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Die Finanzknappheit der Kriegsherren bot indessen immer wieder Anlass für Konflikte zwischen den Vertragspartnern. «Ein stat Bern», heisst es beispielsweise bei Anshelm für das Jahr 1509, «hiesch im 7 jar versessne pension, 11,000 franken, iren von des grossen, heiligen punds wegen, vom babst Alexander gemacht, ussta(e)ndig bliben.»25 Die Zahlungsrückstände der Kriegsherren waren notorisch, denn Kriege kosten Geld. Diese zugegebenermassen triviale Feststellung gilt für alle Epochen der Geschichte gleichermassen. Der Einsatz von Feuerwaffen oder der massierte Einsatz von Söldnerheeren allerdings führten seit Beginn der frühen Neuzeit zu einer markanten Verteuerung der Kriegsführung. Die Aufbringung der notwendigen Mittel für Sold und Pensionen stellte die häufig klammen Kriegsherren vor grosse Schwierigkeiten. «That individual or detached units went unpaid for long periods of time or that campaigns were always hampered by a lack of funds», so James B.Wood, «should come as no surprise: it was the normal state of affairs for all European armies during the sixteenth century.»26 Liquiditätsengpässe bargen für den Kriegsherrn ein unkalkulierbares Risiko, weil es sich beim Solddienst um ein verdinglichtes Dienstleistungsverhältnis handelte. Ein definitorisches Merkmal des Söldners ist es, dass er seine Dienste seinem Kriegsherrn nicht primär aus Loyalitätsgründen oder feudalen Verpflichtungen zur Verfügung stellte, auch wenn dies durchaus der Fall sein konnte, sondern gegen Geld.27 Konnten nun die geschuldeten Pensionen und Soldgelder nicht in der notwendigen Frist aufgebracht werden, war damit zu rechnen, dass die Söldner ihren Dienst verweigerten, desertierten und im schlimmsten Fall einem finanziell potenteren Kriegsherrn zuliefen. Zudem waren aufgrund der ausbleibenden Zahlungen Plünderungen, Brandschatzungen und Gewaltexzesse gegen die Zivilbevölkerung zu befürchten.28 Es ist davon auszugehen, dass die Kriegsherren die finanziellen Ansprüche ihrer Gläubiger nicht leichtfertig in den Wind schlugen. Der Erfolg der werbenden Mächte auf den eidgenössischen Gewaltmärkten war abhängig von der Finanzkraft und der Zahlungsmoral der Grossmächte. Sobald die vereinbarten Zahlungen einmal ausblieben, «wurden d’Eidgnossen unlidig».29 Im Falle des päpstlichen Zahlungsrückstands von 1511 nach dem misslungenen Chiasserzug mahnten sie dessen Interessenvertreter Matthäus Schiner täglich «um ussta(e)ndige bzalung, namlich pensionen, so(e)ld und botschaftskosten».30 Die Tatsache jedoch, dass die Vertragsparteien nie quitt waren, führte indessen auch, so ist zu vermuten, zu einer engeren Bindung zwischen den Bündnispartnern, da die Aufkündigung einer Soldallianz wegen ausbleibender Zahlungen die Aussicht auf Begleichung der Schulden drastisch gemindert hätte. Mit anderen Worten: Schulden wirkten auch als Kitt zwischen den Bündnispartnern.31

Die Praxis der Orte, Soldverträge und Bündnisse mit verschiedenen Mächten abzuschliessen, war problematisch, weil sie kaum je koordiniert erfolgte. So hielt Art. 10 des französischen Bündnisses 1499 ausdrücklich fest, dass die Orte «verbieten, dass irgend welche unsere Untertanen, welchen Ranges sie auch sein mögen, während der Dauer dieses Bündnisses gegen den König die Waffen ergreifen oder auch jemandem vertragsmässige Hilfe oder Förderung gewähren, die die vorerwähnte kgl. Mt irgendwie bekriegen wollten.»32 Die Eidgenossen versicherten dem König in Artikel 12, dass sie mit Ludovico Sforza und dessen Erben «keinerlei Verbindung Verständnis noch Einung haben, List und Betrug vollkommen ausgeschlossen».33 Dieses Bekenntnis entsprach jedoch nicht ganz der Wahrheit. Am 1. Oktober 1498 hatten Bern, Luzern, Schwyz und Unterwalden mit dem mailändischen Herzog ein Kapitulat abgeschlossen, welches die Bestimmung enthielt, dessen Feinden «favorem consensum et juvamen», das heisst Förderung, Zustimmung und Unterstützung, zu versagen.34 Dieser Widerspruch macht auf ein entscheidendes Element der eidgenössischen Aussenbeziehungen aufmerksam: Die Aussenpolitik lag in der Kompetenz der einzelnen Orte. Problematisch daran war, dass sich die wirtschafts- und machtpolitischen Interessen der Orte gegen aussen häufig widersprachen.

1.1.2 Strukturen

Bei der Eidgenossenschaft handelte es sich um ein Geflecht von souveränen Orten und Bündnisnetzwerken. Insofern gab es nicht eine Eidgenossenschaft, sondern ein ganzes Bündel von rechtlich uneinheitlichen Eidgenossenschaften. Es fehlte ein Machtzentrum, das die unterschiedlichen Interessen der Orte hätte auffangen und bündeln können, um die Aussenbeziehungen in eine gemeinsame Richtung zu lenken.35

Die Forschung unterscheidet für die eidgenössischen Aussenbeziehungen einen inneren und einen äusseren Bereich. Die innere Aussenpolitik regelte das Verhältnis der Orte untereinander, wie dies etwa im Bundesbrief von 1315 der Fall war. Die äussere Aussenpolitik hingegen umfasste die Beziehungen der Orte zu den fremden Mächten wie dem Haus Habsburg, dem Reich, dem Papst oder Frankreich. Der gesamten Aussenpolitik lag dabei das Gesetz einer variablen Geometrie (Georg Kreis) zugrunde. Das heisst, dass nicht alle Orte hinsichtlich der Beziehungen zu fremden Herrschern gleichgestellt waren.36 Im Gegensatz zur uneingeschränkten Bündnisfreiheit Zürichs, Berns und Zugs machten Luzern, Uri, Schwyz und Unterwalden Bündnisse von der gegenseitigen Zustimmung abhängig. Glarus, Freiburg, Solothurn, Basel, Schaffhausen und Appenzell waren ohne Zustimmung der Mehrheit ihrer eidgenössischen Verbündeten überhaupt nicht bündnisfähig.37 Basel verfügte in der inneren Aussenpolitik beispielsweise über ein geringeres Mass an Autonomie, da seine Bundesmitgliedschaft 1501 von der Bedingung abhängig gemacht worden war, äussere Kriege nur mit Zustimmung der Tagsatzungsmehrheit zu beginnen. Zudem zeigt die Verpflichtung Basels zu Neutralität und Vermittlung bei inneren Streitigkeiten, wie komplex dieses Bündnisgeflecht war.38

Die bündischen Strukturen und die komplexen inneren Herrschaftsverhältnisse hatten «dramatische Auswirkungen auf die diplomatische Praxis».39 Die fremden Mächte und ihre Vertreter vor Ort nahmen die eidgenössischen Orte in erster Linie als Patronagemarkt wahr, auf denen die Attraktivität der Angebote, etwa der Umfang der öffentlichen und privaten Pensionen oder die Anstellungsbedingungen für Söldner, die Dauer und Intensität der Bindungen bestimmte.40 Bündnisabsichten, Kriegserfolge oder -misserfolge führten in der Eidgenossenschaft jeweils zu erhöhter diplomatischer Betriebsamkeit. Der Zug der Franzosen nach Genua im April 1507 ist nur eines unter vielen Beispielen, an welchen sich die engen Bezüge zwischen der Politik der Grossmächte und den Umtrieben auf den eidgenössischen Gewaltmärkten veranschaulichen lässt. Die Kampagne Ludwigs XII. in Genua, an der auch eidgenössische Söldner beteiligt waren, veranlasste Maximilian I.umgehend dazu, den Rückhalt Frankreichs in den eidgenössischen Orten zu untergraben. Zu diesem Zweck beauftragte er den Sittener Bischof Matthäus Schiner und den mächtigen Walliser Politiker Jörg auf der Flüe, «weg, mitel und handlung furzenemen», um für die beabsichtigte Wiedereinsetzung der mailändischen Herzöge aus der Familie Sforza die notwendige Unterstützung zu erhalten.41 Die dafür vorgesehenen Pensionen sollten in Konstanz zur Verteilung in Luzern, Uri, Schwyz und Unterwalden hinterlegt werden.42

Wie wichtig die äusseren Aussenbeziehungen für die Orte geworden waren, zeigt sich unter anderem auch an der Tätigkeit der Tagsatzung. Der um 1500 durchschnittlich 20 Mal pro Jahr einberufene eidgenössische Gesandtenkongress – eine Zahl, die nach der Reformation nicht mehr erreicht wurde – behandelte in zahlreichen Traktanden aussenpolitische Geschäfte.43 Die Aussenbeziehungen entwickelten sich seit dem letzten Drittel des 15. Jahrhunderts zum beherrschenden Politikfeld der Sitzungen. Dabei rückten zwischen 1470 und 1520 die Verhandlungen über Handelsprivilegien, Zölle, Rechtshilfegesuche und weitere Angelegenheiten in den Hintergrund, da die fürstlichen oder kaiserlichen Diplomaten primär das Ziel verfolgten, Soldverträge abzuschliessen.44 «Die Schweizer auf unsere Seite ziehen» lautete folglich die Losung, die der habsburgische Kaiser seinem Enkel Karl, dem künftigen König und Kaiser, hinterliess.45 Die Tagsatzung entwickelte sich zu einem wichtigen Markt- und Tummelplatz der internationalen Gewaltmakler. Dem scharfen Urteil Anshelms zufolge waren die Tagsatzungsboten deshalb nichts weiter als «meßherren» und «koufherren», die in «eignen nammen und gwinn» agierten.46 Angebot und Nachfrage auf den eidgenössischen Gewaltmärkten pendelten sich während der Sitzungsperioden oftmals bereits vor oder erst nach den offiziellen Verhandlungen ein – im Wirtshaus beim gemeinsamen Essen und Trinken, im Badehaus oder in anderen öffentlichen Räumen der ständig wechselnden Tagungsorte.47 Die Tagsatzung war ein wichtiger Umschlagplatz für das Geschäft mit der militärischen Gewalt. Das hatte vor allem praktische Gründe: Aus jedem Ort waren meist ein bis zwei Boten, häufig einflussreiche Persönlichkeiten wie Landammänner oder Bürgermeister, an den Sitzungstagen anwesend. Für die auswärtigen Gesandten war dies daher eine ideale Gelegenheit, in kürzester Zeit und ohne lange Wegstrecken in die Orte zurücklegen zu müssen, neue Kontakte zur politisch-militärischen Elite zu knüpfen oder bereits bestehende Beziehungen zu pflegen.

Um einen Bündnisabschluss zu erreichen, reichten die Aktivitäten der Diplomaten an den eidgenössischen Gesandtenkongressen allein jedoch nicht aus, da die Tagherren weisungsgebunden waren und die getroffenen Entscheide des gesamteidgenössischen Gremiums jeweils ad referendum vor die politischen Entscheidungsgremien der Orte gebracht werden mussten.48 Die bündische Struktur und der geringe Monopolisierungsgrad der eidgenössischen Aussenbeziehungen zwangen die Gesandten zum Aufbau persönlicher Netzwerke in den Orten, wobei gegebenenfalls Ratsparteien, Landsgemeinden, Söldnerklientele oder auch die Bevölkerung in die diplomatischen Bemühungen einbezogen werden mussten.49 Wegen der Entscheidungskompetenz der Landsgemeinden in aussenpolitischen Belangen und dem Verfahren der Ämteranfragen in den Städteorten (Bern, Zürich) wurden auch die Untertanen zu wichtigen Adressaten fürstlicher Diplomatie.50 Vor diesem Hintergrund ist es verständlich, dass der weiter oben erwähnte venezianische Gesandte Hieronymus Savorgnano 1509 um Geleit ersuchte, das ihm auch erlauben sollte, in die Orte zu reiten.51 Das diplomatische Handlungsfeld in der Eidgenossenschaft war kompliziert, doch gingen die Mächte mit dieser Herausforderung kreativ um, indem sie etwa ihre diplomatischen Aktivitäten einheimischen Akteuren anvertrauten. So beauftragte beispielsweise Maximilian I. im April 1507, um auf das weiter oben erwähnte Beispiel zurückzukommen, mit Matthäus Schiner, Bischof von Sitten, und Jörg auf der Flüe zwei Walliser, damit «hilf und beistande beschehe, uns selbst, auch unser lieben swagrs und fürsten, herzog Ludwigen von Maylande, süne».52 Die Befugnisse der beiden Agenten waren weitreichend. Schiner und auf der Flüe erhielten von Maximilian die Vollmacht, «daz sy an unser stat gemain Aydgenossen, etlichen orten oder sondern personen aus inen, desgleichen andern communen oder sondern personen derselben, die uns zu berürtem furnemen dienen und nutzlich sein mugen, jerlich provision auf leben lang, auch von den guttern, so uns von bestimbs herzogtumbs ungehorsamen und denen, die den kung von Franckreich bisher angehangen, confiscirt und heimfallen werden, bis in die 300 000 gulden wert und 10 000 gulden par zusagen mugen, wie dann das unser brief, daruber ausgangen, die sy uns jetzo widerumben zu unsern handen uberantwurt, klerlichen ausweisen.»53

Die Bedeutung der Eidgenossenschaft für die französische Diplomatie zeigt sich nicht nur an den enormen Summen, die für die Praktiken der politischen Einflussnahme aufgewendet wurden. Auch die Herkunft, der soziale Status und die Bildung der in die Eidgenossenschaft gesandten Diplomaten verweist auf den hohen Stellenwert, welcher die französische Krone der Eidgenossenschaft um 1500 beimass. Die Diplomaten entstammten dem hohen Klerus, dem Hochadel oder waren universitär gebildete Persönlichkeiten des Adels und des Bürgertums.54 1512/13 waren es französische Feldherrn, Fürsten, Gouverneure, Bischöfe oder Parlamentspräsidenten, die zu Verhandlungen in die Eidgenossenschaft reisten. Die Eidgenossen hingegen unterhielten weder permanente Gesandtschaften im Ausland noch gehörte die Entsendung eigener Gesandten zum eingeübten diplomatischen Repertoire.55 Nach der Eroberung der Lombardei 1512 sah sich Papst Julius II. beispielsweise gezwungen, der eidgenössischen Gesandtschaftsdelegation seinen Gardehauptmann, Kaspar von Silenen, nach Florenz entgegen zu schicken, «dass er iedem ein sidin rok da schankte, damit, so si schlecht nach irs lands siten bekleidt ka(e)mid, dass si nit vom sidinen Ro(e)mschen hofgsind, zu(o) ba(e)bstlicher heilikeit ho(e)he verachtung, verspotet wurdid.»56 Um Missverständnissen in der diplomatischen Korrespondenz vorzubeugen, legten die auswärtigen Gesandten für ihre Missionen an die Tagsatzung ihren lateinischen Kredenzschreiben häufig deutsche Übersetzungen bei.57

Ein Blick auf die Bündnispolitik der eidgenössischen Orte mit drei wichtigen Akteuren im Konflikt um Mailand zwischen 1494 und 1521 macht das Problem der geringen Monopolisierung der Aussenbeziehungen sichtbar.


Tabelle 3: Uneinheitliches Bündnisverhalten der eidgenössischen Orte mit dem Heiligen Römischen Reich, Mailand und Frankreich im Zeitraum 1495–152158

Die divergierenden Interessen der Orte im Bezug auf die Italienpolitik hielt auch nach dem Ausbruch der mailändischen Feldzüge an: Wir «hend ghein kes, ziger, anken in Meiland ze ferkofen», bemerkte der Solothurner Schultheiss Niklaus Conrad noch im April 1500 trocken zu der von den Urkantonen geforderten Besetzung von Bellinzona und Lugano.59 Es lässt sich diesbezüglich eine westlich orientierte und eine südlich orientierte Gruppe von Orten ausmachen, deren macht- und handelspolitische Interessen erheblich miteinander kollidierten. Gegen Frankreich agitierte vor allem Bern, weil die Stadt nur gegen den Willen des französischen Königs ihre Interessen in Savoyen durchsetzen konnte. Die französische Partei stand hingegen unter der Führung Luzerns und Uris, deren Interessen in Richtung Süden, auf die ennetbirgischen Täler, fokussierten. Beide Parteien umwarben in der Folge mit Unterstützung mailändischer oder französischer Diplomaten die unentschlossenen Orte. Laut Bernhard Stettler kann deshalb gegen Ende des 15. Jahrhunderts von einer eidgenössischen Politik «nicht mehr die Rede sein».60

Die Folgen dieser Problematik lassen sich an einem Beispiel illustrieren: Während Bern am 1. März 1496 als einziger Ort das sechste Kapitulat mit Mailand abgeschlossen hatte – Wilhelm von Diesbachs Privatpensionen wurden umgehend auf 300 fl. verdreifacht61 –, verpflichteten sich die Schwyzer und Obwaldner in einem Pensionenabkommen, kein Bündnis mit Frankreich abzuschliessen und dem Land keine Krieger zu liefern. Die Aussicht auf 5000 Franken Pensionen war in Schwyz und Obwalden ein starkes Argument, um für Mailand Partei zu ergreifen.62 Mit dem mailändischen Bündnis von 1498 wurde diese bisher unverbindliche Annäherung formell in einem Vertrag festgehalten. Ungeachtet dessen gelang es Karl VIII. 1495/96, mit Zürich, Luzern, Uri, Nidwalden, Zug, Glarus, Freiburg und Solothurn einen Soldvertrag nach dem Muster der Vorlage von 1474 abzuschliessen – allerdings ohne die kaisertreuen Berner, Schwyzer und Obwaldner.63 Am 16. August 1496 beklagte sich Maximilian beim Abt von Pfäffers über das französische Bündnis, das laut dem König ausgerechnet in dem Moment geschlossen wurde, als «vns die erberkeit in den Eidgnossen hat zu(o)fallen wellen».64 Zerknirscht fügte der König an, es sei nun so, dass «beid kung vnser gelt vnder vnd by in [den Eidgenossen, PR] haben vnd vnser jeder sÿ ersu(o)cht iren anzug zetu(o)n».65 Zu allem Übel sei der französische König bereits mit «vil tusend mannen» nach Italien unterwegs mit der Absicht, «wider vns dar in zu(o)ziechen».66 Die gleichzeitige Verbindung der Orte mit rivalisierenden Mächten war politischer Alltag in der alten Eidgenossenschaft. Diese Zersplitterung begrenzte die aussenpolitischen Optionen der Eidgenossenschaft als «politisches Quasisystem», dessen «evolutiver Vorgang noch offen angelegt war», 67 und erschwerte es, die Söldnerströme zu kanalisieren.

Es gab also nicht einen eidgenössischen Gewaltmarkt, sondern so viele Gewaltmärkte wie es Orte gab. 1496 bewilligten Bern und Uri beispielsweise Maximilian I. ein Kontingent von 4000 Mann.68 Der Kampf der Grossmächte fand damit, fasst Stettler die Situation zusammen, «seine Entsprechung in jedem einzelnen Ort mit Auseinandersetzungen, in denen Pensionen bei den Führenden und Soldgelder beim Kriegsvolk mit den Ausschlag für die Parteinahme gaben.»69 Die eidgenössischen Gewaltmärkte waren von ganz unterschiedlicher Qualität. Mit 80 000 Einwohnern zu Beginn der Mailänderkriege war die bernische Bevölkerung beispielsweise zwei- oder gar dreimal so gross wie in Luzern oder Zürich. Bern verfügte deshalb über den weitaus attraktivsten Söldnermarkt in der Eidgenossenschaft. Das vorhandene Reservoir an potenziell mietbaren Kriegern übertraf die Kapazität der anderen Orte deutlich. So stellte der bernische Stadtstaat bei offiziellen Auszügen gewöhnlich einen Sechstel der eidgenössischen Truppen und war notfalls in der Lage, 10 000 Krieger zu mobilisieren. Dagegen war in Solothurn das maximale Kontingent an regulären Truppen mit 1500 Mann erreicht.70

Ausserdem ist zu bedenken, dass für die Mächte auch die Möglichkeit bestand, sich ohne vertragliche Einwilligung der Obrigkeiten am örtlichen Gewaltpool zu bedienen und heimlich Krieger zu rekrutieren. Ein solcher Fall ist mit dem unerlaubten Auszug von Hauptmann Hans Rudolf Hetzel im Zusammenhang mit dem Könizer Aufstand dargestellt worden. Die Söldnerdienste, so lässt sich bilanzieren, gründeten weniger auf der Bündnisarchitektur als auf den politischen und finanziellen Interessen aller am Krieg interessierten Orte, Institutionen, Gruppen und Einzelakteure, von deren Machtposition in den Orten der Einfluss der fremden Diplomatie abhängig war.71 So kam etwa der Soldvertrag von 1474 mit Ludwig XI. lediglich einmal (1480) zur Anwendung, da sich Frankreich mit den Freiwilligen begnügte, die dem König unter stillschweigender Genehmigung durch die eidgenössischen Obrigkeiten, oder auch gegen deren Willen, zuströmten.72 Den freien Reislauf versuchte man zu kontrollieren, indem man etwa 1484 im Vertrag mit Karl. VIII. festlegte, «dass der allerchristlichste König der Franzosen während diesem Bündnis und freundschaftlichen Verständnis niemand von den Leuten oder Mannen der vorgenannten Herren Eidgenossen zum Dienst in Kriegen und Schlachten seiner kgl. Majestät annehmen noch verleiten noch durch andere verleiten lassen soll gegen den Willen derselben Herren Eidgenossen, ohne List und Betrug wie oben.»73 Mit solchen Klauseln war dem Problem indessen nicht beizukommen. Dies zeigt ein Schreiben Karls VIII. vom August 1494: «Allerlibsten»!, wandte sich der König an seine Bündnispartner, «dass wir üwer brieff empfangen, in denen ir ettlicher mäß erklagent, das wir wider die pundt und vereinung, zwüschen lobl. gedächtnuß unserm vatter und nach sinem abgang zwüschn uns und üch ingegangen ettwas kriegbarer mannen zu erfüllung unsers zugs durch ettlich unser houptlüt, als ir meldent, ân üwern gunst, uß üwern landen gefürt haben söllen.»74 Karl wurde also vorgeworfen, er habe für seinen Zug nach Neapel illegal eidgenössiche Reisläufer rekrutiert. Der König verneinte die Indienstnahme keineswegs, er verweist aber darauf, dass ihm die eidgenössischen Söldner ihre Dienste aus eigenen Stücken angeboten hätten: «Daruff hat sich verfügt, das in kurzen zitt uß vil landen kriegbar mannen […] zu uns kommen sind, die wir umb notturft willen des kriegs und irem guten willen gegen uns angenommen, und die, so wir in söllichem gescheft zu houptlüten gemacht, haben es früntlichen angenommen, under denen ettlich der üwern, uns dienstlich ze sind, sich villicht erbotten haben.»75 Von einem Bündnisverstoss könne aus Sicht des Königs deshalb keine Rede sein: «Wir meinen ouch nit, das wir wider die pundt gret haben, ob wir die gutwilligen und die, so sich ân einich unserm erfordern uns in so großer krieglicher uffruf zu dienen erbieten, angenommen haben». Zwischen 1499 und 1528 lassen sich zehn verbotene freie Auszüge ausmachen.76 Die Texte der Soldallianzen kaschieren die realen Machtverhältnisse und lenken mithin davon ab, wie wichtig die persönlichen Beziehungen des Königs mit lokalen Politikern und Militärunternehmern für das Soldgeschäft war.

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