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FÜNFTES KAPITEL
Von der natürlichen Progression

Beachten wir zuerst die Progression der Zahl, so finden wir, daß dieselbe im Quaternar sich erschöpft. Denn die natürliche Entfaltung der einfachen Einheit ist die Zehnzahl, aus dem Fortschritte der Zahl bis zu vier, da 1 + 2 + 3 + 4 = 10, oder der zweiten Einheit, gelangen wir in gleichem vierfachen Fortschritte zum Quadrat von zehn, hundert; 10 + 20 + 30 + 40 = 100, und auf demselben Wege von hundert, als der dritten Einheit zum Kubus von zehn, tausend, der letzten Einheit. Dieser vierfache Fortschritt, dreimal wiederholt, erschöpft die ganze Möglichkeit der Zahl; alle übrigen Zahlen sind Rückgänge zur Einheit. Somit ist der Quaternar die Entfaltung der Einheit, die Potenz der gesamten Zahlenwelt.


SECHSTES KAPITEL
Von den vier Einheiten

Indem nun unser Geist davon ausgeht, daß er alles umfasse, durchforsche und begreife, so schließt er weiter, daß er dergestalt in allem und alles in ihm sei, daß es nichts außer ihm geben könne, was seinem Blicke sich entzöge. Er betrachtet daher in der von ihm selbst entwickelten Zahlenähnlichkeit seiner selbst, als in seinem natürlichen und eigensten Bilde seine Einheit, die seine Wesenheit ist. Diese Einheit erkennt er eben durch die Zahl als eine vierfache. Die erste ist die einfachste, die zweite die Wurzel der andern, die dritte das Quadrat, die vierte der Kubus. Von diesen geistigen Einheiten nennt der Geist die erste und einfachste Gott; die zweite, die Wurzel der übrigen, ohne selbst eine Wurzelzahl vor sich zu haben Vernunft (intelligentia); die dritte, die quadratische Konkretheit der zweiten, Seele, und die letzte kompakte (solida, grossa) und nichts weiter in sich fassende Einheit den Körper. Alles aber in Gott ist Gott, in der Vernunft Vernunft, in der Seele Seele, im Körper Körper, was soviel heißt, als daß unser Geist alles entweder göttlich, wie ein Ding die Wahrheit ist, oder vernünftig, wie es zwar nicht die Wahrheit, aber wahr, oder seelisch (animaliter), wie es wahrscheinlich, oder körperlich, wie es selbst die Wahrscheinlichkeit verliert und Verworrenheit annimmt, betrachtet, so daß der Geist in bewunderungswürdiger Wechselprogression, wo die göttliche und absolute Einheit zu Vernunft und Verstand herab-, dagegen die konkret sinnliche durch den Verstand in die Vernunft hinaufsteigt, alles unterscheidet und miteinander verbindet.

SIEBENTES KAPITEL
Von der ersten Einheit

Großes und bisher Verborgenes werde ich nun aus diesen Prämissen ans Licht zu ziehen versuchen.

Die göttliche Einheit geht, wenn wir die Zahl als das Urbild der Dinge annehmen, allem voran und faßt alles in sich. Indem sie der Vielheit vorangeht, geht sie eben damit aller Verschiedenheit, Andersheit, Entgegensetzung, Ungleichheit etc. voran, und wenn die Arten der Dinge wie die Zahlen unterschieden werden, so ist sie keine Art, hat keinen Namen, Figur etc. und ist doch alles in allem, die Einheit aller Vielheit, das eine Maß aller Maße etc. unendlich größer, als jede Zahl, mithin allmächtig… Wir schauen sie daher um so klarer, je mehr losgetrennt von aller Vielheit wie sie schauen. Wenn du alles andere ausgeschieden hast und sie allein schaust, wenn du dir denkst, daß etwas anderes nie gewesen sei oder sei oder sein könne, wenn du die einfachste Einheit selbst nicht mehr als einfache, denn als nicht einfach, nicht mehr als eine, denn als nicht eine denkst, dann bist du in alle Geheimnisse eingedrungen, es gibt für dich keinen Zweifel, kein Hindernis mehr. In dieser seiner absoluten Einheit, in der er alles ist, ist das Leben des Geistes nicht zerstörbar. Von dieser absoluten Einheit hat aber der Geist die präziseste Gewißheit, so daß er ganz in ihr und durch sie tätig ist. Keine Frage kann der Geist aufwerfen, welche nicht diese Einheit voraussetzte; die Frage, ob sie sei, setzt ihr Sein voraus; was sie sei, ihr Wesen; warum sie sei, den Grund; zu welchem Ziele, das Ziel von allem. Was also bei allem Zweifel vorausgesetzt wird, muß das Gewisseste sein. Auf jede mögliche Frage über Gott muß also allererst geantwortet werden, daß sie eine ungeeignete ist. Jede Frage setzt nämlich voraus, daß in Bezug auf das Gefragte sich nur der eine der Gegensätze bewahrheiten oder sich von demselben etwas anderes als in Bezug auf andere Dinge bejahen oder verneinen lasse. Von der absoluten Einheit aber wird nicht einer der Gegensätze, es wird vielmehr jeder mögliche eine ebensosehr als der andere bejaht. Willst du daher das Gefragte beantworten, so wiederhole nur das vorausgesetzte Absolute. So läßt sich z. B. auf die Frage, ob Gott Mensch sei, antworten: Er ist jene Wesenheit, durch welche die Menschheit ist; auf die Frage, ob Gott ein Engel sei: Er sei die absolute Wesenheit des Engelseins (eum entitatem absolutam angelitatis). Weil aber jede Bejahung einer Verneinung entgegensteht und umgekehrt, so erreicht weder Bejahung noch Verneinung das Wesen Gottes, und der absolut wahrste Begriff von ihm ist der, welcher beide Gegensätze disjunktiv zugleich und kopulativ verwirft. Die beste Antwort auf die Frage: ob Gott sei, ist daher: daß er weder ist, noch nicht ist und daß er nicht ist und nicht ist. Doch bleibt auch sie noch Mutmaßung, da die allerpräziseste Antwort für Verstand und Vernunft unerreichbar ist.

ACHTES KAPITEL
Von der zweiten Einheit

Da die zweite Einheit, die geistige, aus der ersten herabsteigt, folglich ins Anderssein, ins Gegensätzliche, übergeht, so kann sie nicht schlechthin einfach, wie die erste, sondern muß geistig zusammengesetzt sein, so jedoch, wie es der einfachen Wurzel zukommt. Daher gehen die Gegensätze ihr nicht vorher, so daß sie aus ihnen, als dem Vorhergehenden, zusammengesetzt wäre, sondern sie entstehen zugleich mit ihr und sind in ihr ungeteilt und unaufgelöst (indivise atque irresolubiliter) enthalten. Fragen über die Wesenheit selbst, welche den einen der Gegensätze als verneinbar und nur den andern als zu bejahend voraussetzen, werden daher in dieser Einheit ungeeignet (improprie) aufgeworfen; denn was immer die Vernunft bejaht, hat keinen mit dieser Bejahung unverträglichen Gegensatz (omne enim de intelligentia qualitercunque affirmabile, incompatibile non habet oppositum). Höher und einfacher ist das vernünftige Sein als jene Weise des Seins, welche mit dem Nichtsein unverträglich ist. Gegensätze, die in ihrer Entfaltung in der Verstandeseinheit unverträglich sind, sind in ihr noch verbunden. So ist dem Verstande Bewegung der unversöhnliche Gegensatz von Ruhe; aber wie unendliche Bewegung in der ersten Einheit mit der Ruhe koinzidiert, so schließen sie sich auch in deren nächstem Abbilde nicht aus; denn die Bewegung in dem Gesichtskreis der Vernunft ist einfacher, als der Verstand zu messen imstande ist. Wende hier deinen ganzen Scharfsinn an! Ich erinnere mich, in der Schrift über das gelehrte Nichtwissen über Gott öfters vom Standpunkt der Vernunft, durch Zusammenfassung (per copulationem) der Gegensätze in die einfache Einheit gesprochen zu haben. In dem eben Gesagten aber habe ich die Sache vom göttlichen Standpunkte aus (divinaliter intentum explicavi) aufgefaßt. Viel einfacher ist die Negation der Gegensätze disjunktiv und kopulativ zugleich, als die Zusammenfassung derselben. Weil daher alle Fragen, die von dem forschenden Verstande ausgehen, durch die Vernunft das sind, was sie sind, so setzen sie alle die Vernunft voraus. Wie könnte der Verstand über die Vernunft eine Untersuchung anstellen, ohne das anregende und bestrahlende Licht der Vernunft? Die Vernunft verhält sich also zum Verstande wie Gott zur Vernunft. Daher schaue auch hier in allen Fragen, die der Verstand aufwirft, auf die Voraussetzung und antworte dieser gemäß. So auf die Frage: Was ist die Vernunft, antworte: Sie ist die vorausgesetzte geistige Wesenheit (quidditas), von der die Wesenheit des Verstandes abhängt. Willst du also die Wahrheit auf dem Standpunkte der Vernunft erforschen, so mußt du dich auch vernunftmäßiger Begriffe bedienen, die keinen unverträglichen Gegensatz haben, da diese Unverträglichkeit der Gegensätze nicht zur Natur der Vernunfteinheit gehört. Daher genügen die üblichen Verstandes-Begriffe (Kategorien) von Bewegung, Ruhe, Raum, Gestalt, Substanz, Akzidens in der Weise, wie sie der Verstand benützt, der Vernunfterkenntnis nicht. Der Verstand ist das Wort der Vernunft, in welchem diese wie in ihrem Abbilde widerscheint. Fragt man daher, ob die Vernunft ein Quantum sei, so liegt die Mutmaßung sehr nahe in der Antwort: Sie ist nicht ein Quantum, sondern das Wesen, die Idee des Quantum (ratio quanti); ebenso ist sie nicht der Raum, sondern die Idee des Raums etc. Denke hierüber reiflich nach, und viele Schwierigkeiten werden sich dir lösen.

NEUNTES KAPITEL
Von der dritten Einheit

Die dritte Einheit, die Seele, wird nicht unpassend das Quadrat der Vernunft genannt; denn in der Seele ist die Einheit der Vernunft, entfaltet und spiegelt sich in ihr, wie in ihrem eigentlichen Bilde ab. Dies beachte um so mehr, weil in ähnlicher Weise die körperliche Form die Zahl der Einheit der Seele ist; denn sowie wir die erste, einfachste Einheit nicht in sich, sondern in der Vernunft als deren Zahl, die Vernunft nicht in sich, sondern in der Seele schauen, so sehen wir auch die Kraft oder Einheit der Seele nicht in sich, sondern in deren körperlicher Entfaltung auf eine sinnliche Weise. Beachte ferner: Aus der Vermehrung der Hundertzahl, des Bildes der Seele, durch die Zehnzahl entsteht tausend, das Bild des Körpers. Es ist daher die Seele nicht Wurzel des Kubischen oder des Körpers, sondern das Mittel und Werkzeug, durch welches die Vernunft in den Körper herniedersteigt; der Körper ist die durch die Seele vermittelte Vervielfältigung des Geistes. Da nun in allem Körperlichen die Seele als Werkzeug sich abspiegelt, so ist die Seele die Voraussetzung und Einheit alles Sinnlichen. Alles sinnlich Verschiedene und Entgegengesetzte hat daher einen Grund, der in verschiedener Konkretheit die Mannigfaltigkeit des Sinnlichen ausmacht. Die Urteile der Seele sind also wie die Zahlen, von welchen die eine gerade, die andere ungerade ist und nie dieselbe beides zugleich, gerade und ungerade. Die Seele hält daher die Gegensätze in ihrem Grunde für unversöhnlich, da ihr Urteil die Zahl oder die Entfaltung ihrer (höhern) Einheit ist, also diese selbst in ihrer Einfachheit nicht erreicht, wie dies auch in analoger Weise bei den übrigen Einheiten der Fall ist.

ZEHNTES KAPITEL
Von der letzten Einheit

Die sinnliche, körperliche Einheit ist die letzte, weil sie die Entfaltung der Einheiten ist und selbst nichts mehr in sich befaßt. Nur der Geist kennt und unterscheidet die drei ersten Einheiten, der Sinn erfaßt nur das Körperliche. Nun sehen wir auch deutlich ein, wie ungereimt es ist, wenn wir durch das Sinnliche das Geistige messen wollen. Ungereimt ist es schon, die Einfachheit der Linie durch den Körper zu messen, aber das Allerungereimteste, das Unteilbare, den einfachsten Punkt in die Gestalt des Körpers einzukleiden. Durch alle solche körperlichen Formen und sinnlichen Überlieferungen auf dem Gebiete der Literatur (per has sensibiles literatorias traditiones) erhalten wir nur eine verkehrte und dunkle Vorstellung von tieferen theologischen Ideen.

Der Sinn fühlt nur das Sinnliche, aber sein Fühlen ist verworren und unterschiedslos ohne die höhere Einheit des Sinnes; denn daß der Sinn Weißes und Schwarzes, Wärme und Kälte, Scharfes und Stumpfes unterscheidet, das kommt von seiner höhern Einheit, dem unterscheidenden Verstand. Der Sinn als solcher negiert daher nicht, denn Negieren ist Unterscheiden; er bejaht nur, daß das Sinnliche sei, aber nicht dieses oder jenes. Der Verstand bedient sich also des Sinnes als eines Werkzeuges, um das Sinnliche zu unterscheiden, aber er selbst ist es, der im Sinne das Sinnliche unterscheidet. Beachte nun, Vater Julian, wie aus dem Gebiete des Sinnlichen alle Verneinung entfernt ist, gleichwie aus dem der obersten Einheit alle Bejahung. In den mittlern Einheiten kommen beide, Bejahung und Verneinung vor, verbunden in der zweiten, auseinandergetreten in der dritten. So sprechen wir in der untersten Einheit nur von der gegenwärtigen Zeit, in der obersten von keiner Zeit, in der zweiten von der gegenwärtigen und nichtgegenwärtigen, in der dritten von der gegenwärtigen oder nichtgegenwärtigen. Wenn man daher die Begriffe den Einheiten, auf welche sich unsere Forschung bezieht, anpaßt, so ergeben sich die wahreren Mutmaßungen. Wenn wir z. B. als Verstandeswesen von Gott reden, so unterwerfen wir Gott den Gesetzen des Verstandes und bejahen das eine, verneinen das andere von ihm. Das ist die Weise beinahe aller neuen Theologen, welche von Gott vom Standpunkte des Verstandes aus sprechen; auf diesem Wege behaupten wir vieles, was wir vom Gesichtspunkte der einfachen Einheit aus verneinen müssen.

Eines ist hier noch zu beachten: Die sinnliche Einheit, die keiner weitern Entfaltung fähig ist, kehrt nach oben zurück. Der Sinn kehrt in den Verstand, dieser in die Vernunft, die Vernunft in Gott, den Anfang und die Vollendung zurück, in vollendetem Kreislaufe. Es irrt also der Sinn von dem Wege zur Rückkehr in das letzte Ziel ab, wenn er von der Einheit des Verstandes sich entfernt, ähnlich Verstand und Vernunft.

ELFTES KAPITEL
Von der Einheit und dem Anderssein

Nachdem ich nun, soweit es mein ungebildeter Geist vermochte, aus der Zahlenordnung die Grundlage für meine Mutmaßungen gewonnen habe, will ich nun, aus derselben Wurzel, eines, was immer aufs neue dem Geiste einzuprägen ist, beifügen.

Jede Zahl besteht aus einem und einem andern, aber nie wird die Einheit einer Zahl der Einheit einer andern vollkommen gleich sein, da im Endlichen präzise Gleichheit unmöglich ist. Es wird daher Zahlen geben, in welchen die Einheit die Andersheit besiegt und solche, in welchen die Andersheit die Einheit zu verschlingen scheint. Niemand zweifelt daran, daß die Wurzelzahlen einfacher seien als die Quadrat- und Kubikzahlen, die ein Vielfaches sind, also der Vielheit angehören. Nach diesem Vorbilde denke dir nun das Universum und alle Welten mit allem, was aus ihnen hervorgeht, aus der ineinanderübergehenden Einheit und Andersheit gebildet, jedoch in verschiedener Weise, nach dem Gesetze der Einheitsentfaltung. Stelle dir nun die Einheit als ein belebendes und bildendes Licht, die Andersheit als Schatten und Rückschritt von dem ersten Einfachsten, als die materielle Dichtigkeit vor; laß nun eine Lichtpyramide in Finsternis und eine Finsternispyramide in das Lichtgebiet übergehen und führe alles zu Erforschende auf die Figur zurück, um nach ihrer Anleitung in die Geheimnisse einzudringen.

Paradigma der drei Welten, der höchsten lichtartigen, der untersten finsternisartigen und der dazwischenliegenden.


Gott, die Einheit, ist gleichsam die Basis des Lichts, die Basis der Finsternis ist das Nichts. Zwischen Gott und das Nichts aber fällt nach unserer Mutmaßung jegliche Kreatur. Die oberste Welt ist reich an Licht, jedoch nicht ohne Finsternis; in der untersten Welt herrscht die Finsternis, wiewohl auch sie nicht lichtlos ist. Nur das muß ich immer wieder erinnern, daß man sich kein sinnliches Licht oder Finsternis denken darf, um nicht irrige Vorstellungen zu bekommen.

ZWÖLFTES KAPITEL
Erläuterung

Die ganze Kraft unseres Geistes muß sich der tiefsten Erfassung der Einheit zuwenden, weil die ganze Menge des Erkennbaren von ihrer Erkenntnis abhängt, welche in jeder Wissenschaft das ist, was gewußt wird. Die ganze Menge ihrer Namen ist nichts anderes als gewisse Zahlenausdrücke ihres Einen Namens. Was daher den Charakter der Unteilbarkeit (wie: Unzerstörbarkeit, Unsterblichkeit, Unveränderlichkeit, Unbeweglichkeit) des Unterschiedenen (wie: die Gestalt, das Einzelne, das Licht, das Feuer, das Geistige), und der Verbindung (wie: Tätigkeit, Ganzes, Allgemeines, Gattung, Liebe, Kunst) an sich trägt, das geht in seinen Gegensatz ebenso über wie die Einheit in die Andersheit. Es geht daher im obersten Himmel alle Andersheit und was zu ihr gehört, in die Einheit über, in dem untersten Himmel ist die gerade entgegengesetzte Bewegung: Hier ist das Unsterbliche in Sterblichkeit, die Wirklichkeit in der Möglichkeit, die Männlichkeit in der Weiblichkeit etc. In der mittleren Welt ist ein mittlerer Zustand.

Wer dies genau erwägt, der schaut Großes und vielen ganz und gar Verborgenes im hellsten Lichte und dringt bis in die tiefsten Geheimnisse der Natur. Denn er wird dahin geführt, daß die Welt nur die Einheit und Andersheit in einer Variation von Bezeichnungen ist (duceberis enim in variationes terminorum unius et alterius mundi). Eben daher existiert alles in der Welt mögliche in Differenzen: anders ist in dem einen Dinge die Einheit mit der Andersheit verbunden, anders in dem andern. Auf ein einfach Größtes oder Kleinstes kommt man daher in ihr nicht. Von der Annäherung an die Einheit oder der Entfernung von ihr, von dem Grade, in welchem die Einheit in einem Wesen in Wirklichkeit oder in der Möglichkeit ist, hängt daher auch der Wert, die Würde und die Vollkommenheit eines Dinges ab. Denn die Einheit faßt auch den Einklang von Grund oder Anfang und Ziel eines Dinges in sich. So ist die Einheit der Seele vollkommener als die des Körpers, weil das Ziel der Einheit des Körpers die Einheit der Seele ist; denn mit der Seele schwindet auch die Einheit des Körpers. Zu den nachweisbar einfachsten Elementar-Einheiten, die ganz in Wirklichkeit (actu) sind, können wir aber nicht gelangen, weil es bei graduell Verschiedenem kein absolut Größtes und Kleinstes gibt (es gibt z. B. kein Wasser, das sich nicht in Hinsicht auf das Elementare von dem andern als Spezies unterschiede), wiewohl der Verstand das Dasein derselben glaubt. Aber die wahre Einsicht in das Grundelement alles Seins – Gott – gibt uns wieder nur jene negative Wissenschaft, welche präzise Erkenntnis als unmöglich nachweist. Sie zeigt zugleich, was sehr wichtig ist, daß das Fortschreiten der Einheit in die Andersheit zugleich ein Fortschreiten der Andersheit in die Einheit ist; sie schaut also das wieder verbunden, was der Verstand trennt. Diese Einsicht haben sich die Philosophen und philosophierenden Theologen bisher durch ihr Grundprinzip unmöglich gemacht.

DREIZEHNTES KAPITEL
Das vernünftig Erkennbare ist in seinem Ansich nicht zu erkennen

In dem entwickelten Begriffe der Einheit ist nun auch tiefer begründet, was gleich im Eingange über das Wesen der menschlichen Erkenntnis als Mutmaßung gesagt wurde. Die Einheit ist nämlich die unmittelbare in ihrem Ansich unerreichbare Identität. Nun ist aber jedes Wesen nur in seinem eigenen Sein, in seinem Ansich, in jedem andern anders. Der Kreis z. B. als ein Verstandesding wird nur in seiner eigentümlichen Wesenheit, welche eben der Verstand ist, erfaßt; außer dem Verstande, in der Sinnlichkeit, als sinnlicher Kreis ist er nicht mehr in seinem Ansich, er ist in einem andern, daher anders und nicht in seinem Ansich präzis zu erfassen. Und wenn sich auch das Ansich nicht anders denn als Ansich mitteilte, so kann es doch in einem andern nur anders partizipiert werden, nicht infolge eines innern Mangels, sondern weil es in einem andern ist. Schenke diesem Satze deine ganze Aufmerksamkeit, um in die Mannigfaltigkeit der Mutmaßungen tiefer einzudringen! Du siehst nun, daß du nichts vernünftig Erkennbares (intelligibile) in seinem Ansich erkennest, wenn du deine Vernunft für etwas anderes hältst als das Erkennbare selbst; denn das vernünftig Erkennbare wird nur in seiner eigenen Idee, durch deren Sein es ist, in seinem Ansich erkannt, in allem andern aber anders. Nichts wird also in seinem Ansich erkannt, außer in der eigenen Wahrheit, durch die es ist. Daher wird nur in der göttlichen Vernunft, durch welche jedes Ding ist, das Ansich aller Dinge erreicht, in jeder andern Vernunft anders. Wie die Verschiedenheit der Schauenden in der Einheit des Schauens, so schließt sich die Verschiedenheit des zu Schauenden (visibilium) in der Einheit der Anschauung zusammen. Nicht so aber ist es zu denken, als gingen die Geister, die den Lichtstrahl der göttlichen Vernunft in sich aufnehmen, auf natürliche Weise dieser Aufnahme voraus; sondern das geistige Partizipieren an jenem unmittelbaren höchst wirksamen Lichte ist eben ihre Wesenheit; und da dieses Partizipieren in verschiedenem Grade, in verschiedener Potenz, stattfindet, so können wir sagen: Die ganze Tätigkeit unserer Vernunft besteht in potentiell verschiedener Teilnahme an der göttlichen Tätigkeit (potius igitur omnis nostra intelligentia ex participatione actualitatis divinae in potentiali varietate consistit). Denn das aktuelle Erfassenkönnen der Wahrheit an sich kommt den geschaffenen Geistern in der Weise zu, wie es Gott eigen ist, jene Aktualität selbst zu sein, die von den erschaffenen Geistern in verschiedener Potenz partizipiert wird. Je durchgebildeter (formior) daher die Gotteserkenntnis, desto näher kommt ihre Potentialität der höchsten Wirklichkeit, je dunkler, desto entfernter ist sie von ihr. Da also nur eine stete Annäherung, kein Erreichen des Ansich möglich ist, so siehst du, daß alle positiven Behauptungen der Weisen nur Mutmaßungen sind. Die Mutmaßung ist eine positive Behauptung, welche das Ansich der Wahrheit im Anderssein partizipiert.

Welches ist aber die Art und Weise dieses Partizipierens? Da alles, was ein Partizipieren zuläßt, dieses nur im Anderssein zuläßt, so muß es in der Vierheit geschehen; denn indem die Einheit zum Anderssein vorschreitet, bleibt sie im Quaternar stehen, da alles, was in einem andern partizipiert wird, weder am Größten noch am Kleinsten, noch auf völlig gleiche Weise von diesem in sich aufgenommen werden kann. Der Abfall aber von dem am Größten-, am Kleinsten- und dem Gleichsein ist der Quaternar. Die absolute Einfachheit wird daher eben, weil sie die Einfachheit ist, nicht partizipiert in einem Teilverhältnisse, nicht als Inbegriff des Partizipierten, nicht als ins Anderssein übergegangene Entfaltung, sondern sie ist als Art und Weise der Kraft der an sich kein Partizipieren zulassenden Einheit in ihrer Zusammenfassung in einer gewissen Koinzidenz zu denken. (Non igitur participatur unitas ut est complicans simplicitas, nec ut est alterata explicatio, sed ut alterabilis eius participabilis explicatoria, quasi quidam modus virtutis ipsius complicative imparticipabilis unitatis, per quandam coincidentiam intelligitur.)

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1070 стр. 18 иллюстраций
ISBN:
9783843800983
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