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Vom Umgang mit der Dienerin

Doch lass es dir vorher angelegen sein, die Dienerin des Mädchens, das du erobern willst, kennenzulernen. Sie wird dir den Zugang erleichtern. Sieh zu, dass sie die engste Beraterin deiner Dame und eine völlig zuverlässige Mitwisserin für verschwiegene Scherze sei. [355] Bestich diese durch Versprechungen und durch Bitten. Was du erstrebst, wirst du leicht bekommen, wenn sie es will. Sie wird den Zeitpunkt auswählen (auch Ärzte achten ja auf die rechte Zeit), da das Herz ihrer Gebieterin zugänglich und leicht zu erobern ist. [359] Ihr Herz wird dann leicht zu erobern sein, wenn es sich in freudiger Stimmung entfaltet wie die Saat auf fettem Boden. Während das Herz sich freut und kein Schmerz es bedrückt, ist es von selbst aufgeschlossen; dann schleicht sich Venus mit schmeichelnder Kunst heran. Damals, als es traurig war, wurde Troia mit Waffen verteidigt; als es fröhlich war, nahm es das Pferd auf, das Soldaten gebären sollte. [365] Dann auch muss man sie in Versuchung führen, wenn sie betrübt ist, weil eine Rivalin ihr Kummer bereitet. Dann wirst du ihr dazu verhelfen, sich zu rächen. Möge die Magd sie, wenn sie ihr früh am Morgen das Haar kämmt, aufhetzen, gleichsam dem Segel mit dem Ruder nachhelfen und still für sich seufzend murmeln: [370] »Aber ich glaube, du brächtest es ja wohl doch nicht fertig, ihm mit gleicher Münze heimzuzahlen.« Dann möge sie von dir erzählen, überzeugende Worte hinzufügen und schwören, du sterbest vor wahnsinniger Liebe. Aber beeile dich, damit nicht das Segel schlaff herabfällt und der günstige Wind sich legt. Wie das zerbrechliche Eis schmilzt auch der Zorn mit der Zeit.

[375] Fragst du, ob es nützlich sei, auch die Dienerin selbst zu verführen? Erlaubst du dir dies, so gehst du ein großes Risiko ein. Die eine wird nach dem Liebesgenuss eifriger, die andere träger, die eine macht dich ihrer Herrin zum Geschenk, die andere will dich für sich. Der Ausgang ist ungewiss; mag auch der Zufall deinem Wagnis günstig sein, [380] so rate ich dir doch, Abstand zu halten. Ich will nicht über abschüssiges Gelände und spitze Berggipfel wandern, und kein junger Mann wird unter meiner Führung betrogen sein. Erregt sie aber, während sie Briefchen überbringt und in Empfang nimmt, durch ihre Gestalt und nicht nur durch ihre Beflissenheit dein Wohlgefallen, [385] so sieh zu, dass du zuerst die Herrin gewinnst; dann lass die andre als Begleiterin folgen. Du darfst beim Venusdienst nicht mit der Magd beginnen. Dies eine lass dir gesagt sein, wenn man der Kunst überhaupt den geringsten Glauben schenken kann und wenn der stürmische Wind meine Worte nicht übers Meer davonträgt: Entweder versuch es erst gar nicht oder führe es zu Ende! Du schaltest sie als Verräterin aus, [390] wenn sie einmal selbst mitschuldig ist. Es nützt nichts, wenn ein Vogel mit Leim an den Flügeln entflieht. Es ist nicht gut, wenn der Eber aus dem weitmaschigen Garn loskommt; der vom Haken verletzte Fisch soll hängen bleiben, wenn er einmal angebissen hat. [394] Hast du eine Frau in Versuchung geführt, so lass nicht locker und weiche nicht von der Stelle, es sei denn als Sieger. Aber halte es streng geheim! Denn wenn deine Spionin streng geheim gehalten wird, so wird dir jederzeit bekannt sein, was deine Freundin tut.

Die Wahl des Zeitpunkts

[399] Derjenige täuscht sich, der glaubt, nur die fleißigen Ackerbauern und die Seefahrer müssten auf den rechten Zeitpunkt achten. Nicht immer darf man die Saat der Ceres den trügerischen Äckern, nicht immer das hohle Schiff dem grünlichen Wasser anvertrauen: So ist es auch nicht immer gefahrlos, nach zarten Mädchen zu angeln; oft wird, wenn man sich Zeit lässt, das Gleiche besser gelingen. [405] Wenn der Geburtstag oder die Kalenden37 nahe sind, die Venus mit Freuden auf den Monat des Mars folgen lässt, oder der Zirkus nicht wie vorher mit kleinen Figuren38 geschmückt ist, sondern die Schätze von Königen zur Schau stellt, dann verschiebe dein Werk; dann herrscht für dich düsterer Winter, dann bedrohen dich die Plejaden39, [410] dann taucht das Sternbild des zarten Böckleins40 ins Meerwasser. Dann ist es gut, nichts zu unternehmen. Wer sich jetzt auf die hohe See wagt, bekommt mit Mühe die treibenden Planken seines zerschmetterten Schiffes zu fassen. Anfangen darfst du jedoch an dem Tag41, als trauervoll der Alliafluss von Latinerwunden blutig war, [415] oder an dem geschäftsfreien siebten Tag, den der Jude regelmäßig feiert. Streng tabu sei für dich hingegen der Geburtstag der Freundin. Der Termin, an dem man etwas schenken muss, sei für dich ein schwarzer Tag!

Geschenke und Liebesbriefe

Magst du der Gefahr auch gut aus dem Wege gegangen sein, dein Mädchen wird dich dennoch plündern; eine Frau findet schon einen Kunstgriff, wie sie einen leidenschaftlichen Liebhaber rupfen kann. [421] Ein locker gegürteter Händler wird zu deiner kauflustigen Dame kommen, und du wirst dabeisitzen, wenn er seine Waren auspackt. Sie wird dich auffordern, diese zu besichtigen, so dass du als Sachverständiger erscheinst; dann wird sie dir einen Kuss geben und dich schließlich bitten zu kaufen. [425] Sie wird schwören, sich damit auf viele Jahre zufriedenzugeben, und sagen, jetzt brauche sie es dringend, jetzt kaufe man günstig. Wirst du vorschützen, du habest kein Geld dabei, um zu bezahlen, so fordert sie einen Scheck – und du bedauerst, dass du schreiben gelernt hast. Was dann, wenn sie durch einen angeblichen Geburtstagskuchen Geschenke erpresst [430] und, sooft sie etwas braucht, Geburtstag feiert? Was dann, wenn sie todtraurig über einen erlogenen Schaden weint und erdichtet, ein Edelstein sei ihr vom Ohr gefallen? Vieles erbitten sie leihweise, wollen es aber nicht zurückgeben. Du trägst den Verlust, und dein Schaden wird dir nicht einmal gedankt. [435] Um die gottlosen Künste der Dirnen aufzuzählen, würden mir keine zehn Münder mit ebenso vielen Zungen reichen.

Wachs, hineingegossen in geglättete Täfelchen42, möge zunächst das unbekannte Gewässer erkunden; lass ein Wachstäfelchen als deines Herzens Mitwisser den ersten Schritt tun. Lass es deine Schmeicheleien und aufgezeichnete Liebesworte überbringen. Füge auch reichlich Bitten hinzu, wer du auch sein magst! [441] Achill schenkte dem Priamus auf seine Bitte hin Hektors Leichnam; selbst der zürnende Gott lässt sich durch eine bittende Stimme erweichen. Versprich nur recht viel – denn was kosten schon Versprechungen? Reich an Versprechungen kann jeder Beliebige sein. [445] Hoffnung hält, hat sie einmal Glauben gefunden, lange Zeit vor; sie ist zwar eine trügerische, aber eine zweckdienliche Göttin. Hast du einmal etwas gegeben, so wird man dich mit gutem Grund sitzen lassen können; sie wird das Erhaltene mitnehmen und nichts verloren haben. Aber was du nicht gegeben hast, bei dem erwecke stets den Eindruck, als wolltest du es geben: [450] So hat ein unfruchtbarer Acker oft den Besitzer getäuscht. So lässt der Spieler nicht ab zu verlieren, um nicht zu verlieren, und der Würfel ruft die gierigen Hände immer wieder zu sich zurück. Das tut not, das ist deine Aufgabe: ohne Vorleistung zur Vereinigung zu gelangen. Um nicht umsonst gegeben zu haben, was sie gab, wird sie es weiterhin geben.

[455] So gehe denn ein Briefchen hin, in schmeichelnden Worten verfasst, es erforsche ihren Sinn und erprobe als erstes den Weg: So haben Schriftzeichen, die auf einem Apfel zu ihr kamen, Cydippe getäuscht, und ohne es zu wissen, wurde das Mädchen durch ihre eigenen Worte gefangen. Lerne die edlen Künste, ich ermahne dich, römische Jugend, [460] nicht nur, um ängstliche Angeklagte zu schützen! Wie das Volk, der gestrenge Richter und der erlesene Senat, so wird auch das Mädchen, durch Beredsamkeit überwunden, sich ergeben. Aber deine Kraft bleibe verborgen, trage deine Redekunst nicht zur Schau und nimm dich vor gesuchten Worten in Acht. [465] Wer – außer einem Wahnsinnigen – deklamiert vor der zärtlichen Freundin? Oft war Geschriebenes ein triftiger Grund für Hass. Deine Rede sei glaubwürdig, deine Worte vertraut, aber schmeichelnd, so dass du persönlich mit ihr zu sprechen scheinst.

Nimmt sie das Geschriebene nicht an und schickt es ungelesen zurück, [470] so hoffe, sie werde es noch lesen, und bleibe deinem Vorsatz treu. Mit der Zeit kommen störrische Jungstiere vor den Pflug, mit der Zeit lernen Pferde, sich den geschmeidigen Zaum gefallen zu lassen. Ständiger Gebrauch scheuert einen eisernen Ring durch, ständiger Kampf mit der Scholle richtet die krumme Pflugschar zugrunde. [475] Was ist härter als Stein, was weicher als Wasser? Trotzdem höhlt das weiche Wasser den harten Stein. Sogar Penelope wirst du mit der Zeit besiegen – bleibe nur beharrlich! Du siehst: Troia fiel zwar spät, aber es fiel. Hat sie es gelesen und will sie nicht antworten, so zwinge sie nicht dazu; [480] sorg nur dafür, dass sie von dir immer neue Schmeicheleien zu lesen bekommt. Hat sie erst einmal lesen wollen, wird sie auch auf das Gelesene antworten wollen; diese Dinge kommen schrittweise, in ihrem natürlichen Rhythmus. Vielleicht wird zu dir sogar zuerst ein abweisender Brief kommen, mit der Bitte, sie nicht mehr zu belästigen. [485] Doch worum sie bittet, das befürchtet sie; worum sie nicht bittet, das wünscht sie: nämlich, du mögest beharren. Lass nicht locker, und du wirst endlich deinen Wunsch erfüllt bekommen.

Sonstige Annäherungsversuche

Lässt sie sich liegend auf einem Polster herumtragen, so tritt verstohlen zur Sänfte deiner Dame, und damit kein lästiger Lauscher deine Worte vernimmt, verbirg sie, [490] soweit du kannst, listig unter doppeldeutigen Zeichen. Oder wenn sie unbeschäftigt in der weiträumigen Säulenhalle spazierengeht, so halte auch du dich dort auf, geh bald voraus, bald folge ihr nach, bald beeile dich, bald schlendre langsam dahin. [495] Schäme dich auch nicht, an einigen zwischen euch liegenden Säulen entlangzugehen oder auch Seite an Seite mit ihr zu wandeln. Sie soll auch ja nicht ohne dich in all ihrer Schönheit im Halbrund des Theaters sitzen. Das beste Schauspiel für dich wird sie auf ihren eigenen Schultern mitbringen. Nach ihr wirst du dich umschauen dürfen. Sie wirst du bewundern dürfen. Rede viel mit den Augenbrauen, viel durch Zeichen. [500] Klatsche Beifall, wenn der Mime eine Mädchenrolle tanzt, und sei jedem Liebhaber gewogen, der dargestellt wird. Steht sie auf, so steh auf; solange sie sitzt, bleib sitzen. Verliere deine Zeit je nach der Laune deiner Dame.

Männliche Schönheitspflege

[505] Aber finde kein Gefallen daran, das Haar mit der Brennschere zu kräuseln, und reibe dir die Schenkel nicht mit rauem Bimsstein glatt. Überlass das den Eunuchen43, die heulend Mutter Cybele mit phrygischen Melodien ansingen. [509] Nachlässige Schönheit steht Männern. Theseus, der nie an der Schläfe eine einzige Haarnadel trug, war doch hinreißend für Ariadne. Phaedra liebte den Hippolytus; dabei war er ungepflegt. Die Göttin liebte den Waldmenschen Adonis. Durch Sauberkeit errege dein Körper Wohlgefallen, lass ihn auf dem Marsfeld bräunen. Die Toga sei gut passend und ohne Flecken. [515] Die Zunge am Schuh stehe nicht vor,44 die Zähne seien frei von Belag, und der Fuß schwimme nicht schlotternd in zu weitem Leder. Der Haarschnitt entstelle nicht deine Frisur zu Stacheln, Haar und Bart seien von kundiger Hand geschnitten. Lass die Nägel nicht vorstehen, lass sie sauber sein, [520] und aus den Nasenlöchern stehe dir kein Härchen hervor. Auch soll der Mund nicht übel riechen, der Atem nicht widerlich sein, und unter der Achsel soll nicht der stinkende Bock, der Herr der Ziegenherde, hausen. Alles Übrige überlass den lockeren Mädchen oder Leuten, die keine rechten Männer sind und um Männer buhlen.

Bacchus und Ariadne

[525] Doch wohlan, Bacchus ruft seinen Seher: Auch er unterstützt die Liebenden und ist der Flamme gewogen, die ihn selbst erwärmt. Das Mädchen von Cnossus45 irrte besinnungslos an unbekannten Sandstränden umher, wo die Wasser des Meeres an die kleine Insel Dia branden; und kaum vom Schlaf erwacht, in gürtellosem Gewande, [530] mit nacktem Fuß, ihr blondes Haar ohne Band, rief sie den tauben Wogen zu: »Du grausamer Theseus!« Und ein Tränenregen benetzte ihre zarten Wangen, die ein besseres Los verdient hätten. Sie schrie und weinte zugleich, aber beides stand ihr gut, die Tränen taten ihrer Schönheit keinen Abbruch. [535] Und wieder schlug sie mit den Händen an ihre so zärtliche Brust und sprach: »Der Ungetreue ist fort; was soll aus mir werden? Was wird aus mir?« Noch redete sie; da ertönten am ganzen Gestade Cymbeln und Pauken, geschlagen von gottbegeisterter Hand. Sie wurde vor Schreck besinnungslos, und die letzten Worte blieben ihr im Halse stecken. [540] Aus der ohnmächtigen Gestalt war das Blut gewichen. Schau, da kommen die Mimalloniden46, denen das Haar offen auf den Rücken fällt, da kommen die leichtfüßigen Satyrn, die Vorhut des Gottes. Da ist der trunkene alte Silen: Kaum kann er noch auf dem durchhängenden Eselsrücken sitzen und hält sich mit List und Tücke krampfhaft an der Mähne fest. [545] Während er den Bacchantinnen nachgeht und diese flüchten und ihn wieder angreifen, während der schlechte Reiter seinem Vierbeiner mit der Gerte zusetzt, verlor er das Gleichgewicht und fiel vom Langohr herunter auf den Kopf. Die Satyrn schrien: »Steh auf, Väterchen, steh auf!« Schon ließ der Gott auf dem Wagen, den er mit einer traubenschweren Weinlaube überdacht hatte, [550] den vorgespannten Tigern die goldenen Zügel schießen. Da entschwand dem Mädchen die Gesichtsfarbe, die Stimme und auch der Gedanke an Theseus. Dreimal wollte sie fliehen, dreimal hielt die Furcht sie zurück. Sie erschauerte wie taube Ähren, die der Wind bewegt, wie das leichte Schilfrohr, das im feuchten Sumpfe zittert. [555] Zu ihr sprach der Gott: »Sieh, ich bin für dich da, ein treuerer Beschützer. Fürchte dich nicht, Mädchen von Cnossus, du wirst Bacchus’ Gemahlin. Nimm den Himmel zum Geschenk: Am Himmel wirst du als Sternbild zu sehen sein, oft einem unsicheren Schiff als kretische Krone den Weg weisen.« Sprach’s und sprang vom Wagen, damit sie die Tiger nicht fürchte, [560] und der Sand gab unter seinem Fuße nach. Dann nahm Bacchus sie an seine Brust, denn sie hatte keine Kraft, sich zu wehren, und er trug sie fort; es wird hier dem Gott leicht, seine Allmacht durchzusetzen. Ein Teil singt: »Hymenaee«47, ein Teil schreit: »Euhion, euhoe.«48 So verbinden sich auf heiligem Lager die Braut und der Gott.

Das Gastmahl

[565] Wenn also die Gaben des Bacchus für dich aufgetischt sind und eine Frau dein Speisesofa teilt, dann bete zum Vater der Nacht49 und seinen nächtlichen Weihen, dass sie dem Wein verbieten, deinem Kopf zu schaden. Hier darfst du vieles in geheimer Zeichensprache sagen, [570] von dem sie spüren soll, dass es ihr gilt, darfst leichte Schmeicheleien mit klarem Wein niederschreiben, damit sie auf dem Tisch lesen kann, dass sie die Dame deines Herzens ist, darfst auch Auge in Auge schauend deine Liebesglut erraten lassen. Oft hat eine stumme Miene Stimme und Wort. [575] Reiß als Erster den Becher an dich, den ihre Lippen berührten, und trink an der Stelle, wo dein Mädchen trinkt. Und von jeder Speise, von der sie sich mit den Fingern etwas nahm, nimm auch du und berühre dabei ihre Hand. Es sei auch dein Wunsch, dem Mann50 der Geliebten zu gefallen. Er wird euch mehr nützen, wenn er dein Freund wird. [580] Kommst du durchs Los an die Reihe zu trinken, so lass ihm den Vortritt; sein Haupt soll den Kranz bekommen, der für das deine bestimmt war; steht er unter dir oder dir gleich, so soll er doch von allem vor dir nehmen; trage auch keine Bedenken, immer erst nach ihm zu sprechen. [585] Sicher und beliebt ist die Methode, unter dem Namen der Freundschaft zu betrügen. Mag die Methode auch sicher und beliebt sein, so ist sie doch verwerflich. [Daher verwaltet ein Verwalter oft allzu viel und meint, er müsse mehr sehen51, als was ihm aufgetragen ist.] Wir werden dir ein festes Maß im Trinken setzen: [590] Verstand und Füße sollen dir noch dienstbar sein. Hüte dich besonders vor Scheltreden, zu denen der Wein aufstachelt, und vor allzu leicht entstehenden handgreiflichen Auseinandersetzungen. Eurytion kam um, weil er töricht den Wein trank, den man ihm vorsetzte. Besser passt zu Tafel und Wein sanfter Scherz. [595] Hast du Stimme, so singe; sind deine Arme gelenkig, so tanze und versuche durch jede Gabe zu gefallen, durch die du gefallen kannst. Zwar schadet echte Trunkenheit, doch erheuchelte wird dir nützen: Lass die Zunge listig mit lallenden Lauten stammeln, damit alles, was du allzu keck sagst oder tust, [600] auf übermäßigen Weingenuss geschoben werde. Und sage: »Auf das Wohl der Dame, auf das Wohl dessen, mit dem sie schläft.« Doch in der Stille wünsche den Mann zum Henker.

Überredung und Schmeichelei

Aber wenn die Gäste sich nach Aufhebung der Tafel verziehen, wird dir allein schon das Gedränge Annäherungsmöglichkeiten bieten. [605] Menge dich unter die Schar und streife leicht die Dame, die neben dir geht; zupfe sie mit den Fingern an der Seite und berühre ihren Fuß mit dem deinen. Jetzt ist der Zeitpunkt für das Gespräch da; fliehe weit weg von hier, bäurische Scheu! Dem Mutigen helfen Glück und Venus. Deine Beredsamkeit soll von uns nicht reglementiert werden. [610] Wisse nur, was du willst; dann wirst du von selbst beredt sein. Du musst den Verliebten spielen und seine Schmerzen mit Worten nachahmen; darin strebe mit aller Kunst nach Glaubwürdigkeit. Und es ist nicht schwer, Glauben zu finden. Jede hält sich für liebenswert; mag sie auch abgrundhässlich sein, jeder gefällt die eigene Gestalt. [615] Oft hat freilich einer, der den Liebenden spielte, wirklich zu lieben begonnen, oft war er zum Schluss, was er am Anfang nur vorgetäuscht hatte. (Kommt desto mehr, ihr Mädchen, denen entgegen, die Liebe erheucheln! Aus der Liebe, die eben noch unecht war, wird eine echte werden.) Jetzt sei es die Aufgabe, ihr Herz durch Schmeicheleien allmählich zu fangen, [620] wie fließendes Wasser ein überhängendes Ufer unterhöhlt. Lass es dich nicht verdrießen, ihr Gesicht, ihr Haar zu loben, ihre feinen Finger und ihren kleinen Fuß. Auch keusche Herzen erquickt das Lob der Schönheit; auch Jungfrauen pflegen ihre Erscheinung und freuen sich daran. [625] Denn warum schämen sich Juno und Pallas52 immer noch, in den phrygischen Wäldern vor Paris’ Urteil nicht bestanden zu haben? Junos Vogel, der Pfau, zeigt seine Federn, wenn man ihn lobt; schaust du ihn schweigend an, versteckt er seine Herrlichkeiten. [629] Die Pferde freut es, wenn man ihnen während des Wettrennens die Mähne strählt und den Hals tätschelt.

Versprechungen, Betrug, falsche Tränen

Und sei im Versprechen nicht ängstlich; Versprechungen ziehen Mädchen an. Und rufe als Zeugen dafür nach Belieben Götter an. Iuppiter lacht aus der Höhe über die Meineide der Liebenden und lässt sie bedeutungslos im aeolischen Südwind verwehen. [635] Beim Styx pflegte Iuppiter der Juno Meineide zu leisten: Da er selbst das Beispiel gegeben hat, ist er jetzt in diesem Punkt nachsichtig. Es ist nützlich, dass es Götter gibt, und da es nützlich ist, wollen wir auch daran glauben. Weihrauch und Wein spende man auf den alten Opferherden. Keine sorglose Ruhe, die dem Schlafe ähnelt, [640] fesselt sie: Lebt schuldlos, dann steht die Gottheit euch bei. Gebt das Anvertraute zurück; Abmachungen haltet mit Hingabe ein; Arglist sei fern; befleckt eure Hände nicht mit Mordblut. Habt ihr Verstand, so betrügt nur die Mädchen ungestraft. Nur auf diesem Gebiet ist Redlichkeit eine größere Schande als Betrug. [645] Betrügt sie, die euch betrügen! Großenteils sind sie ein unheiliges Volk; lasst sie in die Schlingen gehen, die sie euch gelegt haben! Ägypten soll neun Jahre trocken geblieben sein – ohne Regen, der die Felder nährt. Da kommt Thrasius zu Busiris und zeigt ihm, [650] dass Iuppiter durch das Blut eines Fremden versöhnt werden kann. Zu ihm sprach Busiris: »Du sollst als Erster Iuppiters Opfertier werden, und du, Fremdling, sollst Ägypten Wasser geben.« Phalaris53 briet den Leib des gewalttätigen Perillus in einem ehernen Stier: Der unselige Erfinder weihte sein Werk mit seinem Blute ein. [655] Beide Tyrannen waren gerecht; denn es gibt kein gerechteres Gesetz, als dass die Techniker des Todes durch ihre eigene Technik zugrunde gehen. Also, damit Meineid die Meineidigen, wie sie es verdienen, betrüge, möge die Frau leiden, was sie uns angetan hat. Auch Tränen sind nützlich; durch Tränen wirst du selbst ein Herz von Stahl rühren; [660] lass sie, wenn du kannst, deine Wangen feucht sehen. Wenn dir Tränen fehlen (denn sie kommen nicht immer im richtigen Augenblick), berühre die Augen mit angefeuchteter Hand.

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9783159611259
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