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Also fing ich an zu lesen. Immer wenn es ein Wort gab, das ich nicht aussprechen konnte, erfand ich einfach einen Laut dafür. Kein Mensch stieg mir aufs Dach, wenn ich das englische Wort „yacht“ (gesprochen jaat oder auch joot, Anm. d. Ü.) anders aussprach als mit langem O. Am nächsten kam ich der eigentlichen Aussprache noch, wenn ich dem Wort „act“ (engl. u. a. Theater spielen) einen Y-Laut voranstellte, sodass ein „Jäkt“ herauskam. Die Logik, nach der bestimmte Laute miteinander verbunden werden, erschließt sich mir bis heute nicht. Ich fand, wenn die Anordnung von Buchstaben in Worten willkürlich sein konnte, dann konnte auch der Laut in meinem Kopf willkürlich sein. Immer wenn ein langer Satz mit mehreren Nebensätzen auftauchte, zerlegte ich ihn einfach in Einzelteile, wie ich dies bei einer Tanznummer auch tun würde. Und statt mich in Mehrfachbedeutungen von Wörtern zu verlieren, entschied ich mich für eine einzige und versuchte, die anderen zu ignorieren, solange meine Interpretation nicht offenkundig danebenlag. All dies nahm sehr viel Zeit in Anspruch.

Viele Jahre später, als ich bereits als Tanzpsychologe arbeitete, machte ich ein Experiment, um herauszufinden, wie Nichttänzer den Contemporary Dance verarbeiten. Dabei fiel mir auf, dass zwischen ihren Schwierigkeiten, in dem Tanz irgendwie einen Sinn zu erkennen, und meinen Schwierigkeiten, Wortfolgen zu verarbeiten, eine Ähnlichkeit bestand. Das Experiment fand nach der „Sprechdenken“-Methode statt. Dabei werden die teilnehmenden Personen gebeten, während sie eine Aufgabe erfüllen – in diesem Fall also ein Tanzstück ansehen –, alles auszusprechen, was ihnen in den Sinn kommt. Die Leute redeten, und während sie sprachen, zeichnete ich diesen Bewusstseinsstrom auf. Ich stellte fest, dass einige Personen einfach beschrieben, was sie sahen, so als beobachteten sie eine Reihe sinnloser Figuren. Andere sprachen über die Unterschiede zwischen ihren eigenen Fähigkeiten und denen der Tänzerinnen und Tänzer. Wieder andere versuchten, dem, was sie sahen, einen Sinn zu geben, indem sie ein Narrativ erfanden. Wenn aber die Bewegungen nicht zu diesem Narrativ passten, änderten sie die Geschichte. Wenn die Teilnehmenden verschiedene potenzielle Narrative ausprobiert hatten, die alle nicht funktionierten, gaben sie manchmal auf und sagten, sie hätten keine Ahnung, worum es in dem Stück ginge. Klar war, dass es „die eine“ oder gar „die richtige“ Lesart für den Tanz nicht gab, und dass Menschen, die nicht tanzen, ebenso große Schwierigkeiten haben, Bewegungsfolgen zu verstehen, wie Menschen, die schlecht lesen können, mit dem Verständnis von Wortfolgen.

Ab dem Spätherbst, zu Beginn der Weihnachtsrevue-Saison war mir klar, dass sich etwas änderte. Dass ich angefangen hatte zu lesen, hatte mir mehr Selbstvertrauen gegeben und meine Sicht der Welt verändert. Tanzen war für mich immer etwas ganz Selbstverständliches gewesen. Ich dachte, es sei leicht. Jemand zeigte mir eine Abfolge von Tanzbewegungen, und ich merkte sie mir. Mein Körper verfügte anscheinend über ein Gedächtnis für Bewegungsmuster, und ich konnte fließend von einer Figur zur nächsten übergehen. Jetzt sah ich das Tanzen anders. Mir wurde bewusst, dass Tänzerinnen und Tänzer etwas Außergewöhnliches leisten: Bewegungsmuster auswendig zu lernen und sich lange Bewegungsfolgen zu merken, ist keine Kleinigkeit. Außerdem wurde mir klar, dass die geistigen Anforderungen beim Tanzen viel höher sind als bei anderen darstellenden Künsten.

Tänzerinnen und Tänzer müssen Tausende feinster Veränderungen der Körperposition lernen, und zwar einfach, indem sie zuschauen, wie jemand diese Bewegungen vormacht. Sie schreiben diese Bewegungen nicht auf, und sie erhalten auch kein Buch, in dem die Bewegungen aller Tanzenden aufgeschrieben sind. Stellen Sie sich vor, Schauspieler oder Sängerinnen müssten ihre Rolle so lernen! Wenn Tänzerinnen und Tänzer nach den Proben nach Hause gehen, müssen sie üben, aber sie haben nichts, was sie an die Tanzbewegungen erinnert, außer der Musik und ihrem fantastischen Gedächtnis.

Sobald mir bewusstwurde, dass ich imstande war, im Laufe meines Lebens als professioneller Tänzer tausende Stunden komplizierter Bewegungsmuster zu erlernen und zu verstehen, wurde mir auch klar, dass ich diese Fähigkeit auch auf das Erlernen von Informationen, die in schriftlicher Form vorliegen, übertragen können müsste. So würde ich mehr über Zeitgeschehen, Literatur und Wissenschaft erfahren. Ich brauchte einfach nur einen Einstieg, und dieser Einstieg war der Tanz. Als die Weihnachtsrevue-Saison Ende Januar zu Ende ging, ließ ich mein Leben in London hinter mir und schlug neue Wege ein. An Qualifikationen hatte ich nichts außer einem Schulabbrecherzeugnis mit guten Noten in Schauspiel und einem Diplom der Guildford School of Acting. Wenn wir eine lebensverändernde Entscheidung treffen wollen, müssen wir manchmal unsere Alltagsgewohnheiten verändern und in eine neue Umgebung ziehen. Ich kaufte ein Flugticket nach Kanada und nahm den Zug von Montreal nach Vancouver. Auf der ganzen, fast fünftausend Kilometer langen Strecke las ich Lyrik. Die schaukelnden Bewegungen des Zuges stellten eine körperliche Verbindung zu den Worten auf der Buchseite her. Rhythmus und Rumpeln wurden zu einem Soundtrack, der Worte in Liedtexte verwandelte. Mich selbst lesen zu hören, war wie selbstgemachter Rap, und dies trieb mich zur Bewegung, sodass Wörter süchtig machten. Auch heute noch kann ich kaum stillsitzen, wenn ich „O Käpt’n! Mein Käpt’n!“ von Walt Whitman lese. Das Gedicht verlangt Bewegung, und manchmal sogar ein doppeltes Händeklatschen am Ende der zweiten Zeile: „O Käpt’n! Mein Käpt’n! zu Ende unsre schlimme Reise, Die Wolkendünste abgewettert, hielten siegreich wir die Preise“1 [Klatsch-Klatsch]

Vorbei an Herden nickender Esel und quer durch die Rocky Mountains lernte ich, dass Information eine andere Beschaffenheit erhält, sobald wir uns dazu bewegen. Es ist wie beim Gehen auf Sand, Stein oder Gras. Wenn wir den Boden unter unseren Füßen spüren, anstatt bloß seine Oberfläche zu betrachten, entdecken wir neue Eigenschaften in ihm – und ich finde, bei Wörtern ist es genauso. Wenn sie still auf der Buchseite herumliegen, wirken sie ziemlich nichtssagend, aber wenn ich mich zu ihnen bewege, verändert sich unsere Beziehung. Ich fühle sie aus anderer Perspektive, und während einige mir genauso viel Freude machen, wie wenn ich auf einem frisch gemähten Rasen liege, fordern andere mich dazu heraus, mein Gleichgewicht zu halten, als ginge ich über einen Felsenstrand. Diese Zugfahrt hat mir beigebracht, mit Wörtern zu tanzen.

Einige Monate später kaufte ich mir Anna Karenina von Tolstoi (in englischer Übersetzung, versteht sich). Beim Lesen verliebte ich mich zum ersten Mal in eine Figur, die ich nur durch das geschriebene Wort kennengelernt hatte. Ich verliebte mich in Kitty. Ich konnte gar nicht mehr aufhören, von ihr zu lesen. Als das Buch zu Ende war, machte ich mir Sorgen um sie. Voller Vorfreude hatte ich stets gehofft, dass sie auf der nächsten Seite auftauchen würde; ich war eifersüchtig auf ihren Mann Levin gewesen – und ich spürte die schmerzliche Aussichtslosigkeit einer unerwiderten Liebe. Ich konnte absolut gar nichts tun, um Kitty auf mich aufmerksam zu machen. Ich beendete das Buch mit gebrochenem Herzen, als ein anderer Mensch. Ich las Auferstehung und ging dann zu Turgenew und Dostojewski über. Meine Ausgabe von The Great Short Works of Fyodor Dostoevsky habe ich heute, über dreißig Jahre danach, immer noch. Als Vorbesitzerin ist eine Harvard-Studentin namens Kelly eingetragen. Dieser schlichte Eintrag wurde mir zu einem weiteren Wegweiser und bestärkte mich in dem Glauben, dass diese Bücher mich noch in die heiligen Hallen von Oxbridge führen würden, wo ich mir eines Tages mein Cordjackett mit den Ellenbogenflicken verdienen würde. Ich war wie ein Ozeanriese: Wenn ich erst einmal angefangen hatte, fuhr ich einfach immer weiter, langsam aber stetig von einem großartigen Buch zum nächsten.

In der realen Welt war es schwieriger, an die Universität zu kommen, als ich gedacht hatte. Ich beschloss, Psychologie zu studieren. Ich dachte, ich könnte dies mit Theater und Tanz kombinieren und vielleicht eine Ausbildung zum Theater- und Dramatherapeuten oder zum Tanztherapeuten machen und die kreativen Künste nutzen, um den Menschen zu helfen. Ich kaufte und las Bücher von Freud und Jung und las Fallstudien wie zum Beispiel Dibs: Ein kleiner Junge befreit sich aus seinem seelischen Gefängnis, Zu der Angst kommt die Scham und Der Mann, der seine Frau mit einem Hut verwechselte. Aber keines dieser Bücher bot mir Erklärungen für die Fragen, die ich zu dem Thema hatte. Zugleich fragte ich bei den psychologischen Fakultäten einiger Universitäten an, ob sie mich zum Studium zulassen würden. Ich hatte keine Ahnung, wie man sich an einer Uni bewirbt, erfuhr aber, dass ich dazu mindestens in einem Fach ein A-Level ablegen musste.

Ich schrieb mich an einer Abendschule ein, um auf ein A-Level in Psychologie zu lernen. Dazu musste ich meinen Beruf als professioneller Tänzer aufgeben, denn ich musste ein Jahr fest an einem Ort bleiben und konnte nicht abends arbeiten. Zweimal wöchentlich hatte ich abends Unterricht. Nebenher bewarb ich mich offiziell um einen Studienplatz. Dazwischen übernahm ich Gelegenheitsjobs als Auslieferungsfahrer. So war es gut; alles lief nach Plan. Und dann erhielt ich im Winter im Laufe weniger Wochen von allen fünf Universitäten, an denen ich mich beworben hatte, eine Ablehnung. Das war ein Schlag. Ein wirklich schwerer. Manchester, Sheffield, das University College London, Bristol und Durham, alle sagten nein. Als die fünfte Ablehnung kam, wollte ich alles hinschmeißen. Ich ging nicht mehr zur Abendschule und fragte mich, was um alles in der Welt ich da bloß angestellt hatte: Ich hatte eine Karriere als Tänzer aufgegeben, das einzige, worin ich gut war, das Einzige, was sich für mich natürlich anfühlte, um zur Universität zu gehen – und ich hatte keinen Studienplatz bekommen.

In dieser Zeit begann ich eine Beziehung zu einem Mädchen namens Lindsey, die ich an der Abendschule kennengelernt hatte. Auch sie plante einen Berufswechsel und brauchte ein A-Level in Psychologie, um zur Uni gehen zu können. Sie war von der Universität ihrer Wahl angenommen worden, und schaffte die Schule spielend. Ich hatte mehr als die Hälfte verpasst, aber durch viel gutes Zureden konnte Lindsey mich überzeugen, in den letzten paar Schulwochen doch wiederzukommen und die Prüfung abzulegen. Einen Monat lang lernten wir jeden Abend zusammen. Das war das Beste, was ich tun konnte, und zwar aus zwei Gründen: Erstens habe ich die Prüfung geschafft, mit Ach und Krach zwar, aber es genügte, um mich im akademischen Spiel zu halten; zweitens habe ich Lindsey ein paar Monate später geheiratet und seither ist sie meine Lebenspartnerin.

Von nun an ging ich bei meiner Studienplatzsuche strategischer vor. Ich besuchte mehrere psychologische Fakultäten und traf mich mit verschiedenen Zulassungs-Tutoren. Zum Glück machte mir eines der Colleges ein bedingungsloses Angebot, und im September 1990 trat ich am Froebel College in Roehampton meine akademische Reise an. Der Campus des Froebel College war wunderschön, und es kam mir vor, als wäre ich abgeholt und in der Zeit zurückversetzt worden. Während meiner drei Jahre dort entwickelte ich eine Begeisterung für Neurobiologie und Neuropsychologie. Diese Fächer beschäftigen sich mit Untersuchungen des biologischen Aufbaus des Gehirns und der Frage, was mit Menschen geschieht, wenn ihr Gehirn geschädigt wird.

Tanz und Psychologie waren damals streng getrennte Bereiche meines Lebens. Ich lernte Psychologie im Labor und tanzte im Studio und trat in Theaterstücken und Shows auf. Aber ich wusste, dass ich keine Ausbildung zum Tanztherapeuten machen wollte. Meine Eltern hatten beide in einem Krankenhaus gearbeitet, und ich wusste, dass dies nicht die richtige Umgebung für mich wäre. Ich wollte etwas anderes, wusste aber nicht, was.

1993 machte ich in Roehampton meinen Abschluss und nahm dank eines staatlichen Stipendiums am Centre for Cognitive and Computational Neurosciences der Universität Stirling ein Master-Studium in Neuroinformatik auf. Die Neuroinformatik erstellt mithilfe von Mathematik und künstlichen Netzwerken Modelle des Gehirns während des Verarbeitungsprozesses. Wir waren eine kleine, zusammengewürfelte Kohorte von Studentinnen und Studenten aus Informatik, Physik, Mathematik und Psychologie, und unser Ziel war es herauszufinden, wie wir plausible Modelle des Gehirns erstellen und diesen dann „Gehirnschäden“ zufügen konnten, um zu lernen, wie das Gehirn sich erholt. Das war ehrgeizig. Mathematik fand ich zunächst verwirrend. Die Vorlesungen konnten aus Folie um Folie voller mathematischer Formeln bestehen, die aus scheinbar Hunderten griechischer Symbole zusammengesetzt waren. Meine Abende verbrachte ich damit, die Symbole für Theta, Delta, Lambda (das ich für eine Schauspielschule gehalten hatte) unterscheiden und benennen zu lernen. Es war ein anspruchsvoller Studiengang, und die meisten Studierenden waren superintelligente Introvertierte, die seitenlange mathematische Beweise verinnerlichen konnten, ohne etwas aufschreiben zu müssen, genau wie ich mir lange Tanznummern. Mit Infinitesimalrechnung und Algebra hatte ich zu kämpfen, aber am Ende kam ich durch und wechselte von Stirling an die Universität Essex, wo ich mit einem Stipendium ein Promotionsstudium in experimenteller Kognitionspsychologie aufnahm. Die Kognitionspsychologie beschäftigt sich damit, wie Menschen denken, lernen, Probleme lösen, Sprache gebrauchen, die Welt wahrnehmen und erinnern. Experimentelle Kognitionspsychologie ist mit sehr viel Laborarbeit verbunden. Ich habe drei Jahre in einem sehr kleinen Labor zugebracht und gemessen, wie lange Menschen brauchen, um Wortlisten zu lesen, und welche Wörter sie sich anschließend am besten merken können. Ich versuchte zu verstehen, wie Menschen lernen und erinnern, mit dem Ziel, geeignete Reha-Programme für Patientinnen und Patienten mit Hirnschäden zu entwickeln, insbesondere wenn Gedächtnis und Sprachzentrum beeinträchtigt waren.

Nach Abschluss meiner Promotion übernahm ich eine Post-Doktorandenstelle am Forschungszentrum für Englisch und Angewandte Linguistik an der englischen Fakultät der Universität Cambridge. Als Tänzer war ich es gewohnt, für Engagements vorzutanzen, wobei Hunderte hoffnungsvoller Menschen in vielen aufeinanderfolgenden Tanzduellen aussortiert werden, aber so etwas wie mein Vorstellungsgespräch in Cambridge hatte ich noch nicht erlebt. Ein zweitägiger Prozess an einer der ältesten und angesehensten Universitäten der Welt – die für mich zugleich der magische Ort am Ende des Regenbogens war, von dem ich in den letzten sieben Jahren geträumt hatte.

An der Universität Cambridge arbeitete ich als Psychologe an einem Projekt, bei dem untersucht wurde, wie Menschen mehr als eine Sprache lernen. Mich interessierte, wie Menschen in verschiedenen Sprachen „denken“, und wie sie Wörter abspeichern und erinnern, die in verschiedenen Sprachen dieselbe oder unterschiedliche Bedeutung haben; und auch, wie sie neue (fremdsprachige) Wörter lesen und ihnen einen Sinn geben sowie dann komplexe linguistische Muster verstehen lernen. Darüber hinaus entwickelte ich Interesse an der Beziehung zwischen Legasthenie und Gedächtnis. Zum ersten Mal las ich Näheres über einige der Probleme, die Menschen mit Legasthenie beim Sehen, Codieren und Erinnern von Wörtern haben. Die Beschreibungen, die ich in der Literatur fand, hätten von mir und meinen Schwierigkeiten beim Lesen handeln können: die Schwierigkeit, „Ausnahme“-Wörter zu lesen (das heißt, Wörter, deren Klang nicht mit ihrer Schreibweise übereinstimmt); die Schwierigkeit, sich zu merken, welche Wörter in einem sehr langen Satz zusammengehören; und die Schwierigkeit, sich in großen Textblöcken auf einzelne Wörter zu konzentrieren. Dass ich nun etwas über die kognitiven Modelle dieser Leseschwierigkeiten erfuhr, half mir zu verstehen, warum mir das Lesen so schwergefallen war und wie ich diese Schwierigkeiten hatte überwinden können.

Meine Zeit als akademischer Psychologe an der Universität Cambridge markierte das Ende einer sehr langen Reise. Zehn Jahre hatte ich gebraucht, und nun hatte ich einen Bachelor, einen Master und einen Doktor in Psychologie. Ich kam mir vor, als hätte ich den Gipfel des Mount Everest erreicht. Also tat ich genau das, was alle Menschen tun, sobald sie auf dem Gipfel eines Berges angekommen sind: Ich drehte mich um und ging wieder hinunter. Nach zwei Jahren verließ ich Cambridge und fing an zu planen, wie ich mein Fachwissen in Psychologie mit dem Thema verbinden konnte, das mir das liebste auf der Welt war, Tanzen. Das Ergebnis war das Dance Psychology Lab.


Mitzuerleben, wie das Leben von Menschen durch Tanz transformiert wird, ist eine sehr ehrfurchtgebietende Erfahrung. Man könnte sagen, es ist magisch, aber das wäre falsch. Die transformative Kraft des Tanzens hat gar nichts Magisches, Mystisches oder Spirituelles, aber sie ist ein Geheimnis – bis jetzt. Ich habe das Dance Psychology Lab aufgebaut, damit ich die Beziehung zwischen Bewegung und Gehirn mithilfe hochentwickelter wissenschaftlicher Techniken untersuchen und besser verstehen konnte, warum und inwiefern Tanzen derart kraftvolle Auswirkungen auf uns Menschen hat. Was ich herausgefunden habe, war außergewöhnlich: längerer Erhalt der Lebensqualität für Menschen mit Parkinson und Demenz; wachsendes Selbstbewusstsein bei Jugendlichen; Rückgang von Depressionen und Ängsten bei Erwachsenen; verbesserte soziale Bindungen zwischen Menschen sowie fundamentale Veränderungen in der Art und Weise, wie die Menschen denken und Probleme lösen. Und dies alles durch Tanzen.

Das Dance Psychology Lab ist mir der liebste Ort auf der Welt, denn hier kann ich mit Tänzern und Wissenschaftlerinnen zusammenarbeiten, um wissenschaftliche Ideen zu erforschen. Seine Tanzfläche ist das Sprungbrett, von dem aus ich um die Welt hüpfen und mit multinationalen Unternehmen, Schulen, Bildungseinrichtungen und Gesundheitsinstitutionen kooperieren kann. Im nächsten Kapitel erkläre ich die überraschenden Geheimnisse des Tanzes und wie sie Sie schlauer, stärker und glücklicher machen können.

KAPITEL 2
EINE UNIVERSELLE SPRACHE

Tanzen: Verb. In bestimmter Schrittfolge und rhythmischen Bewegungen springen, hüpfen oder dahingleiten, zumeist begleitet von Musik, entweder allein, mit einem Partner oder in einer Gruppe.

Für jemanden, der sein ganzes Leben mit Tanzen verbracht hat, sollte die Frage „Was ist Tanz?“ leicht zu beantworten sein. Ich erkenne Tanzen, wenn ich es sehe, und ich spüre es auf jeden Fall, wenn ich es tue, aber zu definieren, was Tanz ist und was nicht, ist wesentlich schwieriger als Sie vielleicht glauben. Wo hört Bewegung auf und wo fängt Tanz an?

Wenn eine Person keine der im Wörterbuch aufgeführten Tätigkeiten ausführt, können wir dann sagen, dass sie eindeutig nicht tanzt? Ich glaube nicht. Ich tanze oft, ohne zu hüpfen, zu springen oder dahinzugleiten; manchmal tanze ich, ohne bestimmte Schrittfolgen einzuhalten, und manchmal bin ich kein bisschen rhythmisch. Deshalb glaube ich nicht, dass wir uns auf diese Definition verlassen können, denn sie erfasst nicht die ganze Bandbreite dessen, was Tanzen ist, und wie es sich vom Nichttanzen unterscheidet.

Die Definition des berühmten amerikanischen Tänzers und Choreographen Jacques D’Ambroise gefällt mir wesentlich besser: „Tanz ist Ihr Puls, Ihr Herzschlag, Ihr Atem. Er ist der Rhythmus Ihres Lebens. Er ist Ausdruck in Zeit und Bewegung, in Glück, Freude, Traurigkeit und Neid.“

Ich liebe das. Tanzen ist der Ausdruck von Emotion in Bewegung – was es zugleich zu einer gemeinschaftlichen Angelegenheit macht, wohl zu einer der sozial kraftvollsten und kommunikativsten Tätigkeiten, die es gibt. Genau dies werden wir im ersten Teil dieses Buches untersuchen: inwiefern Tanzen die Grundlage des höchstentwickelten Sprachsystems bildet, das wir haben, und inwiefern Rhythmen und gemeinsame Bewegungen uns zusammenbringen und helfen, Beziehungen und gegenseitiges Vertrauen aufzubauen. Wenn Sie geglaubt haben, Worte seien mächtig, dann warten Sie ab, bis Sie erleben, was Bewegung kann.

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9783954844296
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