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Kapitel 8

Hassan Nazari strich seine blaue Seidenkrawatte glatt, zog die Ärmel seines hellgrauen Sakkos über die makellos weißen Manschetten und wandte sich dann um, um in einem mannshohen Spiegel sein Profil zu betrachten.

Er hob die rechte Hand, um sein zurückgekämmtes schwarzes Haar zu glätten, wobei er den grauen Schimmer darin bemerkte, dann ließ er seine perfekten Zähne bei einem kurzen Lächeln aufblitzen und strich sich über seinen kunstvoll getrimmten Bart. Noch einmal kontrollierte er seine Erscheinung im Spiegel und als sein prüfender Blick auf die Schuhe fiel, musste er innerlich grinsen. Er persönlich fand ja, dass die Einlagen in seinen Schuhen zu hoch waren und zu offensichtlich, doch er zuckte mit den Achseln, schenkte sich ein bestätigendes Lächeln und streckte die Hand aus. Sein Assistent übergab ihm nun einen Aktenkoffer, wobei er den direkten Augenkontakt vermied.

»Ist hier wirklich alles drin? Auch der Originalpachtvertrag für die Farm?«

»Ja, Sir.« Der Assistent verbeugte sich leicht vor ihm und trat zur Seite.

Nazari schaute zu den beiden großen Männern hinüber, die die Hotelsuite bewachten. Einer stand direkt in der Eingangstür, der andere neben dem mannshohen Fenster, von dem aus man einen hervorragenden Blick über die Stadt hatte. Sie waren die beiden einzigen Mitglieder seiner Entourage, die größer waren als er. Breitschultrig, ruhig und imposant. Beide trugen identische schwarze Anzüge, ebenfalls schwarze Handschuhe und Neun-Millimeter-Pistolen. Offiziell waren sie als Bodyguards angestellt, allerdings war ihre Stellenbeschreibung um einiges weiter gefasst, als die Bezeichnung vermuten ließ.

»Habt ihr beide verstanden, was ihr machen sollt? Mustapha?«

Der Mann an der Tür schaute Nazari an und nickte nur. Nazari wandte sich daraufhin dem Mann am Fenster zu und hob eine Augenbraue. »Ali?«

»Ja, Sir.«

»Dann lasst uns jetzt weitermachen.« Er testete das Gewicht des Aktenkoffers in seiner Hand, durchquerte den Raum und übergab den Koffer dann dem Mann am Fenster. »Ali, den nimmst du.« Er beobachtete den Bodyguard dabei, wie dieser ein Tuch aus seiner Jacketttasche holte und sorgfältig alle Spuren von Nazaris Fingerabdrücken auf dem Diplomatenkoffer entfernte.

Hassan wandte sich jetzt einem Mann zu, der sich nervös in einer Ecke des Raumes herumdrückte und winkte ihn heran. »Ibrahim, komm her«, befahl er.

Der Mann leckte sich über die Lippen und näherte sich Hassan ein paar Schritte. Seine Stirn war schweißnass und er versuchte den Schweiß wegzuwischen, als sein Blick unruhig über die Pistole in Mustaphas Hand glitt. Der Mann war Ende dreißig und sein billiges Sakko total zerknittert. Er krempelte seine Ärmel hoch, bevor er sich mit den Fingern durch sein dunkelbraunes Haar fuhr, dann öffnete er den obersten Hemdknopf, wobei er den Abstand zu Nassan beibehielt. Dieser roch jetzt den Geruch von Angst bei dem anderen Mann und lächelte.

»Es ist alles gut, Ibrahim, es gibt keinen Grund zur Furcht«, beruhigte er den Mann. Er griff nach Ibrahims Arm und drückte ihn fest. Dabei entging ihm allerdings, dass sich die Oberlippe des Mannes bei der Berührung vor Unbehagen verzog.

»In unserem Geschäft«, fuhr Hassan fort, »ist nur wenig Platz für Irrtümer, Fehleinschätzungen oder …«, er drehte sich um, um seinen Assistenten anzustarren, »für Verrat.«

»Verrat?«, fragte Ibrahim. »Wann?«

Hassan beobachtete, wie sich der Assistent unter seinem starren Blick wand und nickte leicht. »Richtig, Verrat …«, flüsterte er. Er wandte sich wieder an Ibrahim. »Bruder, du würdest uns doch niemals betrügen, oder?«

Ibrahim schüttelte heftig den Kopf und blinzelte.

»Gut, sehr gut.« Hassan lächelte verkniffen. »Wir sind mit unseren Plänen nämlich schon zu weit fortgeschritten, als dass wir uns jetzt noch ein Versagen oder einen Gesinnungswandel erlauben könnten. Bedauerlicherweise scheint mein Assistent hier aber deinen Glauben an unsere Sache und deine Standhaftigkeit nicht zu teilen.« Er winkte einen der beiden Bodyguards heran. »Mustapha, würdest du bitte …?«

Der Mann kam mit einem desinteressierten Gesichtsausdruck auf sie zu, griff ruhig in sein Jackett, schob seine Pistole ins Holster und holte stattdessen ein Stück aufgewickelten dünnen Draht aus der Tasche. Während er auf Hassans Assistenten zuging, schlang er langsam die isolierten Enden um seine Finger und zog den Rest behutsam auseinander.

Hassan schlenderte währenddessen zum Fenster hinüber und betrachtete die Silhouette der Stadt. Er hob seinen Blick zum Himmel und registrierte die gräulich-gelben Wolken, die Schnee ankündigten, noch bevor der Nachmittag zu Ende sein würde, dann schloss er seine Augen und holte tief Luft.

»Sir? Mr. Nazari?«, flüsterte der Assistent schließlich. »Gibt es irgendein Problem?« Er drehte sich um, während er versuchte, Mustapha mit geweiteten Augen im Blick zu behalten.

Mustapha, der zwanzig Zentimeter größer als der Assistent war, ließ seine Hände blitzschnell über den Kopf des Mannes gleiten und zog dann die beiden Enden des gewundenen Drahtes auseinander.

Die Hände des Assistenten schossen hoch zu seinem Hals und seine Augen traten hervor, während er verzweifelt versuchte, seine Finger unter den Draht zu schieben. Ein dünnes, würgendes Geräusch drang aus seinem zusammengepressten Mund. Als er sich auf die Zunge biss, spritzte zwischen seinen Lippen Blut hervor und Tränen schossen ihm in die Augen und rannen über seine Wangen.

Ibrahim schloss die Augen und wandte den Kopf ab, er versuchte das Geräusch auszublenden, das der andere Mann beim langsamen Erdrosseln machte.

Mustaphas Bizeps zuckte, als er den Draht noch ein wenig enger zog, bis der Kopf des Assistenten nach vorn fiel.

»Kein Problem«, meinte Hassan lächelnd, als der Körper seines Assistenten zu Boden rutschte. »Zumindest jetzt nicht mehr.« Er schaute Mustapha an, der den Draht sorgfältig wieder aufwickelte. »Sorge dafür, dass das hier aufgeräumt wird.«

Mustapha nickte, steckte den Würgedraht wieder in die Tasche und winkte den zweiten Bodyguard zu sich heran.

»Komm mit«, sagte Hassan und führte den schwitzenden Ibrahim an Ali vorbei, der gerade eine schwarze Plastikfolie auf dem Boden ausbreitete und den Körper des Assistenten darauf rollte. Sie verließen den Raum und begaben sich in eine angrenzende Suite. »Lassen wir sie in Ruhe sauber machen.«

Er schloss die Tür hinter ihnen, setzte sich auf einen der makellos weißen Dreisitzer und gab Ibrahim ein Zeichen, ihm gegenüber Platz zu nehmen. Während sich der andere Mann einem Sessel näherte, lächelte Hassan in sich hinein, schlug die Beine übereinander und ließ sich entspannt zurücksinken.

»Und jetzt …«, sagte er und beobachtete Ibrahim, als dieser sich hinsetzte und auf dem Rand des Sessels nervös hin und her rutschte, wobei seine Arme die Knie umklammert hielten. »… sollten wir über dich sprechen.«

***

Nachdem Dan und Mitch in den Konferenzraum zurückgekehrt waren und sich wieder gesetzt hatten, bemerkte Dan, dass ihn der Vertreter des Verteidigungsministers intensiv anstarrte. Er gab sein Bestes, dem Blick des Mannes auszuweichen. Stattdessen lehnte er sich bewusst ruhig nach vorn und ergriff ein Glas Wasser, wobei er das Hämmern seines Herzens so gut es ging, ignorierte.

Als alle Männer wieder am Tisch Platz genommen hatten, hob der Premierminister den Arm und bedeutete Porchester damit, dass dieser das Gespräch eröffnen sollte.

»Mr. Taylor, anscheinend sind Sie in eine Reihe von Vorfällen verwickelt gewesen, auf die Sie keinen Einfluss gehabt haben«, begann der Premierminister. »Wie auch immer … es ist offensichtlich, dass Sie dabei wirklich eine Menge Glück gehabt haben.«

Dan warf dem Premierminister einen verstohlenen Blick zu und zwang sich, ruhig zu bleiben. Er senkte seinen Kopf leicht und wollte zuerst die Arme vor der Brust verschränken, überlegte es sich dann aber doch anders und legte seine Handflächen vor sich auf den Tisch.

»Nachdem wir hier den Vorfall diskutiert haben und unter Berücksichtigung des Berichtes von Mr. Ludlow und den Empfehlungen des Verteidigungsministeriums sowie des Vize-Admirals muss ich bedauerlicherweise zu dem Ergebnis kommen, dass in diesem Fall eine Anklage unumgänglich ist.«

Dan starrte den Premierminister fassungslos an. Sein Mund wurde schlagartig trocken und sein Herzschlag dröhnte ihm in den Ohren. Er schluckte heftig, um die aufsteigende Galle zurückzuhalten und seine Hände rutschten ihm vom Tisch in den Schoß.

Der Premierminister blätterte in den vor ihm liegenden Unterlagen. »Anscheinend haben Sie bei Ihrer hartnäckigen Jagd nach der Bombe mehrfach extrem leichtsinnig gehandelt, ohne dabei das Risiko für die Menschen in Ihrer Umgebung zu berücksichtigen.« Während er Dan aufmerksam beobachtete, seufzte der Premierminister und lehnte sich in seinem Stuhl zurück.

»Dennoch«, fuhr er fort, »erscheint die Einleitung eines Strafverfahrens unangemessen unfair gegenüber jemandem, der dieses Land vor einer terroristischen Bedrohung beschützt hat, zumal, wenn er eine solch tadellose Militärakte wie Sie besitzt. Ich bin daher zu der Einschätzung gelangt, dass es noch eine weitere Möglichkeit gibt.«

Dan hielt den Atem an.

Der Premierminister beugte sich wieder nach vorn. »Nach weiteren Diskussionen mit den anderen Mitgliedern dieses Komitees habe ich beschlossen, Ihnen einen Strafaufschub zu gewähren.«

Dan atmete hörbar aus, seine Erleichterung spiegelte sich in Davids und Mitchs Gesicht wider.

»Allerdings unterliegt dieser Aufschub einigen Bedingungen«, fuhr der Premierminister fort und blickte dabei Porchester und den Vize-Admiral an, die beide zustimmend nickten.

»Ich habe von Mr. Ludlow erfahren, dass Sie ihm momentan dabei assistieren, eine potenzielle Bedrohung für unsere Verbündeten in Katar einzuschätzen.« Er verstummte und warf David einen Blick zu.

»Deswegen ist Ihr Strafaufschub daran gebunden, dass diese Ermittlungen erfolgreich abgeschlossen werden und sichergestellt wird, dass jegliche mögliche Bedrohung für dieses Land abgewendet wird.«

Dan nickte. »Ja, Sir.«

Der Premierminister hob warnend den Zeigefinger. »Falls Sie einen eventuellen Angriff nicht verhindern können, wird der Strafaufschub unverzüglich aufgehoben werden. Haben Sie mich verstanden?«

Dan schluckte hart. »Ja, Sir.«

David wartete, bis sich das Gemurmel am Tisch wieder etwas gelegt hatte, dann wandte er sich an den Premierminister. »Sir, wenn ich so frei sein darf … wir haben einige äußerst dringende Aufgaben zu erledigen. Könnten Sie mir daher jetzt bitte meine weiteren Befehle erteilen?«

Dan runzelte die Stirn und warf David einen verstohlenen Seitenblick zu.

Der Premierminister schien ein Lächeln unterdrücken zu müssen, bevor er antwortete: »Selbstverständlich, David.« Er wandte sich daraufhin an die Männer, die neben ihm saßen. »Tatsächlich, Gentlemen, ist dieses Treffen einberufen worden, um zwei Themen zu behandeln. In erster Linie, um uns Klarheit bezüglich der terroristischen Bedrohung zu verschaffen, die«, er nickte David zu, »durch die schnelle Reaktion von Mr. Ludlows Team erfolgreich vereitelt werden konnte. Außerdem möchte die britische Regierung in Abstimmung mit den Leitern von MI6 und MI5 sowie dem neuen Energieminister auf diesen Erfolg aufbauen und ist daher bereit, Ihnen David, die Weiterverfolgung Ihres Vorschlages, den Sie mir vor einigen Monaten vorgelegt haben, zu finanzieren.«

Porchester runzelte die Stirn und beugte sich auf seinem Stuhl nach vorn. »Ich bitte um Entschuldigung, Premierminister, aber von welchem Vorschlag ist hier die Rede?«

Der Premierminister antwortete lächelnd: »David, würden Sie dem Komitee gegenüber Ihr Konzept bitte näher ausführen?«

David nickte kurz. »Nach unserem letzten Erfolg konnte ich meine Vorgesetzten davon überzeugen, dass es langsam an der Zeit ist, eine neue Sonderbehörde einzurichten. Schließlich haben wir bewiesen, dass die Energieversorgung des Vereinigten Königreichs und der Erhalt seiner Energiereserven eine wichtige Sicherheitsproblematik darstellen, und zwar zum einen die Ausbeutung unserer natürlichen Ressourcen betreffend, aber vor allem auch in Hinblick auf mögliche Bedrohungen durch Einzelpersonen, Organisationen und unter Umständen auch durch andere Länder. Da unsere damaligen Operationen durch ein Leck im Ministerium gefährdet waren, wurden wir nach außen hin aufgelöst. Es gab viele Entlassungen, Mitarbeiter wechselten in andere Abteilungen … ich denke, Sie wissen, was ich damit meine. Ich habe danach den Auftrag erhalten, die Organisation wieder aufzubauen. Dieses Mal allerdings mit handverlesenen Mitarbeitern, denen ich absolut vertraue. Wir beabsichtigen, unser Hauptquartier außerhalb von London und damit auch außerhalb der Einflussnahme durch die Regierung einzurichten. Wir haben uns außerdem vollständig vom Büro des Premierministers abgekoppelt. Gelegentlich werde ich ihm zwar Bericht erstatten, aber ich werde dies nur als Experte tun, der diese Funktion auch gegenüber dem MI5 oder MI6 wahrnehmen wird … indem ich für alle als Berater fungiere.«

»Verdeckte Operationen«, murmelte Dan.

David schüttelte den Kopf. »Nicht ganz, aber ziemlich nahe dran. Mehr auf einer Wenn-es-denn-benötigt-wird-Basis. Wir werden Leute in Undercover-Einsätzen haben, doch nur in Einzelfällen. Denn oft neigen diese leider dazu, das Verhalten ihrer Zielpersonen zu beeinflussen, anstatt uns ständig zu berichten, damit wir entsprechend handeln können. Es werden auch nicht alle bei der Behörde als feste Mitarbeiter beschäftigt sein. Wir suchen uns die Leute aus, die am besten dafür geeignet sind, diese Aufgaben wahrzunehmen, und sie werden die volle Verantwortung für ihre Handlungen tragen müssen.«

»Wie lautet denn die Bezeichnung dieser neuen Behörde?«, fragte der Admiral nun.

»Die was?« Porchester runzelte die Stirn.

»Der Name«, antwortete David, »wurde bereits vom Premierminister festgelegt. Er lautet Energie-Protektions-Gruppe, kurz EPG. Angemessen harmlos, meine Herren, oder wie sehen Sie das?«

Dan blickte jetzt wieder hoch und musterte die Gesichtsausdrücke der anderen Männer.

Porchester polterte sofort los: »Aber Premierminister … Sie können doch nicht einfach eine komplett neue Behörde einrichten, die sowohl aus Ex-Militärangehörigen als auch aus Zivilisten besteht!«

Der Premierminister lächelte. »Selbstverständlich kann ich das, denn genau so sind auch SOE, MI5 und MI6 entstanden. Es wurde eine Lücke in unserem Geheimdienst-Netzwerk entdeckt und die erforderlichen Mittel bereitgestellt, um diese Lücke zu schließen. Das Team von Mr. Ludlow hat bereits bewiesen, dass es schnell und effizient auf Situationen reagieren kann und wenn sie dabei nicht auf einen Parlamentsausschuss warten müssen, um jeden Schritt genehmigen zu lassen, werden sie diesem Land auch besser dienen können.«

»Allerdings«, fuhr er fort und sah dabei Dan und Mitch an, »muss ich Sie noch einmal daran erinnern, dass Sie, falls Sie Ihre Befehle nicht befolgen oder dabei versagen sollten, einen Angriff auf dieses Land zu verhindern, in vollem Umfang zur Rechenschaft gezogen werden. Nächstes Mal gibt es dann keinen Ausschuss mehr.«

»Verstanden«, antwortete David und stand hastig auf, bevor Dan noch etwas einwenden konnte. »Also, Gentlemen, wenn Sie uns jetzt entschuldigen würden.« Er signalisierte Dan und Mitch, dass sie ebenfalls aufstehen sollten. »Wir machen uns dann wieder an die Arbeit.« Er gab dem Premierminister, der breit lächelte, die Hand, wandte sich dann zum Vize-Admiral um und nickte freundlich, dann zwinkerte er Porchester zu und verließ mit Dan und Mitch im Schlepptau das Zimmer.

»Heilige Scheiße«, flüsterte Mitch, als sie den Raum verlassen hatten. »Wir stehen offenbar von allen Seiten unter Beschuss.«

Dan lächelte. »Zumindest kann man nicht sagen, dass es langweilig wird.«

Kapitel 9

Dan lehnte entspannt an der Wand, was für ihn zwar bequem war, aber nicht gerade angemessen für jemanden, der in einem eleganten dreiteiligen Anzug im Eingangsbereich eines Fünf-Sterne-Hotels in Mayfair stand.

Während er wartete, suchte sein Blick unentwegt den Empfangsbereich ab. Das Licht der Kronleuchter spiegelte sich in dem polierten schiefergrauen Fußboden wider. Vier Rezeptionisten, deren schwarze Uniformen durch farbige Krawatten im unverkennbaren Grün der Hotelkette aufgefrischt wurden, arbeiteten gleichzeitig hinter dem Empfangstresen aus Granit, führten Telefonate und sprachen im gedämpften und routinierten Tonfall mit den Gästen.

Gegenüber von dem kreisrunden Rezeptionstresen waren zwei schwarze Ledersofas um niedrige Glastische herum aufgestellt worden, auf denen jeweils eine Karaffe mit Wasser und vier Gläser standen. Auf der anderen Seite entdeckte Dan eine offene, getäfelte Tür, hinter der aus der schwach erleuchteten Hotelbar das deutliche Klirren von Kristallgläsern zu hören war.

Er beobachtete zwei Geschäftsleute dabei, wie sie die Bar betraten. Der Ältere der beiden schlug dem anderen Mann jovial auf den Rücken und lachte, als sie durch die Tür gingen. Dan richtete seine Aufmerksamkeit anschließend wieder auf die Fahrstuhltüren und blickte zu den Pfeilen hinauf, die über jedem Aufzug aufwärts und abwärts zeigten. Der auf der linken Seite wies aktuell nach unten. Er wartete.

Kurz darauf war ein leises Ping zu hören, als der Aufzug das Erdgeschoss erreichte und die Türen sanft aufglitten.

Nach ein paar Sekunden trat ein stämmiger, gut gekleideter Mann daraus hervor, der offensichtlich aus dem Nahen Osten kam und seinen Blick zuallererst prüfend über die Empfangshalle schweifen ließ. Er musterte Dan kurz, dann drehte sich der Mann wieder zu der Aufzugskabine um, nickte einmal und begleitete seinen Arbeitgeber in die Eingangshalle, während ihnen ein zweiter Leibwächter folgte.

Dan richtete sich nun zu seiner vollen Größe auf. Scheich Masoud Al-Shahiri war kein besonders großer Mann, aber einer, der offenbar Respekt einforderte. Sein perfekt frisiertes Haar war pechschwarz ohne eine Spur von Grau darin und er hatte genau das Auftreten eines von sich selbst überzeugten, superreichen und einflussreichen Magnaten, das ihm als Ruf vorauseilte. Während sie in seine Richtung kamen, bemerkte Dan, dass Al-Shahiris Augen unentwegt in Bewegung waren und sein Blick von einer Seite des Raumes zur anderen glitt.

Dan unterdrückte ein Grinsen. Entweder vertraute der Mann den Fähigkeiten seiner eigenen Sicherheitsleute nicht besonders oder er war ständig auf der Suche nach der nächsten Gelegenheit für ein Geschäft.

Als er näherkam, schien sich Al-Shahiri ein wenig zu entspannen. Er blieb vor Dan stehen und blickte ihn an, was bedeutete, dass er den Kopf ein wenig heben musste. Eine kleine Narbe am Kinn des Mannes, kaum einen Zentimeter lang, ließ die Spur einer Messerspitze erahnen.

Al-Shahiri deutete ein Lächeln an, bevor er mit einer sanften volltönenden Stimme zu sprechen anfing, die auch ohne große Lautstärke gut zu verstehen war: »Mr. Taylor, Sie sollen also heute Nacht auf mich und meine Sicherheitsleute aufpassen?«, fragte er.

»Das ist richtig, Sir«, antwortete Dan höflich.

»Hm.« Al-Shahiri schaute kurz zur Seite, hob die Hand und bedeutete seinen beiden Leibwächtern, bei der folgenden Unterhaltung auf Abstand zu bleiben. Dann wandte er sich wieder Dan zu. »Setzen wir uns doch.«

Dan deutete auf die Sofas an der hinteren Wand und signalisierte dem Scheich, sich auf das Sofa zu setzen, das mit dem Rücken zur Lobby stand. Er wartete, bis der Mann es sich bequem gemacht hatte, dann setzte er sich ihm gegenüber und beobachtete weiterhin die Lobby und die Ausgänge.

Der Scheich lächelte. »Gut, gut. Ich sehe, dass Sie Ihre Ausbildung offensichtlich nicht vergessen haben.«

Dan zog eine Augenbraue hoch. »Im Gegensatz zu einigen, die als sogenannte Personenschützer unterwegs sind, ist mir meine Aufgabe in Fleisch und Blut übergegangen.« Er beugte sich vor, nahm die Karaffe vom Glastisch und goss zwei Gläser Wasser ein, von denen er eines in Richtung des Scheichs schob.

Der Scheich lachte. »Und Sie haben offenbar keine Angst, Ihre Meinung zu sagen. Ausgezeichnet. David hat mir schon vorausgesagt, dass wir miteinander klarkommen würden.«

Dan runzelte die Stirn. »Ich bin nicht hier, um Ihr Freund zu sein. Irgendjemand da draußen denkt, dass Sie in so großer Gefahr schweben, dass Sie heute Nacht mehr als nur Ihre normalen Sicherheitskräfte um sich haben sollten, und da meine Regierung ein eigennütziges Interesse an Ihrem jüngsten Gasprojekt zeigt, hat Ihr Schutz für uns oberste Priorität.« Er deutete mit einem Kopfnicken auf die beiden Leibwächter, die ein Stück vom Scheich entfernt standen und jeden finster anstarrten, der auch nur in seine Richtung blickte. »Wie lange arbeiten die beiden schon für Sie?«

Der Scheich warf ihm einen durchdringenden Blick zu. »Seit sie Teenager waren. Ich verdächtige niemanden aus meinem direkten Gefolge, sich gegen mich zu verschwören, Mr. Taylor.«

»Warum nicht? In Ihrer Branche könnte doch bestimmt jeder zur Gefahr für Sie werden.«

Der andere Mann zuckte mit den Schultern. »Ganz einfach, weil die Familien dieser Männer von ihrer Loyalität zu mir abhängig sind.« Er starrte Dan unbewegt an.

»Na gut, und woher könnte dann Ihrer Meinung nach, eine Bedrohung kommen?«

Der Scheich wedelte ungeduldig mit der Hand vor seinem Gesicht herum. »Geschäft. Es ist immer etwas Geschäftliches. Manche Leute wissen einfach nicht, wann sie aufhören sollten, dass sie … wie sagt man noch mal?«

»Aufhören sollte, solange man noch vorn liegt.«

»Ganz genau. Immer mehr, immer mehr.« Er seufzte, ohne die Ironie seiner Äußerungen zu bemerken. »Bei der Ausweitung unserer Naturgasexporte macht mein Land momentan den Schritt in die wichtigste Phase. Wir stecken Milliarden von Dollar in Projekte, mit denen unsere Geschäftspartner über die nächsten zwanzig Jahre beträchtliche Gewinne erzielen werden.« Er zuckte mit den Achseln. »Wie Sie bestimmt wissen, gibt es einige, die uns ruinieren wollen, um uns eine Lektion dafür zu erteilen, dass wir uns dem Westen gegenüber so stark geöffnet haben, und es gibt andere, die einfach nur ein Stück von unserem Geschäft abhaben wollen.« Er seufzte. »Schütten Sie einfach eine Handvoll der üblichen verrückten Leute aus und voilà … schon haben Sie Ihre Auswahl an Verdächtigen.«

»Gab es denn irgendwelche spezifischen Bedrohungen in letzter Zeit?«

Der Scheich wedelte wegwerfend mit der Hand. »Nur was ihr Briten als Säbelrasseln bezeichnet, mehr nicht«, spie er aus. »Abwertende Kommentare in der Presse, abfällige Meinungen in den regionalen Fernsehnachrichten und im Internet. Banale Dinge.«

Während er zuhörte, sah sich Dan weiterhin in der Hotellobby um und beobachtete sowohl die Gäste als auch die Mitarbeiter. »Haben Ihre Männer den Veranstaltungsort heute schon besichtigt?«

Der Scheich blickte über seine Schulter und winkte einen seiner Männer heran. »War der Veranstaltungsort zufriedenstellend?«

Der Mann warf dem Scheich einen intensiven Blick zu, streckte sich etwas und sah dann Dan an. »Es gibt zwei Haupteingänge. Einer ist für die Öffentlichkeit zugänglich, der andere ist nur ein Seitenzugang für Caterer und Kellner. Unter dem Gebäude befindet sich ein kleines Parkhaus, das wir abgeriegelt haben, nachdem alle Mitarbeiter ihre Fahrzeuge entfernt hatten. Der Eingang dazu befindet sich auf der Rückseite des Gebäudes und wir haben zwei Männer an der Zufahrtsschranke positioniert. Wir werden außerdem ständig vier Männer an der Seite Seiner Hoheit haben.«

Als der Mann seinen Bericht abgeschlossen hatte, gab ihm der Scheich durch ein Winken das Zeichen, sie wieder allein zu lassen und sah Dan an. »Gut?«

Dan zuckte mit den Achseln. »Nicht schlecht, aber er hat leider die Möglichkeit eines Angriffs vom Dach aus außer Acht gelassen. Ich habe ihnen deshalb geraten, die Anzahl der Männer dort oben zu erhöhen, ebenso wie auf dem daneben liegenden Gebäude. Ich glaube auch nicht, dass Browning die Gästeliste vollständig überprüft hat oder dass er weiß, welche anderen Leibwächter anwesend sind.« Er griff langsam in die Innentasche seiner Jacke, um die Leibwächter des Scheichs nicht zu beunruhigen, und zog ein gefaltetes A4-Blatt heraus. Er hielt es zwischen zwei Fingern in die Höhe, um es den Sicherheitsleuten zu zeigen, bevor er es über den Tisch in Richtung des Scheichs schob. »Das sind meine Empfehlungen.«

Der Scheich runzelte die Stirn, beugte sich aber vor und griff nach dem Blatt Papier. Er faltete es auseinander, las es sorgfältig, faltete es wieder zusammen und hielt es dann über die Schulter einem der Leibwächter hin. Als der Scheich Dan wieder ansah, funkelten seine Augen vor Belustigung.

»Sie sind wirklich sehr gut«, meinte er lachend und deutete mit dem Finger auf Dan. »Sehr gut.«

Dan beugte sich vor und schlug mit der Handfläche so fest auf die Glasplatte des Couchtisches, dass die leeren Gläser mit einem lauten Klirren gegen die Karaffe stießen. Sofort waren die beiden Sicherheitsleute an der Seite des Scheichs. Doch Dan ignorierte sie und funkelte Al-Shahiri wütend an.

»Das hier ist kein Spiel«, knurrte er. »Möglicherweise ist es das ja für Sie, aber es werden heute Nacht viele Leute anwesend sein, darunter auch ich selbst, von denen erwartet wird, dass sie Sie mit ihrem Leben verteidigen, wenn etwas schiefgeht. Es wäre daher hilfreich, wenn Sie anfangen könnten, die Angelegenheit etwas ernster zu nehmen.«

Stille umgab nun den Tisch. Der Scheich blickte zu Dan hinüber und strich sich, anscheinend tief in Gedanken versunken, über seinen Schnurrbart. Schließlich beugte er sich wieder vor, schaffte es, dabei ein wenig zerknirscht auszusehen, und lächelte versöhnlich. »Sollen wir uns auf den Weg machen?«

Der Scheich stand auf und drehte sich um, um die Lobby zu verlassen, flankiert von seinen beiden Leibwächtern.

Doch Dan blieb noch kurz auf dem Ledersofa sitzen, sammelte seine Gedanken, schüttelte den Kopf und stand dann ebenfalls auf.

Der Scheich blickte über seine Schulter auf den hinter ihm gehenden Bodyguard. »Stellen Sie sicher, dass diese Notizen an das Team verteilt werden und informieren Sie sie alle unverzüglich über die zusätzlichen Sicherheitsanforderungen.«

Während die Gruppe durch die Lobby ging und die draußen wartenden Autos ansteuerte, erlaubte sich Dan ein kleines Lächeln.

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477,84 ₽
Возрастное ограничение:
0+
Дата выхода на Литрес:
10 февраля 2022
Объем:
370 стр.
ISBN:
9783958353824
Переводчик:
Издатель:
Правообладатель:
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