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*

– Deine Zunge ist der blutige Dolch, der deinen Mund gespaltet hat.

– Meine Zunge ist mit Edelsteinen besetzt. Vom Widerscheine meiner Lippen ist sie roth.

*

– Deine Arme sind gerundet wie zwei Elfenbeinzähne und deine Achselhöhlen wie zwei Mündchen.

– Meine Arme sind langgestreckt, wie zwei Lilienstengel, woran meine Finger schimmern, gleich fünf Blumenblättern.

*

– Deine Schenkel sind die Rüssel zweier weißen Elephanten und sie tragen Füße gleich zwei rothen Blumen.

– Meine Füße sind zwei Seerosenblätter auf dem Wasser, meine Schenkel sind zwei geschwellte Seerosenknospen.

*

– Deine Brüste sind zwei silberne Schilder, deren Spitzen in Blut getaucht wurden.

– Meine Brüste sind der Mond und der Widerschein des Mondes im Wasser.

*

– Dein Nabel ist ein tiefer Brunnen in einer Wüste voll rosigen Sandes, und dein Unterleib ein junges Zicklein im Schoße der Mutter.

– Mein Nabel ist eine runde Perle auf einer umgestürzten Schale und mein Schoß ist die helle Sichel Phöbes, die durch den Wald schimmert.

*

Es entstand eine Stille. – Die Sklavin hob die Hände empor und verbeugte sich.

Die Hetäre fuhr fort:

»SIE ist wie eine Purpurblume, voll Honig und Wohlgerüche.

»Sie ist wie die Hydra des Meeres, lebendig und weich, offen des Nachts.

»Sie ist die feuchte Grotte, die stets warme Lagerstätte, das Obdach, wo der Mann ausruht auf seinem Gang zum Tode.«

Die niedergebeugte Sklavin murmelte ganz leise:

»Sie ist furchtbar. Es ist das Gesicht der Medusa.«

— — — — —

Chrysis setzte ihren Fuß auf den Nacken der Sklavin und sagte zitternd:

»Djala…«

— — — — —

Nach und nach war die Nacht herangebrochen; aber der Mond war so hell, daß sich das Gemach mit blauem Lichte füllte.

Chrysis saß nackt da und betrachtete ihren Leib, wo die Lichtreflexe unbeweglich standen und die Schatten tiefschwarz herabfielen.

Plötzlich stand sie auf:

»Djala, an was denken wir? Es ist Nacht und ich bin noch nicht ausgegangen. Ich werde auf dem Heptastadion Auf dem sieben Stadien langen Kai. nur noch schlafende Matrosen finden. Sage mir, Djala, bin ich schön?

»Sage mir Djala, bin ich diese Nacht schöner als je? Ich bin die schönste aller Frauen Alexandriens, Du weißt es? Nicht wahr, er wird mir folgen wie ein Hund, derjenige, der jetzt vor dem schiefen Blick meiner Augen vorbei gehen wird? Nicht wahr, ich werde aus ihm machen können, was mir gefällt, einen Sklaven, wenn dies meine Laune ist? und ich kann von dem ersten Besten den ergebensten Gehorsam erwarten? Kleide mich an, Djala.«

Um ihre Arme wanden sich zwei Silberschlangen. An ihre Füße wurden Sandalen geheftet, welche um ihre braunen Beine mit gekreuzten Lederriemen gebunden waren. Sie schnallte um ihren Bauch einen Jungferngürtel, welcher von der Höhe der Hüfte, der hohlen Linie der Leisten entlang, herunterfiel; in ihre Ohren heftete sie runde Reife, an ihre Finger steckte sie Ringe und Siegel; um ihren Hals legte sie drei Halsketten von goldenen Phallos Männliches Zeugungsglied, welche in Paphos durch Hierodulen ziselirt worden waren.

Sie betrachtete sich einige Zeit, wie sie so nackt da stand, inmitten ihres Schmuckes; dann zog sie aus einem Koffer – wo es zusammengefaltet lag – ein großes Stück durchsichtiger gelber Leinwand, sie drehte es herum und wickelte sich hinein, daß es bis zum Boden reichte. Diagonale Falten durchfurchten den kleinen Theil ihres Körpers, den man durch das leichte Gewebe hindurch sah; einer ihrer Ellenbogen trat unter der eng anhaftenden Tunika hervor, und der andere Arm, den sie nackt gelassen hatte, hielt die lange Schleppe in die Höhe, damit sie nicht im Staub geschleift werde.

Sie nahm ihren Federfächer zur Hand und trat nachläßig hinaus.

Auf der Thürschwelle stehend, die Hand an die weiße Wand gelehnt, sah Djala allein der sich entfernenden Hetäre nach.

Langsam schritt diese vorwärts, den Häusern entlang, in der öden Straße, die das Mondlicht beleuchtete. Ein kleiner, beweglicher Schatten zitterte hinter ihren Schritten.

— — — — —

II.
Am Strande Alexandriens.

Am Strande Alexandriens stand ein Mädchen und sang. Neben ihr saßen zwei Flötenspielerinen auf der weißen Brüstung.

I.

Die Satyren haben in den Wäldern

Die leichte Spur der Orcaden verfolgt.

Sie haben den Bergnymphen nachgejagt

Ihre dunkeln Augen erschreckt,

Ihre lang flatternden Haare ergriffen,

Ihre Jungfrauenbrüste im Laufe gefaßt,

Ihre warmen Körper zurückgelehnt,

Auf den feuchten Rasen hingestreckt,

Und die schönen Körper, die schönen halbgöttlichen Körper

Streckten und reckten sich im Schmerze.

Eure Lippen, ihr Frauen, preisen Eros

In leidvoll süßem Verlangen.

*

Die Flötenspielerinen wiederholten:

»Eros!«

– Eros!« und ihre Klagen schluchzten im doppelten Schilfrohr.

II.

Kybele hat durch die Ebene

Attys, schön wie Apoll verfolgt.

Eros hatte sie in’s Herz getroffen, und für ihn,

O weh! aber nicht für sie.

Um geliebt zu werden, grausamer Gott, böser Eros,

Ist nur der Haß, was Du anräthst…

Durch die Wiesen und die weiten, fernen Felder

Hat Kybele dem Attys nachgejagt,

Und weil sie den liebte, der sie verschmäht’,

Hat sie in seine Adern den mächt’gen Hauch,

Den kalten, den Hauch des Todes geblasen.

Oh schmerzhaft-süßes Verlangen!

*

»Eros!

– Eros!«

Den Flöten entstiegen schrille Töne.

III. Der Satyr hat bis zum Flusse

Syrinx, die Tochter der Quelle verfolgt.

Der bleiche Eros, der den Geschmack der Thränen liebt,

Küßt sie im Fluge, Wange gegen Wange:

Und der flücht’ge Schatten der ertrunkenen Jungfrau

Hat erbebt, wie ein Schilf auf dem Wasser;

Doch Eros besitzt die Welt und die Götter,

Er besitzt sogar den Tod;

Auf dem Wassergrabe pflückt er für uns

Alles Schilfrohr und macht daraus die Flöte…

Eine todte Seele beweint hier, ihr Frauen,

Das schmerzhaft-süße Verlangen!

*

Während die Flöten den langsamen Gesang des letzten Verses fortsetzten, hielt die Sängerin den Zuhörern, welche sich im Kreise um sie versammelt hatten, die Hand hin. Sie sammelte vier Obolen und ließ sie in ihre Schuhe gleiten.

Nach und nach zerstreute sich die Menge, zahllos, neugierig auf sich selbst und auf die Vorbeigehenden. Das Geräusch der Schritte und der Stimmen deckte sogar das Rauschen des Meeres. Matrosen zogen mit vorgebeugtem Leibe Fahrzeuge ans Ufer. Mit vollen Körben auf den Armen gingen Früchteverkäuferinen vorbei. Bettler verlangten mit zitternden Händen ein Almosen. Mit vollen Schläuchen beladene Esel trabten vor den Stöcken der Eseltreiber daher. Aber nun war die Stunde gekommen, wo die Sonne untergeht; und zahlreicher noch als die geschäftige Menge, bedeckte die müßige Menge den Hafendamm. Gruppen bildeten sich hie und da, zwischen welchen die Frauen hin und her gingen. Man hörte bekannte Persönlichkeiten nennen. Die jungen Leute schauten sich die Philosophen an; diese hingegen betrachteten die Hetären.

Und es waren Hetären jeder Gattung und jeden Ranges da, von den berühmtesten angefangen, welche mit lichter Seide bekleidet waren und Schuhe von Goldleder trugen, bis zu den elendesten, die mit bloßen Füßen daher gingen. Die Ärmsten waren nicht minder schön als die anderen, aber weniger glücklich, und die Aufmerksamkeit der Weisen war am liebsten auf diejenigen gerichtet, deren Anmuth nicht durch die Kunstgriffe der Gürtel und die Fülle des Schmuckes entstellt war. Da man am Vorabend der aphrodisischen Feste war, hatten diese Frauen die Freiheit die Kleidung zu wählen, die ihnen am besten saß, und einige der jüngsten waren so weit gegangen, überhaupt keine Kleider zu tragen. Aber ihre Nacktheit erregte bei Niemandem Anstoß, denn sie hätten nicht in dieser Weise jede Einzelheit derselben der Sonne ausgesetzt, wenn sie sich des kleinsten körperlichen Fehlers, der den Spott der verheiratheten Frauen herausgefordert hätte, bewußt gewesen wären.

»Tryphaera! Tryphaera!«

Und mit diesem Ausrufe stieß eine junge Hetäre von fröhlichem Aussehen einige Vorübergehende bei Seite, um eine Freundin, die sie bemerkt hatte, einzuholen.

»Tryphaera? bist Du geladen?

– Wo das, Seso?

– Bei Bacchis.

– Noch nicht. Giebt sie ein Mittagsmahl?

– Ein Mittagsmahl? einen Festschmaus, meine Liebe. Sie will ihrer schönsten Sklavin, Aphrodisia, am zweiten Tage des Festes die Freiheit schenken.

– Endlich hat sie bemerkt, daß man nur noch wegen ihrer Sklavin zu ihr kam.

– Ich glaube, sie hat gar nichts bemerkt. Es ist eine Laune des alten Rheders Cheres. Er wollte das Mädchen für zehn Minen kaufen; Bacchis hat abgelehnt. Er bot zwanzig Minen und sie hat nochmals abgelehnt.

– Sie ist verrückt.

– Sie setzte eben ihren Ehrgeiz daran, eine befreite Sklavin zu haben. Übrigens hat sie recht gethan zu feilschen. Cheres wird gewiß fünf und dreißig Minen geben und für diesen Preis kann sich das Mädchen freimachen.

– Fünf und dreißig Minen? Drei tausend fünf hundert Drachmen? Drei tausend fünf hundert Drachmen für eine Negerin!

– Sie ist die Tochter eines Weißen.

– Aber ihre Mutter ist schwarz.

– Bacchis hat erklärt, daß sie sie nicht billiger hergeben würde, und der alte Cheres ist so verliebt, daß er eingewilligt hat.

– Ist er wenigstens geladen?

– Nein! Aphrodisia wird beim Festmahl als letzter Gang nach den Früchten aufgetragen werden. Jeder wird nach seinem Geschmacke davon kosten und am zweiten Tage erst soll man sie an Cheres abliefern; aber ich fürchte, daß sie dann recht müde sein wird …

– Bemitleide sie nicht! Bei ihm wird sie Zeit haben auszuruhen. Ich kenne ihn, Seso. Ich habe ihn schlafen sehen.

Sie lachten zusammen über Cheres. Dann lobten sie sich gegenseitig.

»Du hast ein hübsches Kleid, sagte Seso. Hast Du es bei dir zu Hause sticken lassen?«

Tryphaeras Kleid war aus dünnem, meergrünem Stoffe, der ganz mit breitblumigen Iris durchwirkt war. Ein in Gold gefaßter Karfunkel heftete dasselbe an der linken Schulter in spindelförmigen Falten fest; das Kleid fiel wie eine Schärpe zwischen den Brüsten hernieder, die ganze rechte Seite des Körpers bis zum Metallgürtel nackt lassend; nur ein enger Spalt, welcher sich bei jedem Schritte öffnete und wieder schloß, enthüllte das weiße Bein.

Seso! sagte eine andere Stimme, Seso und Tryphaera, kommt, wenn ihr nichts Besseres zu thun habt. Ich gehe zur Mauer des Kerameikos, um zu sehen, ob mein Name dort angeschrieben steht.

– Mousarion! woher kommst Du, Kleine?

– Vom Leuchtturm, es ist Niemand dort.

– Was sagst Du da? Man braucht ja nur zu fischen, so voll ist es dort.

– Kein Fang für mich. Deßhalb geh’ ich zur Mauer. Kommt doch!

Unterwegs erzählte Seso wieder vom beabsichtigten Gastmahle bei Bacchis.

»Ach! bei Bacchis! rief Mousarion aus. Erinnerst Du dich des letzten Essens, Tryphaera: und alldessen, was man über Chrysis erzählt hat?

– Sage es nicht wieder, Seso ist ihre Freundin.«

Mousarion biß sich in die Lippen; doch schon fragte Seso ängstlich:

»Wie? was hat man gesagt?

– Oh! nur Bosheiten.

– Sprechen ist leicht, erklärte Seso. Alle drei zusammengenommen wiegen wir Chrysis nicht auf. Am Tage wo es ihr gefallen wird ihr Viertel zu verlassen, um sich im Brouchion zu zeigen, wird so mancher unserer Geliebten uns nicht mehr wiedersehen wollen.

– Oho!

– Gewiß. Ich würde für dieses Weib Tollheiten begehen. Es giebt hier keine schönere, glaub es mir.

Die drei Mädchen waren vor der Mauer des Kerameikos angekommen. Von einem Ende der weißen Wand bis zum andern folgte Inschrift auf Inschrift. Wenn ein Liebhaber sich einer Hetäre vorzustellen wünschte, genügte es ihre beiden Namen mit dem Preise, den er bot, da aufzuschreiben; hatte sie den Mann und das Geld als würdig erachtet, so blieb das Weib unter der Aufschrift stehen und wartete, bis der Verehrer wiederkam.

»Schau mal, Seso! sagte Tryphaera lachend. Wer ist der boßhafte Spaßvogel, der das geschrieben hat?«

Und sie lasen folgende, in plumper Schrift geschriebene Worte:

Bacchis

Thersites

2 Obolen

»Es sollte nicht erlaubt sein Weiber so zum Besten zu haben. Wenn ich der Rhymarch wäre, so hätte ich schon längst eine Untersuchung eröffnet.«

Aber ein Stück weiter blieb Seso vor einer ernster zu nehmenden Inschrift stehen.

Seso von Cnidos

Timon, Lysias Sohn

1 Mine

»Ich bleibe,« sagte Seso erblassend.

Und sie lehnte sich an die Wand, dem neidischen Blicke der vorbeigehenden Hetären ausgesetzt.

Einige Schritte weiter fand Mousarion eine, wenn auch nicht so freigebige, so doch annehmbare Anfrage. Tryphaera kam allein auf den Hafendamm zurück.

Der Abend war vorgeschritten, die Menge weniger dicht. Die drei Musikantinen jedoch fuhren fort zu singen und die Flöte zu blasen.

Auf einen Unbekannten zutretend, dessen Schmeerbauch und dessen Kleidung ziemlich lächerlich aussahen, schlug ihm Tryphaera auf die Schulter:

– Väterchen, ich wette, Du bist nicht von Alexandrien, wie?

– In der That, mein Kind, antwortete der Biedermann. Du hast recht gerathen. Ich bin über Stadt und Leute noch ganz verblüfft.

– Bist Du von Bubaste?

– Nein, von Cabasa. Ich bin hierher gekommen, um Korn zu verkaufen und kehre morgen um zweiundfünfzig Minen reicher heim. Den Göttern sei gedankt, es war ein gutes Jahr.

Tryphaera fühlte plötzlich ihr Interesse für diesen Kaufmann wachsen.

Mein Kind, begann er schüchtern von Neuem, Du kannst mir eine große Freude bereiten. Ich möchte nicht morgen nach Cabasa zurückkehren, ohne meiner Frau und meinen drei Töchtern sagen zu können, ich habe berühmte Männer gesehen. Du mußt sicher berühmte Männer kennen?

– Ich kenne einige, sagte sie lachend.

– Nun wohl! Nenne mir sie, wenn sie hier vorbeigehen. Ich bin sicher, daß ich seit zwei Tagen auf den Straßen die berühmtesten Philosophen und die einflußreichsten Würdenträger getroffen habe. Ich bin trostlos sie nicht zu kennen.

– Du sollst befriedigt werden. Hier ist Naukrates.

– Wer ist Naukrates?

– Ein Philosoph.

– Und was lehrt er?

– Daß man schweigen muß.

– Bei Zeus, das ist eine Lehre, welche nicht viel Genie verlangt und dieser Philosoph gefällt mir nicht.

– Hier kommt Phrasilas.

– Wer ist Phrasilas?

– Ein Thor.

– Warum läßt Du ihn da nicht vorüberziehen?

– Weil Andere ihn für einen ausgezeichneten Mann halten.

– Und was sagt er?

– Er sagt Alles mit einem Lächeln, was ihm gestattet, seine Irrthümer als absichtlich und seine Albernheiten als pfiffig gelten zu lassen. Alle Vortheile sind auf seiner Seite. Die Welt hat sich dadurch irreführen lassen.

– Das ist mir zu hoch und ich verstehe Dich nicht recht. Übrigens hat dieser Phrasilas ein Heuchlergesicht. – Hier kommt Philodem.

– Der Stratege?

– Nein. Ein lateinischer Dichter, der griechisch schreibt.

– Kleine, es ist ein Feind. Ich will ihn nicht gesehen haben.

Jetzt entstand in der Menge eine Bewegung und ein Gemurmel von Stimmen sprach einen und denselben Namen aus.

»Demetrios … Demetrios …«

Tryphaera stieg auf einen Eckstein und sagte dem Kaufmann:

»Demetrios … Hier ist Demetrios. Du wolltest ja einen berühmten Mann sehen.

– Demetrios? der Geliebte der Königin? Ist es möglich?

– Ja, Du kannst von Glück reden. Er geht nie aus. Seitdem ich in Alexandrien bin, ist es das erstemal, daß ich ihn auf dem Strande sehe.

– Wo ist er?

– Es ist der, welcher sich vorbeugt, um den Hafen zu sehen.

– Es sind zwei da, die sich vorbeugen.

– Der, welcher blau gekleidet ist.

– Ich sehe ihn nicht recht. Er wendet uns den Rücken zu.

– Weißt Du, daß es der Bildhauer ist, dem die Königin Modell gestanden hat, als er die Statue der Aphrodite für den Tempel gemacht hat?

– Man sagt, er sei der königliche Geliebte. Man sagt, er sei der Herr Ägyptens.

– Er ist schön wie Apoll!

– Ah! Jetzt dreht er sich um. Ich bin recht froh, gekommen zu sein. Ich werde sagen, daß ich ihn gesehen habe. Man hat mir so Vieles über ihn erzählt. Man sagt, daß ihm niemals eine Frau widerstanden hat. Er hat viele Abenteuer erlebt, nicht wahr? Wie kommt es, daß die Königin sich nicht darüber erkundigt hat?

– Die Königin kennt sie so gut wie wir. Sie liebt ihn zu sehr, um ihm deshalb etwas zu sagen. Sie fürchtet, daß er nach Rhodos, zu seinem Meister Pherecrates zurückkehrt. Er ist so mächtig wie sie und sie ist es, die nach ihm verlangte.

– Er sieht nicht glücklich aus. Warum hat er eine so traurige Miene? Es scheint mir, ich würde glücklich sein, wenn ich an seiner Stelle wäre. Ich möchte gern an seinem Platze sein, sei es auch nur einen Abend…

Die Sonne war untergegangen. Die Frauen schauten diesen Mann an, der ihr gemeinsamer Traum war. Scheinbar ohne das Bewußtsein von der Neugierde zu haben, welche er hervorrief, stand er den Flötenspielerinen zuhörend an der Brüstung angelehnt.

Die kleinen Spielmädchen machten nochmals die Runde, um zu sammeln; dann warfen sie ihre leichten Flöten auf den Rücken; die Sängerin faßte sie um den Hals und alle drei wandten sich der Stadt zu.

Als es finstere Nacht war, kehrten die anderen Frauen in kleinen Gruppen nach dem ungeheueren Alexandrien zurück und die Heerde der Männer folgte ihnen nach; doch unterwegs drehten sich alle nach Demetrios zurück. Die letzte, die vorbei kam, warf ihm mit leichter Grazie ihre gelbe Blume zu und lachte dabei. Der Strand lag jetzt in völliger Stille da.

III.
Demetrios

An der Stelle, wo die Spielmädchen gestanden, war Demetrios allein angelehnt geblieben. Er hörte dem Brausen des Meeres zu, dem knarrenden Geräusch der langsam fahrenden Schiffe und dem Winde, der unter den Sternen dahinstrich. Die ganze Stadt war von einer kleinen blendenden Wolke, welche vor dem Monde Halt gemacht, beleuchtet und der Himmel wölbte sich in milder Klarheit.

Der Jüngling schaute neben sich hin. Die Tuniken der Flötenspielerinen hatte zwei Eindrücke in dem Staube zurückgelassen. Er erinnerte sich ihrer Gesichter. Es waren zwei Epheserinen. Die Ältere hatte ihm hübsch geschienen, die Jüngere hingegen war reizlos, und da ihm Häßlichkeit weh that, vermied er es daran zu denken.

Zu seinen Füßen glänzte ein Elfenbeingegenstand. Er hob ihn auf. Es war eine Schreibtafel, woran ein silberner Griffel hing. Das Wachs war fast abgenützt, aber man hatte darauf wohl dasselbe Wort mehrere Male überschrieben und zuletzt sogar in’s Elfenbein eingegraben.

Es standen darauf nur drei Worte geschrieben:

Rhodis liebt Myrtocleia

Und er fragte sich, welcher der beiden Frauen dies gehören mochte und ob die Andere die Geliebte wäre, oder irgend eine junge Unbekannte, welche sie in Ephesus zurückgelassen hatte. Dann dachte er einen Augenblick daran, den beiden Spielerinen nachzueilen, um ihnen den Gegenstand zurückzugeben, der vielleicht ein Andenken an eine geliebte Todte war; aber es wäre für ihn schwierig gewesen sie wiederzufinden, und, da er schon aufhörte sich für sie zu interessiren, drehte er sich nachlässig um und warf das kleine Ding in’s Meer.

Es fiel schnell, wie ein weißer Vogel niedergleitend und er hörte das Plätschern des fernen und schwarzen Wassers. Dieses schwache Geräusch brachte ihm die gewaltige Stille des Hafens deutlicher zum Bewußtsein.

An die kalte Brüstung gelehnt versuchte er jeden Gedanken zu bannen und sich in die Betrachtung der Gegenstände zu vertiefen.

Das Leben war ihm ein Ekel. Er verließ sein Haus nur zur Stunde, wo das Leben aufhörte und er kehrte erst heim, wenn der Anbruch des Tages die Fischer und Gemüsehändler nach der Stadt zog. Das Vergnügen, in der Welt nur den Schatten der Stadt und seine eigene Gestalt zu sehen, wurde bei ihm zu einer solchen Wollust, daß er sich nicht erinnerte seit Monaten die Mittagssonne gesehen zu haben.

Er langweilte sich. Die Königin war ihm überdrüssig.

In dieser Nacht konnte er kaum mehr die Freude und den Stolz begreifen, welche ihn erfüllt hatten, als drei Jahre vorher die Königin, vielleicht mehr durch den Ruf seiner Schönheit als durch den Ruhm seines Genie’s verlockt, ihn nach dem Palaste hatte rufen und am westlichen Thore durch Trompetensignale hatte ankündigen lassen.

Dieser Eintritt in den Palast erleuchtete manchmal sein Gedächtniß mit einer jener Erinnerungen, welche aus lauter Süßigkeit in der Seele nach und nach so bitter werden, daß sie schier unerträglich sind … Die Königin hatte ihn allein in ihren Privatgemächern empfangen, welche aus drei kleinen, wollüstig-verschwiegenen Zimmern bestanden. Sie lag auf der linken Seite dahingestreckt, in grüner Seide wie vergraben, deren Widerschein ihre schwarzen Haarlocken in purpurnem Lichte badete. Ihr junger Körper war mit einem schamlos durchbrochenem Kostüm bekleidet, welches sie unter ihrer Aufsicht durch eine Hetäre aus Phrygien hatte anfertigen lassen. Es ließ jene zweiundzwanzig Stellen des Körpers entblößt, wo die Liebkosungen unwiderstehlich sind, so daß man eine ganze Nacht hindurch die scharfsinnigsten Lüste der Liebe auskosten konnte, ohne dieses Kleid ablegen zu müssen.

Demetrios hatte, respektvoll niederknieend, den kleinen nackten Fuß der Königin Berenike, wie einen kostbaren zarten Gegenstand, in die Hand genommen und geküßt.

Dann hatte sie sich erhoben.

Ganz einfach, wie eine schöne Sklavin, welche als Modell dient, hatte sie Mieder, Bänder und ihre geschlitzten Höschen gelöst, hatte sie sogar die Spangen ihrer Arme und die Ringe ihrer Fußzehen abgelegt, und so war sie aufrecht vor ihm erschienen, die Hände vor den Schultern geöffnet, den Kopf hoch unter einer Korallenhaube, welche die Wangen entlang zitterte.

Sie war die Tochter eines Ptolemäers und einer syrischen Prinzessin, die durch Astarte, welche die Griechen Aphrodite nennen, von allen Göttern abstammte. Demetrios wußte das und auch, daß sie auf ihr olympisches Geschlecht stolz war. Er kam denn auch nicht in Verwirrung, als die Königin, ohne sich zu rühren, ihm sagte: »Ich bin Astarte. Nimm ein Stück Marmor und deinen Meißel und zeige mich den Männern Ägyptens. Ich will, daß man mein Bild anbete.«

Demetrios blickte sie an und, die einfache und neue Sinnlichkeit errathend, welche diesen Jungfrauenkörper belebte, sagte er: »Ich bete es als Erster an,« und damit schloß er sie in seine Arme. Die Königin zürnte nicht ob dieses ungestümen Wesens, aber sie fragte zurücktretend: »Glaubst Du Adonis zu sein, daß Du die Göttin berührst?« Er antwortete »Ja.« Sie schaute ihn an, lächelte ein wenig und schloß mit den Worten: »Du hast Recht.«

Dies war der Grund, weshalb er unerträglich geworden, daß seine besten Freunde sich von ihm lossagten, während er alle Frauenherzen bethörte.

Wenn er einen Saal des Palastes durchschritt, blieben die Sklavinen stehen, die Frauen des Hofes schwiegen still, auch die Fremden hörten ihm zu, denn der Klang seiner Stimme war zum Entzücken. Zog er sich zur Königin zurück, so wurde er, unter immer neuen Vorwänden, selbst da noch belästigt. Wanderte er durch die Straßen, so füllten sich die Falten seines Kleides mit kleinen Papyrusstreifen, wo die vorbeigehenden Frauen ihre Namen mit schmerzhaften Worten niedergeschrieben hatten, die er aber gelangweilt zerknitterte, ohne sie zu lesen. Als im Tempel der Göttin Aphrodite sein Werk aufgestellt worden, wurde der Raum zu jeder Stunde der Nacht von der Menge der Anbeterinen belagert. Sie kamen um seinen Namen auf dem Steine zu lesen und ihrem lebendigen Gotte alle Tauben und alle Rosen darzubieten.

Bald wurde sein Haus von Geschenken überfüllt. Zuerst nahm er dieselben aus Nachlässigkeit an, später wies er sie zurück, als er begriff, was man von ihm erwartete und daß man ihn wie eine Prostituirte behandelte. Selbst seine Sklavinen boten sich dar. Er ließ sie peitschen und verkaufte sie an das Freudenhaus von Rhacotis. Dann aber öffneten seine Sklaven, durch Geschenke bestochen, unbekannten Frauen die Thüre, und er fand sie, wenn er nach Hause kam, vor seinem Bette, in einer Haltung, welche keinen Zweifel über ihre verliebten Absichten übrig ließ. Die kleinen Gegenstände seiner Toilette und sein Tischgeräthe verschwanden nach einander. Mehr als eine Frau der Stadt hatte eine Sandale oder einen Riemen, welche ihm gehört hatten, einen Becher, woraus er getrunken hatte, und selbst die Kerne der Früchte, die er gegessen hatte. Ließ er im Gehen eine Blume fallen, so fand er sie hinter sich nicht wieder. Sie wären im Stande gewesen, selbst den Staub aufzulesen, den er mit seinen Schuhen zertreten hatte.

Diese Verfolgung wurde nachgerade gefährlich und drohte in ihm seine ganze Empfindsamkeit zu tödten. Er war überdies bei jenem Abschnitt seiner Jugend angekommen, wo der denkende Mann es für nöthig hält, sein Leben in zwei Theile zu sondern, und die Sachen des Geistes nicht länger mit den Bedürfnissen der Sinne zu vermengen. Die Statue der Aphrodite-Astarte war für ihn der erhabene Vorwand dieser moralischen Bekehrung. Alles was die Königin an Schönheit besaß, alles Ideale, das man um die weichen Linien ihres Körpers erfinden konnte, hatte Demetrios aus dem Marmor geholt und von diesem Tage an bildete er sich ein, daß kein anderes Weib auf Erden je wieder die Höhe seines Traumes erreichen würde. Seine Statue wurde der Gegenstand seines Verlangens. Sie allein betete er noch an und wahnwitzig trennte er von dem Fleische die erhabene Idee der Göttin, welche nur um so unkörperlicher gewesen wäre, wenn er sie an das Leben gebunden hätte.

Wenn er die Königin selbst wiedersah, fand er sie alldessen bar, was ihren Reiz ausgemacht hatte. Sie genügte ihm noch eine Zeit lang, um sein zielloses Verlangen zu täuschen, aber sie war von der Anderen zu verschieden und zugleich ihr zu sehr ähnlich. Wenn sie nach seinen Umarmungen erschöpft hinsank und an derselben Stelle einschlafend, betrachtete er sie als ob eine Fremde als Eindringling die Gestalt der Geliebten annehmend, sein Bett erschlichen hätte. Ihre Arme waren schlanker, ihre Brust spitziger, ihre Hüfte enger als diejenigen der Wirklichen. Sie hatte in den Weichen nicht jene drei Falten, so fein wie Linien, die er in den Marmor gegraben hatte. Er ward ihrer endlich müde.

Seine Anbeterinen erfuhren es, und obwohl er seine täglichen Besuche fortsetzte, wußte man, daß er aufgehört habe, in Berenike verliebt zu sein. Und man drängte sich mit verdoppelter Zudringlichkeit an ihn heran. Er legte keinen Werth darauf. In der That hatte die Abwechselung, deren er bedurfte, eine ganz andere Bedeutung.

Es ist selten, daß ein Mann zwischen zwei Verhältnissen nicht einen Zwischenraum in seinem Leben habe, wo ihn die grobe Wollust anzieht und befriedigt. Demetrios gab sich derselben hin. Wenn ihm der Zwang in den Palast zu gehen mehr als gewöhnlich lästig war, ging er Nachts zum Garten der heiligen Hetären, welcher von allen Seiten den Tempel umgab.

Die Weiber, welche dort hausten, kannten ihn nicht. Uebrigens waren sie durch so viele überflüssige Liebe derart ermüdet, daß sie nicht schrieen, noch weinten, und so war die Befriedigung, welche er suchte, dort wenigstens nicht durch das Gejammer eines verliebten Kätzchens gestört, das ihn bei der Königin nervös machte.

Das Gespräch, welches er mit diesen ruhigen Weibern führte, war lässig und alltäglich. Die Besuche von heute, das Wetter des nächsten Tages, die Weichheit des Grases und die Milde der Nacht: das waren reizende Unterhaltungsgegenstände. Sie baten ihn nicht seine Theorien über die Bildhauerkunst vorzutragen und gaben über den Achilleus des Scopas keine Meinung ab. Wenn es geschah, daß sie dem Liebhaber, der sie wählte, dankten, oder daß sie ihn wohl gewachsen fanden und es ihm sagten, so hatte er das Recht, nicht an ihre Uneigennützigkeit zu glauben.

Wenn er aus ihren heiligen Armen kam, stieg er die Stufen des Tempels empor und überließ sich vor der Statue seinem Entzücken.

Zwischen den schlanken, von ionischen Voluten gekrönten Säulen erschien die Göttin wie lebendig auf ihrem Postamente von rosarothem Steine, mit Kleinodien beladen. Sie war nackt und geschlechtlich dargestellt, leicht nach den Farben des Weibes gefärbt; in einer Hand hielt sie einen Spiegel, dessen Griff einen Priapus vorstellte; die andere Hand schmückte ihre Schönheit mit einem Halsbande aus sieben Perlenreihen. Eine silberne und längliche Perle, welche größer war als die anderen, glänzte zwischen ihren beiden Brüsten, wie eine Mondsichel zwischen zwei runden Wolken.

Zärtlich betrachtete sie Demetrios und, wie das Volk, wollte er glauben, es seien die wahren heiligen Perlen, aus den Wassertropfen geboren, welche in der Muschelschale Anadyomene’s gerollt.

»Oh göttliche Schwester, sagte er, oh Blühende, Verklärte! Du bist nicht mehr die kleine Asiatin, die ich für Dich als unwürdiges Modell benützte. Du bist ihr unsterbliches Sinnbild, die irdische Seele der Astarte, welche die Erzeugerin ihrer Rasse wurde. Du glänztest in ihren feurigen Augen. Du branntest auf ihren dunkeln Lippen, Du erstarbst in ihren weichen Händen, Du keuchtest in ihren großen Brüsten, Du strecktest Dich in ihren umschlingenden Beinen, ehemals, vor Deiner Geburt; und was die Tochter eines Fischers befriedigte, streckte auch Dich, Göttin, hin, die Du die Mutter der Götter und der Menschen bist, Lust und Leid der Welt. Aber ich habe Dich gesehen, hervorgezaubert, ergriffen, oh wunderbare Cythereia! Ich habe Dich der Erde geoffenbaret. Dein Bild ist es nicht, Du selbst bist es, der ich den Spiegel gegeben habe, die ich mit Perlen bedeckt habe, ganz wie an dem Tage, wo Du aus dem blutigen Himmel und dem schäumenden Lächeln der Wasser geboren wurdest, thauige Morgenröthe, bis zu den Ufern Cyperns von einer Schaar blauer Tritonen bejubelt.«

— — — — —

Er hatte sie eben in dieser Weise angebetet, als er auf den Strand kam, zur Stunde wo sich die Menge verlief, und er hörte den schluchzenden Gesang der Flötenspielerinen. Aber an diesem Abende hatte er die Hetären des Tempels zurückgewiesen; ein umschlungenes Paar, das er flüchtig zwischen den Zweigen gesehen, hatte ihn mit Ekel erfüllt und in der Seele empört.

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