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2. Kapitel
Was bedeutet Reife?

Du hast mir gesagt, meine Vorstellungswelt sei unreif.

Was heißt es, eine reife Vorstellungswelt zu haben?

ZU MEINEN, DASS MAN BESCHEID WEISS, IST UNREIF. SICH VON SEInem Wissen, seinen vorgefassten Urteilen leiten zu lassen, ist unreif. Von seinem Nichtwissen auszugehen, statt zu glauben, alles beurteilen zu können… Sich nicht von seiner Vergangenheit leiten zu lassen, heißt reif sein.

Reife heißt, deinem eigenen Bewusstsein tief zu vertrauen; Unreife heißt, deinem eigenen Bewusstsein zu misstrauen. Und wer seinem Bewusstsein misstraut, der verlässt sich auf sein Wissen – das aber nur ein Ersatz ist, und ein sehr armseliger Ersatz dazu.

Versuche, dies zu verstehen – es ist wichtig. Du lebst schon länger, du hast so vieles erlebt und so vieles erfahren… du hast viel gelesen, du hast Dinge aufgeschnappt, du hast nachgedacht. Aus alledem hast du deine Schlüsse gezogen. Und die sind jetzt da. Bei jeder Gelegenheit hast du nun die Wahl: Entweder lässt du dich von deiner gesamten angehäuften Vergangenheit leiten, ihr gemäß handeln – das ist es, was ich damit meine, sich an einer Zentrale zu orientieren, an abgestandenen, toten Schlüssen oder Erfahrungen. In dem Falle handelst du, egal was du tust, nicht aus Eigenem, sondern reagierst nur, ohne auf die Situation einzugehen. Und immer nur zu reagieren, heißt unreif sein.

Wenn du jetzt gleich, aus diesem Augenblick heraus zu handeln vermagst, nur aufgrund deines Bewusstseins, nur aufgrund dessen, dass du hellwach bist und alles Gelernte dahingestellt sein lassen kannst, dann kommt dein Tun und Lassen für mich aus dem Nichtwissen. Dann handelst du aus der Unschuld heraus. Und das heißt Reife.

Für Herrn Schmitt wird es langsam Zeit, seinem nunmehr dreizehnjährigen Sohn ein paar Takte zu den Dingen zu sagen, die ein Jugendlicher über das Leben wissen sollte. Also ruft er ihn zu sich ins Büro, schließt sorgfältig die Tür und hebt in würdevollem Ton an: „Mein Sohn, ich möchte mit dir einmal über die Dinge des Lebens reden.“

„Null Problem, Paps“, antwortet dieser. „Was willst du wissen?“

Man hat unreife Vorstellungen, wenn man nicht bereit ist, zu lernen. Wenn du von keinem etwas zu lernen brauchst, ist dein Ego ungemein zufrieden. Das Ego schätzt das Gefühl, längst alles zu wissen. Das Problem ist nur, dass das Leben sich immerzu weiter verändert, nie so bleibt, wie es ist, sondern immerzu weiterfließt, weiterströmt – dein Wissen jedoch stehenbleibt. Dein Wissen entwickelt sich nicht mit dem Leben, es steckt irgendwo in der Vergangenheit fest. Immer wenn du aus ihm heraus reagierst, verkennst du den springenden Punkt, und liegst dann irgendwie daneben. Das Leben hat sich verändert, nicht aber dein Wissen, das ist stehengeblieben – und von diesem Wissen lässt du dich leiten. Das heißt: Du begegnest dem Heute mit dem Wissen von gestern. Du wirst nie lebendig sein können. Je mehr du dich von deinem Wissen leiten lässt, desto unreifer wirst du.

Lass mich dir jetzt ein Paradox verraten: Jedes unschuldige Kind ist reif. Reife hat nichts mit Alter zu tun, denn sie hat nichts mit Erfahrung zu tun. Reife hat mit der Gabe zu tun, auf den Moment einzugehen – mit Frische, Unberührtheit, Unschuld. Wenn ich also das Wort Reife benutze, meine ich nicht etwa, dass du, wenn du erfahrener wirst, auch reifer wirst. Genau das versteht man aber gewöhnlich unter diesem Wort. Das meine ich nicht. Je mehr Wissen du anhäufst, desto unreifer wird deine Vorstellungswelt werden – bis du mit siebzig oder achtzig dann vollkommen unreif geworden bist – denn dann wirst du dich nur noch von einer abgestandenen Vergangenheit leiten lassen.

Beobachte mal ein kleines Kind: Da es völlig ahnungslos, unerfahren ist, lebt es im Hier und Jetzt. Darum können Kinder besser lernen als Bejahrte. Die Psychologen sagen, dass ein Kind jede beliebige Fremdsprache binnen drei Monaten lernen kann, wenn man es weder zwingt, zu lernen, noch sich zusammenzureißen. Ganz sich selbst überlassen, inmitten von Menschen, die diese Sprache sprechen, wird es sie nach drei Monaten beherrschen. Zwingt man es aber zum Lernen, wird es fast drei Jahre dazu brauchen – denn je mehr Druck man ausübt, desto mehr verlässt es sich nur mehr auf das bereits Gelernte, sein gestriges Wissen. Sich selbst überlassen aber, kann es sich frei und spontan bewegen, und das Lernen fliegt ihm von selber zu, von sich aus.

Ist das Kind dann acht Jahre alt, hat es bereits fast siebzig Prozent des gesamten Lehrstoffes seines Lebens gelernt. Es mag achtzig Jahre alt werden, aber schon mit acht hat es siebzig Prozent gelernt – es gibt nur noch dreißig Prozent mehr zu lernen! Und ab jetzt wird seine Lernfähigkeit immer mehr abnehmen. Je mehr es weiß, desto weniger lernt es.

Wenn die Leute von Reife sprechen, meinen sie mehr Wissen. Wenn ich von Reife spreche, meine ich die Fähigkeit zu lernen – nicht zu wissen, sondern zu lernen. Und das sind verschiedene, total verschiedene, diametral entgegengesetzte Dinge! Wissen ist etwas Totes. Die Fähigkeit zu lernen ist ein lebendiger Vorgang: Du bleibst einfach imstande zu lernen, du verschließt dich ganz einfach nicht, du bleibst einfach offen, aufnahmebereit. Lernen ist Empfänglichkeit. Wissen stumpft deine Empfänglichkeit ab, denn du meinst zunehmend Bescheid zu wissen: „Mir braucht ihr nichts zu erzählen!“

Wenn du Bescheid weißt, entgeht dir vieles; wenn du gar nichts weißt, willst du alles mitkriegen.

Als er alt war, sagte Sokrates: „Jetzt weiß ich gar nichts!“ Das war Reife. Und zuletzt sagte er: „Ich weiß, dass ich nichts weiß.“

Das Leben ist so riesig, wie kann dieser winzige Geist alles wissen? Höchstens ein flüchtiger Einblick; selbst das ist zuviel. Die Existenz ist so ungeheuer riesig und grenzenlos – anfangslos, endlos –, wie kann dieser winzige Tropfen Bewusstsein sie erkennen? Es reicht schon, dass es überhaupt ein paar Einblicke gibt, ein paar Türen aufgehen, du für ein paar Augenblicke mit ihr in Berührung kommen kannst. Aber aus diesen Augenblicken kann man kein Wissen machen. Auch wenn dein Geist es gern täte – wodurch er aber erst recht unreif wird.

Das Wichtigste ist also, dass du fähig werden solltest, zu lernen und dass du deine Lernfähigkeit nie mit Wissen befrachten darfst, immer frei von Staub halten musst. Dein Lernspiegel sollte rein und frisch bleiben, damit er immerzu spiegeln kann.

Dein Geist kann so oder so funktionieren. Er funktioniert entweder wie ein Kamerafilm: einmal belichtet, Schluss, aus – schon ist der Film gelehrt und kann nicht mehr dazulernen. Einmal belichtet, und schon weiß er Bescheid: Jetzt ist er wertlos, jetzt kann er nichts mehr hinzulernen. Wenn man ihn immerzu weiter belichtet, wird er immer verwirrter. Darum fürchten sich Leute, die zu viel wissen, immer vorm Lernen, denn das würde sie nur verwirren. Sie sind Filme, die längst belichtet sind.

Aber es gibt noch die andere Möglichkeit, zu lernen: wie ein Spiegel zu lernen. Man „belichtet“ den Spiegel so oft man will, es spielt keine Rolle: Wenn du dich vor den Spiegel stellst, spiegelt er dich, wenn du weggehst, verschwindet auch dein Spiegelbild. Der Spiegel sammelt nichts an. Der Film im Fotoapparat sammelt immer alles sofort. Er geizt, packt zu, hält fest. Der Spiegel dagegen spiegelt nur: Stehst du vor ihm, bist du in ihm; gehst du wieder, bist du weg. Auf diese Art bleibst du reif. Jedes Kind kommt reif zur Welt und praktisch alle Menschen sterben unreif. Das klingt zwar sehr paradox, ist aber so. Bleib unschuldig, und du wirst reif bleiben.

Und das Zweite ist, dass der unreife Mensch sich immer nur für Belangloses interessiert. Der unreife Mensch interessiert sich immer für Dinge: Geld, Häuser, Autos, Macht, Ansehen – alles belangloses Zeug, alles Müll. Der reife Mensch interessiert sich immer nur für die Existenz, das Sein, das Leben selbst. Wenn ich deine Einstellung also unreif nenne, meine ich damit, dass du dich immer noch für Dinge interessierst, statt für Personen, immer noch für die Außenwelt, statt für die Innenwelt; immer noch für Objekte, statt fürs Subjekt, immer noch für das Begrenzte, statt für das Unbegrenzte.

Beobachte nur mal dein Denken – wo es hinstrebt, worüber es fantasiert. Wenn du auf der Straße einen wertvollen Diamanten fändest und direkt daneben eine blühende Rose sähst, was würde dich mehr interessieren – die Rose oder der Diamant? Du wirst die Rose nicht einmal sehen können, wenn dich der Diamant interessiert. Du wirst die Rose einfach nur übersehen: „Die ist wertlos.“ Der Diamant wird deine Augen völlig benebeln. Du wirst nur noch an den Diamanten denken – und darüber einen anderen Diamanten übersehen, der viel lebendiger war – die Rose.

Im Paradies der Hindus, sagen sie, wachsen keine gewöhnlichen Rosen – sondern nur welche aus Diamanten. Ich weiß es nicht, aber ich kenne Rosen. Wenn ihr hier in der Lage seid, Rosen zu sehen, mitten auf der Erde – nicht im Paradies, sondern hier-jetzt – sind sie aus Diamanten! Wozu in die Ferne schweifen? Und sobald du die Rose zu sehen vermagst, wirst du den Diamanten gar nicht mehr beachten.

Irgendwann kam Mulla Nasruddin zu mir gerannt. Er war völlig außer sich und sagte: „Ach, der arme Herr Müller! Hast du gehört, was passiert ist? Als er die Treppe runterging, stolperte er und stürzte kopfüber runter schlug mit dem Kopf auf und starb.“

Erschrocken sagte ich: „Starb?“

„Starb!“, wiederholte er mit Pathos, „und zerbrach auch noch seine Brille dabei!“

Die unreife Haltung interessiert sich mehr für Brillen als für Leben, Tod und Liebe, interessiert sich mehr für Dinge, Häuser, Autos. Wenn ich sage, dass du unreif denkst, meine ich damit, dass du dich immer noch für wertlose, unwesentliche Dinge interessierst. Sie haben allenfalls Gebrauchswert, mit denen kann man sich allenfalls sein Leben verschönern, aber das Leben ersetzen, Ersatz für das Leben sein, dein Leben selbst werden können sie nicht. Dennoch gibt es viele Menschen, für die sie ihr Leben bedeuten.

Ich kenne ein paar reiche Leute, die leben wie die Bettler; man kann sich’s nicht vorstellen …

Ich kannte einen Mann in Delhi, der sechs Bungalows hatte, die er alle vermietete, der selber aber ohne Frau und Kinder in einer finsteren Zelle hauste.

Einmal fragte ich ihn: „Du hast doch genug Geld. Warum wohnst du immer noch in diesem finsteren Loch? Warum legst du dir freiwillig dies Kerkerleben auf? Wofür tust du Buße?“

Er erwiderte: „Ach was, Buße. Ich hab immer so gewohnt und das reicht mir vollkommen. Außerdem sind meine sechs Bungalows bereits bewohnt.“ Er besucht diese Bungalows nur, um die Mieten einzutreiben.

Ich fragte ihn: „Warum hast du nie geheiratet?“

Er sagte: „Ich bin ein armer Mann und Frauen sind sehr teuer. Ich konnte es mir nie leisten.“

Würdet ihr diesem Mann begegnen, ihr würdet nie erraten, dass er sechs große Häuser besitzt und damit einen Haufen Geld verdient. Was ist mit diesem Mann passiert? Er ist mehr an Geld interessiert als an sich selber; er ist mehr an Geld interessiert als an Liebe; er interessiert sich nur für die Macht, die ihm das Geld einbringt – aber er hat nie einen Cent mit anderen geteilt. Diese Art Leute kommen nicht selten vor, es gibt sie überall. Und alle neigen dazu. Aber sie beschönigen immer. Dieser Mann ist sehr schlau. Er sagt: „Mit Geiz hat das nichts zu tun! Versteh mich bitte nicht falsch. Ich bin ein einfacher Mann, ich führe ein einfaches Leben. Ich bin ein frommer Mann, und ein genügsames Leben ist schön.“

Wenn du zu sehr am Materiellen interessiert bist, bleibst du unreif. Verlagere deine Aufmerksamkeit. Fang an, dich immer mehr für andere zu interessieren statt für dich selbst.

Ich kenne hier eine Sannyasin… sie verliebt sich immer in bettelarme Männer und sie ist steinreich. Erst vor wenigen Tagen kam sie zu mir und fragte: „Warum, Osho, muss ich mich bloß immer in Habenichtse verlieben – Leute, die praktisch auf der Straße leben?“

Ich weiß, warum das so ist: Bei einem Habenichts braucht sie keine Angst um ihr Geld zu haben – und sie bildet sich ein, diesen Leuten mit Verpflegung, mit Kleinigkeiten auszuhelfen. Im Grunde aber hat sie sich noch niemals wirklich verliebt. Sie ist so sehr ins Geld verliebt, das sie sich nicht in Menschen verlieben kann. Tatsächlich kauft sie sich diese Männer für Geld; sie sind billig zu haben, risikolos. Und sie fühlen sich ihr verpflichtet, weil sie ihnen etwas zu essen und anzuziehen und ein Dach überm Kopf gibt; dafür müssen sie so tun, als würden sie sie lieben. Und sie kann so tun, als ob sie verliebt wäre. So schützt man sein Geld und so kann man verschlossen und geizig bleiben.

Sie leidet darunter, es tut ihr weh; nur kann sie den springenden Punkt nicht sehen. Sie muss lernen, mit anderen zu teilen. Wenn du zu teilen vermagst, bist du reif. Wenn du nicht zu teilen vermagst, bist du unreif.

Und dieses Teilen geht immer weiter, auf allen Ebenen, in alle Richtungen, alle Dimensionen. Alles was du hast, teilst du mit anderen. Dies ist eines der grundlegendsten Dinge, die es zu verstehen gilt: Je mehr du etwas mit anderen teilst, desto mehr davon wächst in dir nach. Teile, was du hast, und es wird zunehmen. Wenn du festhältst, alles Teilen, alle Freundschaft, alle Liebe ängstlich meidest, wird alles schrumpfen. Das Leben kennt nur ein Gesetz, und zwar das der Ausdehnung, des Teilens.

Schau in die Natur: Was für eine Verschwenderin die Natur ist! Da, wo eine Blüte genügt, blühen Blüten zu Tausenden. Jeder Orgasmus von Mann und Frau setzt Millionen von Spermien frei. Eines davon hätte genügt, denn es wird höchstens ein Kind gezeugt, aber es werden Millionen von Spermien freigesetzt. Ein Mann wäre genug, um die ganze Erde zu bevölkern – nur ein einziger Mann! Ein normaler Mann – ein ganz gewöhnlicher Mann – hat mindestens viertausend Samenergüsse im Leben und jedes Mal werden Millionen von Spermien freigesetzt. Ein einziger Mann könnte die ganze Welt, die gesamte derzeitige Weltbevölkerung zeugen. Wenn er im Westen lebt, wird dieser Mann Vater lediglich zweier oder dreier Kinder, lebt er im Osten, dann von zwölf, vierzehn, fünfzehn – wenn’s hochkommt. Um fünfzehn Menschen zu zeugen, setzt die Natur Millionen von Spermien frei.

Die Natur ist eine Verschwenderin. Wo eine Blüte benötigt wird, erzeugt sie Millionen. Ein Baum wird … Seht euch diesen Gulmoha hier an – Millionen von Saatkörnern sind fertig. Sie alle werden abfallen, aber nur aus ein paar von ihnen – ein, zwei, vier, fünf, zehn, zwanzig, hundert – werden vielleicht einmal Bäume. Warum so viele Saatkörner? Die Existenz geizt nicht. Wenn ihr um eines bittet, gibt sie euch Millionen. Ihr braucht nur zu bitten! Jesus hat gesagt: „Klopft an, und euch wird aufgetan, bittet, und euch wird gegeben.“ Aber denkt dran: Wer um eines bittet, wird Millionen bekommen!

Sobald du geizig wirst, hast du dich dem Grundgesetz des Lebens verschlossen: Wachstum, Teilen. Sobald du dich an etwas klammerst, hast du das Ziel verfehlt. Und zwar deshalb verfehlt, weil nicht Dinge das Ziel sind, sondern du selbst! Dein innerstes Sein ist das Ziel. Nicht ein schönes Haus, sondern ein schönes du, nicht ein Batzen Geld, sondern ein reiches du, nicht viele Dinge, sondern ein offenes Wesen, offen für unzählige Dinge.

Wenn ich dich unreif nenne, meine ich damit, dass du zu sehr auf Dinge aus bist und noch nicht gelernt hast, dass das Leben aus Bewusstsein besteht, aus Lebewesen, statt aus Dingen. Dinge dienen dazu, benutzt zu werden. Wir brauchen sie zwar, aber fangt nicht an, um ihretwillen zu leben. Der Mensch lebt nicht vom Brot allein: Sobald du nur vom Brot allein, nur von den Dingen lebst, bist du tot.

Und das Dritte: Reife ist immer spontan; sie plant nicht, sie braucht keine Generalprobe.

Manchmal kommen Leute zu mir… Erst gestern Abend kam jemand an und sagte: „Wenn ich zu dir komme, lege ich mir all meine Fragen zurecht, aber sobald ich hier bin, vergesse ich sie. Was stellst du mit mir an?“

Überhaupt nichts! Das liegt an dir. Sobald du dir etwas zurechtlegst, ist damit bereits gesagt, dass es nicht stimmt. Das Wahre braucht man sich nicht zurechtzulegen. Proben haben im Leben nichts zu suchen, sondern nur auf der Bühne. Ein Theaterstück ist vorgetäuscht. Wenn du deine Frage vorbereitest, heißt das, dass diese Frage nicht deine ist. Wirst du, wenn du Durst hast und zu mir kommst, etwa vergessen, dass du Durst hast und deinen Durst stillen möchtest? Wie könntest du ihn vergessen? Vielmehr wird dein Durst, wenn du ein Flussufer erreichst, umso heißer brennen – denn du brauchst nur das Wasser fließen zu sehen und das gurgelnde Geräusch zu hören, und noch im selben Moment wird alles bisher in dir Zurückgedrängte übersprudeln. Dein ganzes Sein wird rufen: „Ich bin durstig!“ Wenn du durstig bist, wirst du es nicht vergessen.

Du aber bereitest Fragen vor. Du nimmst dir vor, zum Fluss zu gehen und zu sagen: „Ich bin sehr durstig.“ Wozu es dir vornehmen? Wenn du durstig bist, bist du’s. Wenn du es nicht bist, wirst du, sobald du am Fluss stehst, die Sache vergessen haben.

Wenn ich dich unreif nenne, meine ich damit, dass du deine Fragen, deine Erkundigungen vorbereitest. Sie sind kopfig; sie kommen nicht aus deinem Herzen. Sie haben nichts mit dir zu tun, sie haben keine Wurzeln in dir.

Von George Bernard Shaws wird erzählt, er sei einmal nach der Uraufführung eines seiner Stücke unverschämt selbstgefällig vor den Vorhang getreten, um den immer mehr anschwellenden Applaus der Menge entgegenzunehmen.

Als der Jubel jedoch einmal kurz nachließ, nutzte ein einsamer Andersdenkender diese Pause, um mit schneidender Stimme in den Saal zu rufen: „Shaw, dein Stück stinkt!“

Peinliche Stille. Shaw aber blieb gelassen und rief von der Bühne herunter: „Mein Freund, ich bin absolut Ihrer Meinung! Aber was können wir zwei…“ – und dabei holte er mit der Rechten weit über das Publikum aus – „… schon gegen diese erdrückende Mehrheit ausrichten?!“

Woraufhin der Applaus erst recht wieder aufbrauste.

So etwas kann man nicht vorbereiten. Ganz ausgeschlossen. Es ist ein spontanes Eingehen auf die Situation – das ist das Schöne daran. Auf so etwas kann man sich nicht vorbereiten. Und das Leben ist ein solches Fließen: Entweder du handelst sofort oder du verpasst es. Danach werden dir tausend Antworten einfallen – „Ich hätte dies sagen können, ich hätte das sagen können…“ – aber das alles ist für die Katz.

Mark Twain wurde einmal von seiner Frau nach einer tollen Rede, die sie versäumt hatte, aus der Festhalle abgeholt. Auf dem Heimweg fragte sie ihn: „Wie war die Rede?“

Mark Twain antwortete: „Welche meinst du? Die, die ich vorbereitet hatte, die, die ich gehalten habe, oder die ich, wie ich jetzt meine, hätte halten sollen? Welche meinst du?“

Wenn du dich vorbereitest, wird es so sein. Bleibe bewusst, hellwach, aufmerksam, und handle spontan. Und dann wird dein spontanes Eingehen auf die Situation nicht nur andere überraschen, sondern dein lebendiger Einfall wird auch dich selber überraschen. Nicht nur andere werden staunen, auch du selber wirst staunen.

Ich nenne eine Haltung dann reif, wenn sie sich immer wieder überraschen lassen kann. Jemand ist dann reif, wenn er sich immerzu von anderen, von sich selbst, von allem überraschen lässt. Das Leben ist ein unentwegtes Wunder: Er legt nicht vorher fest, wie er darauf einzugehen gedenkt, hat keine fix-und-fertigen Antworten parat. Er weiß nie, was kommen wird, er geht jederzeit ins Unbekannte hinein. Er nimmt sich nie vorweg, er hinkt nie hinter sich her. Er bleibt einfach nur er selbst, ganz egal wo er ist. Und das Letzte und Allerwichtigste: Wenn ich deine Haltung unreif nenne, meine ich letztlich damit, dass du denkst. Denken an sich ist unreif. Nur Nichtdenken ist reif.

Reife hat nichts mit dem Verstand zu tun, denn der Verstand besteht nur aus allem, was du weißt. Verstand heißt deine Erfahrungen, Verstand heißt deine Vergangenheit, deine Theaterproben, deine Vorbereitungen. All diese Dinge sind in dem Wort „Verstand“ enthalten.

Der Verstand ist nichts Spezifisches, sondern nur alles Angesammelte, all der Müll, der ganze Haufen deiner toten Vergangenheit. Wenn ich sage: „Sei reif“, meine ich damit: Werde ein Nichtdenken. Wenn du spontan handelst, handelst du aus dem Nichtdenken heraus. Wenn du fähig bleibst, zu lernen, wirst du fähig bleiben, ein Nichtdenken zu sein – wieder und wieder und immer wieder; dann sammelt sich nie wieder ein Verstand an. Wenn du hellwach und spontan bleiben kannst, dich vom Leben und von dir selbst überraschen lassen kannst, wirst du dich mehr und mehr für dein innerstes Leben, den innersten Kern des Lebens interessieren. Wenn du dann jemanden siehst, wirst du nicht nur seinen Körper sehen; dein Blick wird tiefer gehen, dein Blick wird zu einem Röntgenblick werden. Er wird den ganzen Menschen erfassen, das Bewusstsein dort, das innere Licht dort. Der Körper ist nur seine Behausung: Du wirst diesem Menschen begegnen, ihm die Hand schütteln, doch dieses Händeschütteln wird nicht nur seine Hand betreffen – du wirst ihn selber schütteln, wirst ihm begegnen. Und dir wird bewusst werden, dass dein eigener Körper auch in deinem Leben nur die äußerste Hülle ist: Du musst dich um sie kümmern, darfst sie nicht vernachlässigen, denn sie ist wertvoll, aber sie ist nicht das Entscheidende. Und du bist hier der Herr, nicht der Diener.

Je tiefer du nach innen dringst, wirst du nach und nach erkennen, dass dein Denken ebenfalls nur eine Hülle ist, die innerste, wertvoller als der Körper zwar, aber nicht wertvoller als du. Du bleibst der höchste Wert. Und sobald du deinen höchsten Wert kennst, bist du reif geworden. Und sobald du deinen höchsten Wert kennst, kennst du den höchsten Wert aller: Alle Lebewesen sind Buddhas. Niemand steht darunter. Das gesamte Leben ist göttlich – du wandelst ständig auf geweihtem Boden.

In der Bibel steht: Als Moses zum Berge ging, um seinem Gott zu begegnen, sah er vor sich einen brennenden Dornbusch und aus dem Busch erscholl es: „Halt! Zieh dir die Schuhe aus. Dies ist geweihter Boden.“ Das hab ich immer gemocht, geliebt. Aber aller Boden ist geweihter Boden und alle Büsche sind vom Göttlichen entbrannt. Wenn du dies noch nie wahrgenommen hast, dann hast du vieles verpasst. Sieh noch einmal hin: Alle Büsche brennen vom Göttlichen und aus jedem Busch ertönt das Gebot: „Halte an und zieh dir die Schuhe aus. Du wandelst auf geweihtem Boden!“

Jeglicher Boden, die gesamte Erde, die gesamte Schöpfung ist heilig. Und erst wenn sich dieses Gefühl in dir ausbreitet, werde ich dich reif nennen, nicht eher.

Ein reifer Mensch ist ein religiöser Mensch.

Die zweite Frage:

Warum muss ich immer so übertreiben und aus jedem Maulwurfshügel einen Berg machen?

Weil Maulwurfshügel für das Ego zu klein, zu unbefriedigend sind– es will Berge! Selbst das Elend darf nicht die Größe eines Maulwurfshügels haben, es muss schon ein Everest sein. Auch wenn du dich unglücklich fühlst, darf es für das Ego kein gewöhnliches Unglück sein, sondern wenn schon, dann bitte ein außergewöhnliches Unglück!

Bernard Shaw soll einmal gesagt haben: „Wenn ich nicht der Erste im Himmel sein werde, fahre ich lieber zur Hölle – Hauptsache ich bin der Erste.“

Im Christentum gibt es nur eine Hölle. Bernard Shaw hat nicht gewusst, dass wir in Indien die Vorstellung von sieben Höllen haben. Hätte er von den hinduistischen Höllen gehört, dann hätte er die siebte Hölle gewählt, denn die fünfte hätte ihn gedemütigt: Andere sind ihm immer noch voraus, in der siebten! Die wahren Sünder, die großen Sünder, sind in der siebten! Wie auch immer, Hauptsache, man selbst ist immer der Erste. Folglich macht man aus jedem Maulwurfshügel einen Berg.

Eine alte Hypochonderin ist gestorben. Die ganze Stadt atmet auf, die ganze Ärzteschaft atmet auf, denn überall, wo sie hinkam, hatte sie den Leuten das Leben schwer gemacht. Der Familie, den Pflegern, den Ärzten, allen war sie auf die Nerven gegangen – weil niemand ihr helfen konnte. Und heimlich genoss sie es, dass keiner etwas mit ihrem Leiden anzufangen wusste, so außergewöhnlich war es. Dabei hatte sie überhaupt nichts. Nun also war sie tot, und praktisch die ganze Stadt war in Feierstimmung. Im Testament hinterließ sie, dass ihr letzter Wunsch unbedingt erfüllt werden solle. Sie wollte, dass man auf ihren gemeißelten Grabstein schrieb: „Glaubt ihr jetzt endlich, dass ich krank war?“

Auf die Art konnte sie die ganze Stadt wieder bis in den Schlaf verfolgen. Die Leute lassen sich immer alles Mögliche einfallen, um aus einem Nichts große Probleme zu machen. Ich habe mich mit Tausenden über ihre Probleme unterhalten, und bis jetzt war noch kein einziges echtes Problem darunter. Alle Probleme sind Unfug. Ihr denkt euch welche aus, weil ihr euch ohne Probleme leer vorkommt. Sonst hat man nichts zu tun, gibt es nichts zu kämpfen, muss man nirgendwo hin.

Die Leute ziehen von einem Guru zum andern, von einem Meister zum andern, von einem Psychoanalytiker zum andern, von einer Encounter-Gruppe zur andern, weil sie sich, wenn sie es nicht tun, leer fühlen und ihnen das Leben plötzlich sinnlos vorkommt. Ihr erfindet Probleme, damit ihr das Gefühl haben könnt, dass das Leben eine riesige Arbeit, ein Wachstumsprozess ist und euch gewaltig ins Zeug legen müsst. Das Ego hat nur Bestand – vergesst das nicht –, wenn es kämpft, wenn es ringt. Und wenn ich euch sage: „Tötet drei Fliegen, und ihr werdet erleuchtet werden“, wollt ihr mir nicht glauben. Ihr werdet sagen: „Drei Fliegen? Ist das etwa alles? Und dadurch werde ich erleuchtet? Klingt unwahrscheinlich.“ Sage ich aber: „Ihr werdet siebenhundert Löwen töten müssen!“, findet ihr das natürlich überzeugender!

Je größer das Problem, desto größer die Herausforderung – und mit Herausforderungen wächst euer Ego, schwingt es sich in die Höhe. Probleme erfindet ihr, es gibt gar keine.

Und jetzt, wenn du mir gestattest: Es gibt nicht einmal Maulwurfshügel. Auch das ist euer Trick. Ihr sagt: „Ja, es mag zwar keine Berge geben, aber Maulwurfshügel …“ Nein, es gibt nicht mal Maulwurfshügel, die habt ihr frei erfunden. Erst macht ihr Maulwurfshügel aus nichts, und dann macht ihr Berge aus Maulwurfshügeln. Und die Priester und die Psychoanalytiker und die Gurus reiben sich die Hände, denn ihr ganzes Geschäft beruht auf euch. Wenn ihr nicht Maulwurfshügel aus nichts machen würdet und dann Berge aus euren Maulwurfshügeln, wozu bräuchtet ihr dann noch die Hilfe der Gurus? Erst müsst ihr in einer Verfassung sein, in der euch geholfen werden muss.

Die wahren Meister haben seit jeher etwas anderes gesagt. Sie haben immer gesagt: „Bitte schaut hin, was ihr tut, was für einen Unsinn ihr verzapft. Erst erzeugt ihr ein Problem und dann geht ihr auf die Suche nach einer Lösung. Findet lieber heraus, warum ihr das Problem erzeugt. Die Lösung liegt unmittelbar am Anfang, als ihr das Problem erzeugt habt. Erzeugt es erst gar nicht.“ Aber das wird euch nicht gefallen, weil euch das plötzlich voll auf euch selber zurückwerfen würde. Wie? Was? Gar nichts tun? Keine Erleuchtung? Kein Satori? Kein Samadhi? Wo ihr doch zutiefst rastlos und leer seid – bereit, euch mit irgendetwas X-Beliebigem vollzustopfen…

Ihr habt keine Probleme. Mehr braucht ihr nicht zu verstehen. In diesem Moment kannst du alle Probleme fallen lassen, weil sie deine Geschöpfe sind. Schau dir deine Probleme noch einmal an, und je tiefer du dringst, desto kleiner werden sie dir vorkommen. Schau sie dir immerzu weiter an und mit der Zeit werden sie anfangen, sich aufzulösen. Schau beharrlich weiter hin und plötzlich wirst du ins Leere sehen – eine wunderschöne Leere umgibt dich! Du brauchst nichts zu tun, nichts zu sein, denn du bist es bereits. Die Erleuchtung braucht nicht erreicht zu werden, sie braucht nur gelebt zu werden. Wenn ich sage, dass ich zur Erleuchtung gelangt bin, meine ich einfach, dass ich irgendwann den Entschluss gefasst habe, sie zu leben: was reicht, das reicht! Und seither habe ich sie gelebt. Du musst dich dazu entschließen, dass du ab jetzt keine Lust mehr hast, Probleme zu erfinden, das ist alles! Es ist ein Entschluss, dass du jetzt die Nase voll hast von dem Unfug, erst Probleme zu erfinden und dann Lösungen zu suchen.

Es ist ein Spielchen, das du mit dir selber spielst: Du versteckst dich und du suchst dich. Du übernimmst beide Rollen – und ihr wisst es! Sonst würdet ihr nicht schmunzeln und lachen, wenn ich das sage. Was ich hier sage, ist kein Witz; ihr versteht genau. Ihr lacht über euch selbst. Beobachtet nur mal euer Lachen, schaut euch an, wie ihr lächelt: Ihr habt sehr wohl verstanden. So muss es auch sein, denn es ist euer Spiel. Ihr versteckt euch und wartet darauf, dass ihr selber imstande seid euch zu suchen und zu finden. Du kannst dich jetzt sofort finden, weil du selber es bist, der sich versteckt!

Darum gebrauchen die Zen-Meister ihren Zen-Stock. Sobald jemand kommt und sagt: „Ich wäre gern auch ein Buddha“, wird der Meister sehr böse, denn er redet dummes Zeug – er ist ein Buddha! Wenn Buddha zu mir kommt und mich fragt, wie er ein Buddha werden kann, was soll ich da machen? Ich werde ihm einen Schlag auf den Kopf geben: „Wen willst du hier eigentlich zum Narren halten? Du bist ein Buddha.“ Mach es dir nicht unnötig schwer. Du wirst es verstehen, wenn du beobachtest, wie du ein Problem größer und größer und immer größer machst, wie du es weiterspinnst, und das Rad mehr und mehr beschleunigst. Dann bist du plötzlich auf dem Gipfel deines Unglücks und möchtest, dass die ganze Welt dich bemitleidet.

Marga, eine meiner Sannyasins, hat mir geschrieben; sie sagt: „Osho, es macht mich richtig traurig, dass du, wenn du sprichst, jeden anderen ansiehst, nur nicht mich.“ Nun, ich sehe überhaupt keinen an, aber ich hab nun mal Augen, also müssen sie irgendwo hinsehen. Es ist nicht so, dass ich irgendwen ansehe – ich sehe niemanden an. Und du kannst an meinen Augen erkennen, dass sie leer sind, dass da niemand ist. Aber wenn du unbedingt dein Spiegelbild in ihnen finden willst und es nicht kannst, überkommt dich große Trauer.

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