Читать книгу: «§4253», страница 9

Шрифт:

Einen Einsatz nach dem anderen fahren die beiden an. Manchmal ist nur ein Gespräch, manchmal Körperkontakt und manchmal auch eine Waffe nötig, um die wie kopflose Hühner durcheinanderrennenden Menschen in geregelte Bahnen zu lenken. Um 01:00 p.m. legen sie dann, nach dem neunten Einsatz, eine Pause ein, regeln das Funkgerät nach unten und melden sich bei der Leitstelle ab. Mit den frischen Sandwiches einer nahegelegenen Fastfoodkette bewaffnet fahren sie den Wagen auf einen kleinen Parkplatz, verschließen ihn und laufen ein Stück über den Parkplatz, zwischen zwei Wolkenkratzern hindurch, zu der Promenade, die sich hinter den Häuserriesen auftut. Beide Männer nehmen sich die gelb angelaufenen Masken vom Gesicht, husten die staubige Luft aus ihren Lungen und atmen die kühle Luft ein, die vom Hudson über die Stadt, die niemals schläft, getragen wird. Philippe nimmt einen großen Biss von dem triefenden Sandwich und betrachtet die meterhohe Kaimauer. Stöhnend lässt er sich auf den Boden fallen und hängt die müden Beine über den Rand des Piers. Dorian tut es ihm gleich und gemeinsam beobachten sie die Wellen, die aufgebracht gegen die Mauern schlagen. Manchmal wird der Blick der Männer von einer schreienden Möwe vom Fluss zurück auf die lange Mauer gezogen, die sich über die gesamte Insellänge erstreckt. Die hohen Wände sehen brutal und unfreundlich aus, erfüllen aber schon seit Jahren ihren Zweck. Einen Zweck, für den die ganze Welt die damals noch New York City heißende Stadt verspottete und auslachte.

In aller Welt wurde in den Nachrichten von dem Milliardenplan berichtet, den gesamten Bereich um die Küste herum zu erhöhen und so den Überflutungen zu entgehen. Frankreich voran prahlte mit eigens angestellten Wissenschaftlern, mit seiner Überlegenheit und der Dummheit der Amerikaner und auch die Deutschen zitierten in vielen Zeitungen, dass sie gewiss keine Mauer errichten werden, um einem Hirngespinst nachzugeben. Nur die italienischen Zeitungen schrieben manchmal einen weniger drastischen Bericht, vielleicht aus Angst, dass die Amerikaner recht haben könnten, dass die Polkappen wirklich schmelzen und die Flutwellen wirklich kommen würden. Vermutlich sorgten sie sich um Städte und Inseln wie Venedig, wollten das aber selber nicht eingestehen. Die Amerikaner hingegen blieben bei ihrem irrwitzigen Plan und begannen, viele Jahre bevor die schmelzenden Polkappen zur Gefahr wurden, Milliardensummen in hohe Kaimauern, Erhöhungen von Straßen und Häusern und in einen Wall, der an vielen Stellen errichtet wurde, zu stecken. Die Welt beobachtete dieses, aus ihrer Sicht, Geldverbrennen und lachte. Sie lachte und lachte, bis es irgendwann die New Yorker waren, die lachten, denn einige Jahre später begann sich der Wasserspiegel rasant zu heben und auch andere Länder wie Großbritannien, Griechenland, Kuba und Co. errichteten Wälle und Kaimauern, um ihr Land zu schützen. Für Länder wie die Niederlande kam jedoch jede Rettung zu spät und viele Niederländer mussten ins nahe Inland fliehen. Nur Frankreich blieb standhaft und verleugnete nach wie vor die immer schlechter werdenden Umstände. Sie verneinten die Klimaerwärmung und bezweifelten, dass der sich hebende Meeresspiegel an den schmelzenden Polkappen liegen könnte. In ihren Zeitungen wurde von der Lügenpresse anderer Länder berichtet und von dem übertriebenen Schüren von Angst ihrer Regierungen. Auch als die Vereinten Nationen mit Nachdruck rieten gefährdete Regionen zu evakuieren und Frankreich Hilfe anboten, blockten sie ab und blieben standhaft auf ihrer Ahnungslosigkeit bestehen. Einige Jahre später fegte ein schlimmer Sturm über das Land und drückte immer mehr Wasser ins Landesinnere. Einige der Atomkraftwerke, die sich aufgrund der Kühlanlagen an Flüssen und Meeren platziert hatten, wurden überschwemmt und zwei von ihnen kollabierten komplett. Als das Wasser zurückging, musste man feststellen, dass die Kühlreaktoren so weit zerstört waren, dass jede Hilfe zu spät kommen würde. Innerhalb von drei Tagen kam es zu zwei so drastischen Ausfällen, dass die Brennstäbe eines nahe der Küste gelegenen Kraftwerks überhitzten und eine Kernschmelze erfolgte. Viele der Arbeiter, die damals versuchten die Lage zu retten, starben bei dem Versuch das Kraftwerk zu kühlen. Die radioaktive Wolke verzog sich ohne weitere Komplikationen und der radioaktive Regen ging nicht über Land, sondern dem offenen Ozean nieder. Viele Menschen starben bei der Sturmflut und den Folgen der radioaktiven Strahlung und Frankreich verhängte eine zweimonatige Staatstrauer. Deutschland schickte sein Militär, um beim Wiederaufbau und der Entseuchung zu helfen, ob aus Diplomatie oder aus Eigeninteresse, nicht Opfer weiterer Verstrahlungen zu werden, war damals unklar. Die Flüchtlingswellen, die Frankreich verließen, wurden aber von Jahr zu Jahr größer. Aufgrund der ständigen Überflutungen war es fast unmöglich die Felder zu bewirtschaften und die Nahrungsmittel wurden, trotz Hilfen der UNO, immer knapper. Deutschland nahm eine Menge Flüchtlinge auf und viele Länder feierten die Offenheit der Deutschen, manche Länder verspotteten aber auch die Naivität und das Ausnutzen ihrer eigenen Bevölkerung. Viele Deutsche gingen auf die Straßen und feuerten gegen ihre Regierung. In den deutschen Zeitungen prangten Titel wie: „Deutschland, das zweite Frankreich?!“ Oder „Ausländer rein, Deutsche raus“. Aber auch Deutschland knickte irgendwann unter den immer größer werdenden Flüchtlingsströmen ein und schloss seine Grenzen. Von einem Tag auf den anderen druckten viele Länder in ihren Zeitungen, dass Deutschland zurück ins Nazitum verfalle. Die Welt sieht eben nur mit einem Auge. Auch Länder wie Italien, Spanien, Portugal und sogar kleinere wie die Schweiz und Belgien hatten mit den Flüchtlingsströmen zu kämpfen und schlossen bald die Grenzen. Der Zwang der Franzosen immer gefährlichere Fluchtwege zu wählen rief schnell Schleuserbanden auf den Plan und obwohl die USA, die Mittel zu helfen hatten, zogen sie sich von diesem Problem zurück und wiesen viele Flüchtlinge sogar ab, die es über den Ozean geschafft hatten.

Aber auch in Amerika gab es nach einiger Zeit immer mehr Flüchtlinge, die zu jung waren, um sie zurückzuschicken, und auch Philippe hatte es geschafft eine der begehrten Staatsangehörigkeiten zu bekommen und kämpfte sich immer weiter in die amerikanischen Sitten und Bräuche hinein. Er schaffte es sogar eine Arbeit in einer nahegelegenen Schlachterei zu erhalten. Eines Nachmittags, am Ende eines langen Arbeitstages, ließ Philippe sich auf einen der großen weißen Eimer fallen, in den das Rinderblut aufgefangen wurde, und starrte auf die Weiten der vor ihm liegenden Weiden. Sein damaliger Chef setzte sich zu ihm und hielt eine Zigarette vor seine Nase. Philippe lehnte das teure Vergnügen dankend ab und beobachtete, wie die Rauchschwaden in die flimmernde Luft stiegen. „Weißt du was?“, hatte der Schlachtmeister das Wort erhoben und quatschte den zwanzigjährigen Franzosen in einem starken texanischen Akzent an. „Ich glaube, du bist kein Schlachter, mein Junge, ich glaube, du bist alles, nur das nicht, selbst Ballerina würde dir besser stehen, so wie du immer zuckst, wenn du den Bolzen in die Rinderköpfe schießt. Ich will nicht sagen, dass du kein Talent hast, ganz im Gegenteil, ich kannte noch nie jemanden, der so präzise tötet wie du, aber hast du mal daran gedacht, einen anderen Weg zu wählen, ich glaube dein Talent wäre beim Militär sehr willkommen.“ Philippe, der den häufig stark nuschelnden Mann nur schwer verstand, winkte ab. „Bei allem Respekt Sir, ich bin froh, dass ich eine Arbeit habe, aber ich töte eigentlich sehr ungerne. Ich glaube nicht, dass ich ein Soldat sein könnte, ich möchte niemanden töten, wenn ich jemanden beschützen kann.“ Das bellende Lachen schallte Philippe um die Ohren und unvermittelt zuckte er zusammen. „Aber, aber als Soldat bist du in diesem Land sehr geachtet.“ Ein schüchternes Kopfschütteln. „Nein, Sir, das kann ich wirklich nicht.“ Der dicke Mann stand auf, warf die Zigarette auf den staubigen Boden, zerdrückte sie zwischen Sohle und Sand und beugte sich zu Philippe hinunter. „Dann geh halt zur Bullerei, mein Junge.“ Mit völligem Unverständnis erwiderte Philippe seinen Blick. „Aber Sir, ich arbeite doch bereits in einer Bullerei.“ Ein gellendes Lachen, der dicke Mann brach unter einem Beben zusammen, wie ein Schwein kugelte er sich vor Lachen im Sand, danach erhob er sich, packte Philippe beim Ohr, zog ihn an seine Brust und sagte in gut gemeinter Ernsthaftigkeit. „Ernsthaft, pack deine Sachen und arbeite für die Polizei, ich will nicht mehr sehen, wie du dich hier von Tag zu Tag durch deine Arbeit quälst, du bekommst ein Ticket für den Bus und zwei Gehälter, morgen bringe ich dich zur Haltestelle. Du bleibst nicht hier, aus dir wird noch was, du wirst schon sehen.“

Aus Philippe wurde auch etwas. Am nächsten Morgen brachte ihn der dicke Mann tatsächlich zur Haltestelle, drückte ihm ein Bündel Geld in die Hand und einen dicken, feuchten, nach Nikotin und Rind stinkenden Kuss auf das Haar und winkte dem Bus hinterher, bis der schon nicht mehr zu sehen war. Der Bus fuhr ohne Halt immer weiter, durch einen Tag und eine Nacht und als die Sonne wieder zu sehen war und Philippe seine Augen öffnete, schlängelte sich der Bus bereits durch den High Yorker Verkehr. Die Stadt, die durch die Fortschrittlichkeit der Wälle und Kaimauern nun viele Meter über dem Wasserspiegel lag und deswegen seinen neuen Namen trug, war noch beeindruckender, als Philippe es sich zu erträumen gehofft hatte. Manhattan war gewaltig und High York zu seinem „American Dream“ geworden. Von dem Geld in seinem Rucksack kaufte er sich die größte Wohnung, die er finden konnte – dass es am Ende nur eine alte, ranzige und halb zerstörte Fabrikhalle wurde, spielte für den jungen Mann keine Rolle. Er genoss die hohen Wände und deckte die Löcher in den Fenstern mit Decken ab, die er einer alten Frau mit grauen Haaren und einem Einkaufswagen abkaufte. Er schrieb sich beim High Yorker Police Department ein und einige Monate später thronte er neben Dorian auf jenem unbequemen Klappstuhl.

„Glaubst du, dass die amerikanische Regierung wirklich als Einziger wusste, dass die Polkappen weiter schmelzen werden?“ Philippe sieht zu dem schmatzenden Dorian herüber, der gerade einen senfigen Kampf gegen eine Salatgurke verliert. „Was meinst du?“, schmatzt er Philippe entgegen. „Na ja, die Sache mit dem Klimawandel war doch allen bewusst, oder? Warum haben wohl nur die Amerikaner gehandelt.“ Die Salatgurke fällt mit einem Flatsch auf Dorians Hose, wild fluchend reibt er auf dem immer größer werdenden Fleck herum, schluckt den Bissen herunter und wendet sich dann wieder Philippe zu. „Also ich persönlich glaube, dass die Amerikaner sich da etwas beweisen mussten. Ich meine, durch die ziemlich bescheuerte Wahl unseres Präsidenten, ich meine, bevor das alles so richtig schlimm wurde, waren es wir, die den Klimawandel geleugnet haben. Mit dem Wechsel des Präsidenten änderten sich auch die Ansichten der Bevölkerung und der neue Präsident wollte wohl beweisen, dass die USA eben doch an den Klimawandel glauben. Dass das am Ende wirklich alles stimmte, war vermutlich mehr Zufall als Planung.“ Bevor Dorian wieder in das tropfende Sandwich beißt, stellt er Philippe noch die Frage, die ihn den ganzen Tag schon beschäftigt. „Du, Philippe? Du musst da natürlich nicht drauf antworten, aber was glaubst du ist in den Ordnern, die du vom Captain hast?“ Philippe schwingt seine Beine über die Kaimauer, steht auf und lehnt sich gedankenverloren gegen die Brüstung. „Ich glaube die Wahrheit.“ „Welche Wahrheit?“, nuschelt Dorian um das Stück Sandwich in seinem Mund herum. „Die Wahrheit, was uns die Zukunft bringen wird.“ Mit einem Würgen schluckt Dorian das letzte Stück Sandwich herunter und gesellt sich neben Philippe an die Brüstung. „Du meinst, da stehen die geplanten Absätze des § 4253 drin? Wäre es nicht furchtbar? Stell dir vor sie verbieten nicht nur den Autobau, sondern Autos komplett, das wäre katastrophal und ein ziemlich drastisches Eingreifen in unser Leben. Ich habe im Internet gelesen, dass sie sogar den Strom aus der Atomkraft abstellen wollen, ich denke aber, das ist Quatsch, so verrückt sind die nicht. Was sagst du dazu?“ Philippe starrt auf das schnell fließende Wasser des Flusses, auf die aufgebrachten Wellen und auf die laut vorbeidampfenden Touristenkreuzer. „Ehrlich gesagt Dorian, glaube ich, dass uns das ganz richtig geschieht. Wir Menschen sind viel zu respektlos mit unserer Heimat umgegangen, wir wollten immer weiter hinauf, immer schneller mehr Geld machen und jetzt haben es endlich mal ein paar Menschen in die Hand genommen etwas zu ändern, uns den Spiegel unter die geschlossenen Lider zu schieben und uns auf unsere eigene Wahrheit gestoßen.“ Dorian kneift perplex die Augen zusammen. „Ich glaube nicht, dass es solche Drastik dazu braucht, Philippe, wie willst du das auch beurteilen.“ Philippe lässt das Geländer los und presst Dorian die Faust gegen die Brust. „Ich glaube, ich kann das sehr gut beurteilen, ich habe durch den Klimawandel alles verloren, meine Heimat, meine Kultur, alles weggespült von einer wegsehenden Politik, einer Politik, die neben den feinen Designeranzügen Scheuklappen trägt. Also verdammt noch mal, ja Dorian, ich glaube ich kann das einschätzen!“ Nachdem Philippe sein Zischen beendet hat und seine Augen sich von Schlitzen zurück zu Mandeln geformt haben, entlässt er Dorian aus seinem Bann und schlendert, zwischen den Häusern, zum Wagen zurück. Dorian stolpert hinter Philippe her, greift ihn am Arm und hechelt: „Hey, es tut mir leid, ich habe das nicht so gemeint, Philippe.“ Der Mann entreißt sich Dorians Griff und sagt mit leichter Trauer in seiner Stimme: „Ich weiß Dorian, ich habe es aber so gemeint.“

Philippe schweigt in das Rauschen des Wagens hinein und obwohl der Asphalt immer wieder Steine gegen den Unterboden schlägt, obwohl das Funkgerät die ganze Zeit über in einem stereoähnlichen Sound vor sich hin krakeelt obwohl das Hupen der Autos manchmal unerträglich laut wird, ja selbst, wenn das Blaulicht über ihren Köpfen sich mit schrillen Sirenen den Weg durch den Verkehr schreit, selbst dann drückt Dorian die Stille seines Partners auf die Ohren. Immer wieder versucht er sein Schweigen zu brechen, ihn zu einem Gespräch oder nur einem Wort zu bewegen, doch selbst wenn Dorian ihm eine Abkürzung über das Schrillen der Sirenen zuschreit, selbst dann schweigt er und gibt ihm nur mit einem knappen Nicken sein Verständnis durch. Philippe scheint so tief in irgendwelchen Gedanken zu stecken, dass es Dorian manchmal so vorkommt, wenn sie an einer Ampel stehen bleiben oder einen Kaffee bei einem Drive-in holen, als würde er alleine im Wagen sitzen und den Autopiloten fahren lassen.

Aber auch ohne Worte hören die Einsätze nicht auf weniger zu werden und umso mehr die Sonne sich hinter dem Smog verzieht, umso riskanter werden sie. Die Menschen scheint der immer weniger werdende Sauerstoff irgendwie aggressiver zu machen. Um 04:43 p.m. lehnt Dorian sich gegen die Kühlerhaube des Streifenwagens und wischt sich mit dem Ärmel seines Hemdes den Schweiß von der Stirn, der ihm stetig vom Kopf tropft und in seinen Augen brennt. Philippe sitzt derweil schweigend im Wagen und reinigt den Lauf seiner Waffe, sorgfältig zieht er die Messingbürste von der Mündung zum Patronenlager, immer wieder wiederholt er den Schritt, bis er mit seiner Arbeit zufrieden ist. Geübt lädt er die Waffe einmal durch und platziert sie zurück im Holster, bevor er sich zu Dorian gesellt. „Na, alles wieder sauber?“ Ein knappes Nicken aus Philippes Richtung. Irgendetwas hat sich jedoch an der Art geändert, wie Philippe schweigt, und da Dorian ihn auch ohne Worte lesen kann wie ein Buch ohne Einband, winkt er nur genervt ab. „Mann, Philippe, mach dir das jetzt doch nicht zum Vorwurf, du musstest schießen.“ Philippe zuckt mit den Achseln und geht in Gedanken den letzten Einsatz durch. Immer wieder spielt er die Schusssituation im Kopf ab, wie er es immer tut, um sich seiner getroffenen Entscheidung auch weiterhin sicher zu sein. Obwohl er weiß, dass das nichts an seiner, ohnehin schon getroffenen, Entscheidung ändert, fühlt es sich richtig an die gezielte Verletzung oder Tötung eines Menschen nicht einfach so zu vergessen. „Hättest du geschossen?“, richtet er das Wort an Dorian. „Ob ich geschossen hätte?“ Verwundert über die seltsame Frage stößt der sich von der Kühlerhaube und drängt sich in Philippes Blickfeld. „Wenn du in der Sekunde nicht geschossen hättest, hätte ich es in der nächsten getan, also ja, ich hätte ganz sicher geschossen, der Typ kann noch froh sein, dass wir nicht beide geschossen haben. Wir haben ihm schließlich mehrmals angeboten sich gegen das Messer und für die Handschellen zu entscheiden. Mach dich also nicht verrückt, du hast ihn ja ziemlich präzise an der Schulter erwischt, er sollte sich also auch nicht beschweren können.“ Zu Dorians Erstaunen nickt Philippe nicht nur, sondern antwortet sogar mit Sprache auf seine Aussage. „Es wäre mir trotzdem lieber, wenn du zuerst geschossen hättest.“ Mit zusammengekniffenen Augen legt Dorian seinen Kopf zur Seite und versucht die ziemlich dreiste Aussage seines Lieutenants einzuordnen. Um Missverständnissen vorzubeugen, erhebt erneut Philippe das Wort. „Na ja, jetzt muss ich den ganzen Papierkram machen.“ Ein Lächeln umspielt seine Lippen. Erleichtert über seine Antwort und das Brechen der Stille boxt Dorian Philippe in die Seite, wischt sich ein letztes Mal die Tropfen von der Stirn und lässt sich wieder auf den Beifahrersitz fallen. Einmal aufhupend versucht er Philippe dazu zu bewegen es ihm gleich zu tun. Stöhnend zieht sich der die Maske zurück ins Gesicht, gibt dem Drängeln seines Partners nach und nimmt hinter dem Lenkrad Platz. In der Sekunde, in der Philippe den Fuß von der Kupplung nimmt und der Wagen aus der Parkbucht rollt, krakeelt das Funkgerät weiter mit einem kurzen, „Vier acht, vier neun.“ meldet sich Philippes Beifahrer der Leitstelle. Die Frau, die auf der anderen Seite der Leitung die Leitstelle vertritt, gibt eine neue Adresse durch und Philippe beschleunigt den Wagen zurück in den engen Verkehr. Erneut ein Krakeelen und die Frauenstimme erklingt. „Hey Jungs, habt ihr schon gesehen, was die Einsatzinfos sind?“ Dorian scrollt auf dem kleinen Display, das vor ihm am Armaturenbrett hängt, herum und schüttelt stumm den Kopf. „Nein. Wir haben noch keinen Bericht darüber erhalten“, meldet sich diesmal Philippe. „Dachte ich mir Lieutenant Lafin, der Grund ist, dass sich die Officer vor Ort nicht ganz sicher waren, wie sie vorzugehen haben, sie baten die Leitstelle um Unterstützung.“ Genervt verhärtet Philippe seine Stimme. „Das ist schön, ich habe aber keine Zeit zum Quatschen, um was geht es denn?“ Das ruppige Verhalten offensichtlich gewöhnt, redet die Frau unbeirrt und gleichbleibend freundlich weiter. „Das Problem ist, sie haben die Leiche einer Frau gefunden, die Kollegen der Mordkommission sind aber mit einem anderen Fall betraut worden. Ich hielt es für das Beste, wenn Sie es sich erstmal ansehen könnten, Lieutenant, vielleicht liegt auch nur ein Selbstmord vor.“ Dorian hätte eigentlich nicht gedacht, dass Philippes Laune noch schlechter werden könnte, aber ziemlich rapide tat sie es doch und ohne zu brüllen, aber doch in einem sehr, sehr bestimmten Ton antwortet Philippe dem Display zugewendet. „Bei allem Respekt für Ihre Arbeit, und ich weiß, dass auch Sie heute einen harten Tag haben werden, aber nur ein Selbstmord? Nur ein Selbstmord? Ich hoffe doch sehr, dass das nicht Ihr Ernst ist, so etwas gibt es meines Wissens nicht, eine Leiche ist eine Leiche. Ich sehe mir das gerne an, aber bitte ziehen Sie mein Mordteam sofort von dem ab, was auch immer sie gerade machen und sagen Sie ihnen, meinetwegen auch in meinem Namen, dass sie ihre Ärsche sofort dahinkarren sollen! Vier acht, vier neun. Ende.“ Mit einem Schlag auf das Display drückt er die in monotoner Freundlichkeit weitersprechende Frau weg und bevor er Dorian bittet das Blaulicht zu betätigen, macht er seiner Wut ein wenig Luft und drängelt sich demonstrativ in eine zu groß gewordene Lücke.

Obwohl das Blaulicht wütende, rote und blaue Lichter gegen die engen Manhattaner Häuserwände wirft und die Sirene auf der Grenze zum Hörsturz balanciert, schiebt sich der Streifenwagen langsam voran. Block für Block kämpft er sich nach vorne und manchmal hat Philippe das Gefühl, als wolle der immer nervöser werdende Dorian jetzt doch anfangen auf Autos zu schießen, die sich nicht aus dem Weg bewegen. Aggressiv und den kleinen Block so haltend, dass es die Fahrer der Wagen sehen können, notiert er sich Kennzeichen für Kennzeichen und versucht immer wieder Philippe mit in seine genervte Stimmung zu ziehen, indem er Parolen wie „So, den habe ich!“, „Den melde ich!“ und „Hast du das gesehen, der hat sich nicht mal entschuldigt, seinen kack Dukjon-Flitzer im Weg stehen zu lassen, der ist außerdem tiefergelegt worden, pah, den melde ich!“ verlauten lässt. Zu Philippes Vergnügen geht es noch die ganze Fahrt so weiter, bis sie endlich in eine verkehrsberuhigte Straße einbiegen, die außer ein paar herumstreunenden Katzen und abgeknickten Straßenlaternen nichts von dem Trubel zeigt, der sonst in High York vorzufinden ist. Die Geschwindigkeit herunterregelnd rollt der Streifenwagen durch die mit Smog bedeckte Straße. Mit einer Hand dreht Philippe die Sirene aus und beobachtet, wie das Flackern des Blaulichts sich weiter durch den Smog frisst. „Hier irgendwo muss es sein, siehst du schon etwas, Philippe?“ „Nein. Du? Hier müssten doch irgendwo Streifenwagen stehen, oder?“ „Mmh, ja, denke schon, halt mal da vorne, ich glaube da ist was.“ „Ja stimmt, da stehen zwei Streifenwagen, ach und Dorian?“ „Ja?“ „Kann ich mal kurz den kleinen Block haben?“ Stolz reicht Dorian Philippe den Block und nickt zufrieden über sein Tagewerk. Philippe grinst ihm bestätigend und Lob vortäuschend entgegen und wirf den kleinen Block aus dem Fenster. Dorian sieht dem auf der Straße tanzenden Block hinterher und starrt Philippe mit aufgerissenem Mund entgegen. „Du wolltest die doch nicht wirklich alle melden, oder?“ Niedergeschlagen schüttelt Dorian seinen Kopf. „Nein, nein ich denke, das wollte ich nicht.“ Immer noch mit einem breiten Grinsen nickt nun Philippe zufrieden. „Dachte ich mir.“ Der Wagen hält und beide Männer steigen aus dem Auto.

„Guten Nachmittag Lieutenant, schön, dass Sie kommen konnten.“ Eine kleine Frau, die Philippe gerade bis zur Brust geht, schüttelt seine Hand. Freundlich nickend erwidert er den Gruß der jungen Frau, schweigt aber weiter. „Wir dachten zuerst die Leitstelle hätte uns nur eine weitere Streife geschickt, weil wir Sie in einem Zivilwagen vermutet hatten.“ Mit einem zermürbenden Blick auf Dorian, der auch sogleich den Kopf ein weniger tiefer trägt, erwidert er der zierlichen Frau: „Wir dachten auch, dass wir mit einem Zivilwagen kommen würden, aber heute sind die Dinge wohl etwas anders. Was können Sie uns den über den Fall sagen, Officer?“ Die kurze Frau redet weiter: „Leider noch nicht viel Lieutenant. Es ist die Leiche einer jungen Frau, wir konnten sie anhand ihrer Fingerabdrücke identifizieren. Ihr Name ist Fiona Duczek. Sie kommt ursprünglich aus Polen, einen Pass haben wir nicht bei ihr gefunden. Die ganze Sache sieht aus wie ein Mord, aber die Indizien sprechen eher für einen Selbstmord.“ Auf Philippes fragenden Blick reagierend spricht sie mit einer kurzen Pause weiter. „Es gibt einen Brief und die Leitstelle konnte mir berichten, dass das Opfer große Mengen an Airbus-Aktien hielt, aber ich kann mir nicht helfen, irgendetwas an diesem anscheinenden Selbstmord ist komisch. Wir haben außer dem Brief noch ein Flugticket gefunden, auf dem ihr Name natürlich nicht draufstand, Sie wissen schon, die neuen Datenschutzrichtlinien, außerdem ein kleines gläsernes Okapi. Sonst hatte die Frau nichts bei sich.“ Der Boden verwandelt sich von staubigem Sand in schleimigen Morast und alle drei ziehen ihre Köpfe ein, als sie durch den Eingang, der mehr ein großes Loch in einer mit Graffiti besprühten Wand ist, treten.

Die Luft in der großen alten Industriehalle ist im Verhältnis zu der dicken schwülen Luft, die schon seit Wochen über High York hängt, kühl und feucht, hie und da tropft es sogar von der Decke. „Wohin ging das Flugticket, das sie bei sich trug, und was meinen Sie damit, wenn Sie sagen, irgendetwas ist komisch daran? Entschuldigung, wenn ich auf dem Schlauch stehe, was haben Airbus-Aktien damit zu tun?“ Philippe versucht während des Gesprächs immer wieder mit der kleinen Frau Schritt zu halten, die für ihre Größe erstaunliche Geschwindigkeiten an den Tag legt. „Oh, haben Sie es noch gar nicht gehört? Sie haben den ersten Absatz veröffentlicht und …“ „Ja, ich weiß!“, unterbricht er die Frau im Wort. „Ich dachte aber, dass er nur den Autobau verbietet?“ Ewas eingeschüchtert und bemüht respektvoll nickt die kleine Frau immer wieder verständnisvoll und fährt dann fort. „Nein Sir, leider nicht, der erste Absatz ist weitaus allgemeiner gefasst worden, er verbietet den gesamten Bau von allen Verkehrsmitteln, die schädlich für die Umwelt sind, um es mal grob auszudrücken. Und bevor Sie nochmal fragen müssen, das Flugticket war für einen Flug von Frankfurt in Deutschland nach High York. Laut der Uhrzeit ist sie heute ganz früh gelandet.“ Philippe beißt sich auf die Unterlippe – hätte er nur diese blöden Ordner in Angriff genommen, bevor er heute Morgen losfuhr. Da daran jetzt aber nichts mehr zu ändern ist, erwidert er nur knapp: „Natürlich, ich hatte es für einen Moment verdrängt und ich schätze mal nicht, dass Sie wissen, was die Frau in Deutschland wollte?“ Die kleine Frau hinterfragt die anscheinende Unwissenheit über die aktuelle Situation nicht weiter und quasselt unbeirrt weiter. „Nein, wir wissen nicht, was sie in Deutschland wollte, so weit sind wir aktuell noch nicht. Sie wollten doch wissen, warum mir die Sache komisch vorkommt. Hier, sehen Sie selbst.“ Alle drei stehen vor einer großen milchigen Plane. Der Plastikgeruch umhüllt sie wie eine Wolke, und Dorian, der etwas hinter Philippe und dem Officer läuft, rümpft die Nase. Für ihn ist dieser Geruch auf ewig mit dem Tod verbunden, seit er selbst drei Jahre bei der Mordkommission gearbeitet hat. Die kleine Frau hebt den Schleier und legt damit den Blick auf die Leiche frei. Zwei Gerichtsmediziner in weißen Overalls knien um den leblosen Körper; als sie Philippe sehen, stehen beide auf und nicken ihm zu. „Kann ich es mir ansehen?“, richtet Philippe das Wort an sie. Etwas verwundert sehen sie sich an. „Wir hatten eigentlich mit der Mordkommission gerechnet Sir, aber natürlich können Sie es sich anschauen, die Spurensicherung hat ihren Job schon beendet und wir können auch später mit unserer Arbeit fortfahren.“ Zögernd macht Philippe einen Schritt auf die Leiche zu, Dorian folgt ihm. „Können Sie schon etwas über die Todesursache sagen?“, wendet Dorian sich an den jüngeren der beiden Männer. „Sie starb wahrscheinlich durch einen Genickbruch, sie hat sich erhängt, baumelte, als wir gekommen sind, da oben unter der Decke.“ Er deutete auf einen T-Träger, der von einer Seite der Halle in die andere führt. „Wir haben sie runterschneiden müssen, sie hat eine ziemlich miese Prellung am Kopf, die aber älter ist, es sieht nicht nach Fremdeinwirkung aus.“ Philippe umkreist langsam und leise die Leiche, es kommt ihm immer so vor, als gebiete der Tod die Ruhe, um die Toten nicht zu wecken. Die Gerichtsmediziner durchqueren den Vorhang aus Plastik, und bevor er hinter ihnen zufällt, grummelt der Ältere: „Sagen Sie Bescheid, wenn Sie fertig sind, damit wir sie eintüten können.“ Und etwas respektvoller erwidert der Jüngere, durch den Job weniger verdorben: „Lassen Sie sich aber gerne Zeit.“ Ein langsames Nicken aus Dorians Richtung und der Vorhang fällt.

Nachdem Philippe die Leiche mehrfach umrundet und sich einen Überblick verschafft hat, rückt er ein wenig näher an das bleiche Gesicht heran. Die Augen sind offen, in ihnen liegt kein Ausdruck. Die blonden Haare sind ordentlich zu einem dünnen Zopf geflochten und über dem Gesicht hängt eine Strähne. Philippe schaudert, er kennt diese Frau, irgendwoher kennt er die Frau, in seinem Kopf kreisen die Gedanken, immer wieder fliegt die Antwort vorbei, legt sich auf seine Zunge, bleibt aber unaussprechbar. Er betrachtet ihre Kleidung, sie gab sich wohl Mühe gut auszusehen, der Rock nicht zu kurz, um anstößig zu wirken, aber auch nicht so lang, um ihre Weiblichkeit zu verstecken, eine vermutlich ehemalig sauber eingesteckte Bluse darüber. Die Kleidung wirkt nicht teuer, Material und Aussehen eher billig. Philippe richtet sich aus der Hocke auf, stößt dabei aber versehentlich gegen das Holster seiner Waffe. Für einen Sekundenbruchteil springt ein Bild vor seine Augen, eine zur Waffe geformte, an den Kopf gehaltene Hand. Verwundert über diese merkwürdige Sequenz aus seinem Gedächtnis reibt er sich den schmerzenden Ellbogen. Dann stolpern Worte über seine Lippen: „Brighter than the sun.“ „Hast du was gesagt?“ Dorian blickt aus einer Akte auf und runzelt die Stirn. „Nein, habe ich nicht“, entgegnet Philippe mehr zu sich als zu Dorian. Dann zuckt er zusammen und ruft nach der kleinen Frau. „Officer?“ Die zierliche Frau wischt durch den Spalt der Plastikplane. Ohne auf das „Ja Sir!“ zu warten, spricht Philippe weiter: „Die Frau hat keinen Selbstmord begangen!“ Dem Officer entgleitet für einen Moment das Gesicht, stotternd versucht sie sich zu sammeln. „Aber …, aber …, woher …, wie …, ich meine …?“ Genervt rollt Philippe mit den Augen. „Fährt die Frau einen alten Fiat Punto?“ Immer noch perplex, scrollt sie auf dem Display in ihrer Hand herum und nickt dann zart. „Ja Sir, einen 1993er blauen Fiat Punto, woher …?“ „Spielt keine Rolle“, unterbricht er erneut die Frau. „Was steht in dem Abschiedsbrief? Sie sagten eben irgendetwas von Airbus-Aktien.“ Der Officer scrollt schnell auf dem Display nach oben und drückt ihn dann Philippe in die Hand. Philippes Augen fliegen schnell über den Text, manchmal nickt er bestätigend, dann reicht er das Display zurück an die junge Frau. „Grob gefasst schreibt sie, dass sie sich wegen der großen Verluste an ihren Airbus-Aktien und der damit verlorenen Unsummen nicht mehr im Stande fühlt weiterzuleben. Richtig?“ Bestätigung. „Das ist sehr grob, Sir, aber ja, das stimmt.“ „Diese Frau hatte ganz sicher keine Airbus-Aktien.“ In dem Gesicht des Officers spiegelt sich Entrüstung wider. „Aber die Leitstelle meinte ...“ Wieder ein Augenrollen. „Die Leitstelle weiß auch nicht alles, mag ja sein, dass sie mal Aktien hatte, aber jetzt bestimmt nicht mehr. Warum sollte sie einen uralten Fiat fahren, billiges Haarfärbemittel benutzen, das die Haare immer dünner werden lässt, und Kleider tragen, die von einem dieser Billigkaufhäuser kommen?“ Das Display von einer Hand in die andere schiebend hält die Frau ihre Augen zu Boden gerichtet. „Sir, das wird nicht ausreichen, um das als Mordfall aufzunehmen.“ Philippes Anspannung steigt: „Mein Gott, wann war der Todeszeitpunkt?“ Eine vorsichtige Antwort. „Circa vor sechs Stunden, Sir.“ Seine Theorie bestätigt sehend lüftet sich Philippes Stimmung. Er tippt ein paar Daten in sein Handy und hält es dann der immer noch nervös dreinblickenden Frau vors Gesicht. „Hier, sehen Sie sich das an, die Dukjon-Aktie ist vor ca. zwanzig Stunden in den Keller gefallen, die Airbus-Aktien aber erst vor vier Stunden, das heißt, die Frau kann das noch gar nicht gewusst haben, als sie sich umbrachte.“ Die Frau vor Philippe betrachtet das Display des Handys und schüttelt erneut den Kopf. „Sie kann es doch schon vorher erfahren haben. Sie hätte zum Beispiel schon den Absatz lesen können und damit Rückschlüsse ziehen.“ Philippe hebt ungläubig und verständnislos die Augenbrauen. „Hätten Sie sich umgebracht anhand von Rückschlüssen? Hätten Sie nicht auch gewartet, bis die Aktien wirklich fallen, bei allem Respekt, niemand begeht Selbstmord aufgrund von irgendwelchen Rückschlüssen! Und genau wie Sie und ich hat sie die Bekanntmachung bestimmt auch nicht sofort ernst genommen, wenn sie überhaupt noch im Besitz dieser Aktien war.“ Endlich nickt die Frau, Philippe atmet merklich aus und verlässt seine leicht drohende Haltung dem Officer gegenüber. „Na gut, das klingt plausibel, fragt sich nur, ob es genug ist, um von Mord auszugehen.“ Philippe stöhnt. „Die Mordkommission, die den Fall bearbeiten wird, ist mir unterstellt, also denke ich schon, dass es genug ist.“ Mit einem hörbaren Schlucken und einem „natürlich Sir“ verschwindet die Frau wieder hinter dem Plastik. Dorian, der sich das Spektakel von weiter hinten angesehen hat, tritt jetzt auf Philippe zu und legt ihm freundschaftlich eine Hand auf die Schulter. „Weißt du, warum ich mir die ganzen Nummernschilder notiere?“ Auf seine ironische Frage keine Antwort verlangend, spricht er weiter. „Weil ich nicht den Rang habe meinen Ärger an einem Officer auszulassen.“ Philippes Stirn legt sich in Falten. „War ich so gemein?“ Laut lachend reißt Dorian die Augen auf. „Bruder, dass du ihr nicht ins Gesicht gesagt hast, dass sie dumm ist, war auch schon alles.“ Etwas schuldbewusst durchquert Philippe den Vorhang, anstelle des erwarteten Officers findet er aber die zwei Frauen wieder, die Dorian und ihm am Morgen den letzten Zivilwagen vor der Nase weggeschnappt haben. Mit einem breiten Grinsen geht er auf die Damen zu. „Hallo Sabrina. Na, wie fährt es sich so in meinem Wagen?“ Beide blicken auf. „Lieutenant, Sie sind noch hier? Wir dachten, dass Sie sich für einen Selbstmord nicht zuständig fühlen.“ Ein Zähneknirschen. „Für einen Selbstmord nicht, aber für einen Mord schon. Das Gleiche könnte ich im Übrigen auch von Ihnen beiden sagen oder heißen Sie jetzt Selbstmordkommission?“ Ein gehässiges, aber ironisch gemeintes Lachen der beiden Frauen. „Ha. Ha. Ha. Uns wurde von einer überaus freundlichen, aber von Ihnen wohl doch genervten Dame berichtet, dass wir unsere“, sie formt mit Zeige- und Mittelfinger Gänsefüßchen in die Luft, „Ärsche sofort hierher bewegen sollen.“ Philippe lacht. Dorian schmunzelt und nickt, darauf bedacht von Philippe ungesehen zu bleiben, den Frauen zu. „Na gut ihr beiden, der Punkt geht an euch, wurdet ihr vom Officer schon aufgeklärt?“ Die beiden Frauen nicken. „Ihre Vermutung klingt gut, wir werden uns mit den zuständigen Gerichtsmedizinern und der Spurensicherung unterhalten, vielleicht finden wir weitere Spuren, die Ihre Theorie erhärten.“ Froh darüber, dass er sich nicht weiter rechtfertigen muss, lächelt er den beiden dankend zu. „Dann möchte ich Sie nicht weiter aufhalten.“ Mit einer einladenden Handbewegung gibt er den Weg zur Leiche frei und begibt sich zusammen mit Dorian zum Streifenwagen zurück.

399
528,71 ₽
Возрастное ограничение:
0+
Объем:
780 стр. 1 иллюстрация
ISBN:
9783754188163
Издатель:
Правообладатель:
Bookwire
Формат скачивания:
epub, fb2, fb3, ios.epub, mobi, pdf, txt, zip

С этой книгой читают