigende Volatilität: Immer neue Schocks9, an denen das Schlimmste stets die Reaktionen sind, die sich zu einer Spirale54 der Selbstbeschäftigung und Selbstbeschädigung hochschaukeln.

Kapitel, die auf dieses verweisen: Kap. 1, 2, 18, 40, 45, 54, 58

7. Welche Rezepte verschreibt der Autor Europa?

Ein Europa2 als handelnde Akteurin, das gibt es nicht und kann es nicht geben. Die Europäische Union5 ist eine der vielen politischen Akteurinnen und gewiss nicht die wendigste. Rezepte verschreiben – das ist ein naiver Blick auf politische Probleme.

Die Rezeptpflicht, die Legitimität, Rezepte zu verschreiben, die auch befolgt werden, beruht auf der Autorität der Wissenschaft16, der Wirksamkeit von Pharmazeutika und dem Versagen der Prävention. Leider ist Wissenschaft, insbesondere Sozialwissenschaft, kein Konsensverfahren mit klaren Entscheidungen, sondern ein Widerstreit gegensätzlicher Argumente. Experten als »Götter in Weiß«, die Entscheidungen abnehmen, Statiker zum Bau gesellschaftlicher Brücken, die nicht einstürzen, weil ihre Kalküle unbestritten und fehlerlos sind: Solche Sehnsüchte führen nur zu verhängnisvollen Irrwegen.

Wie in der Medizin grassiert in der Politik eine Hybris der Ingenieure – Sozialingenieure. In der Medizin trägt der Ingenieuransatz zumindest ein wenig, denn das komplexe System Mensch enthält mechanische Bauteile und chemische Flüsse, welche einige mechanische und chemische Reparaturen zulassen. Heilung geschieht jedoch auch hier als spontaner Prozess des selbsttätigen Wiedereinpendelns eines komplexen Systems, wenn vorübergehende Störungen beseitigt sind. Der Arzt reinigt die Wunde, damit sie verheilen kann, aber er heilt keine Wunden.

Gesellschaft ist ein noch komplexeres System, denn sie ist die Potenzierung von Einzelmenschen durch Interaktion. Für die Europäische Union5 Rezepte zu verschreiben, mit der sie die Gesellschaft reparieren könnte, ist eines jener Wunschbilder, wie sie nur in Blasen18 gedeihen können – in den Echokammern einer Gedankenwelt fern der Realität.

Wir müssen also Akteure definieren, dann können wir über Handlungsanleitungen nachdenken. Handeln können zunächst Individuen64. Gemeinsames Handeln ist auf drei Wegen möglich: über spontane Koordination, organisierte Koordination und Zwang. Spontane Koordination entsteht über die Wechselwirkung zwischen Individuen mit Familie, Freunden, Bekannten, Kunden, Kollegen etc. – also in freiwilligen Beziehungen. Organisation ist meist Koordination von Interessen und kann zu Institutionen53 führen. Zwang ist als legitimes Mittel dem Staat62 vorbehalten. Kleinere politische Einheiten wie etwa Gemeinden65 sind Spezialfälle, weil in ihnen alle drei Formen des gemeinsamen Handelns zusammentreffen.

Dieses Buch will nicht Heilung versprechen, sondern Hoffnung machen. Heilsversprechen sind gefährlich, denn sie führen zur Illusion, dass die Spaltung39 unserer Gesellschaften durch kollektives Heil überwunden werden könnte. Was wir tun können, ist, realistische Handlungsmöglichkeiten zu erkennen, und das bedeutet zunächst Verständnis der Realität. Politisches Handeln wütend zu debattieren, also Interventionen12 vor Erkenntnis und Verständigung zu fordern, ist sinnlos und vergrößert nur unproduktive Spaltung. Am wichtigsten wäre, die Vielfalt der Perspektiven, Ansätze, Handlungsmöglichkeiten in produktive Spannung überzuführen: Was können wir tun, ohne die Illusion vorauszusetzen, erst eine Mehrheit auf ein Ziel eingeschworen zu haben?

Die Kraft Europas könnte darin liegen, statt leblose Einigkeit in Kompromiss, Alternativlosigkeit oder Zwang zu suchen, die lebhafte Spannung wiederzufinden, die Raum für völlig konträre Perspektiven lässt, für frische Experimente und innovative Wagnisse, ohne die Kosten des Scheiterns der meisten neuen Ansätze zu sozialisieren. Aus dem Dickicht der hier verfolgten – eng miteinander verflochtenen – Themen blitzen an vielen Stellen Andeutungen zu solchen Auswegen hervor.

Politische Lösungen vertreten oft die Ideologie der Machete: des Auswegs, der einfach durchs Dickicht geschlagen wird, wenn wir uns nur auf die Richtung einigen könnten. Solche Lösungen wären lächerlich, wenn sie nicht so gefährlich wären. Auch ein erreichter Konsens bedeutet keine Allwissenheit – und einen Konsens über die Zukunft erreichen zu können, wäre ein Hinweis auf kollektive Verblendung und Mitläufertum.

Verbesserungen folgen aus Entdeckungen, nicht aus Verordnungen. Erst müssen wir das Dickicht durchdringen, seine Komplexität respektieren, die dunklen Flecken erkennen, dann erst können wir Wege hinaus finden. Auswege gibt es stets viele, aber noch mehr Sackgassen. Je kleiner und wendiger, desto weniger Kratzer.

Kapitel, die auf dieses verweisen: Kap. 1, 66


8. Haben europäische Länder die Pandemie besser in den Griff bekommen?

Wir haben es mit einer untypischen Atemwegserkrankung zu tun, deren geringe Letalität14 gewiss ist. Ungewiss15 ist noch fast alles andere, und jeder kann sich für das gewünschte Narrativ geeignete Hinweise herauspicken. Erneut spaltet also ein aktuelles Thema quer durch alle Lager – ist aber wahrscheinlich wieder nur Symptom bereits bestehender Spaltung39.

Die nationalen Grenzschließungen und die Interventionen12 bis hin zum Hausarrest gesunder Bürger60 hätte vor der Panik angesichts der norditalienischen Todeszahlen kaum jemand für möglich gehalten. Führende Politiker hatten solche Reaktionen völlig ausgeschlossen. Anfang des Jahres 2020 war es noch Mehrheitsmeinung, »Corona-Leugner« zu sein. Der öffentliche Rundfunk in Deutschland erklärte etwa in einer Sendung Corona-Panikmache zum Hinweis auf rechtsextremes Gedankengut.

Europa traf der Schock, zum Epizentrum10 der Coronavirus-Pandemie zu werden, und die Meinung drehte sich. Angesichts exponentiell wachsender Belegungen der beschränkten Intensivstationen, des Institutionenversagens53 bei der Ausstattung der Krankenhäuser mit Schutzausrüstungen und bei anderen Prozessen der Pandemiebewältigung schien der Griff zum Panikknopf, zur Stopptaste, alternativlos.

Es war eine Schocksituation der Ungewissheit15 des Pandemiegeschehens durch Unwissen über die kausalen Zusammenhänge und der mangelnden Vorbereitung – beides Folgen fehlender Innovation43 und Lernfähigkeit. In einer solchen Lage des Unwissens blieb nur die mittelalterliche Methode des Lockdown. Das ist so, als wäre unsere Mikrowelle kaputt und wir müssten Feuer machen.

Schon nach wenigen Wochen deutete sich an, dass die Autorität der Wissenschaft16 mit prophetischer Gabe verwechselt worden war. Die epidemiologischen Modelle waren durchwegs falsch. Die Abflachung der Zahl an Intensivpatienten setzt viel früher ein. Heute blicken wir gebannt auf Infektionszahlen, die weitgehend irrelevant sind.

Die Spaltung39, vor allem in den USA57, verhindert eine kritische Bestandsaufnahme. Der Lockdown war politisch alternativlos, weil die Gesellschaft nach anfänglicher Sorglosigkeit in Panik gekippt war, und praktisch zumindest plausibel, weil die mögliche Selbstverstärkung der Todesdynamik zu klären und zu bremsen war. Im Nachhinein ist mit steigender Gewissheit davon auszugehen, dass die Folgeschäden des Lockdown – auch und gerade gesundheitlich – größer sein werden als der abgewandte Schaden.

Nicht Europa hat die Pandemie in den Griff bekommen, sondern die Pandemie Europa – und die entstandene Verwirrung könnte die Grundlage für das Wüten einer weit schlimmeren, völlig übersehenen Pandemie sein: eine Pandemie von Gedankenviren42.

Kapitel, die auf dieses verweisen: Kap. 1, 11, 12, 16, 17, 29, 30, 39, 40, 42, 49, 53, 57

9. War die Pandemie ein Schock, ohne den wir kaum Probleme hätten?

Das Virus kam nicht mit einem UFO aus dem Weltall. Pandemien sind eine der am meisten prophezeiten und analysierten Gefahren einer globalisierten52 Welt. Alle paar Jahre gibt es Kandidaten für Pandemien.

Einer der bekanntesten und reichsten Menschen der Welt versucht mit großem Mitteleinsatz seit vielen Jahren, die Weltaufmerksamkeit auf das Thema zu richten. Eine Studie im Auftrag des deutschen Bundestages simulierte vor wenigen Jahren ausgerechnet das Szenario einer »Corona-SARS-Pandemie« mit alarmierenden Ergebnissen – für die sich offenbar niemand interessierte. Als wahrscheinlichster Überträger solcher Viren waren schon lange Fledermäuse identifiziert, als wahrscheinlichster Ausbruchsort galt China. Diese Pandemie ist also keinesfalls ein »schwarzer Schwan«, ganz im Gegenteil könnte dieser Schwan kaum weißer sein.

Auch als »weißer Schwan« ist die Pandemie schrecklich ­genug, wenn auch bei weitem nicht so schrecklich, wie die ­erwähnten Warner prognostiziert hatten. Es tröstet, dass sie Kinder nahezu völlig verschont und geringe Letalität14 aufweist.

Allenfalls schockierend sind die politischen Reaktionen und werden die wirtschaftlichen Folgen sein. Zuerst die Verschleierung in China58, dann in Europa das brutale Exempel, gefolgt von Institutionenversagen53, Schaden durch falsche Inter­ventionen12 und Spaltung39 der Gesellschaft, verstärkt durch mediale41 Panikmache. Noch schlimmer als all das werden die Folgen der politischen Schadensbewältigung sein.

Doch absehbare Entwicklungen, auch wenn sie negative sind, stellen weder Schock noch Krach17 dar. Der relativ hohe Wohlstand in Europa lässt vieles als Luxusproblem erscheinen, doch das ist auch ein Hinweis auf mangelnden Antrieb, mangelnden Realismus und schwindende Lernfähigkeit.

Nicht das »Jammern auf hohem Niveau« ist das Problem, sondern die Kritik- und Antriebslosigkeit auf unverdientem Niveau. Die Gewöhnung an hohe Lebensqualität3 bei schwindendem eigenen Beitrag führt notwendigerweise zu Schocks: zum Platzen von Blasen18.

Kapitel, die auf dieses verweisen: Kap. 1, 6, 8, 12, 17, 30, 35, 53, 57

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195 стр. 10 иллюстраций
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9783701181476
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