Читать книгу: «Dornröschen und der Mettsommernachts-Traum», страница 3

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Kapitel 2


Snow stellt uns an diesem Tag freundlicherweise eine Kutsche zur Verfügung, in der Jaz, ich, die Herzkönigin und Gretel gerade so Platz finden. Unser Ziel ist Rexias Backofen, also ein ganz normaler Dienstag.

Da Gretel schon eine ganze Weile in ihr Headset brüllt und irgendwelche Aktien verkauft, reibe ich mir die schmerzende Stirn.

Wir hoppeln über einen besonders großen Stein und jeder von uns muss sich an der Tür oder seinem Sitz festhalten. Da ich etwas zu spät reagiere, lande ich direkt auf Jaz’ Schoß. Er hält mich an der Hüfte fest und läuft erstaunlicherweise rot an, oder bilde ich mir das bloß ein? Ich runzle die Stirn.

Sobald er meinen Blick bemerkt, fällt Jaz ein wenig in sich zusammen.

»Entschuldige, ich habe nur gerade von dir geträumt und dann das.« Er nickt in Richtung seiner Knie.

Und dann falle ich ihm in den Schoß. Ich verstehe. Noch während ich überlege, wie ich mit der Situation umgehen soll, beginnt mein Magen zu hüpfen. Aber sicher ist die Kutsche nur über einen weiteren Stein geholpert.

»Ekelhaft«, hustet ein ziemlich verschnupft klingender Spieglein aus dem Rückspiegel der Kutsche.

Eilig ziehe ich die Vorhänge am Fenster zu, womit wir den Stalker aussperren.

»Habt ihr Aladin erreicht und ihm die Falle gestellt?«, fragt Quinn mit schief gelegtem Kopf.

Nachdem Jaz sich mit den Fingernägeln an der Wange gekratzt hat, lehnt er sich zurück. »Wir haben ihm die Informationen zukommen lassen, die wir wollten. Er wird kommen, da bin ich mir sicher.«

Ich werfe beiden einen Seitenblick zu. Immerhin kommunizieren sie mittlerweile ohne Anfeindungen miteinander. Ein fast normales Mutter-Sohn-Gespräch.

»So ganz verstehe ich unseren Ausflug in die Hölle immer noch nicht«, sagt Gretel, die gerade ihr Headsetmikrofon hochklappt. Es ist eins dieser winzigen Bluetooth-Teile, die man sich an ein Ohr klemmt.

»Wir schlagen damit zwei böse Feen mit einer Klappe«, sage ich, nachdem ich von Jaz’ Schoß gerutscht bin. »Erkläre ich dir später.«

»Red möchte wohl eine Revanche für ihre letzte Youtube-Challenge gegen den Teufel, bei der sie so kläglich versagt hat!«, kräht Spieglein von draußen.

Ich reagiere nicht mal, lasse mich auf keine Provokation von Snows zweidimensionalem Schoßhündchen ein.

»Wie viel Schaden werden die Prinzen und Flavia wohl im Norden anrichten? Und wer von ihnen am meisten?« Quinn hat einen Finger an die Vorhänge gelegt und linst hinaus. »Ich nehme noch Wetten an.«

»Wir können von Glück sagen, wenn danach noch etwas vom Norden übrig ist«, sagt Jaz.

Gretel nickt. »Lang lebe der Märchenwald.«

»Nun ja, erst mal sind sie ja mit den anderen unterwegs zur Dreizehnten Fee«, gebe ich zu bedenken. »Der Norden bekommt also noch etwas Aufschub.«

»Hey, ich habe ein Foto von Pain geschickt bekommen«, sagt Quinn unvermittelt.

Hat sie?

»Ihr alle!«, informiert uns Spieglein. »Rundmail.«

Aha. Ich hebe beide Augenbrauen. Da ist wohl Pains Handy von ihm gehackt worden … Die Arme hatte es ganz neu von Rapunzel geschenkt bekommen.

Gleichzeitig angeln wir alle nach unseren Smartphones.

Gretel prustet als Erste los. »Ernsthaft?«

»Da muss ein gewisser Jemand wohl einen Niesanfall bekommen haben«, sagt Jaz mit ebenso breitem Grinsen wie ich.

Abwechselnd auf meinem und seinem Smartphone verfolge ich das Video, in dem drei Prinzen, zumindest vermute ich, dass es sich um die drei Prinzen handelt, in etwas herumhüpfen, was wie Ganzkörper-Dinosaurier-Jumpsuits aussieht. Aufgeblasene T-Rex-Köpfe wackeln, als sie immer wieder gegeneinanderprallen, offenbar im Versuch, sich der Anzüge zu entledigen. Letzteres ist nicht besonders von Erfolg gekrönt, soweit ich das beurteilen kann. Die Zwölfte Fee huscht panisch zwischen ihnen herum. Mal wieder auf der Suche nach ihrer inneren Ruhe und dem richtigen Zauberspruch für die Rückverwandlung, wie es scheint.

Zuerst schmunzle ich, doch dann schweift mein Blick durch den Spalt am Fenster. Wir sind auf dem Weg in die Hölle. Dorthin, wo mein Ever immer noch schmort. Weil ich ihn bisher nicht habe retten können. Ich schlucke schwer.

Als würde er spüren, an was ich denke, streicht Jaz über meine Hand. Vor und zurück. Bis mein Handrücken prickelt. Irgendwann lässt er sie auf meiner liegen. Die Herzkönigin schielt in unsere Richtung.

Ausgerechnet. Dieser selbstzufriedene Ausdruck auf ihren Lippen lässt mich unruhig auf meinem Sitz hin und her rutschen.

Sie würde uns nur allzu gern verkuppeln. Ich starre sie an und sie starrt zurück. Ohne tierischen Begleiter, denn sie wollte kein Tier mit in die Hölle nehmen. Die bemuttert sie viel zu sehr, als dass sie sie einer Gefahr aussetzen würde.

Als wir endlich an der verrotteten Lebkuchenhütte ankommen, habe ich das Gefühl, zum ersten Mal wieder richtig ausatmen zu können.

Ich springe zuerst aus der Kutsche. Laub raschelt unter meinen Füßen. Direkt hinter mir klettern Jaz und Quinn heraus. Nur eine Person fehlt. »Gretel?« Ich klopfe gegen die Wand der Kutsche. »Machst du da drin Überstunden, oder wie?«

Hinter mir räuspert sich Jaz. »Gib ihr noch eine Sekunde.« Dann sieht er sich um, betrachtet den grauen Zuckergussrand an der Dachrinne.

Oh. Jetzt dämmert es mir.

Ganz ähnlich wie ihr Sohn räuspert sich nun Quinn. »Eventuell hat da jemand Juckpulver-Aktienkurse an der Börse gecheckt, während wir über einen gewissen Backofen sprachen, und nicht richtig zugehört, wo genau sich der Eingang zur Hölle befindet.«

»Gretel?«, versuche ich es erneut. »Du weißt doch, dass Rexia jetzt zu uns gehört? Vegan lebt und so? Keine Sorge, hier will dich niemand in einen Käfig sperren. Und generell ist bei Rexia der Ofen aus.«

Von irgendwoher meine ich Spieglein kichern zu hören.

»Gegen Käfigangst kann man nichts machen.« Die Herzkönigin stützt sich auf einen Stock, den sie irgendwo aufgesammelt haben muss. Kurz fürchte ich, dass es ein menschlicher Knochen ist, doch nach einem Blinzeln erkenne ich zuckergussbeschmiertes Holz. Und ich erinnere mich daran, wie lange Rexia bereits kein Kind mehr verspeist hat. Seit der Geburt ihrer Tochter.

»Aber mit einer günstigen Lebensversicherung könnte Gretel vermutlich sehr viel Geld machen«, sagt Quinn.

»Jetzt lass sie doch mal.« Ich drehe mich zur Winzkönigin um, die langsam zur Witzkönigin mutiert.

»Hab ich was verpasst?«

Ich zucke zusammen und erleide fast einen Herzinfarkt, als Gretel hinter mir mit beiden Füßen auf dem Waldboden landet. Wie kann man so plötzlich aus der Kutsche gesprungen kommen?

»Sorry, ich musste asap die Supplier-Liste vom Backoffice updaten.«

Jaz schnaubt. »Noch mehr Anglizismen konnte man wohl nicht in einem einzigen Satz unterbringen?«

»Schon, aber dann bräuchtet ihr ein Wörterbuch.«

Auf diese Diskussion lasse ich mich gar nicht erst ein. Stattdessen steuere ich die Tür der Hütte an, stoße das vermoderte Holz mit spitzen Fingern auf.

»Finde ich gut, dass du so gelassen mit diesem Ort umgehst«, lobt Jaz Gretel.

»Wie dieser Ort?« Nach einer kurzen Unterbrechung fügt Gretel hinzu: »Du meinst, das hier ist die Hütte? Mein Gefängnis von vor über zehn Jahren?« Ihre Stimme klingt auf einmal so schrill wie die Türglocke in ihrer Backstube.

Jaz atmet hörbar erschrocken ein. Der Arme. Gretel hat ihn schon wieder am Haken.

Immerhin erlöst sie ihn nach ungefähr drei Sekunden. »War ein Spaß. Schau nicht so. Du bist einfach ein zu perfekter Gentleman, Junge. Und Ironie bist du halt echt nicht gewohnt. Ehrlich mal, auf diesem Piratenschiff, gibt’s da noch was anderes außer Rum, Meerjungfrauen und Schenkelklopfer?«

»Schluss damit.« Ich winke den beiden, taste mich gleichzeitig im Halbdunkel des Flurs vorwärts. »Dann wollen wir mal hoffen, dass Aladin den Köder geschluckt hat und ebenfalls unterwegs ist.«

Im Stillen danke ich der herzensguten, wenn auch sehr verpeilten Alice, die mir heute nicht nur meinen Rucksack aus Wonderland bringt, den ich in Jasemins Palast zurückgelassen hatte, sondern sich dort vor wenigen Minuten wie zufällig laut erkundigt hat, ob Jasemin nicht durch die drei goldenen Haare des Teufels wieder zum Leben erweckt werden könne. Sie ist einfach die beste schlechte Nicht-Schauspielerin von Wonderland.

Vor dem Backofen ist dann endlich auch Gretel still.

Ich neige den Kopf, blinzle mehrmals. »Das ist jetzt nicht wahr, oder?«

»Das muss doch mit dem Teufel zugehen«, springt mir die Herzkönigin bei. »Wegen Renovierung geschlossen? Was will er denn aus dem Ding machen? Ein Cerankochfeld?«

»Hab schon Verrückteres gesehen«, meint Gretel, wobei sie die Achseln zuckt. »Aber jetzt wird mir auch klar, warum in Banes Onlineshop das Absperrband ausverkauft ist.«

Genau wie ich neigt Jaz nun den Kopf in eine Richtung, betrachtet Schild und Absperrung. »Ja, daran hat er echt nicht gespart.«

Gespart? Den Ofen damit komplett eingewickelt hat der Teufel. Alles in weiß-rot gestreiftes Band.

»Und jetzt?« Wäre auch zu einfach gewesen, wenn wir hier so ohne Probleme weitergekommen wären. Ich seufze.

»Wir könnten uns den Weg freisprengen«, schlägt Gretel vor.

»Oder den Neverland-Tunnel nehmen«, sagt Jaz, »den Pan für … ähm, den er einmal hat ausheben lassen.«

Für Fear. Er hat ihn für Fear graben lassen. Wissen wir. Komischerweise lässt der Gedanke daran, dass Jaz und Pan einmal mit allen Mitteln um Fear gekämpft haben, meinen Magen gleichzeitig heiß und kalt blubbern.

»Verfluchter Mist!« Wie von allein donnert meine Faust gegen die Seitenwand des Ofens. »Kann nicht mal eine Sache glatt­laufen, bei allen Schweinchen des Märchenwalds!« Zu allem Unglück spannen und kribbeln meine Finger auf einmal. Vor meinen Augen verformen sich meine Nägel zu Werwolfkrallen.

Bitte nicht.

Jemand klopft von draußen an das Fenster hinter der Spüle. »Entschuldigt mal, geht das auch ein wenig leiser? Wir sind hier hart auf der Jagd.« Draußen erkenne ich Sterntaler, die ein Gewehr schwenkt. »Paintball Showdown. Habt ihr doch safe schon gehört!«

Gerade sie hat uns noch gefehlt. Oh, wie ich diese Ghetto­sprache hasse. Irgendwie hasse ich alles und jeden in diesem Moment.

Obwohl mir Jaz eine Hand auf die Schulter legt und mir zu­raunt, dass ich mich nicht von meinem Wolfstemperament mitreißen lassen soll, schreie ich los. »Kannst du deinen kindischen Mist nicht woanders ausleben und uns verdammt noch mal in Ruhe lassen? Verflucht!«

Swusch. Auf einmal verschwimmt alles um mich herum. Zuerst kapiere ich gar nichts, bis eine leise Vorahnung in mir aufkeimt wie Evers Chiasamen. Nein, oder? Das hat er gerade nicht wirklich getan?

Eine Stunde zuvor

~Rose~

Ich werde mich opfern und zu Charming zurückgehen. Jedenfalls bis Reds Großmutter in Sicherheit ist.« Ein Schluckaufanfall schüttelt Cinders Schultern, während sie schluchzt.

»Das wirst du nicht müssen«, versucht Pan sie zum hundertsten Mal zu beruhigen.

Die Grinsekatze beißt schon vor lauter Stress in ihren buschigen Schwanz.

Sanft tätschelt Rose den Kopf der Katze, beobachtet die dramatische Szene, die sich vor ihr in der Kutsche abspielt.

Pans Augen strahlen seine Angebetete an, während er ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht streicht, die sich in Cinders Wimpern verfangen hat. »Ich werde auf dich achtgeben. Jeden einzelnen Tag meines Lebens.«

Aus dem Augenwinkel bemerkt Rose, wie Grin seine Worte lautlos nachäfft. Etwas pocht hinter Rose’ linkem Auge. Sie ist fürchterlich müde. Doch jetzt gilt es, Reds Großmutter zu retten. Keine Zeit für ein Nickerchen.

Allerdings fehlt ihr die Kraft, Cinders Monologen weiter zu folgen, die sich ein ums andere Mal um Selbstaufopferung drehen.

Sobald die Kutsche zum Stillstand gekommen ist, springen die Hexen zuerst heraus. Deutlich kann man Rexia Pain zuflüstern hören: »Noch ein Wort von ihr und ich fange wieder an, Kinder zu essen.«

»Regt euch nicht auf, sie meint es nur gut«, versucht Rapunzel die beiden zu beruhigen. »Tief durchatmen.«

Synchron atmen die zwei gesichtsoperierten Hexen einmal tief durch. Sogar ihre Nasenflügel blähen sich exakt im selben Maß.

Irgendwo hackt ein Specht mit ungefähr demselben Aggressions­potential in einen Ast. Das Ganze hat irgendwas von der Melodie und Rhythmus des Lieds Highway to Hell.

Ist sie das?« Rose nickt in Richtung der Hütte. »Sieht genauso aus wie in Spiegleins Projektion.«

»Völlig korrekt«, sagt der selbst ernannte Whistle-Blower, der die Szene von Cinders Smartphone aus beobachtet, das sie an ihrem zusammengeklappten Selfiestick hält.

»Jap. Hier haben wir diese Party gefeiert, bevor wir begriffen haben, dass es eigentlich ein Kidnapping war«, sagt Prinz Cedric, der nun einen Arm um Rose’ Hüfte schlingt. »Aber es gab immer anspruchsvolle Seifenopern zu sehen.«

Die Grinsekatze faucht und schlägt mit ihren Krallen nach seiner Hand.

»Wir anderen haben dagegen zehnmal eher begriffen, dass euch die Dreizehnte Fee sicher schnell wieder loswerden will«, sagt Snow, wobei sie wie ihre Ex-Stiefmutter klingt.

»Wie auch immer, Leute. Es ist fünf vor zwölf«, informiert Rapunzel sie, die Herbert immer noch in seiner Tupperdose im Arm hält.

Rose’ Kopf ruckt nach oben. Nur noch wenige Minuten, um Reds Großmutter zu retten …

Doch ehe sie etwas sagen kann, ertönt ein Schrei aus der Hütte der Dreizehnten Fee, der alle zusammenfahren lässt. Schnell zieht Fear Asher zurück in die hintere Kutsche. »Wir warten hier auf euch.«

Die Zwölfte Fee folgt ihnen mit ängstlichem Gesichtsausdruck.

»Sie beißt! Halt sie mir vom Leib, Charm!«

Ist das die Stimme der Dreizehnten Fee? Noch nie hat Rose sie so panisch schreien hören, daher ist sie sich nicht sicher.

Dann fliegt die Tür auf. Reds Großmutter, ziemlich breit gebaut, kommt nur mit einem weißen Nachthemd bekleidet durch die Tür gestürzt. Gut, abgesehen von der niedlichen Schlafhaube, die sie auf ihren grauen Locken trägt.

Reds Großmutter hat sich selbst befreit? Rose erinnert sich, dass sie eine Schwester von Frau Holle sein soll. Und genauso gutmütig wirkt sie auch. Gleichzeitig so ruhig, als könnte nicht mal ein Erdbeben sie erschüttern. In einem für ihr Alter beachtlichen Tempo sprintet sie auf die Prinzessinnen zu, gerät allerdings auf dem unebenen Waldboden ins Stolpern.

»Vorsicht!« Prinz Adrian springt nach vorn und fängt die Großmutter auf, ehe sie zu Boden fallen kann.

»Oh, Jüngelchen.« In seinen Armen fächelt sich die Großmutter Luft zu, wobei sie ihre Hände als Fächer benutzt. In ganz ähnlicher Pose, in der Philipp einst Snow wach küsste. Sie kichert, klimpert mit den Wimpern. »Zu dir oder zu mir?«

Daraufhin glotzt Adrian erst ziemlich verdattert, bis er Rapunzel einen Hilfe suchenden Blick zuwirft.

Rose muss sich ein Lachen verkneifen.

Im Gegensatz zu ihr wendet sich ihr Ehemann eilig ab, um hinter den Kutschen in Gelächter auszubrechen

»Sperr die Tür ab!«, kreischt die Fee derweil von drinnen. »Und lösch endlich das Feuer!«

»Du hast doch den Zauberstab!«, hört man Charming zurückschreien. »Warum tust du denn nichts?«

In der Zwischenzeit hat die Großmutter den armen Adrian aus seinen Pflichten entlassen, ihn von sich weggestoßen und etwas aus ihrem Ausschnitt gefischt.

»Upsi«, sagt sie und zeigt grinsend mit dem Feenzauberstab gen Himmel.

Sie hat ihn? Den magischen Feenzauberstab der Dreizehnten Fee? Er ist es. Schwarzes Holz und silberner Griff. Ausgerechnet sie? Nicht zu fassen.

Nachdem sie mehrfach geblinzelt hat, aber immer noch eine lächelnde Großmutter vor einer rauchenden Feenhütte stehen sieht, winkt Rose sie zu sich. »Komm mit uns. Wir bringen dich in … äh Snows Schloss.« Sicherheit wäre irgendwie das falsche Wort.

»Zu meiner Enkelin?«

»Nee.« Snow kratzt sich mit ihrem eigenen Zauberstab am Kinn. »Die versucht gerade den Teufel übers Ohr zu hauen.«

»Ah!« Großmutters Grinsen wird noch ein wenig breiter. »Nichts anderes habe ich von Red erwartet. Von wem sie das wohl hat?«

Daraufhin wechseln Rose und Grin einen Blick.

»Du dämliche Nacktschnecke!« Langsam wird die Dreizehnte Fee da drin ganz schön kreativ. »Wenn du nicht auf meinen Zauber­stab aufpassen kannst, dann verzieh dich!«

»Ja, gut. Das passt hervorragend. Wollte eh gerade gehen!«, blökt Charming zurück. »Da ist mir die Gesellschaft von Schrumpf­kuchen lieber, als noch eine Sekunde länger mit dir zu verbringen.«

Die Tür fliegt ein zweites Mal auf, kracht gegen die Außenwand der Hütte und heraus stürmt Charming, knallrot im Gesicht.

»Zeit, zu gehen«, flötet Rapunzel, als ihr Blick auf Charmings aufgeknöpftes Hemd fällt und die Striemen darunter. Als hätte jemand mit nicht ganz trockenem neongrünem Nagellack darübergestrichen.

»Oh, hallo!«, piepst die Zwölfte Fee mit belegter Stimme.

Fear muss sie am Kragen ihres Weltraumkleides packen und zurück in die Kutsche ziehen. »Jetzt bloß nicht sabbern. Das ist bei dem da nur eine Verschwendung von Spucke.«

Wie auf Kommando springen alle anderen schnell hinterher in die zwei Kutschen und das absolut geordnet.

Sicherlich die beste Wahl, da die qualmende Hütte praktisch verspricht, gleich in die Luft zu fliegen.

»Tschüss, Charming.« Aus dem Kutschenfenster winkt Pain ihm zu. »Vielleicht denkst du mal über eine neue Idee nach. Eine neue Beschäftigung? Wie wäre es, wenn du Klopapier mit deinem Gesicht drauf produzierst? Ich würde es kaufen.«

Charming schaut tatsächlich so drein, als müsste er ein stilles Örtchen aufsuchen. Total verkniffen.

»Halt sie doch auf, du Nichtsnutz!«, brüllt die Fee. Etwas donnert gegen eine Fensterscheibe. Wahrscheinlich ihre Stirn. Rauchschwaden kringeln sich inzwischen um das Dach wie Gespensterfinger.

Doch Charming steht einfach nur wie versteinert vor der Hütte.

Rose starrt auf das Schlachtfeld, während die Kutsche sie immer weiter davon fortbringt. Was ist da drin nur passiert? Dieses Ablenkungsmanöver von Reds Großmutter könnte in die Geschichte des Märchenwalds eingehen …

»Das werdet ihr bereuen!«, kreischt die Dreizehnte Fee zum Abschied. Rose meint sie an einem Fenster zu erkennen. Keine Sekunde später stößt sie es auf und klettert hinaus. Das Dach der Hütte steht nun komplett in Flammen.

»Oh, du! Und dann auch noch du!« Zeternd und schreiend deutet die Dreizehnte Fee auf die Zwölfte Fee, die aus der Kutschentür hinausspäht. »Machst mit ihnen gemeinsame Sache. Du bist an allem schuld.«

Jetzt wäre eigentlich ein guter Augenblick für einen Nieser oder Hickser, findet Rose, aber Flavia starrt nur regungslos zurück. Wie ein hypnotisiertes Eichhörnchen vor einem Nuss-Nugat-­Riegel-Werbespot.

Aber da biegen sie schon um die nächste Kurve und Rose kann nur noch den aufgewirbelten Staub hinter den Kutschenrädern ausmachen.

»Braucht das noch wer, oder kann das weg?« Reds Großmutter hält den Feenzauberstab hoch.

»Ähm, ja.« Mit spitzen Fingern nimmt Rose ihn an sich. »Den verwahre ich mal besser. Kann sowieso nur mit Feenstaub betrieben werden.«

»Dafür haben wir ihn jetzt und eine gewisse Fee kann ihn nicht mehr verwenden.« Die Großmutter lehnt sich, offensichtlich äußerst zufrieden mit sich selbst, auf ihrem Sitz zurück, stellt dann aber fest, dass sämtliche Kissen verrutscht sind, weshalb sie sich wieder aufrichten und an den Bezügen zupfen muss.

»So einen Spaß hatte ich seit Jahren nicht mehr. Andererseits: Nach diesem Abenteuer benötige ich eine dreimonatige Kur in Wonderland. Meine Fesseln fühlen sich auch schon ganz schwach an.« Wie zur Bekräftigung zeigt sie zwei Handgelenke und einen Knöchel vor. »Ich fürchte, ich muss euch bald wieder verlassen.«

»Verständlich.« Rapunzel nickt ernst.

»Aber ihr werdet meiner Enkelin doch Grüße ausrichten? In die Hölle? Sie kennt mich ja. Ich bin gern unterwegs, am liebsten in Wonderland. Und ich kann gut auf mich selbst aufpassen. Fragt nur die Dreizehnte Fee. Sie kann nun ein Lied davon singen.«

Davon ist Rose mehr als überzeugt. Lächelnd versucht sie einen Gähner zu unterdrücken.

Rapunzel reicht ihr daraufhin eine Energydrinkdose.

»Darf ich mal?« Schneller als Rose gucken kann, hat sich Rapunzel im Anschluss den Feenzauberstab geschnappt. Mit Mettigel Herbert auf den Knien, den sie während der holprigen Fahrt darauf balanciert, zückt sie ihr Handy. Sie ruft SnapNap auf und lächelt in die Kamera. »Peng!« Mit dem Zauberstab deutet sie auf Herbert. »Ich könnte es so schneiden, dass aus Herbert ein Schwan wird.«

»Oder die Goldene Gans«, schlägt Cinder vor, die sich auf Pans Schoß zusammengerollt hat. »Das wird ein Internet-Hit. Total viral.«

»Was soll das denn werden?« Die Zwölfte Fee beugt sich vom Gepäckablagefach herunter, wo sie es sich bequem gemacht hat. »Catcontent?«

Rapunzel blickt nicht mal auf. »Mettcontent.«

»Der Mettigel hat eine eigene Instagram-Seite«, erklärt Cinder. »Hier anhalten!«, schreit sie dann dem Kutscher zu. »Hier ist weit genug.« Sie winkt der zweiten Kutsche zu, die daraufhin abbremst.

»Okay. Also jetzt mal zu unseren ernsteren Themen, in Ordnung?«, sagt Rose, ebenfalls der Meinung, dass sie sich weit genug von Charming und der Dreizehnten Fee entfernt haben.

»Selbstverständlich.« Rapunzel sieht sie an.

»Ich würde sagen, wir fahren zuerst zu den Zwergen. Snow beruhigt in der Zwischenzeit ihr Volk, und die Prinzen fahren zu ihrer Schneekönigin. Dann sind wir die auch los. Bitte sagt ja, bevor sie uns hören.« Rose hat ihre Hand auf die Kutschentür gelegt, selbige aber noch nicht geöffnet.

~Red~

Ich blinzle und finde mich in einem orangerot ausgeleuchteten Raum wieder. Genauer gesagt in einer Höhle. Aber nicht in irgendeiner. Sondern in der Hölle. Prustend atme ich aus. Heiße Luft umweht mich, als ich mich umsehe. Also bin ich zurück. Wie absurd.

»Ah, wenn das nicht meine Lieblingsgegnerin ist.« Die Stimme des Teufels ertönt hinter mir. Selbstgefällig wie eh und je. »Meine Youtube-Abonnenten haben dich und unsere Challenge so hart abgefeiert.«

Ich verdrehe die Augen in Richtung Höhlendecke. Wenn man die aufgesetzte Jugendsprache des Teufels so hört, möchte man wirklich sterben. Ist er bei Sterntaler in die Lehre gegangen? Wahrscheinlich hat er ihren Kanal abonniert. Seufzend wende ich mich zu ihm um. Eigentlich ist es komplett meine Schuld, dass ich jetzt ohne meine Begleiter hier stehe. Vermutlich hat der Mistkerl genau darauf gelauert. Wie lange muss er auf exakt diese Situation gewartet haben? Und warum bin ich so doof und gehe ihm auf den Leim? Warum musste ich dreimal hintereinander fluchen? Ich rekapituliere meine letzten Sätze in der Lebkuchenhütte und schließe kurz die Augen. Drei Flüche. Vor Kurzem hat er mir erst erklärt, dass er in der Lage ist, Sünder in diesem Fall direkt zu sich zu rufen. Wenn er das will.

»Freue mich auch sehr«, sage ich. »Und ein bisschen mehr Konfetti hätte ich schon erwartet.«

»Reunion!« Der Teufel strahlt wie die Grinsekatze, breitet sogar seine behaarten Arme aus. Sicher nur eine symbolische Geste, denn der Tag, an dem ich in die Arme des Teufels sinke, muss erst noch erschaffen werden. Während ich auf sein Grabstein-Tattoo schiele, das auf seinem Oberarm zu hüpfen scheint, beben meine Nasenflügel. Aber vielleicht ist das meine Chance. Bis die anderen und Aladin hier eintreffen, könnte ich schon mal den Teufel … weichklopfen. Oder ihm Evers Seele abluchsen.

»Schau dich an, neuer Star meines Youtube-Kanals.« Der Teufel mustert mich wie einen Preisboxer. Fast erwarte ich, dass er gleich meinen Arm packt, um meine Faust über meinen Kopf zu schwenken.

»Ach, die zwei neuen Follower, die Red angelockt hat …« Zuerst glaube ich, dass Siri aus dem Bildschirm des Teufels zu mir gesprochen hat, doch dann halte ich inne, drehe mich zurück nach rechts und starre auf den Vorhang, hinter dem gerade Jasemin hervorgetreten ist. Nein, oder? Ich blinzle. Jasemin steht immer noch da. In all ihrer Pracht. Sie wirft ihr langes schwarzes Haar nach hinten wie in einem Werbespot.

Mein Mund klappt auf. »Du bist tot«, sage ich lahm.

»Und du bist immer noch nicht besonders clever«, sagt die tote Königin des Morgenlands. »Natürlich bin ich das. Genau wie Ever. Und wir alle verweilen unten in der Hölle. Deswegen gewissermaßen.« Sie deutet mit dem Daumen über ihre Schulter. »Neues Leben, neue Freunde, neues Glück, habe ich recht?«

Nein, aber ich hatte recht! Also stimmt es, dort unten wartet irgendwo Ever. Trotz der Enthüllung, dass mir meine Lieblingsfeindin aktuell gegenübersteht, kann ich nur an eins denken. Ever! So nahe bin ich ihm. Mein Herz klopft schneller und ich ziehe am Kragen meiner Bluse. Ever ist hinter diesem Vorhang.

Also tue ich das einzig Logische: Ich sprinte los, stoße Jasemin zur Seite, die sich haargenau wie ein lebender Mensch anfühlt.

Voller Vorfreude, gleich Ever wiederzusehen, reiße ich den Vorhang auf und … pralle zurück. Mit dem Hintern zuerst lande ich auf dem staubigen Höhlenboden. Autsch. Selbst meine Finger­spitzen schmerzen, als ich mir über die Stirn reibe. Am meisten hat meine Nase abbekommen, aber die fasse ich besser nicht an. Vielleicht fällt sie dann ab oder explodiert in einem Blutregen. Mein Hirn pocht, als hätte ich eine Gehirnerschütterung eingesteckt.

»Tja, da wird der Zugang wohl nur toten Menschen gewährt«, sagt der Teufel unbeeindruckt.

»Aber du … du könntest das ändern?« Nachdem ich mir auf die Lippe gebissen und den Schmerz weggeatmet habe, schenke ich ihm einen Seitenblick.

»Nur, indem ich dich umbringe.«

Aha.

»Wollen wir das nicht alle?« Jasemin betrachtet ihre Fingernägel. Sie sind mintgrün lackiert. »Steht ganz oben auf meinem Weihnachtswunschzettel. Denk noch mal drüber nach, Red.«

So elegant wie möglich rappele ich mich auf, wobei ich sie ignoriere. Immerhin scheint meine Nase nicht gebrochen zu sein. »Wenn du Wert auf meine tägliche Gesellschaft legst …«

Jasemin kneift die Augen zusammen. Das ist aber schon alles.

Also nehme ich den Faden wieder auf. »Gut. Da wir uns alle so nett miteinander amüsieren: Wie wäre es mit einer neuen Challenge? Evers Leben gegen mein rotes Cape?« Im Prinzip wie beim letzten Mal.

Der Teufel tut gespielt bekümmert, dreht ein bisschen seine Daumen in seinen ineinander verschränkten Händen. »Nein, tut mir leid. Um jedes Leben kann nur ein einziges Mal gespielt werden.« Seine Unterlippe hat er so weit nach vorn geschoben, dass sein Ziegenbärtchen winzig klein wirkt.

Das habe ich mir schon gedacht, aber einen Versuch ist es wert gewesen.

»Und warum ist das so?«, hake ich nach.

»Frag mich nicht, ich mache hier nur die Regeln.«

Ich sehe ihn böse an. »Genau deshalb.«

»Genau deshalb, was?« Der Teufel verfällt in seinen gut gelaunten Singsang. Als befände er sich in einer Gameshow. Ich hasse ihn.

»Du hast einfach keine Ahnung, wie man das macht«, sagt Jasemin, die sich wie zufällig die Ärmel ihrer durchsichtigen Bluse nach oben rollt. »Wie man Männer um den Finger wickelt.« Natürlich macht mich ihre umständliche Bewegung sofort misstrauisch. Ich schiele auf ihren Arm. Ist das …?

Jasemin strahlt mich gewinnend an.

Ein … Sie hat sich ein Partnertattoo mit dem Teufel stechen lassen? Tatsache. Ihren Bizeps ziert ein frischer Grabstein mit Kreuz in der Mitte. Außen herum Gras. Genau wie beim Herrn über die Toten. Der streicht sich über seine drei goldenen Haare.

»Sehr ästhetisch, nicht wahr? Der Ort, an dem wir alle landen. Ausgenommen ich natürlich.« Er seufzt, als wären wir darum zu beneiden. Wie ich von meinem ersten Besuch weiß, kann er nicht das Zeitliche segnen, würde es aber durchaus gern. »Hat uns Rumpelstilzchen gestochen.«

Ich atme tief durch. Warum muss es eigentlich an jedem Ort, an den es mich verschlägt, vor Verrückten nur so wimmeln?

Ich stöhne. Und zu allem Überfluss fühlt sich die Information, dass um Evers Leben kein zweites Mal gespielt werden kann, wie ein vergifteter Mühlstein der Jäger an, den sie in mich hineingenäht haben. So wie beim Wolf, der mich und meine Großmutter fraß. Das darf nicht sein, nein, ich kann das nicht akzeptieren. Doch wahrscheinlich muss ich es. Eine leise Stimme in meinem Hinterkopf versucht mir zu versichern, dass immer noch das Blut einer Hexe, das direkt aus ihrem Herzen und freiwillig gespendet wird, Ever von den Toten zurückholen könnte. Eine letzte Chance. Verschwindend gering vielleicht, aber dennoch eine Chance. Mit tödlichen Folgen für die Hexe. Ich stelle mir einen Schnitt direkt im Herzen vor und mir wird schlecht.

»Tja«, sagt Jasemin. »Da wirst du wohl ein paar Jährchen bei uns bleiben müssen, oder hast du irgendetwas, was du dem Teufel im Tausch anbieten könntest, um wieder aus der Hölle entlassen zu werden? Und das lebend?« Sie kostet ihren Triumph aus. Ich erkenne es daran, wie sie die Nase reckt. So selbstzufrieden, wie es kein anderes totes Mädchen tun könnte. Sie ist immer noch die alte Jasemin. Nur mit etwas hellerem Teint als früher.

Aber lügt sie … oder kann ich ohne fremde Hilfe tatsächlich nicht von diesem Ort entkommen? Bei unserer Challenge hat es dem Teufel doch Spaß gemacht, mich ständig in Morgenland wieder auf die Straße zu setzen. Bildlich gesprochen.

»Korrekt.« Der Teufel nickt. »Im Prinzip ist das hier eine Sackgasse. Für die Lebenden wie die Toten. Und sobald die Lebenden mich langweilen …« Mit dem Daumen zieht er eine imaginäre Linie über seine Kehle. Natürlich weiß ich, was er mir mitteilen will. Jede Sechsjährige würde das begreifen. Dennoch höre ich mich sagen: »Denen erteilst du eine Unterrichtsstunde in Synchronschwimmen? Nein danke, hatte ich heute Morgen erst bei den Prinzen. Aber Wasserpolo. Wasserpolo wäre hilfreich. Kannst du das?«

Ich grinse, während den beiden vor mir die Mundwinkel nach unten kippen. Es ist, wie Ever immer sagt. Sobald ich nervös werde, rede ich furchtbaren Unsinn. Hätte ich ja nie geglaubt, aber hier und jetzt fühlt sich das unglaublich befriedigend an.

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