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Trauer und Tod

Jedem Wesen auf diesem Planeten ist zu eigen, dass es sich grundsätzlich an sein Leben klammert. Dieser Lebenswille ist Basis für die Selbstbehauptung unter den zahllosen Konkurrenten der eigenen Art und auch fremden Arten. Wem dieser Wille fehlt oder abhandenkommt, geht im Getümmel der Konkurrenz unter und kann sich nicht mehr vermehren; umgekehrt ist derjenige besonders erfolgreich, der einen starken Drang hat, im Karussell der Evolution mitzuspielen.

Die heftigste Äußerung des Unterbewusstseins bei einer Bedrohung des Lebens ist die Todesangst. Kennt, wer Todesangst empfinden kann, zwangsläufig auch den Tod? Oder ist der Begriff irreführend und meint nur die Furcht vor dem Sterben? Was wie Wortklauberei aussieht, bedeutet einen gewaltigen Unterschied. Sterben ist Bestandteil des Lebens, allerdings ein besonders unangenehmer, der meist mit Hilflosigkeit, oft auch mit heftigen Schmerzen einhergeht. Den Eintritt einer solchen unumkehrbaren Situation mit allen Mitteln zu verhindern, ist primäre Aufgabe der Instinkte. Dass es ein Sterben gibt, weiß instinktiv jedes Wesen, welches zur Angst fähig ist. Denn in Augenblicken höchster Bedrohung (und nur dann) werden speziell für diesen Fall Leistungsreserven freigesetzt. Warum nur im Krisenfall? Die Überwindung der Mobilisationsschwelle, also der normalerweise höchstmöglichen Leistung, birgt durch die Überbeanspruchung viele Gesundheitsrisiken.

Im Falle einer tödlichen Bedrohung spielt das keine Rolle mehr, und so können etwa Menschen ihr Leistungspotenzial um beachtliche 30 Prozent steigern. (Nebenbei bemerkt, geht es um genau diese 30 Prozent beim Doping durch Sportler, die mit Medikamenten körpereigene Schranken durchbrechen.) In Todesgefahr werden also die letzten Reserven mobilisiert. Und das passende Wort des Unterbewusstseins lautet: Todesangst.

Der Tod hingegen ist ein Zustand des Körpers, in dem sämtliche Funktionen erloschen sind. Mit diesem Stadium scheidet ein Individuum aus dem evolutionären Wettbewerb aus, stellt keine Konkurrenz mehr dar und ist allenfalls als verwertbare Biomasse für spezialisierte Arten von Interesse. Für diesen Zustand, in dem das einzelne Wesen nicht mehr existiert, braucht es auch kein instinktives Erfassen. Wiewohl das Sterben eine wichtige Bedeutung hat, gilt dies nicht für den eigenen Tod. Auch das bewusste Auseinandersetzen mit den harten Fakten, welches einen entsprechenden Verstand voraussetzt, ist von der Natur scheinbar nicht gewollt. Der Verbrauch der dafür notwendigen Energie (oder die dadurch einsetzende psychische Lähmung) würde das Individuum im Überlebenskampf nur schwächen.

Wie das Gehirn Derartiges verhindert, wurde vor Kurzem beim grüblerischsten Wesen des Planeten entdeckt. Nathan DeWall und Roy F. Baumeister, zwei US-amerikanische Forscher, untersuchten an Studenten, warum wir nicht ständig Angst vor dem Tod haben. Dazu forderten sie die eine Gruppe auf, sich mit dem Tod auseinanderzusetzen. Die andere Gruppe sollte an Zahnschmerzen denken. Anschließend legten sie allen Probanden Wortfragmente vor, die diese ergänzen mussten. Während die erste Gruppe daraus positive Begriffe formte, waren es in der zweiten Gruppe überwiegend negative. Das Ergebnis: Offensichtlich gleicht das Gehirn negative Gedanken an den Tod durch positive Gedanken aus, sodass sich das Wohlbefinden durch derartiges Trübsalblasen nicht verschlechtert. Gedanken an Zahnschmerzen, die zeitweise durchaus sinnvoll sind, werden dagegen nicht korrigiert.

Das gilt allerdings nur in Bezug auf das eigene Ableben. Der Tod naher Angehöriger ist eine ganz andere Sache. Gerade für in sozialen Verbänden lebende Arten spielt der Verlust eines Mitglieds sehr wohl eine Rolle für den eigenen Lebensweg. Wenn Mutter, Vater oder gar beide Elternteile sterben, so ist dies für ein Kind katastrophal. Immerhin wird es in unserer Gesellschaft aufgefangen, kann bei Verwandten oder im Heim aufwachsen, auch wenn es traumatisiert bleibt. Für andere Arten gibt es solche Ersatzlösungen nur in seltenen Ausnahmefällen. So kann der Verlust der Eltern für ein Jungtier den Tod bedeuten. Umgekehrt stürzt es ein Muttertier in ein emotionales Chaos, wenn das Kind stirbt. Hirschkühe, die ein Rudel anführen, verlieren die Leitfunktion nach dem Verlust ihres Kalbes. Warum, ist noch nicht geklärt, aber naheliegend: Die anderen Herdenmitglieder registrieren, dass ihre Chefin trauert, und das behagt ihnen gar nicht. Schnell übernimmt eine andere Hirschkuh mit ihrem Kalb den wichtigen Posten. Oder würden Sie sich von einer Dame leiten lassen, die völlig durch den Wind ist?

Muttertiere, die ihren Nachwuchs verlieren, müssen verstehen können, dass das Kleine tot ist. Ansonsten wäre eine Trennung nicht machbar, gefährdeten sich die Eltern beim Verharren neben dem Leichnam selbst. Zum einen wäre ein Weiterwandern mit der Sippe nicht möglich, zum anderen werden durch den Kadaver Raubtiere angelockt. Dieses Verständnis braucht einige Tage, um zu reifen. Erst dann trennt sich das Muttertier vom kleinen Leichnam und nimmt sein gewohntes Leben wieder auf.

Es gibt noch weitere Gründe, die das Registrieren des Tods absolut notwendig machen. Stirbt ein Vertreter der eigenen Art in der Nähe, so besteht möglicherweise Lebensgefahr für den Rest der Sippe. Ob Seuche oder Raubtier, jetzt ist höchste Aufmerksamkeit gefragt, sonst wird man selbst zum Opfer. Hinweise, dass Tiere den Tod von Artgenossen mit Schrecken wahrnehmen, gibt es schon lange. Bis heute wird ein alter (und hässlicher) Brauch ausgeübt: Dazu werden Saatkrähen geschossen und an Stangen im Feld aufgehängt. So möchten manche Bauern Fraßschäden abwehren. Und tatsächlich wirkt dieses barbarische Mittel zumindest eine Zeit lang.


Etwas weniger dramatisch kamen Forscher der Universität von Kalifornien zu ähnlichen Schlüssen, die Folgendes beschreiben: Die mit unseren heimischen Krähen verwandten Westlichen Buschhäher versammeln sich nach dem Tod eines Artgenossen. Für ein bis zwei Tage sitzen sie um den Leichnam herum und stoßen charakteristische Rufe aus. Es sieht also ganz so aus, als hätten viele Tiere eine Vorstellung vom Ende des Lebens, in der Form des Sterbens für sich selbst und als Tod für Angehörige.

Mit dem Tod untrennbar verbunden ist für Menschen die Trauer. Niedergeschlagenheit, Desorientierung und oft eine veränderte Lebensführung kennzeichnen die Folgen dieser Emotion. Im Blut sind entsprechende Stresshormone nachweisbar. Trauer ist die instinktive Antwort auf den Tod. Und dieser Instinkt ist auch bei vielen Tieren vorhanden. Vielfach werden Haustiere (vor allem Hunde) beschrieben, die nach dem Tode von Frauchen oder Herrchen die Nahrungsaufnahme verweigern. Graugänse, die in einer lebenslangen Ehe mit ihrem Partner leben, bleiben nach dessen Tod oft allein und zeigen Symptome einer Depression. Konrad Lorenz, der berühmte Verhaltensforscher, konnte nachweisen, dass die Phase des Alleinbleibens umso länger dauert, je länger das Paar »verheiratet« war. Bei sehr alten Ehen sucht sich die verwitwete Gans für den Rest ihres Lebens keinen neuen Partner mehr, ein Phänomen, welches auch beim Kolkraben zu finden ist.

Empathie im Tierreich

Jemand anderes nicht nur vom Äußeren her, sondern ganzheitlich, also mit all seinen Gefühlen verstehen zu können – diese Fähigkeit bezeichnet man als Empathie.

Ein typisches Beispiel aus diesem Bereich ist das Mitgefühl oder im Falle eines negativen Ereignisses das Mitleid. Der griechische Philosoph Aristoteles definierte schon vor 2300 Jahren Mitleid als »ein gewisses Schmerzgefühl über ein in die Augen fallendes, vernichtendes und Schmerz bringendes Übel, das jemanden trifft, der nicht verdient, es zu erleiden«. Wissenschaftler der Universität London fanden heraus, dass bei der mitleidenden Person die gleichen Gehirnregionen angeregt werden, welche beim malträtierten Probanden aktiv sind. So wurde bei Paaren zunächst einem Partner an einer Hand Schmerz zugefügt und dabei die Gehirnströme gemessen. Danach sah diese Person zu, wie die gleiche Hand des anderen Partners ebenfalls schmerzvoll gereizt wurde. Und siehe da: In beiden Fällen wurde das Schmerzzentrum aktiv, sodass der zusehende Partner die Situation gedanklich ebenfalls durchlitt. Die Aktivität des Schmerzzentrums war dabei umso stärker, je mehr Mitleid der Proband empfand. Die genauen Abläufe dieser instinktgesteuerten Fähigkeit sind noch unbekannt; klar ist jedoch, dass allein die Beobachtung eines anderen diese Mitleidsprozesse in Gang setzt und die entsprechenden Bilder und Gefühle im Gehirn erzeugt. Je näher uns eine betreffende Person steht, desto stärker kann das Mitleid ausfallen. Dies legt eine weitere Vermutung nahe: Empathie kann es nur bei Wesen geben, die in sozialen Strukturen leben. Gilt das nur für den Menschen? Oder gibt es Mitgefühl auch bei anderen Arten oder sogar zwischen diesen?

Innerartliche Empathie ist nichts typisch Menschliches. Von vielen Säugetieren ist bekannt, dass sie sich von Emotionen anderer berühren lassen. Auch Mitgefühl und der Wunsch, dem anderen zu helfen, sind keine Seltenheit. Wissenschaftler der Universität Chicago untersuchten hierzu Ratten. Diese befreiten eingesperrte Artgenossen aus Käfigen, obwohl sie eigentlich zeitgleich angebotene Schokolade fressen konnten. Stattdessen kümmerten sie sich erst um die Häftlinge und teilten anschließend sogar ihre Belohnung mit den Freigelassenen.

Angesichts neuerer Erkenntnisse bei Bäumen klingt das vergleichsweise trivial. Buchen etwa unterstützen Nachbarn mit Zuckerlösung, wenn es diesen schlecht geht. Dazu tauschen sie über Wurzel- und Pilzgeflechte, mit denen sie untereinander Netzwerke bilden, Botschaften und anschließend Flüssigkeiten aus. Woher wissen sie, dass es einem Artgenossen schlecht geht? Hier steht die Wissenschaft noch ganz am Anfang, Tatsache ist jedoch, dass die Bäume die Not ihrer Kumpel registrieren und daraufhin helfend eingreifen. Und wenn Buchen oder Eichen so etwas können, dann ist es bei sozial organisierten Tieren fast eine Selbstverständlichkeit. Allein schon die Mutter-Kind-Beziehung funktioniert nur, wenn Mama die Bedürfnisse ihres Nachwuchses nachvollziehen kann. So stellten britische Forscher fest, dass Glucken mit Herzrasen auf Stress bei ihren Küken reagieren. Ähnliches ist bei den meisten Vögeln und Säugetieren zu vermuten. Wie aber sieht es mit der Empathie zwischen verschiedenen Arten aus? Ist hier endgültig eine Konstellation gefunden, in der wir einsame Spitze sind?

Tasten wir uns behutsam an die Antwort heran und untersuchen verschiedene Variationen. Die erste, relativ einfach nachzuvollziehende ist die zwischen Mensch und geliebtem Haustier. Allein in Deutschland existieren viele Millionen derartige Beziehungen. Hunde und Katzen haben bei den meisten Besitzern den Status eines Familienmitglieds, in manchen Fällen stehen sie sogar anstelle eines Kindes. Dass sich Herrchen und Frauchen problemlos in die Gefühlswelt ihrer Lieblinge hineinversetzen können, steht zumindest vonseiten des Menschen fest. Egal, ob dies tatsächlich oder nur eingebildet so ist: Es wird kräftig mitgefühlt. Und umgekehrt?

Es gibt deutliche Hinweise, dass die Vierbeiner sogar unsere Gedanken lesen können. Forscher des Max-Planck-Instituts in Leipzig fanden heraus, dass Hunde Gesten des Menschen verstehen. Diese Fähigkeit ist angeboren, muss also nicht erst erlernt werden. Zur Untersuchung wurden zwei geruchsabschirmende, umgedrehte Becher aufgestellt, einer mit Futter darunter, einer ohne. Mit der Hand deuteten die Versuchspersonen in die Richtung, in der die Belohnung gesucht werden sollte. In den meisten Fällen machten sich die Hunde am richtigen Becher zu schaffen. Lag das Futter offen herum und lautete der Befehl »Aus!«, so blieben sie brav liegen – bis sich die Person umdrehte, sodass der Hund sich unbeobachtet wähnte und rasch fraß. Wie sehr sich Hunde in uns hineinversetzen können, wurde bei einem weiteren Versuch der Leipziger Forscher noch deutlicher. Dazu wurden den Hunden zwei Spielzeuge vorgelegt. Das eine konnte der Versuchsleiter sehen, das andere war aus seiner Perspektive hinter einem Schirm verdeckt, während die Hunde gute Sicht auf beide hatten. Auf das Kommando »Bring’s mir her« brachten die Vierbeiner stets dasjenige, welches der Leiter sah. Das andere konnte er ja nicht gemeint haben – so dachten offensichtlich die Hunde und zeigten damit, wie sehr sie aus der Sicht des Menschen entschieden. Aus der Beobachtung unseres Äußeren können diese Haustiere also auf unsere Absichten und Möglichkeiten schließen, und das übrigens besser als etwa Schimpansen. Allzu viele Beispiele von Mitgefühl zwischen verschiedenen Arten gibt es allerdings (noch) nicht.

Genau wie bei unserer Spezies endet auch beim Tier die Empathie dort, wo das andere Wesen zu verschieden vom eigenen wird. Von einem besonders abstoßenden Beispiel berichtete mir eine Tierschützerin. Abstoßend war hierbei allerdings eher die Rolle des Menschen. Auf der Insel Sylt wurde zu einer Treibjagd geblasen. Im Mittelpunkt des Interesses der Jäger waren Hasen, die sich im sandigen Gras der Dünen tummelten. Die Waidmänner standen aufgereiht mit ihren schussbereiten Flinten, während ihre Hunde die Wildtiere aufscheuchten. Ein Schuss, und schon überschlug sich ein Hase. Doch er kam wieder auf die Beine, humpelte davon und versuchte sich zu retten. Da eilte ein großer Hund herbei und biss in den armen Kerl – allerdings ließ er ihn gleich wieder los. Wieder und wieder begann dieses erbarmenswerte Schauspiel, bei dem der Hund seinem Spieltrieb folgte und den Hasen nicht tötete, bis dieser schließlich doch sein Leben aushauchte. Abstoßend an der Sache war, dass kein Jäger eingriff, den Hund zu sich holte und den Hasen mit einem Gnadenschuss erlöste. Aber zurück zum Hund. Sofern wir ihm keine Bösartigkeit unterstellen möchten, bleibt nur noch die mangelnde Empathie. Und das wäre bei Tieren auch völlig normal. Genauso wenig, wie wir mit Fliegen oder Kellerasseln fühlen, Wesen, die sehr verschieden von uns sind, genauso wenig kann ein Hund sich in einen Hasen hineinversetzen. Derartige Vorstellungsgrenzen mag es bei allen Tierarten geben.

Umso erstaunlicher ist die Beobachtung, die ein amerikanisches Rentnerehepaar machte. Ann und Wally Collito saßen auf ihrer Veranda, als eine junge, streunende Katze durch den Garten schlich. Klein, hilflos – sofort regte sich Mitleid bei den Collitos. Doch nicht nur bei ihnen. Denn plötzlich tauchte eine Krähe auf, die sich zum Kätzchen gesellte. Würde es einen Kampf geben? Nein, offensichtlich begleitete der schwarze Vogel das kleine Raubtier, und nicht nur das. Er suchte im Gras nach Würmern und fing an, das Waisenkind zu füttern. Die Freundschaft sollte über Jahre halten, und selbstverständlich adoptierten auch Ann und Wally die Katze. Die erste Kontaktszene wurde von dem Ehepaar übrigens filmisch festgehalten und kann bei YouTube unter Eingabe der beiden Tiernamen »Cassie und Moses« aufgerufen werden.

Mitgefühl? Oder handelte die Krähe instinktiv, da sie keinen Partner und keine Jungen hatte und das Kätzchen mütterliche Gefühle auslöste? Selbst wenn es so wäre, so gleicht die Qualität dieser Empathie derjenigen, die zwischen Mensch und Hund herrscht. Auch bei dieser Beziehung hat der Vierbeiner häufig den Status eines Familienmitgliedes und ersetzt nicht selten das fehlende Kind.

Nicht weit entfernt von der Empathie ist der Altruismus. Der Begriff umfasst Handlungsweisen, die dem Handelnden mehr Kosten als Nutzen einbringen, klassischerweise also als uneigennützig gelten. Was zunächst nach moralischer Höchstleistung klingt, kann im Tierreich rein instinktgesteuert und unbewusst ablaufen. Denken Sie an Ammenbienen, die selbst kinderlos sind, sich aber um die Brutpflege kümmern, oder ein Ameisenvolk, dessen Soldaten sich heldenhaft überlegenen Angreifern in den Weg stellen, um das Volk und vor allem die Königin zu retten. Alles kleine Altruisten, die sich für Volk und Vaterland auffressen lassen?


Auf Menschen bezogen, wird der Begriff mit moralischen Werten verbunden. Ein Altruist handelt aus Überzeugung, um etwa der Gerechtigkeit zur Geltung zu verhelfen. Daneben wird altruistisches Handeln durch sozialen Druck, etwa Gesetze oder berufliche Zwänge, hervorgerufen. Welcher Soldat steht schon in Afghanistan, um sich oder seine Familie zu verteidigen?

Eine andere typische Form ist die Adoption von Waisenkindern. Die aufnehmenden Eltern haben Kosten und Mühen für die, rein biologisch gesehen, Rettung fremden Erbguts. Natürlich gibt ein solches Kind den Eltern viel zurück, unter evolutionären Gesichtspunkten endet der Weg der Stiefeltern jedoch in einer Sackgasse.

Diese moralische Form des Altruismus wurde Tieren bisher abgesprochen. Beobachtet wurden Adoptionen von Tierwaisen bislang nur innerhalb bestehender Verwandtschaftsbeziehungen. Die Sorge um Individuen, die nicht zur eigenen Familie gehören, galt als eine der letzten Domänen des Menschen. Bis Leipziger Forscher um Christophe Boesch vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie aufsehenerregende Ergebnisse aus dem Tai-Nationalpark der Elfenbeinküste mitbrachten. Die dort lebenden Schimpansen adoptierten in 18 beobachteten Fällen familienfremde Waisen. Mehrere Jahre lang sorgten sie für Nahrung und Schutz vor Raubtieren, ganz wie für den leiblichen Nachwuchs. Schnell waren Erklärungen zur Hand: Die lokal hohe Leopardenpopulation stelle ein hohes Bedrohungspotenzial dar. Dieses schweiße die Affenkolonien fester zusammen und führe möglicherweise deshalb zu den altruistischen Handlungen. Aber lassen sich in letzter Konsequenz nicht auch für menschliches Handeln derartige Gründe finden? Nebenbei bewiesen die frei lebenden Schimpansen einmal mehr, dass Zootiere ungeeignete Forschungsobjekte sind. Denn den gefangenen Artgenossen kommt die neu entdeckte Eigenschaft offenbar abhanden, weil sie von Wärtern versorgt werden und daher eine gegenseitige Sorge überflüssig ist.

Freude und Glück

Gefühle müssen die Menschen ihren tierischen Erdgenossen wohl oder übel zugestehen. Immerhin. Und zwar nicht nur im Sinne der Sensibilität, sondern auch in Form von Emotionen. Sollen Vierbeiner etwa in derselben Klasse spielen wie wir? Angst als notwendige Reaktion auf eine Bedrohung, Empathie und Mitgefühl für andere, in Ordnung, aber sollten Tiere tatsächlich auch Glück empfinden? Dieses Glück, das uns Menschen als einer der erstrebenswertesten Zustände gilt? Welches in Geburtstagsliedern besungen wird, bei freudigen Anlässen von den Gratulanten gewünscht wird und sogar in der Nationalhymne auftaucht?

Meine Familie reist oft und gern. Höhepunkt des Jahres ist der Sommerurlaub, der häufig im hohen Norden verbracht wird. Für ein früheres Familienmitglied galt dies jedoch nicht: unsere Hündin Maxi. Weder auf der großen Skandinavienfähre noch in den Zügen wäre sie gern gesehen gewesen, zudem ging es ihr zuhause nicht schlecht. Meine Eltern, tierlieb und naturverbunden, versorgten Haus, Hof und natürlich Maxi. Tägliche Wanderungen, Leckerlis alle paar Minuten, keine Frage, Maxi liebte meine Eltern. War der Urlaub zu Ende, so holte uns mein Vater vom nahegelegenen Bahnhof ab und fuhr uns zurück zum Forsthaus. Dort wartete meine Mutter schon im Garten auf uns Rückkehrer, und noch vor ihrer Begrüßung stürmte uns Maxi entgegen. Sie jaulte, warf sich auf den Rücken und pinkelte vor lauter Aufregung. Für uns keine Frage: Maxi war glücklich, uns wiederzusehen.

Glück ist schwer zu fassen. Psychologen beschreiben es mit einer extrem positiven Emotion und einem Zustand tiefster Zufriedenheit. Sie möchten es genauer wissen? Aber selbst in einigen Standardwerken der Psychologie des 20. Jahrhunderts werden Sie vergeblich auch nur nach diesem Wort suchen. Immerhin sind etliche Prozesse bekannt, die dieses Gefühl begleiten. So schüttet das Gehirn bestimmte Botenstoffe, wie etwa Dopamin, aus. Das Selbstwertgefühl wird gesteigert, die soziale Aufgeschlossenheit erhöht. Heraus kommt ein Moment des absoluten Wohl-befindens, der leider schnell wieder verpufft. Dennoch ist das Gefühl so angenehm, dass jeder Mensch es so oft wie möglich erleben möchte. Und ausgerechnet dieser starke Ausdruck aus der Sprache des Unterbewusstseins soll im Vokabular der Tiere fehlen?

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Возрастное ограничение:
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Дата выхода на Литрес:
25 мая 2021
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234 стр. 57 иллюстраций
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9783895668012
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