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Weiter geht die Nachsuche. Einige Male müssen wir auf unseren eigenen Fährten zurück, um kurz darauf die Wundfährte in korrigierter Richtung wieder aufzunehmen. Mittlerweile dunkelt es schon, doch immer wieder holen wir den Bullen ein. Da ist er ... Christoph schießt, trifft aber nicht. Der Bulle flüchtet erneut. Ich gehe in Anschlag, zögere noch eine Sekunde - jetzt habe ich ihn frei und lasse fliegen. Mit einem „Texas Heart Shot“, einem schnellen Schuss auf die Wirbelsäule des fliehenden Bullen, geht dieser zu Boden. Das 11,34 Gramm schwere Geschoß hat die Wirbelsäule durchschlagen, der Bulle ist im Knall verendet. Uns allen fällt ein Stein vom Herzen, diese Nachsuche hatte es wirklich in sich. Dank der außerordentlichen Fähigkeiten unserer Spurenleser ist das verwundete Tier doch noch zur Strecke gekommen. Wieder einmal zeigt sich die Zähigkeit dieser Antilopenart: Obwohl der erste Schuss den Oberschenkelknochen des Vorderlaufs völlig zerstört hatte, floh das Gnu noch über eine Distanz von mehr als 3 Kilometer ...

Zurück im Camp serviert Johnson Oryx-Kebabspieße unter dem afrikanischen Sternenhimmel, gefolgt von Springbocksuppe und dicken Steaks, die Riaan fachmännisch auf dem Grill zubereitet. Clive berichtet, dass die Geschäfte wegen zunehmender Repressalien gegen die Jagdindustrie seitens des Präsidenten Ian Khama nicht mehr gut laufen. In Botswana werden immer mehr Konzessionen für die Jagd geschlossen und die vormaligen Jagdblöcke an Tourismusunternehmen vergeben. Möglicherweise ist dies für uns eine der letzten Gelegenheiten, in diesem wunderbaren Land zu jagen.

Buschfeuer

Noch einmal reißt mich der Naro-Weckdienst um fünf aus tiefem Schlaf. Kurzes duschen, dann rein in die namibianischen Robbenlederstiefel, die sich bisher gut bewährt haben. Darüber trage ich Gamaschen, die das Eindringen von Nässe und Schmutz verhindern. Sonnencreme mit Lichtschutzfaktor 50 ist hier ein Muss. Da insbesondere auf der Frühpirsch auf dem Dach des Jagdwagens kühle Temperaturen herrschen, bin ich froh über meine gefütterte Jacke und ein grünes „Shemag“-Halstuch, das später am Tag, um den Kopf geschlungen, als Sonnenschutz dient.

Wieder bewegt sich eine mehrere Kilometer hohe, tiefschwarze Wolkenwand auf uns zu, aus der vereinzelt grelle Blitze zucken. Der Geruch von Rauch liegt in der Luft. Durch die heftigen Blitzeinschläge hat sich ein Buschfeuer entzündet, das nun in nicht allzu weiter Entfernung wütet und schnell außer Kontrolle gerät. Per Funk wird Clive benachrichtigt, der sofort ein Team losschickt, um die genauen Ausmaße des Buschfeuers in Augenschein zu nehmen und, wenn nötig, geeignete Gegenmaßnahmen zu ergreifen.

Währenddessen setzen wir unsere Suche nach einem geeigneten Gnu-Bullen fort. Kurz vor 11 Uhr, die Sonne brennt bereits heiß, entdeckt Besa linker Hand im dichten Busch einen alten Gnubullen. Der scheint zu passen. Die letzten Meter legen wir auf allen vieren zurück. Der Bulle steht in einer kleineren Lichtung zwischen zwei Dornenbüschen. Leider habe ich kein freies Blickfeld, sondern muss hinter einem Dornenbusch Deckung suchen, da der Bulle bereits in unsere Richtung äugt. Riaan raunt, ich solle mich auf dem Bauch pirschend alleine vorwärts bewegen und den Bullen, wenn möglich, aus der liegenden Position beschießen. Gesagt, getan.


Ich lasse mich auf den Bauch nieder, krieche langsam vorwärts und wage kaum aufzusehen. Der Bulle steht mir spitz zugewandt. Langsam nehme ich die Büchse hoch. Das Fadenkreuz fasst die Kammer des Bullen. Ich atme noch einmal tief durch und erhöhe langsam den Druck auf den Abzug. Der Schuss bricht. Das 11,34 Gramm Geschoss durchschlägt die Kammer. Dennoch springt der Bulle in einem großen Satz nach rechts ab, dreht sich wild um 180 Grad und flieht in weitem Bogen hinaus aus unserem Sichtfeld und hinein in den dichten Busch. Wir springen auf und eilen hinterher...Die Fluchtdistanz beträgt trotz Kammerschuss noch 300 Meter! - Dann sehen wir ihn liegen.

Es handelt sich um einen ca. zwölfjährigen Bullen. Die Hörner sind bereits etwas zurückgesetzt und verfügen über eine deutliche Maserung. Die dunkle Decke glänzt in der Mittagssonne, und ich bin überglücklich über diesen Jagderfolg. Anfangs hatte mein Bruder Christoph mich eher überreden müssen, auf ein Gnu zu waidwerken, da ich seine Faszination für diese archaisch anmutenden Antilopen nicht teilen konnte. Seitdem ich jedoch auf dieser Reise Gelegenheit hatte, diese Tiere in ihrer natürlichen Umgebung kennen zu lernen, bin auch ich fasziniert von ihrer Zähigkeit, ihrem unbändigen Überlebenswillen und ihrer urtümlichen Kraft.

Meine Flasche gut gekühlten Windhoek-Bieres ist noch nicht halb geleert, als bereits die ersten Geier über uns kreisen, in der Hoffnung, etwas von Festmahl abzubekommen.

Den Abend lassen wir gemeinsam mit Clive, seiner Frau Linda und seinem Vater sowie Riaan am Lagerfeuer ausklingen. An die Abreise morgen möchten wir noch gar nicht denken. Noch sind wir hier und genießen mit allen Sinnen die Gerüche, die Geräusche und die nicht in Worte zu fassende Faszination einer Jagdsafari im Herzen der Kalahari-Wüste Botswanas.

* * *

II. Europa: Zur Hirschbrunft in den schottischen Highlands - ein Wechselbad der Gefühle

My heart's in the Highlands, my heart is not here,

My heart's in the Highlands a-chasing the deer -

A-chasing the wild deer, and following the roe;

My heart's in the Highlands, wherever I go

Robert Burns

Auftakt

Steil bergab, durch nasstriefendes Heidekraut pirsche ich auf dem Bauch liegend hinter meinem Jagdführer Ewen her. Meter für Meter nähern wir uns langsam dem Brunftrudel, das sich unter uns in einer Talsenke befindet. Noch haben wir keinen Sichtkontakt, doch das Röhren des Platzhirsches ist bereits deutlich vernehmbar. Hinter einer kleinen Senke ruhen wir uns kurz aus. Trotz des kühlen Windes bin ich schweißüberströmt, denn die Pirsch in den schottischen Highlands ist anstrengend. Wolken ziehen auf und hüllen die uns umgebenden Gipfel in einen dichten, weißen Schleier. Nach kurzem Verschnaufen geht mein Griff zur Brusttasche meiner Jagdjacke, um mich zu vergewissern, dass der Autoschlüssel unseres Mietwagens und mein Handy die rutschige Partie über Felsen und durch kleine Bachläufe unbeschadet überstanden haben. Es trifft mich wie Donnerschlag - die Tasche ist leer ... und um uns herum nur Heidekraut, Nebel und röhrende Hirsche. Doch der Reihe nach:

Schottland empfängt uns

Am Nachmittag des 4. Oktober war es endlich losgegangen - in Richtung der schottischen Highlands. Mein Bruder Franz und ich brannten darauf, hier zum ersten Mal auf den brunftenden Rothirsch waidzuwerken, während unser Bruder Christoph, selbst Jungjäger, als Begleitperson erste „jagdliche“ Luft schnuppern wollte. Viel hatten wir von Schottland gehört, von atemberaubender Landschaft und anstrengender, aber lohnender Pirsch auf den „Red Stag“, den König des Hochlands.

Während unser Bruder Franz wegen einer Prüfung erst später zu stoßen kann, geht es für Christoph und mich von München aus per Direktflug ins schottische Edinburgh. Wir landen sicher, trotz einiger Turbulenzen und dichtem Bodennebel. Auf dem Parkplatz Nr. 239 wartet bereits ein silberfarbener Mietwagen auf uns. Dank des mitgebrachten GPS-Geräts geht es bald ab durch die Nacht in Richtung des Zentrums von Edinburgh.

Im Ramada Royal Hotel beziehen wir unser Zimmer, das einen herrlichen Anblick auf die nachts hell erleuchtete Festung von Edinburgh bietet. Doch nichts hält uns im Hotelzimmer. Wir ziehen los, um die Nacht in der schottischen Hauptstadt zu erkunden. Im Restaurant „Element“ gibt es erst mal ein englisches Ale und einen saftigen Burger. Dann ziehen wir weiter, die Rose Street hinunter. Wir verweilen in einer kleinen Bar mit lauter Musik, in der eine lustige Mischung junger Leute, zum Teil in den skurrilsten Verkleidungen fröhlich das Wochenende einläutet.

Nach einem ausgiebigen Frühstück im Hotel empfängt uns die Stadt mit gleißendem Sonnenschein und blauem Himmel. Wir schlendern den Castle Rock, einen erloschenen Vulkan hinauf zum Edinburgh Castle, einem der bedeutendsten Sehenswürdigkeiten Schottlands. Doch die Burg ist noch geschlossen. Ein ungeduldiger chinesischer Tourist fragt einen unbeweglich Wache haltenden Soldaten „Now open?“ doch er erhält - welch Wunder - keine Antwort. Als uns endlich Einlass gewährt wird, besichtigen die Waffenkammer, das Kriegsmuseum und Heldendenkmäler in dieser nach wie vor vom „Royal Regiment of Scotland“ genutzten Festung. Anschließend geht es hinab zur „Royal Mile“, die viele Geschäfte beherbergt, aber sehr touristisch ist. Souvenirshops reihen sich hier aneinander, gelegentlich unterbrochen von bunten Pubs mit reich verzierten Vorderfronten, schmucken Blumen und golden blitzenden Schildern.

Fahrt in die Highlands

Wenig später sitzen wir wieder in unserem silberfarbenen Gefährt und es geht los - in Richtung Highlands. Bald nach Verlassen der Stadt fahren wir an abgeernteten Getreidefeldern mit golden leuchtenden Strohballen vorbei. Unterwegs sehen wir Schafe, Fasanen und sogar vereinzelt Rotwild. Unser erster Halt ist die Kleinstadt Pitlochry am Fuße der Grampian Mountains, einem der Hauptgebirgszüge der schottischen Highlands. Wir besichtigen die kleine Whisky-Destillerie „Blair Athol“, die bereits 1789 gegründet wurde, und decken uns auch gleich mit einer Flasche Whisky für die bevorstehende Jagd ein. Denn sollten wir Waidmannsheil haben, wollen wir jedenfalls nicht auf dem Trockenen sitzen. Weiter geht es zum Ziel unserer Reise, in das verschlafene Dörfchen Kingussie. Wir besichtigen die Überreste der bereits im Jahre 1229 erbauten, malerisch gelegenen Festung Ruthven, die sich kurz vor dem Ortseingang befindet.

Kurze Zeit später beziehen wir unsere Zimmer in dem freundlichen Guest-House „Hermitage”, wo uns der Besitzer Peter herzlich willkommen heißt. Mein Zimmer hat lila Wände, eine gelbe Decke, rosa Vorhänge, einen hellblauen Veloursteppich und bunte Blumenbilder an den Wänden. Über mangelnde Farbe kann ich mich wahrlich nicht beschweren. Nach einem vorzüglichen Dinner telefonieren wir mit unserem Jagdveranstalter, um den Zeit- und Treffpunkt für die morgige Jagd auszumachen. Ich teile ihm mit, dass wir vorerst nur einen Jagdführer benötigen, denn unser Bruder Franz, der kurzfristig umbuchen musste, wird erst morgen eintreffen und Christoph begleitet die Jagd ja nur als Beobachter, obwohl er seinen Jagdschein druckfrisch in der Tasche hat. „Warum jagt denn Christoph nicht, ich habe jetzt einen zusätzlichen Jagdführer frei?” ist die naheliegende Frage des Veranstalters. Ja, warum eigentlich nicht? Kurz diskutiere ich mit Christoph. Dies ist doch eine einmalige Gelegenheit für den frisch gebackenen Jungjäger, zumal morgen sein Geburtstag ist! Jetzt heißt es nicht lange zögern - er sagt zu!

Ins Jagdgebiet

Am nächsten Morgen gratuliere ich Christoph zunächst herzlich zum Geburtstag. Ich schenke ihm einen Flachmann, den ich in der Destillerie „Blair Athol“ erstanden hatte, selbstverständlich bis zum Rand gefüllt mit feinstem Single Highland Malt Whisky. Nach einem „English breakfast“ mit Ei und Bohnen empfängt uns ein herrlich roter Morgenhimmel, an dem nur vereinzelt Wolken zu sehen sind. Die Vorfreude auf die kommende Jagd ist mit Händen greifbar. Ich verabschiede mich von meinem Bruder, der später von dem Jagdführer (schottisch: Ghillie) Arthur abgeholt und zum Balavil-Estate gefahren wird. Dann mache ich mich mit dem Mietwagen auf, in Richtung der kleinen Siedlung Balgowan, in der ich nach Angabe des Veranstalters meinen Pirschführer, Ewen, treffen soll. Da ich allerdings keine Ahnung habe, wie Ewen aussieht, drehe ich einige Runden durch die kleine Siedlung, bis ich schließlich einen Mann in grüner Tarnhose hinter einem großen Toyota SUV stehen sehe. Das muss Ewen sein!

Hinten an seinen schwarzen Wagen befindet sich ein Anhänger mit einem seltsamen Fahrzeug. Es ist ein achträdriges Gefährt, Argo genannt, ein kleines Allradfahrzeug, für die Kletterfahrt auf die steilen Hänge der Highlands bestens geeignet. Wir begrüßen uns kurz, aber herzlich. Nachdem ich Ewen erläutert habe, dass ich aufgrund der rigiden Beförderungsbedingungen der Fluglinie Easyjet „unbewaffnet“ bin, holt er sein Werkzeug, eine finnische Sako mit schwarzem Synthetikschaft und Schalldämpfer im Kaliber .270 Win, die für die nächsten Tage meine Leihwaffe sein wird. Die obligatorischen Probeschüsse sitzen im Schwarzen.

Die Anfahrt mit dem SUV ins Jagdgebiet führt uns durch menschenleere, malerische Täler, umsäumt von rostrot strahlenden Berghängen, die zum Teil schon mit ersten Schneefeldern bedeckt sind. Wir jagen auf einem Gebiet von 30.000 ha, das nicht umzäunt ist. Ein reicher Däne hat es erst vor einem Monat erstanden. Ewen hatte früher einen landwirtschaftlichen Betrieb, den er aber vor 5 Jahren verkauft hat. Nun arbeitet er in der Wintersaison als Ghillie auf diesem Estate, im Sommer ist er Schafscherer. Er ist ein wortkarger, aber grundehrlicher Schotte mit einem ganz eigenen Charakter. Die Sonne scheint, als wir schließlich nach rechts in den Roughburn-Forest einbiegen, der uns einen Zugang zu dem ca. 1000 Meter hohen Gipfel des Bein Teallach eröffnet. Wir fahren eine Forststraße hinauf, durch einen dichten Nadelholzwald, bis das Gelände für den SUV zu steil wird. Ewen parkt den Wagen und wir laden unser Gepäck in den Argo um. Ohrenbetäubend röhrt der Motor des kleinen Gefährts, und im Nu ist die enge Fahrerkabine voll mit Abgasgeruch. Auch die Federung lässt sehr zu wünschen übrig, aber das alles ist jetzt egal - schließlich geht es auf die Jagd, und der Argo ist stark und wendig. Und allein das zählt.

Ewen verlässt unterwegs öfter den Argo, um die Hänge des Bein Teallach nach Rotwild abzuglasen. Auch ich springe bei jeder Gelegenheit aus dem Fahrzeug, vor allem, um wieder richtig Luft zu schnappen. Einmal winkt Ewen mich heran, und leise pirschen wir uns durch eine Fichtendickung. Ein Sikahirsch - doch er springt ab, als wir uns leise nähern. Doch es gilt in erster Linie dem Rotwild, deshalb heißt es weiter hinauf bis in die Gipfelregionen vorzustoßen und dort ein passendes Brunftrudel auszumachen.

Der Imperial

Weiter geht die Fahrt, eine schier endlose Stunde immer bergauf. Ein Weg ist hier nicht zu erkennen, und mühsam kämpft sich der kleine Argo über Fels und Heidekraut. Bald lassen wir die Baumgrenze hinter uns, die Gipfel sind bereits schneebedeckt. Wir halten kurz unterhalb der Schneegrenze. Der Wind pfeift, aber wir haben eine wunderbar klare Sicht auf die uns umgebenden Gipfel und Täler. Kein Haus, kein Zaun weit und breit, in der Ferne ein silbern schimmernder See. Braun-grüne Berghänge, grauer, kalter Fels, durchzogen von weißen Schneefeldern. Dann wieder freundlich strahlende Sonnenflecken und ein kobaltblauer Himmel.

Die Büchse geschultert, geht es über den Gipfelgrat des Bein Teallach hinweg, über glitschige Geröllfelder, dichtes Heidekraut, Schneeverwehungen und durch kleine Flussläufe. Als wir den Grat überschreiten, eröffnet sich uns der Blick auf eine weite braune Ebene, durchzogen von schwarzen Felsen und kleinen Teichen, in denen sich das Sonnenlicht silbern bricht. Jetzt zieht Ewen nach links, einen steilen Hang entlang. Das zum Teil kniehohe Heidekraut ist feucht, unsere Stiefel sind schnell durchnässt. Ab und zu verhoffen wir, um die Ebene unter uns abzuglasen. Mein Jagdführer hat ein Rotwildrudel ausgemacht! Im tiefen Gang, dann auf allen vieren geht es nun vorwärts. Hinter einer Felsengruppe gehen wir in Deckung. Das Glas bestätigt ein kleines Kahlwildrudel samt einem Hirsch, der sich nieder getan hat. Ich messe die Entfernung mit über 300 Meter, dazu weht ein steifer Wind. Da bleibt der Finger gerade. Wir müssen warten und hoffen, dass das Wild näher zieht - auch wenn das in dieser kalt-nassen Umgebung nicht gerade gemütlich ist. Nach über zwei Stunden des Wartens bin ich gehörig ausgekühlt. Jetzt zieht das Rudel auch noch ab, über einen Kamm - für uns unerreichbar. Doch der Tag ist noch jung. Unsere Aufmerksamkeit gilt wieder dem Talkessel vor uns.


Ich habe zwei dunkle Recken im Anblick, die aber fast einen Kilometer entfernt stehen. Langsam ziehen sie näher und werfen plötzlich auf. Von links kommt ein stolzer Hirsch mit erhobenem Haupt und sehr heller Decke angetrabt. Er vertreibt die Rivalen mit brunftigem Georgel. Er zieht immer näher zu uns her, das Glas bestätigt ein für schottische Verhältnisse stolzes Geweih. „An Imperial!“ flüstert Ewen - so werden hier die selten vorkommenden 14-Ender genannt. Das Jagdfieber beginnt in mir zu lodern - dieser und kein anderer soll es sein!

Doch dann lässt sich der Geweihte nieder, und noch ist er viel zu weit weg für einen sicheren Schuss. Nun ist guter Rat teuer. Ewen sieht keine Möglichkeit, näher heranzukommen, ohne dass der Hirsch uns mitbekommt. Ich fürchte schon, dass Ewen die Pirsch auf diesen Kapitalen abbrechen will, doch so leicht möchte ich mich nicht geschlagen geben. Nach einigem Hin und Her, schlage ich vor, den Hirsch direkt anzupirschen, einen Versuch ist es allemal wert. Mein Puls hämmert in meinen Schläfen, auf dem Bauch liegend geht es erneut abwärts, über Steine, Felsplatten, durch Schlamm und Rotwildlosung. Immer wieder blicke ich auf, um auch sicherzugehen, dass der Hirsch sich noch an Ort und Stelle befindet. Ewen ermahnt mich, mein Gesicht dem Boden zugewendet zu lassen. Zu auffällig ist meine bleiche Gesichtsfarbe in dieser von Grün- und Brauntönen dominierten Umgebung. Schließlich erreichen wir eine kleine Anhöhe und ich gehe in Anschlag. Immer noch beträgt die Distanz knapp 200 Meter. Doch näher kommen wir nicht heran. Ein paar Meter weiter fällt der Hang steil ab, der Ebene zu, auf der sich der Hirsch befindet. Ohne Deckung haben wir einfach keine Chance noch näher heranzukommen.

„Mach es dir bequem“, flüstert Ewen und ich entledige mich meines Rucksacks, des Glases und meiner Mütze. Mein Kopf glüht förmlich von der anstrengenden Pirsch, und ich bin ich völlig durchgeschwitzt. Nachdem sich mein Pulsschlag etwas normalisiert hat, gehe ich in Anschlag. Das Absehen des 8 × 50-Swarovski-Habicht-Zielfernrohres ruht auf dem Träger des Hirsches. Jetzt heißt es erneut warten. Nach einer Viertelstunde kommt der Kapitale schließlich hoch, durchschreitet eine Kuhle und zieht von links kommend auf eine kleine Anhöhe. Mit dem rechten Vorderlauf plätzt er in einer kleinen Pfütze und stößt immer wieder sein stolzes Geweih hinein, so dass Wasser und Schlamm nur so spritzen. Jetzt richtet er sich zu ganzer Größe auf und orgelt aus voller Brust. Das Fadenkreuz fasst Leben und ich lasse fliegen. Der Kapitale springt ab - unversehrt. Der Schuss ging daneben, denn ich hatte den Abzug „gerissen“ und den Hirsch glatt überschossen. Das Jagdfieber schüttelt mich förmlich - mein erster Hirsch und das hier in Schottland! Ich bekomme meinen Puls kaum unter Kontrolle, doch zwinge ich mich, sofort wieder zu repetieren. Wenn er nun flüchtig abgeht? Doch nun fort mit diesen Gedanken und den Fokus wieder auf den Hirsch gelenkt! Erneut steht er breit - ein kurzer Blick zu Ewen, der mir sein O.K. gibt. Wieder lasse ich fliegen. Der Hirsch hat Schuss und geht mit den Vorderläufen runter. Ich hatte mich diesmal darauf konzentriert, den Druck auf den Abzug langsam zu erhöhen und mich vom Schuss überraschen zu lassen. Nach einigem Warten entschließen wir uns, einen Fangschuss anzutragen. Auf dem Hintern rutschend, gleiten wir den steilen Abhang hinunter und nähern uns vorsichtig dem Stück. Ich setze einen Fangschuss an, der Hirsch richtet sich noch einmal auf und sackt dann endgültig in sich zusammen. Ehrfürchtig treten wir heran - tatsächlich, es ist ein ungerader 14-Ender, kaum kann ich mein Glück fassen. Ich ehre ihn mit dem letzten Bissen und bin überwältigt von meinen Emotionen, einer Mischung aus heller Freude und tiefer Ergriffenheit.

Ein kräftiger Schluck schottischen Whiskys aus dem mitgebrachten Flachmann gibt uns neue Energie für die vor uns liegende Bergung, die alles andere als einfach wird. Ich verrichte die rote Arbeit und wir ziehen den gefallenen Recken auf eine kleine Anhöhe, um ihn besser mit dem Argo bergen zu können. Nun geht es wieder bergauf, wir überqueren den Grat zurück auf die andere Seite, wo der Argo auf uns wartet. Ein eiskalter Wind pfeift und Wolkenfetzen jagen an uns vorüber. Unvermittelt zieht dichter Nebel auf und die Sichtweite reduziert sich auf ca. 5 Meter. Die eigentlich sehr ungemütliche Fahrerkabine des stinkenden, lauten Argo vermittelt in dieser kargen und unwirtlichen Umgebung auf einmal etwas wie Geborgenheit.

Wir rumpeln los, im Schritttempo schiebt sich der Argo über Felsen, durch Tümpel, Gräben und Schneefelder. Angesichts des starken Gefälles hat Ewen alle Hände voll zu tun, das Gefährt vor dem Umkippen zu bewahren. „An easy stag is seldom gotten“, brüllt Ewen lachend gegen den gehörigen Lärm des ruckelnden Argos an. Schließlich schaffen wir es, den Imperial zu bergen, und schon geht es wieder zurück, diesmal bergauf, bis wir völlig durchgeschüttelt, aber wohlbehalten auf der anderen Seite des Berges ankommen.

Ich treffe Christoph in unserem gemütlichen Guest-House, und er berichtet ausführlich von einer spannenden und erfolgreichen Pirsch auf seinen Geburtstagshirsch, den er auf 80 Meter Entfernung mit einem sauberen Blattschuss erlegen konnte. Ein herzliches Waidmannsheil zum ersten Stück Schalenwild!

Am Abend telefoniere ich mit unserem Jagdveranstalter und erzähle ihm von dem erlegten 14-Ender. „Mein Gott - ich muss die Preise erhöhen!“ ist seine Reaktion. Später erzählt mir Ewen, dass der Jagdveranstalter ihn gerügt hat, mich diesen Hirsch schießen zu lassen. Denn in der folgenden Woche kommen betuchte amerikanische Trophäenjäger, die eine ordentliche Stange Geld für einen solchen Hirsch bezahlt hätten. Ewens Reaktion auf diese Rüge hat mir gut gefallen. Er hatte erwidert: „Ja, vielleicht mögen sie Geld haben. Aber sind die auch in Ordnung?“. Denn insbesondere mit Amerikanern hat Ewen bereits so seine Erfahrungen gemacht. Für manche, so erzählt er, stehe das Jagderlebnis völlig im Hintergrund, allein der Eintrag in die Rekordbücher zähle. Es sei sogar vorgekommen, dass ihm ein Amerikaner 500 Dollar extra für die Erlegung eines kapitalen Hirsches geboten habe. Doch wollte dieser „Rekordjäger“ selbst gar nicht jagen, Ewen sollte ihm den Hirschen strecken, denn die ehrliche Pirsch in den Highlands war ihm einfach zu anstrengend. Wenn Jäger mit besonders großem Ego kommen, „Großkopferte“, wie wir in Bayern sagen, führt Ewen sie absichtlich auf den geringsten Hirsch, den er finden kann, erzählt er schmunzelnd. Ein Mann mit Charakter!

Nach dem Dinner machen wir uns dann auf den Weg zum Flughafen Edinburgh wo wir unseren Bruder Franz abholen. Zurück in der Hermitage stoßen wir noch mit einem Glas Malt Whisky auf Christophs Geburtstag und unsere glückliche Zusammenkunft an, bevor wir uns erschöpft in unsere Kojen zurückziehen.

Wechselbad der Gefühle

Nach einem Tag Pause, an dem Christoph und ich unsere Reserven wieder auffüllen und einen Ausflug an den sagenumwobenen See Loch Ness machen, geht es am nächsten Morgen wieder auf die Jagd. Franz hat den Vortag genutzt und dank Ewans hervorragender Führung oberhalb des Roughburn-Forest, am Bein a’ Chaorain einen Achter und einen alten Recken vom achtzehnten Kopf erlegen können.

Franz wird heute von Arthur abgeholt und mit einem olivgrünen Range Rover zum Balavil-Estate gebracht. Christoph und ich hingegen gondeln mit unserem silberfarbenen SUV erneut nach Balgowan. Herrlicher Sonnenschein, braune Hügel und türkisblaue Bergseen begrüßen uns. Wir treffen Ewen auf seiner Farm. Er ist nicht gerade bester Laune und zieht die Mundwinkel noch weiter nach unten, als wir ihn fragen, ob Christoph mich als Beobachter begleiten kann. Irgendetwas passt ihm daran nicht, und er lässt es uns merken. Ein ganz eigener Charakter eben. Schließlich fahren wir im eigenen Auto hinter seinem schwarzen Toyota her ins Jagdgebiet, zum Roughburn-Forest . Dort laden wir unsere Ausrüstung in den Argo um. Ich überreiche Ewen ein Trinkgeld von Franz, der mit Ewens Jagdführung sehr zufrieden gewesen war. Sofort bessert sich Ewens Laune merklich.

Zu dritt besteigen wir die ohnehin schon enge Fahrerkabine des Argo und los gehts. Diesmal ruckeln wir nach Verlassen des Nadelwaldes einen Bogen nach links in Richtung des Bein a’ Chaorain.

Durch Gräben, über Felsplatten, Heidekraut und Schneefelder geht es dem Gipfel entgegen, über uns ein strahlend blauer Himmel bei Sonnenschein. Unterwegs halten wir und Ewen erglast einen starken Hirsch samt Kahlwild, den wir aber pardonieren. Ewen schmunzelt, als er sagt: „Der ist zu kapital für dich!“ - eine Anspielung auf die Rüge des Jagdveranstalters. Die Baumgrenze haben wir längst hinter uns gelassen, als wir in einer Mulde vor einem Bergkamm halten, hinter dem unser Stalker Rotwild wittert. Geduckt lassen wir uns seitlich aus dem Fahrzeug gleiten. Auf allen vieren geht es bergauf, Ewen mit seiner klassischen Sherlock-Holmes-Mütze voran. Flink wir eine Gams springt er den Berg hinauf, Christoph und ich haben sichtliche Mühe mitzuhalten. Schließlich hält er und glast den Hügel hinter dem Grat ab.

Ewen gibt mir ein Zeichen, ich robbe zu ihm herüber. Etwa 150 Meter vor uns hat sich ein Hirsch mit einigen Stücken Kahlwild niedergetan. Die Büchse lege ich auf meinem Rucksack auf, versuche es mir so bequem wie möglich zu machen und gehe in Anschlag. Jetzt heißt es warten, der Wind pfeift unangenehm. Schließlich kommt der Hirsch hoch, ich halte aufs Blatt und lasse fliegen. Zu tief, das Geschoss wirbelt Schlammfetzen zwischen den Läufen des Geweihten hoch. Jetzt volle Konzentration, ... Schuss ... wieder daneben. Das ist ja ein Alptraum. Auch der dritte Schuss geht ins Nichts. Rechts vorbei ... „Stopp! Du hörst jetzt auf zu schießen ... Du zitterst ja wie Espenlaub!“, herrscht mich Ewen an. Ich bin enttäuscht und frustriert. Mit dem Schießen hatte ich eigentlich nie Probleme. Offensichtlich habe ich die Winddrift falsch eingeschätzt. Ein Nachmessen der Distanz ergibt zudem, dass die Distanz größer war als gedacht. Die Stücke hatten knapp 250 Meter weit entfernt gestanden hatten. Wahrscheinlich war es eine Mischung aus allem. Das Rudel hat sich zwischenzeitlich in Sicherheit gebracht - ab über die nächste Hügelkuppe. Es hilft nichts - wir müssen diesen Hang hinunter und drüber wieder hoch, dem Rudel nach. Erneut ziehen Wolken auf, Nebelfetzen jagen an uns vorbei. Der Aufstieg zieht sich länger und länger. Mir ist heiß, in meinen Ohren nur der pfeifende Wind, mein hämmernder Puls und mein keuchender Atem. Langsam komme ich an die Grenzen meiner Ausdauer, obwohl ich den Sommer über kräftig in den Alpen trainiert habe. Schließlich nähern wir uns dem Gipfel, ab und zu blitzt die Sonne wieder durch, und wir haben einen fantastischen Ausblick auf das uns umgebende Tal mit silbern glänzenden Seen.


Endlich, nach einem schier endlosem Aufstieg machen wir eine wohlverdiente Pause. Im feuchten Heidekraut machen wir es uns so bequem wie möglich und ich komme wieder zu Kräften. Der Himmel reißt auf, und zwei Regenbögen entstehen wie aus dem Nichts - ein Anblick, der in die Seele dringt.

Ewen bittet Christoph, hier zu warten, während wir unser Glück erneut auf das Rudel versuchen wollen, das unser Jagdführer im unteren Hang hinter dem nächsten Grat vermutet. Nun geht es schnellen Schrittes bergab, erst aufrecht, dann erneut auf allen Vieren. Schließlich bewegen wir uns auf dem Bauch robbend auf eine kleine Anhöhe zu, hinter der Ewen das Rudel vermutet. Ich habe, das muss ich ehrlich zugeben, die Orientierung mittlerweile verloren. Tatsächlich, in etwa 300 Meter Entfernung ist das Brunftgeschehen in vollem Gange. Ich versuche eine stabile Schussposition einzunehmen. Aber da mein Kopf bergab und meine Füße bergauf zeigen, finde ich keine Position, die einen sicheren Schuss erlaubt. Zudem ist der ins Visier genommene Hirsch einfach noch zu weit entfernt. Und angesichts meiner zuvor getätigten Fehlschüsse bin ich nach wie vor etwas verunsichert. „Ich muss näher ran“, flüstere ich Ewen zu. „You’re like a woman - you’re hard to please“, erwidert dieser. Typisch schottischer Humor eben.

Also weiter bergab, kriechend, dann wieder robbend durch schlammige Pfützen und durch einen kleinen Bachlauf, der mit seinem eiskalten Tauwasser meine Hose und Jacke endgültig durchnässt. Die Mütze rutscht mir ständig ins Gesicht, meine Handschuhe triefen vor Nässe.

Wir halten in einer kleinen Kuhle, in der uns das Wild nicht eräugen kann, und rasten kurz. Ich ziehe meine nassen Handschuhe aus und taste nach der Brusttasche meiner Jacke, um zu prüfen, ob mein Handy durch die Nässe Schaden genommen hat. Die Tasche des Reißverschlusses öffnet sich vertikal von oben nach unten - der Reißverschluss ist auf, die Tasche ist leer! Die Autoschlüssel unseres Mietwagens und das Handy sind weg - verloren auf der Pirsch irgendwo im dichten Heidekraut des sich über uns auftürmenden Bein a’ Chaorain. Hilflosigkeit und Verzweiflung bemächtigen sich meiner. An den Hirsch mag ich jetzt gar nicht denken. Ewen sieht das anders. „Erlege du zunächst den Hirsch, dein Zeug suchen wir dann später“. Als er merkt, dass ich zögere, fragt er: „Willst du überhaupt noch schießen?“ Gute Frage!

Da die Arbeit einer stundenlangen Pirsch hinter uns liegt und die Sachen sowieso weg sind, entschließe ich mich zum Schuss. Ich versuche meinen Kopf leer zu machen und mich einzig auf mein Ziel zu konzentrieren. Gerade als ich in Position bin, springt der Hirsch ab und widmet sich erneut einem der Stücke im Kahlwildrudel. Alle Stücke sind in Bewegung, der Hirsch orgelt und flähmt. „Nimm ihn, wenn er ruhig steht“, flüstert mir Ewen zu. Leichter gesagt als getan, denn der Recke zieht unaufhörlich umher, von Stück zu Stück. Jetzt - er steht breit. Ich halte drei Finger breit hinter dem Blatt an und lasse fliegen. Der Hirsch strauchelt und fällt.

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9783847665335
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