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Im Krebsgang zur ersten Bandgründung

Während seiner Zeit auf dem Kingston Art College verbrachte Clapton nach eigener Aussage mehr Zeit in irgendwelchen Kneipen als in Seminarräumen. In dem Studententreff The Crown in Kingston nutzte er an Samstagnachmittagen die Open-Mic-Sessions, um mit anderen Blues-Begeisterten aus der Gegend zu jammen und seine Live-Präsenz auf der Bühne zu schärfen. Mit seiner Green-Line-Buskarte unternahm er regelmäßig Ausflüge nach Twickenham und Richmond, erforschte die dortige Kneipenkultur und wurde Stammgast in diversen Kaffeehäusern. Und abends ging es nach Eel Pie Island, einer kleinen Insel im Privatbesitz mitten in der Themse vor Twickenham. Dank der Pionierarbeit von Alexis Korner und Cyril Davies – während der eine zur Gitarre raue Folk-Blues-Songs intonierte, unterstützte ihn der andere mit seiner Mundharmonika – avancierte der verräucherte Keller im Eel Pie Hotel bald zum Mekka aller Blues-Enthusiasten und Skiffle-Jünger.

Bis Februar 1957, als endlich eine Fußgängerbrücke auf das von verwunschenen Gärten überwucherte Inselchen gebaut wurde, musste man noch per Fähre übersetzen. Der konspirative Charakter dieses bekanntermaßen freizügigen Ortes zeigte sich nicht zuletzt darin, dass handgefertigte Pässe ausgegeben wurden, um »Eelpieland« betreten zu dürfen. Clapton genoss hier das Zusammensein mit Gleichgesinnten, wie er in JC Wheatleys Eel-Pie-Island-Hommage The British Beat Explosion von 2013 betont:

Ich werde niemals das Gefühl vergessen, wenn du den halben Weg über die Brücke zurückgelegt hattest und plötzlich merktest, dass du im Mittelpunkt einer immer weiter anwachsenden Menge von Menschen standest, die alle irgendwie gleich aussahen. Es herrschte ein unglaubliches Gefühl der Zusammengehörigkeit.


Verschworene Community auf »Eelpieland«

In dieser lockeren Atmosphäre jugendlichen Überschwangs entdeckte Eric auch erstmals die Verlockungen des Alkohols. Er hoffte nicht zuletzt, seine Schüchternheit Mädchen gegenüber durch übermäßiges Trinken überwinden zu können. Zudem saß er dem Trugschluss auf, dass Trunkenheit ihn in irgendeiner Form attraktiver erscheinen ließ. Hochprozentige »Rum and Black«-Cocktails und Gin-Tonic wurden neben »Purple Hearts«, das heißt herzförmigen Amphetamintabletten, zu seinen bevorzugten Stimmungsaufhellern.

Am liebsten aber stöberte Eric in Londoner Plattenläden wie Ray’s oder Dobell’s auf der Suche nach seltenen Blues-Importplatten herum. Er schien vollkommen in der Musik aufzugehen und an anderen Verlockungen des Bohemian-Lebens kaum interessiert zu sein. Nach Aussage seines Kommilitonen Guy Pullen war Eric damals »nicht gerade ein Romeo«. In den Kneipen von Kingston beteiligte er sich zwar an den immerwährenden Gesprächen über Mädchen und Sex, beschränkte sich dabei aber mangels praktischer Erfahrungen meist auf theoretische Bemerkungen. Das Yardbirds-Mitglied Chris Dreja ist davon überzeugt, »dass Eric als Teenager überhaupt kein Sexualleben hatte. Das aggressive Macho-Gehabe, von dem er glaubte, dass es zum Blues gehöre, wirkte ja nicht gerade anziehend auf Frauen. Er wollte eben unbedingt anders sein.«

Lange währte sein Studentenleben nicht. In seinem Probejahr hatte Clapton kaum am Unterricht teilgenommen, und so verwunderte es niemanden, dass er nach mehreren Vorwarnungen am Ende nicht genug Material für seine Kunstmappe produziert hatte. Am Schluss des Probejahres wurde er daher aufgefordert, das Kingston Art College zu verlassen. Jahre später sollte er dennoch ohne Zorn zurückblicken: »Auf der Art School habe ich zum ersten Mal bemerkt, dass etwas in mir sein musste, das respektiert wurde, wenn auch nur für Momente.« Nach seiner Relegation bot Großvater Jack ihm zähneknirschend an, ihn bei einigen seiner Bauprojekte zu beschäftigen. Eric arbeitete zunächst als Maurer und Fliesenleger, und schon bald versuchte er, dem Perfektionsdrang seines Großvaters nachzueifern: »Als Fliesenleger war er ein wahrer Künstler, der ein ganzes Zimmer in knapp zwei Stunden kacheln konnte. Bei ihm habe ich mir abgeschaut, dass bei der Arbeit die kleinen Dinge ganz wichtig sind.« Wenn es auf dem Bau gerade nichts zu tun gab, hielt er sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser und arbeitete in der Weihnachtszeit als Aushilfsbriefträger.

Im Januar 1963 wendete sich das Blatt. Der Blues-Fan Tom McGuiness lud Eric in den Prince of Wales Pub in New Malden zu einem Vorspiel ein. Vermittelt hatte den Kontakt McGuiness’ Freundin Jennifer Dolan, die Clapton von der Art School kannte. Tom, 21 Jahre alt und Jesuitenschüler, schätzte zwar die Blues Incorporated von Alexis Korner, kam aber von der Rock-’n’-Roll-Seite des Rhythm ’n’ Blues und bevorzugte daher den kantigeren Sound der Rolling Stones. Nachdem McGuiness schon mit ein paar Freunden in South London erfolglos Nummern von Cliff Richard And The Shadows gecovert hatte, beschloss er 1962, eine eigene Rhythm-’n’-Blues-Band zu gründen. Inserate im Melody Maker, mit denen er Gleichgesinnte ansprechen wollte, halfen zunächst nicht weiter. Nach der Audition war klar, dass Clapton, gerade 18 geworden, die Leadgitarre und McGuiness die Rhythmusgitarre übernehmen würde. Einen Bassisten hatte die Band jedoch noch nicht. Das Line-up bestand aus dem Sänger Terry Brennan (laut McGuiness brachte er »eine gute Little-Richard-Imitation zustande«), Eric Clapton, dem Drummer und Autobesitzer Robin Mason, Tom McGuinness an der zweiten Gitarre und Ben Palmer am Piano. Ihr Name The Roosters war vermutlich durch Songs wie Howlin’ Wolfs »Little Red Rooster« oder Lightnin’ Slims »Rooster Blues« inspiriert. Zudem galt der »Little Red Rooster« (»Der kleine rote Hahn«) im Blues-Idiom als Umschreibung für den Penis. Von einem potenten Sound konnte bei den Roosters aber nicht die Rede sein, denn ihr kleiner 20-Watt-Verstärker musste für zwei Gitarren und ein Gesangsmikrofon ausreichen.

Während McGuiness stolzer Besitzer einer in England produzierten Futurama-Gitarre mit protzigen, großen Tasten zur Pickup-Umschaltung war (auch George Harrison und Jimmy Page nutzten Futurama), spielte Clapton in jenen Tagen eine Kay Jazz II. Im Herbst 1962 hatte er sich die Gitarre bei Bell’s Music in Surbiton ausgesucht. Seiner noch immer spendablen Großmutter Rose blieb nichts anderes übrig, als sie auf Ratenbasis für ihren inzwischen Blues-besessenen Enkel zu erwerben, wollte sie doch seinen Enthusiasmus – nach dem Rausschmiss auf der Art School – auf keinen Fall dämpfen. Es handelte sich um eine halbakustische E-Gitarre mit Double Cutaway, um die oberen Bünde leichter erreichen zu können, und einem Bigsby-Vibrato. Allerdings war sie nur die billigere Kopie der damals leider unerschwinglichen Gibson ES-335, die mehr als 100 Pfund kostete. Die Kay war für ein Zehntel davon zu haben. Schon nach vier Wochen verzog sich der Hals der Gitarre ein wenig, da sie keinen verstellbaren Stahlstab besaß, das heißt ihre Saitenlage war alles andere als optimal. Doch Eric musste mit diesen Widrigkeiten klarkommen, hatte er doch keine Alternative. Zudem fehlte ihm ein Verstärker, so dass er die elektrische Kay zunächst nur akustisch spielen konnte. Weil er auf diesem unvollkommenen Instrument auch seine ersten Versuche startete, Robert-Johnson-Songs nachzuspielen, nimmt sie in Claptons Gitarrenhistorie einen besonderen Platz ein.

Unmittelbar nach dem Erwerb seiner »Traumgitarre«, nach der er sich so lange gesehnt hatte, deutete sich bei Eric ein psychologisches Phänomen an, »das in meinem Leben immer wieder auftauchen und mir viele Probleme bereiten sollte«: Wenn er das Objekt seiner Begierde erst einmal besaß, wollte er im nächsten Moment schon nichts mehr davon wissen und verlor schnell sein Interesse daran. Diese gestörte Objektbeziehung dokumentiert sich nach Claptons eigener Aussage nicht zuletzt in einer fast manischen Sammelleidenschaft, die von Gitarren, über Uhren und Ferraris bis hin zu seinen zahlreichen Liebschaften reichte. Man darf vermuten, dass diese Form »narzisstischer Abwehr« ihren Ursprung in Erics frühkindlicher Kränkung hat.

Ihr Debüt gaben The Roosters als Pausenfüller im Oxford University Jazz Club und setzten ihre erste Gage in Höhe von fünf Pfund gleich in Getränke um. Ein Gig führte sie bis in das Seebad Brighton, wo sie in Uncle Bonnie’s Chinese Jazz Club auftraten. Eine Gruppe betrunkener französischer Studenten forderte dort mit lautstarken Zwischenrufen immer wieder, die Band solle endlich »Hot Jazz« spielen. Schließlich wurde es dem Sänger Terry Brennan zu bunt: Er sprang mitten in die randalierende Gruppe hinein, was zu einer wüsten Schlägerei führte. Der Auftritt war damit zu Ende. Dabei hatte sich Eric gerade erst die beiden Blues-Originals »I Love The Woman« und »Hideaway« seines neuen Heroes Freddie King eingeübt, des jüngsten Mitglieds der Three Kings of Electric Blues neben B. B. und Albert. Als er zum ersten Mal King hörte, fühlte sich das für Clapton »wie die Begegnung mit einem Außerirdischen« an. Vor allem war er von der Aggressivität, Schärfe und der Kraft in den sparsamen King-Soli beeindruckt.

Unterm Strich probten die Roosters häufiger als sie auftraten. Eric genoss sichtlich die wenigen Gelegenheiten, mit einer Band vor engagiertem Publikum zu spielen. Sein Freund, der Pianist Ben Palmer, war da ganz anderer Ansicht und gestand schließlich seinen Kumpels, wie wenig Spaß ihm die Live-Konzerte eigentlich machten. Er verließ die Band, und auch Erics Gastspiel währte nur sechs Monate: Im August löste sich das Quintett schon wieder auf. Palmer zeigte sich dennoch von Claptons gitarristischen Fähigkeiten tief beeindruckt:

Ich merkte sofort, dass sich Eric in seinen Soli nicht darum kümmerte, wie lange sie dauerten. Er spielte einfach immer weiter, bis man ihn irgendwann stoppen musste. Er besaß ein für sein Alter ganz erstaunliches Gefühl für Dynamik.

Einen Monat nach Auflösung der Roosters hörte McGuiness zufällig in einer Kneipe, dass jemand aus Liverpool, Casey Jones, eine Begleit-Band suche. Jones, der mit bürgerlichem Namen Brian Casser hieß, galt als eine führende Stimme des Merseybeat-Booms der frühen Sechziger und hatte sogar einen Plattenvertrag bei Columbia Records ergattert. Um die Debütsingle »One Way Ticket« / »I’m Gonna Love« von Casey Jones & The Engineers (der Name spielt auf die beliebte Geschichte des amerikanischen Lokführers Casey Jones an) live zu promoten, brauchte er Mitmusiker: Von seinen Engineers waren nur der Drummer Ray Stock und der Bassist Dave McCumiskey übrig geblieben. Als Stock dann eines Abends zufällig Clapton in Soho begegnete und die Bemerkung fallen ließ, Casey Jones suche händeringend zwei Gitarristen, um endlich auf Tour gehen zu können, bekundete Eric sofort sein Interesse – allerdings unter der Bedingung, dass er seinen Ex-Roosters-Kumpel McGuiness mitbringen könnte. Nach einer kurzen Probe wurden beide von Jones engagiert. Doch schnell entpuppte sich das ganze Projekt als großes Missverständnis: Jones war ein Show-Typ, der auf der Bühne gern den Clown gab. Außerdem drehte er seine schrille Stimme immer bis zum Anschlag auf und war nicht gerade intonationssicher. Das Fass zum Überlaufen brachte schließlich ein Konzert in der Kings Hall in Manchester, wo Jones von der Band verlangte, sich mit Papp-Kappen der amerikanischen Südstaaten-Armee zu verkleiden. In einem Albtraum sah sich Eric schon als Kabarett-Nummer verheizt und wandte sich nach nur sieben Monaten von der Band ab. Frustriert kehrte er nach Ripley zurück.

II. Baby What’s Wrong – Zwischen Nachahmung und Neuerfindung

»Wie wichtig wird ein ›heulender Wolf‹, wenn man in einer hässlichen Vorstadt wie Surbiton aufgewachsen ist?« Chris Dreja erinnert sich der geheimnisvollen Aura, die für die britischen Jungs anfangs alle Blues-Musiker umgab. Seltsam klingende Pseudonyme wie ›Howlin’ Wolf‹, ›Lightnin’ Slim‹ oder ›T-Bone Walker‹ befeuerten die Fantasie britischer Blues-Verfechter und halfen ihnen, den grauen Alltag hinter sich zu lassen und sich in eine Welt gefährlicher Versprechen hineinzuträumen. In geduckten Vorortsiedlungen aus rotem Backstein und qualmenden Kaminen im Süden von London, in der Nähe des lärmigen London Airport (später Heathrow), der vielbefahrenen Autobahn A3, wo die Ufer der Themse von Schlammbänken gesäumt sind und die permanent ratternden Züge nach Waterloo Station die Nachtruhe stören: In dieser trostlosen Gegend liegen die Wurzeln der Yardbirds.

Der älteste Yardbird, Keith Relf, wurde 1943 in Richmond, in der Grafschaft Surrey geboren. Auch der zwei Jahre jüngere Chris Dreja wuchs im Südwesten Londons auf. Durch seinen Bruder Stefan lernte er Anthony ›Top‹ Topham kennen. Zusammen verbrachten die beiden Freunde Tage und Nächte damit, sich durch die vielen raren Import-Blues-Platten zu hören, die Mr. Topham Senior zusammengetragen hatte. Vom Studieren bis zum Nachspielen war es nicht weit, und so machten sich die beiden Hobby-Gitarristen auf die Suche nach einem Schlagzeuger und einem Mundharmonika-Spieler. Irgendwann schlug jemand Jim McCarty als Drummer vor, der wiederum mit Paul Samwell-Smith und Keith Relf gut bekannt war, die damals beide im Metropolitan Blues Quartet spielten. Also raufte man sich Mitte 1963 »zu einer All-Electric-Band« zusammen, so Dreja. Ihr Repertoire bestand aus Coverversionen, am wichtigsten vielleicht Howlin’ Wolfs »Smokestack Lightnin’«, eine Hommage an die Kraft der Dampflokomotive. Der Song wurde in Birmingham ebenso verstanden wie in Chicago: ihre Dampfpfeife und ihre mächtigen rotierenden Räder versprachen Bewegung. Schon bald entwickelte sich der Sänger Keith Relf trotz angeborener Asthma-Erkrankung zu einem stilsicheren Mundharmonika-Spieler. Daran änderten auch die mehr als 40 Zigaretten nichts, die er täglich rauchte.

The Yardbirds – Vom Hobby zum Beruf

Richtig in Schwung kam die Band, als im September 1963 der umtriebige Impresario Giorgio Gomelsky auf sie aufmerksam wurde. Der 29-jährige Georgier mit Schweizer Pass war eigentlich als Experimentalfilmer nach London gekommen. Doch seine Leidenschaft für Blues und Jazz hatte ihn schließlich dazu verleitet, ganz in der Nähe der Kingston High School den Crawdaddy Club zu eröffnen. Benannt hatte Gomelsky ihn nach dem Bo-Diddley-Song »Doing The Craw-Daddy«, den die frühen Rolling Stones in ihr Repertoire aufgenommen hatten. Die Stones waren seine erste Hausband in dem angesagten Blues-Treffpunkt. Doch als ihm diese Entdeckung durch eine Intrige des noch unerfahrenen, aber nicht minder skrupellosen Jung-Managers Andrew Loog Oldham durch die Lappen ging – als Gomelsky zur Beerdigung seines Vaters in die Schweiz gereist war, zog Oldham die Stones mit neuem, attraktiveren Vertrag auf seine Seite –, musste Gomelsky sich unverzüglich auf die Suche nach Ersatz machen. Er fand ihn im erweiterten Metropolitan Blues Quintet von Relf & Co.


Wanderarbeiter (Hobos) während der Great Depression auf dem Weg nach Kalifornien

Öffentlichkeitswirksam ersetzte man zunächst den biederen Bandnamen durch den exotischeren Ausdruck The Yardbirds. Der Schriftsteller Jack Kerouac aus der Beat-Generation hatte den Ausdruck für jene Hobos geprägt, die in den USA ihre kostenlosen Mitfahrgelegenheiten auf Güterzügen häufig von ›rail yards‹ aus organisierten. Daneben steht das Wort auch für jene »Knastbrüder«, die am liebsten auf dem Gefängnishof herumhängen. Gute Gründe also für eine von Sehnsucht nach Ursprünglichkeit getriebene britische Band, sich umzutaufen. Doch je mehr sich die anfängliche Hobby-Truppe professionalisierte, umso schwieriger wurde es für ihr erst 15 Jahre altes Gründungsmitglied ›Top‹ Topham. Seine Eltern machten ihm gewaltig Druck, die Band zu verlassen. Als Sohn des renommierten Malers John Topham solle er sich lieber auf seine Ausbildung am Epsom Art College konzentrieren, anstatt sich mit Möchtegern-Blues-Musikern die Nächte um die Ohren zu schlagen.

Als die Band von Tophams Problemen Wind bekam und Relf auf einer Party Eric Clapton über den Weg lief, änderten sich die Dinge schlagartig. Obwohl Clapton nach seinen ernüchternden Erfahrungen mit Casey Jones zunächst zögerte, sich wieder einer Gruppe anzuschließen, nahm er schließlich Relfs Einladung an, bei den Yardbirds einzusteigen. Da er mit seinen 18 Jahren noch nicht volljährig war, benötigte Gomelsky die Unterschrift seiner Großeltern, um den »Anstellungsvertrag« ausfertigen zu können. Der Manager hatte aus der Pleite bei der Stones-Verpflichtung gelernt und wollte seine Neuentdeckung mit einer wasserdichten Abmachung an sich binden. Die sollte Eric ein wöchentliches Einkommen von 20 Pfund garantieren. Im Oktober 1963 gab Rose ihrem Enkel schriftlich ihren Segen und machte ihn damit zum »professionellen Musiker«. Weniger begeistert war ›Top‹ Topham, der sich nach der Rückkehr aus dem Urlaub mit seinen Eltern plötzlich von seiner Herzens-Band vor die Tür gesetzt sah. Hatte sein Vater sich nicht erst kürzlich in Unkosten gestürzt, um die Gruppe seines Sohnes mit einem Gibson-Röhrenverstärker für fast 100 Britische Pfund – damals ein kleines Vermögen – auszurüsten? Der war mittlerweile schon in Claptons Hände übergegangen und erst mit Hilfe eines Rechtsanwalts gelang es den Tophams schließlich, das wertvolle Stück zurückzubekommen.

Eric kannte die Yardbirds bereits seit drei Monaten, hatte bisher aber an den instrumentalen Fähigkeiten der Band gezweifelt. Doch bei aller Skepsis witterte Clapton in den Bandmitgliedern Seelenverwandte in Sachen Blues. Zumal Gomelsky ihm kurz nach seinem Einstieg bei den Yardbirds eine 1963er Fender-Telecaster in Dakota Red besorgte. Endlich hielt Eric damit ein hochwertiges Instrument in Händen

Dann überschlugen sich die Dinge: Am 18. und 20. Oktober 1963 ging in der Fairfield Hall in Croyden, Süd-London, das zweite, von den deutschen Promotern Lippmann & Rau veranstaltete American Folk Blues Festival über die Bühne, das Fans in Deutschland und England mit originalen Vertretern des Genres aus den USA vertraut machte. Entscheidender aber sollte der 19. Oktober werden: An diesem Samstag eröffnete Gomelsky seinen zweiten Crawdaddy Club im Star Hotel, Broad Green, ein paar Meilen außerhalb von Fairfield. Und dies war Claptons erstes Konzert als vollwertiges Bandmitglied (entgegen der vielfach vertretenen Meinung, er sei einen Tag später im Studio 51 in London erstmals als Yardbird aufgetreten).


Plattencover American Folk Blues Festival, 1963

Als einer der Stars des American Folk Blues Festivals war der Sänger und Mundharmonika-Virtuose Sonny Boy Williamson II. nach England gekommen. Gomelsky überredete ihn, noch ein paar Wochen länger zu bleiben, um eine Club-Tour zu absolvieren. Als Backing-Band vermittelte er ihm die Yardbirds. Für Clapton, in jenen Tagen als beinharter Blues-Purist gefürchtet, stellte Williamson eine wandelnde Provokation dar: Er verkörperte das glatte Gegenteil seiner Fantasiefigur eines introvertierten, depressiven Blues-Sängers. In seinem schicken schwarzen Nadelstreifenanzug, einem Bowler-Hut und mit Glacéhandschuhen irritierte er die meisten britischen Fans. Dazu kam noch eine Leder-Aktentasche, in der er seine Mundharmonikas aufbewahrte. Befremdlich wirkten auch seine Ansagen mit übertriebenem britischem Akzent.

Der 66-jährige Williamson hieß in Wirklichkeit Aleck ›Rice‹ Miller, war auf einer Plantage im Mississippi Delta geboren und hatte sich seinen Künstlernamen von John Lee ›Sonny Boy‹ Williamson entlehnt, einem in Tennessee geborenen Sänger und legendären Harmonika-Spieler, der bei einem Raubüberfall in Chicago ums Leben gekommen war. Trotzdem kannte Miller keine Skrupel, sich als »The One And Only Sonny Boy Williamson« zu vermarkten. Als Clapton mit seinem enzyklopädischen Blues-Wissen – sein Freund Ben Palmer bezeichnete ihn als »eine Art wandelndes Musiklexikon« – bei Williamson punkten wollte und ihn gleich bei ihrer ersten Begegnung mit Unschuldsmine fragte, ob sein richtiger Name nicht ›Rice‹ Miller sei, reagierte der, indem er ein kleines Messer zog und dem jungen Blues-Adepten mit hinterhältigem Lächeln die Klinge unter die Nase hielt.


Blues-Professor mit Studenten: Sonny Boy Williamson II.

Die Spannungen sollten sich auf der gemeinsamen England-Tour fortsetzen. Nach einem ersten Solo-Set der Band mit Coverversionen von Blues-Klassikern kam Williamson im zweiten Teil dazu, Eigenkompositionen wie »Bye Bye Bird« oder »Mister Downchild« zu präsentieren. Clapton erinnert sich mit gemischten Gefühlen:

Wir hatten uns alle seine Stücke draufgeschafft, aber auf der Bühne spielte er sie dann jedes Mal anders und änderte die Tonart. Obwohl wir ihn alle ein bisschen anhimmelten, wussten wir nie, was er als Nächstes machen würde.

Diese Unsicherheit ist auch dem Album The Yardbirds & Sonny Boy Williamson anzumerken, das die Band auf Initiative von Gomelsky am 8. und 9. Dezember 1963 im Crawdaddy aufnahm – in einem ungeheizten Saal, während draußen ein Schneesturm tobte. Gomelsky erinnert sich:

Die ersten Stücke mit Williamson klappten noch ganz gut, vor allem weil Clapton in »23 Hours Too Long« eins seiner prototypischen Soli hinlegte. Doch dann begann Williamson die nächste Nummer allein, und ich sah, wie die Jungs fast in Panik verfielen. Etwas Seltsames ging da vor sich, weil Williamson die Reihenfolge der Stücke oder die Stücke selbst veränderte. Es war schade, aber von dem Moment an geriet der ganze Auftritt ins Stolpern.

Angeblich soll Williamson während dieser Pleite an heftigen Zahnschmerzen gelitten haben, die ihn vor der Show zu einigen kräftigen Schlucken von seiner Lieblingsmedizin, Johnny-Walker-Red-Label-Whisky, verführt hätten. Weil er zunehmend betrunken wurde, habe er die Band eher ›unabsichtlich‹ vorgeführt. Für die noch unerfahrenen weißen Blues-Jünger verkörperte der Harmonika-Könner dennoch so etwas wie die Blues University, auch wenn der Professor zu seinen Studenten nicht immer freundlich war. Williamsons Verhältnis zu den Yardbirds blieb ambivalent: Auf der einen Seite machte er aus seinem Erstaunen keinen Hehl – »In den Staaten gibt’s keine weißen Jungs, die Blues spielen.« –, auf der anderen Seite ließ er die jungen Briten bei jeder sich bietenden Gelegenheit spüren, wie wenig er von ihren Fähigkeiten beeindruckt war. Er war nun einmal konservativ, brauchte feste Strukturen und eine Band, die ihn blind begleitete und keine Möchtegern-Improvisatoren. Die Yardbirds hatten nämlich inzwischen mit ihren Rave Ups eine Spezialität entwickelt, die sie von allen anderen Blues-Bands jener Tage unterschied: In der Mitte eines Songs reduzierte die Band zunächst Tempo und Lautstärke, um sie dann langsam zu einer orgiastischen Klimax zu steigern.

Die heftigen Rave Ups führten dazu, dass Clapton immer häufiger eine oder zwei der dünnen Saiten, die er am liebsten aufzog, während der Improvisationen rissen. Eine weitere Anfälligkeit ergab sich aus den für den Blues charakteristischen Bendings, die eben auch mit dünnen Saiten am besten funktionieren, weil die sich mit geringem Kraftaufwand um bis zu zwei Ganztönen hochziehen lassen. Die anderen Bandmitglieder mussten dann warten, bis Eric mit größter Sorgfalt eine neue Saite aufgezogen hatte. Diese Unterbrechungen wurden vom Publikum bald mit ungeduldigem, langsamen Klatschen quittiert. Gomelsky nannte ihn daraufhin scherzhaft ›Slow-handclapton‹. Und damit hatte Eric seinen lebenslangen Spitznamen weg, der alsbald zu seinem Markenzeichen werden sollte. Nachdem die beiden letzten Silben verschwunden waren, charakterisierte der Kosename ›Slowhand‹ später jedoch vor allem jene spezifische Lässigkeit und entspannte Spielhaltung, die aus vielen Clapton-Licks herauszuhören ist. Denn Eric war nie ein Schnellspieler nach dem Motto: möglichst viele Noten in möglichst kurzer Zeit. Seine bisweilen fast bedächtig wirkenden Blues-Improvisationen kosten dagegen das Gewicht einzelner Noten bewusst aus.

Obwohl sich die Dinge für ihn optimal zu entwickeln schienen – die Yardbirds waren in der Londoner Club-Szene ständig ausgebucht –, verdunkelten bald düstere Wolken seinen Horizont. Schuld daran war seine Mutter Pat, die sich plötzlich aus Deutschland zurückmeldete, wo ihr Mann Frank jetzt auf einem Luftwaffenstützpunkt in der Nähe von Bremerhaven stationiert war. Als der Clapp/Clapton-Clan schließlich Rose, Jack und Eric über Weihnachten nach Deutschland einlud, sahen Erics Großeltern bereits die Chance für eine versöhnliche Familienzusammenführung.

Clapton blieb jedoch skeptisch. Und er sollte Recht behalten, denn der Trip erwies sich als Reinfall. Zuerst wurde ihm von seinem Stiefvater wegen zu langer Haare untersagt, am gemeinsamen Abendessen in der Offiziersmesse teilzunehmen. Von seiner Mutter bekam er in dieser Frage ebenso wenig Unterstützung wie von seinen Halbgeschwistern oder seinen Großeltern: Er solle keine Szene machen. Ein radikal kurzer Bürstenschnitt, wie man ihn jungen Rekruten verpasste, war die Folge. Ihren Tiefpunkt aber erreichte die gezwungene Zusammenkunft, als sich Erics Halbbruder Brian unabsichtlich auf die geliebte Washburn-Akustikgitarre setzte, die Eric mitgebracht hatte und deren Hals nun brach: »Damals habe ich meine Mutter mit ihrer ganzen Familie zur Hölle gewünscht. Ich kapselte mich vollkommen ein und beschloss, in Zukunft niemandem mehr zu vertrauen«, so zitiert Philip Norman Clapton in seiner Slowhand-Biografie.


Rockstar oder schüchterner Klosterschüler? Die Yardbirds 1964 (v. l.) mit Paul Samwell-Smith, Chris Dreja, Keith Relf und Eric Clapton

Mit beschämendem Kurzhaarschnitt kehrte Eric am 4. Januar 1964 zu den Yardbirds zurück, wo ihn zwischenzeitlich der befreundete Roger Pearce auf seiner alten Kay-Gitarre vertreten hatte. Gomelsky blieb nicht untätig, um seine Jungs zusammenzuschweißen und mietete für die Yardbirds ab Februar eine WG-Wohnung im Londoner Stadtteil Kew. Clapton genoss die neue Freiheit in vollen Zügen, für ihn war es »eine tolle Zeit, weil ich zum ersten Mal von zu Hause weg war«. Ein ganzer Schwarm von Groupies begleitete die Yardbirds inzwischen von Auftritt zu Auftritt.

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