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Читать книгу: «Der Traum Der Sterblichen », страница 4

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KAPITEL SIEBEN

Godfrey, der zusammengerollt schlief, wurde von einem stetigen, andauernden Stöhnen geweckt, das in seine Träume drang. Er wachte langsam auf, unsicher, ob er wirklich wach oder immer noch in seinem endlosen Alptraum gefangen war. Er blinzelte ins blasse Licht und versuchte, seinen Traum abzuschütteln. Er hatte geträumt, dass er eine Marionette war, die über den Mauern von Volusia hing und von den Finianern gehalten wurde, die an den Seilen zogen und Godfreys Arme und Beine bewegten. Godfrey hatte zusehen müssen, wie unter ihm tausende seiner Landsleute niedergemetzelt und die Straßen von Volusia mit ihrem Blut rot gefärbt wurden.

Jedes Mal, wenn er dachte, es wäre vorbei, hatten die Finianer wieder an den Seilen gezerrt, und ihn in alle Richtungen tanzen lassen…

Endlich, glücklicherweise, war Godfrey von diesem Stöhnen aufgewacht, und hatte sich mit dröhnendem Kopf zur Seite gerollt und gesehen, dass es von Akorth und Fulton kam, die nicht weit weg von ihm lagen und selbst voller blauer Flecke waren. Neben ihnen lagen Merek und Ario – regungslos, doch zumindest waren sie hier und Godfrey konnte sehen, dass sie atmeten. Godfrey war zur gleichen Zeit erleichtert und besorgt. Er war erstaunt, am Leben zu sein, nachdem er Zeuge dieses Hinterhalts geworden war, und wunderte sich immer noch darüber, dass die Finianer ihn nicht auch umgebracht hatten. Er fühlte sich hohl, niedergeschlagen unter der Last erdrückender Schuldgefühle, da er sich die Schuld dafür gab, dass Darius und die anderen in die Falle in Volusia gegangen waren. Alles nur wegen seiner Naivität. Wie hatte er nur so dumm sein und den Finianern vertrauen können?

Godfrey schloss die Augen und schüttelte den Kopf. Er wollte die Bilder vergessen, wünschte sich, dass die Nacht anders verlaufen wäre. Er hatte ohne sein Wissen Darius und die anderen wie Lämmer zur Schlachtbank geführt. Immer und immer wieder hörte er die Schreie der Männer, die um ihr Leben kämpften, zu fliehen versuchten. Immer und immer wieder hallten sie in seinem Kopf wieder und ließen ihn nicht in Frieden.

Godfrey hielt sich die Ohren zu und versuchte es zu vergessen, genauso wie Akorth und Fultons Stöhnen. Beide mussten offensichtlich Schmerzen haben von all ihren blauen Flecken und der Nacht, die sie auf dem kalten Steinboden verbracht hatten.

Godfrey setzte sich auf und betrachtete seine Umgebung. Sein Kopf fühlte sich unsagbar schwer, als er die Zelle betrachtete, in der außer ihm  und seinen Freunden nur noch ein paar andere Männer gefangen gehalten wurden. Es tröstete ihn, dass sie wahrscheinlich eher früher als später sterben würden, denn diese Zelle unterschied sich deutlich von der letzten – sie fühlte sich mehr wie eine Station auf dem Weg zum Tod an.

Aus der Ferne hörte Godfrey die Schreie eines Gefangenen, der über den Flur gezerrt wurde und erkannte: Diese Zelle war wirklich eine Station auf dem Weg des Todes – es war eine Todeszelle, in der die Gefangenen auf ihre Exekution warteten. Er hatte von anderen Exekutionen in Volusia gehört, und er wusste, dass er und die anderen beim ersten Tageslicht hinaus in die Arena gezerrt werden würden, wo die Razifs sie in Stücke reißen würden, als Belustigung für die Zuschauer bevor die Gladiatorenkämpfe begannen. Nur deshalb waren sie noch am Leben. Zumindest ergab nun alles einen Sinn.

Godfrey rappelte sich auf Hände und Knie auf, dann stieß er seine Freunde an und versuchte sie zu wecken. Alles drehte sich um ihn und jede Bewegung tat ihm weh. Das letzte, an das er sich erinnern konnte war, dass ein Krieger ihn bewusstlos geschlagen hatte, und er erkannte, dass sie weiter auf ihn eingeschlagen haben mussten, als er schon am Boden war.

Die Finianer, diese verräterischen Feiglinge, waren offensichtlich nicht einmal Manns genug, ihn selbst zu töten.

Godfrey hielt sich den Kopf, erstaunt, dass er solche Kopfschmerzen haben konnte, ohne auch nur einen Schluck getrunken zu haben. Mit zittrigen Knien stand er auf und sah sich in der düsteren Zelle um. Eine einzelne Wache stand draußen vor den Gitterstäben. Er hatte ihm den Rücken zugekehrt und schenkte der Zelle keine Beachtung.  Diese Zellen mit massiven Gittern und dicken Schlössern gesichert und Godfrey wusste, dass ihnen diesmal nicht so leicht die Flucht gelingen würde. Diesmal würden sie bis zu ihrem Tod hier bleiben.

Langsam begannen Akorth, Fulton, Ario und Merek sich neben ihm aufzurappeln und ihre Umgebung zu betrachten. Er konnte die Verwirrung und die Furcht in ihren Augen sehen – und dann das Bedauern, als sie sich zu erinnern begannen.

„Sind sie alle tot?“, fragte Ario und sah Godfrey verzweifelt an.

Godfrey verspürte physischen Schmerz, als er langsam zustimmend nickte.

„Es ist unsere Schuld“, sagte Merek. „Wir haben sie im Stich gelassen.“

„Ja das ist es“, antwortete Godfrey mit gebrochener Stimme.

„Ich habe dir doch gesagt, dass man den Finianern nicht vertrauen kann“, sagte Akorth.

„Die Frage ist nicht die, wessen Schuld es ist“, sagte Ario, „sondern was wir unternehmen werden. Werden wir zulassen, dass all unsere Brüder und Schwestern umsonst gestorben sind? Order werden wir Rache nehmen?“

Godfrey konnte an seinem Gesicht sehen, wie ernst es der junge Ario meinte und war beeindruckt von seiner kalten Entschlossenheit, selbst angesichts seines eigenen bevorstehenden Todes.

„Rache?“, fragte Akorth. „Bist du verrückt geworden? Wir sind unter der Erde eingeschlossen, hinter eisernen Gittern und bewacht von Empire-Kriegern. Alle unsere Männer sind tot. Wir sind mitten in einer feindlichen Stadt mit einer feindlichen Armee. All unser Gold ist fort, unsere Pläne liegen in Scherben. Wie sollen wir da deiner Meinung nach Rache nehmen?“

„Es gibt immer einen Weg“ sagte Ario entschlossen. Er wandte sich Merek zu.

Alle Augen wanderten zu Merek, der seine Stirn in Falten legte.

„Ich bin kein Experte im Rachenehmen“, sagte Merek. „Ich töte Männer, wenn sie mir im Weg stehen, ich warte nicht ab.“

„Doch du bist ein meisterlicher Dieb“, sagte Ario. Du hast dein ganzes Leben in Kerkern verbracht, wie du selbst gesagt hast. Du kannst uns doch sicher hier heraus bringen, oder nicht?“

Merek drehte sich um und betrachtete die Zelle, die Gitterstäbe, die Fenster, die Schlüssel, die Wachen – alles – mit dem geübten Auge eines Experten. Dann sah er sie grimmig an.

„Das ist keine gewöhnliche Zelle“, sagte er. „Sie muss den Finianern gehören. Sehr teuer und stabil. Ich sehe keine Schwachpunkte und keinen Ausweg, so gerne ich euch auch etwas anderes sagen würde.“

Godfrey, der sich überfordert fühlte, versuchte die Schreie der Gefangenen am Ende des Flurs zu ignorieren. Er ging zur Zellentür, drückte seine Stirn gegen das kalte Eisen und schloss die Augen.

„Bringt ihn her!“, polterte eine Stimme auf dem Flur.

Godfrey öffnete seine Augen, blickte hinaus und sah, wie mehrere Wachen einen Gefangenen über den Flur zerrten. Der Gefangene trug eine rote Schärpe quer über die Brust, und er hing schlaff in ihren Armen – er versuchte nicht einmal, sich zu wehren. Als sie näher kamen, sah Godfrey, dass sie ihn schleiften, weil er bewusstlos war. Etwas stimmte offensichtlich nicht mit ihm.

„Bringst du mir etwa ein weiteres Opfer der großen Plage?“, schrie die Wache wütend. „Was soll ich denn mit dem anfangen?“

„Nicht unser Problem“, maulten die anderen zurück.

Die erste Wache hob furchtsam die Hände.

„Ich fass den nicht an!“, sagte er. „Bringt ihn da rüber in die Grube zu den anderen Opfern der Plage.“

Die Wachen sahen ihn fragend an.

„Aber er ist doch noch nicht tot“, antwortete einer.

Der andere sah sie böse an.

„Denkst du, das interessiert mich?“

Die Wachen tauschten einen Blick und taten, wie ihnen befohlen wurde. Sie schleiften den Mann über den Flur und warfen ihn in eine tiefe Grube. Godfrey konnte jetzt sehen, dass die Grube voller Leichen war, die alle dieselbe rote Schärpe trugen.

„Und was, wenn er versucht zu fliehen?“, fragte einer der Wachen, bevor er sich abwandte.

Die kommandierende Wache sah ihn mit einem grausamen Lächeln an.

„Weißt du nicht, was die Plage mit einem Mann anstellt?“, fragte er. „Morgen früh wird er tot sein.“

Die beiden anderen Wachen wandten sich um und zogen sich zurück, und Godfrey betrachtete das Opfer der großen Plage, das alleine in der unbewachten Grube lag, und plötzlich hatte er eine Idee. Sie war verrückt genug, um funktionieren zu können.

Godfrey wandte sich Akorth und Fulton zu.

„Schlagt mich“, sagte er.

Sie tauschten verwirrte Blicke aus.

„Ich habe gesagt schlagt mich“, sagte Godfrey.

„Bist du verrückt geworden?“, fragte Akorth.

„Ich werde dich doch nicht schlagen“, erklärte Fulton, „so sehr du es auch verdienen magst.“

„Ich sag euch, schlagt mich!“, forderte Godfrey. „Und zwar heftig! Mitten ins Gesicht. Ihr müsst mir die Nase brechen. SOFORT!“

Doch Akorth und Fulton wandten sich ab.

„Du hast den Verstand verloren.“

Godfrey wandte sich Merek und Ario zu, doch auch sie zögerten.

„Was du auch immer damit bezweckst“, sagte Merek, „ich will damit nichts zu tun haben.“

Plötzlich kam einer der anderen Gefangenen herüber zu Godfrey.

„Ich hab mitgehört“, sagte er, grinste breit und entblößte dabei seine abgebrochenen und fehlenden Zähne. Sein stinkender Atem stieg Godfrey in die Nase. „Ich schlag dich gerne, wenn dich das zum Schweigen bringt! Mich musst du nicht zweimal fragen!“

Der Gefangene holte aus und traf Godfrey direkt auf die Nase. Dieser spürte, wie ein scharfer Schmerz durch seinen Schädel schoss, schrie auf und hielt sich die Nase. Blut spritzte über sein Gesicht und sein Hemd. Der Schmerz brannte in seinen Augen und ließ ihn verschwommen sehen.

„Jetzt brauche ich diese Schärpe da“, sagte Godfrey zu Merek gewandt. „Kannst du sie für mich besorgen?“

Irritiert folgte Merek seinem Blick über den Flur zu dem Gefangenen, der bewusstlos in der Grube lag.

„Warum?“, fragte er.

„Tu’s einfach“, sagte Godfrey.

Merek legte die Stirn in Falten.

„Wenn ich irgendwas zusammenbinden könnte, könnte ich es vielleicht erreichen“, sagte er. „Ich brauche etwas Langes und Dünnes.“

Merek betastete seinen Kragen und zog einen Draht hervor, der lang genug war, um diesen Zweck zu erfüllen. Merek lehnte sich gegen die Gitterstäbe, vorsichtig, um nicht die Aufmerksamkeit der Wache zu erwecken, und versuchte, den Draht in die Schärpe einzuhaken. Doch sein Draht war ein paar Zentimeter zu kurz.

Er versuchte es immer wieder, doch sein Ellbogen passte nicht durch die Gitterstäbe. Er war nicht dünn genug.

Die Wache wandte sich in seine Richtung um, doch Merek zog schnell genug seinen Arm zurück.

„Lass es mich versuchen“, sagte Ario, nachdem die Wache sich wieder abgewandt hatte.

Ario ergriff den langen Draht und steckte seinen Arm durch die Gitterstäbe. Da er viel schmaler gebaut war als Merek gelang es ihm, seinen Arm bis zur Schulter hindurchzuschieben.

Das waren die Extra-Zentimeter die sie brauchten. Der Draht verhakte sich am Ende der Schärpe und Ario begann, daran zu ziehen. Er hielt inne als die Wache, die kurz davor stand einzuschlafen, den Kopf hob und sich umsah. Schwitzend und betend hielt er inne und hoffte, dass die Wache nicht in seine Richtung blicken würde. Es fühlte sich wie eine Ewigkeit an, bis der Mann endlich wieder einnickte.

Ario zog die Schärpe immer näher heran, bis er sie schließlich durch die Gitterstäbe in die Zelle ziehen konnten.

Godfrey ergriff sie und legte sie an, und die anderen wichen ängstlich von ihm zurück.

„Was zum Henker tust du da?“, fragte Merek. „Der Mann der sie getragen hat, hat die Plage gehabt! Du kannst uns alle damit anstecken.“

Die anderen Gefangenen in der Zelle wichen ebenfalls zurück.

Godfrey wandte sich Merek zu.

„Ich werde jetzt anfangen zu husten, und nicht aufhören“, sagte er, während die Idee in seinem Kopf Form annahm. „Wenn die Wache kommt, wird er mein Blut sehen und die Schärpe, und dann sagst du ihm, dass ich die Plage habe und sie einen Fehler gemacht haben, als sie mich nicht ausgesondert haben.“

Godfrey verschwendete keine Zeit. Er begann wild zu husten und verteilte dabei das Blut von seiner Nase überall auf seinem Hemd, um es schlimmer aussehen zu lassen. Er hustete laut wie nie, bis er schließlich hörte, wie die Zellentür geöffnet wurde, und die Wachen eintraten.

„Bring deinen Freund dazu, das Maul zu halten“, sagte die Wache. „Verstehst du mich?“

„Er ist nicht mein Freund“, antwortete Merek. „Er ist nur ein Mann, dem wir zufällig begegnet sind. Er hat die Plage.“

Irritiert blickte die Wache zu ihm herab, bemerkte die rote Schärpe und riss die Augen auf.

„Wie ist er hier rein gekommen?“, fragte die Wache. „Er hätte ausgesondert werden sollen.“

Godfrey hustete und keuchte immer weiter, gebeutelt von einem Hustenanfall.

Bald spürte er, wie grobe Hände ihn hochzogen und vor sich her schubsten. Er stolperte durch den Flur, und mit einem letzten Stoß beförderten sie ihn in die Grube mit den anderen Opfern der Plage.

Godfrey lag auf einem infizierten Leichnam und versuchte, seinen Kopf abzuwenden, um nicht die Krankheit einzuatmen. Er betete zu Gott, dass er nicht krank werden würde. Es würde eine lange Nacht werden.

Doch jetzt war er unbewacht. Wenn es hell genug war, würde er aufstehen.

Und dann würde er zuschlagen.

KAPITEL ACHT

Thorgrin spürte, wie er immer tiefer ins Meer sank. Der Druck auf seinen Ohren wurde stärker, als er im eisigen Wasser versank, und er hatte das Gefühl von unzähligen Dolchen gestochen zu werden. Doch während er tiefer fiel, geschah etwas Seltsames – es wurde nicht dunkler, sondern heller. Als er sinkend um sich schlug und vom Gewicht des Meeres in die Tiefe gezogen wurde blickte er zum Grund hinab und sah dort in einer Wolke aus strahlendem Licht die letzte Person, mit der er hier gerechnet hatte: seine Mutter. Sie lächelte zu ihm auf und das Licht war so intensiv, dass er kaum ihr Gesicht sehen konnte. Sie streckte ihm liebevoll ihre Arme entgegen.

„Mein Sohn“, sagte sie mit kristallklarer Stimme. „Ich bin hier bei dir. Ich liebe dich. Deine Zeit ist noch nicht gekommen. Sei stark. Du hast die Prüfung bestanden, doch es werden noch weitere auf dich zukommen. Stell dich der Welt und vergiss niemals, wer du bist. Vergiss niemals: Deine Macht kommt nicht von deinen Waffen, sondern liegt tief in dir.“

Thorgrin öffnete den Mund um zu antworten, doch fand sich selbst im Wasser, schluckend, ertrinkend.

Thor erwachte, sah sich um, und fragte sich, wo er war. Er spürte raue Seile an seinen Handgelenken und bemerkte, dass seine Hände auf seinen Rücken gefesselt waren. Er sah sich in dem dunklen Raum um, spürte das Schaukeln und wusste, dass er an Bord eines Schiffs war. Er konnte es am Licht sehen, das durch die Planken fiel und am schimmligen Geruch der Leute, die unter Deck gefangen war riechen.

Thorgrin sah sich argwöhnisch um. Er fühlte sich schwach, und versuchte, sich zu erinnern. Das Letzte, woran er sich erinnern konnte, war dieser schreckliche Sturm, ihr Schiff, er und seine Leute, die von Bord gespült wurden. Er erinnerte sich an Angel, wie er sie festgehalten hatte, und an das Schwert an seinem Gürtel, das Schwert der Toten. Wie hatte er überlebt?

Thor sah sich um, fragte sich, wie er auf das Schiff gekommen war, verwirrt, und suchte verzweifelt nach seinen Waffenbrüdern und Angel. Erleichtert erkannte er ihre Umrisse in der Dunkelheit. Alle waren sie wie er an Pfosten gefesselt. Reece und Selese, Elden und Indra, Matus, O’Connor und ein paar Meter weit weg, Angel. Thor war froh zu sehen, dass sie alle am Leben waren, auch wenn sie erschöpft und mitgenommen aussahen.

Thor hörte raues Gelächter, Diskussionen und Jubel von irgendwo über ihm, und dann etwas, das wie eine Explosion in seinen Ohren klang, als Männer übereinander purzelten – und er erinnerte sich: die Piraten. Diese Söldner, die versucht hatten, ihn zu versenken.

Er würde diesen Klang immer wieder erkennen, diesen Klang roher Menschen, gelangweilt vom Meer, auf Grausamkeit bedacht – er war ihnen schon viel zu oft begegnet. Als er seinen Traum abzuschütteln versuchte, wurde ihm bewusst, dass er jetzt ihr Gefangener war, und zerrte an seinen Fesseln.

Doch es gelang ihm nicht, sich zu befreien. Sie hatten ihn zu gut gefesselt, seine Arme genauso wie seine Beine. An Flucht war nicht zu denken.

Thorgrin schloss seine Augen und versuchte seine Macht anzurufen, die tief in ihm lag – er wusste, dass er damit Berge versetzen konnte, wenn er wollte.

Doch es geschah nichts. Er war zu erschöpft vom Schiffbruch, seine Kräfte zu schwach. Er wusste aus Erfahrung, dass er Zeit brauchte, um sich zu erholen. Doch er wusste, dass er diese Zeit nicht hatte.

„Thorgrin!“, hörte er eine erleichterte Stimme. „Du lebst!“ Es war Reece.

„Wir waren uns nicht sicher, ob du es überstehen würdest.“

Thor wandte sich um und sah O’Connor auf der anderen Seite, der ihn ebenso erfreut ansah.

„Ich habe jede Minute für dich gebetet“, kam eine süße leise Stimme aus der Dunkelheit.

Thor sah Angel an, in deren Augen Tränen der Freude standen, und er konnte fühlen, wie sehr sie sich um ihn sorgte.

„Du musst wissen, dass du ihr dein Leben schuldest“, sagte Indra. „Als sie dich losgeschnitten und ins Wasser geworfen haben, war sie es, die hineingesprungen ist, und dich herausgeholt hat. Ohne ihren Mut würdest du jetzt nicht hier sitzen.“

Thor sah Angel mit einen Gefühl des Respekts, der Dankbarkeit und Liebe an.“

„Meine Kleine, ich werde einen Weg finden, es dir zu vergelten“, sagte er zu ihr.

„Das hast du schon“, sagte sie und er konnte sehen, wie sehr sie es meinte.

„Vergelte es ihr indem du uns alle hier heraus holst“, sagte Indra, die irritiert an ihren Fesseln zerrte. „Diese blutsaugenden Piraten sind der unterste Abschaum. Sie haben uns auf dem Meer treibend gefunden und uns gefesselt, als wir noch bewusstlos waren. Wenn sie sich uns Mann gegen Mann gestellt hätten, wäre das eine andere Geschichte gewesen.“

„Sie sind Feiglinge“, sagte Matus, „so wie alle Piraten.“

„Sie haben uns unsere Waffen abgenommen“, fügte O’Connor hinzu.

Thors Herz setzte einen Augenblick lang aus, als er plötzlich an seine Waffen, seine Rüstung und das Schwert der Toten dachte.

„Mach dir keine Sorgen“, sagte Reece, als er sein Gesicht sah. „Unsere Waffen haben den Sturm überstanden – auch deine. Zumindest liegen sie nicht am Meeresgrund. Doch die Piraten haben sie. Schau, da, kannst du sie durch die Planken sehen?“

Thor spähte durch die Planken und sah an Deck ihre Waffen, umringt von den Piraten. Er sah Eldens Kriegsaxt, O’Connors goldenen Bogen, Reeces Hellebarde, Matus‘ Kriegsflegel, Indras Speer, Seleses Säckchen mit dem Sand – und sein Schwert der Toten. Er sah die Piraten, die mit in die Hüften gestemmten Händen darauf hinabstarrten und sie staunend untersuchten.

„Ich habe noch nie so ein Schwert gesehen“, sagte einer der Piraten zu einem anderen.

Thor wurde rot vor Wut, als er sah, wie der Mann sein Schwert mit dem Fuß anstieß.

„Sieht aus, als ob es einem König gehört“, sagte ein anderer.

„Ich hab es zuerst gesehen, es gehört mir“, sagte der erste.

„Nur über meine Leiche“, sagte der andere.

Thor beobachtete, wie die Männer einander angriffen, dann hörte er einen lauten Schlag, als die beiden miteinander ringend an Deck fielen, während die anderen Piraten sie johlend umringten. Sie rollten hin und her, schlugen und traten einander, bis schließlich Blut durch die Planken tropfte, als einer dem anderen mehrfach auf den Kopf trat.

Die anderen jubelten, freuten sich über die Abwechslung.

Der Pirat der gesiegt hatte, ein Mann ohne Hemd mit drahtigem Körper und einer langen Narbe auf der Brust, stand schwer atmend auf und ging hinüber zu Schwert der Toten. Thor sah zu, wie er es aufhob und triumphierend in die Luft streckte. Die anderen jubelten.

Thor brannte bei dem Anblick. Dieser Abschaum hielt sein Schwert, das Schwert eines Königs. Ein Schwert, für das er sein Leben riskiert hatte, um es sich zu verdienen. Das Schwert das ihm und keinem anderen gegeben worden war.

Dann hörte er plötzlich einen Schrei, und sah, wie sich das Gesicht des Piraten plötzliche vor Schmerz verzerrte. Er schrie auf und warf das Schwert von sich, als wäre es eine Schlange. Thor sah, wie es in hohem Bogen über Deck flog und klappernd zu Boden fiel.

„Es hat mich gebissen!“, schrie der Pirat. „Das verdammte Schwert hat mich in die Hand gebissen! Schaut!“

Er streckte seine Hand aus und zeigte, dass ihm ein Finger fehlte. Thor sah das Schwert an, dessen Griff durch die Planken zu sehen war, und sah kleine scharfe Zähne, die aus einem der eingravierten Gesichter hervorstanden. An ihnen war Blut zu sehen.

Die anderen Piraten drehten sich um und sahen es an.

„Es ist des Teufels!“, schrie einer.

„Ich fasse das nicht an!“, rief ein anderer.

„Ist auch egal“, sagte ein weiterer. „Da sind noch viel mehr andere Waffen, unter denen wir wählen können.“

„Und was ist mit meinem Finger?“, schrie der Pirat unter Schmerzen.

Die anderen Piraten lachten, ignorierten ihn und konzentrierten sich stattdessen darauf, um die anderen Waffen zu kämpfen.

Thor wandte seine Aufmerksamkeit wieder seinem Schwert zu, sah wie es direkt über ihm auf den Planken lag. Er versuchte noch einmal sich mit aller Kraft von den Fesseln zu befreien, doch sie waren zu gut verschnürt.

„Wenn wir nur an unsere Waffen herankämen“, zischte Indra. „Ich kann es nicht ertragen zu sehen, wie sie mit ihren schmierigen Händen meinen Speer begrapschen!“

„Vielleicht kann ich helfen“, sagte Angel.

Thor und die anderen sahen sie skeptisch an.

„Sie haben mich nicht so gefesselt wie euch“, erklärte sie. „Sie hatten Angst vor meinem Aussatz. Sie haben nur meine Hände gefesselt, doch dann haben sie aufgegeben. Seht ihr?“

Angel stand auf und zeigte ihre gefesselten Hände, doch sie konnte laufen.

„Das wird uns auch kaum weiterhelfen“, sagte Indra. „Du bist immer noch hier mit uns eingesperrt.“

Angel schüttelte den Kopf.

„Du verstehst mich nicht“, sagte sie. „Ich bin kleiner als ihr alle. Ich kann mich durch die Latten dort hinten hindurchzwängen.“ Sie wandte sich Thor zu. „Ich kann dein Schwert erreichen.“

Er sah sie an, beeindruckt von ihrer Furchtlosigkeit.

„Du bist sehr tapfer“, sagte er. „Ich bewundere das an dir. Doch du würdest dich damit in Gefahr bringen. Wenn sie dich da draußen erwischen, töten sie dich vielleicht.“

„Oder tun noch Schlimmeres mit dir“, fügte Selese hinzu.

Angel starrte stolz und beharrlich zurück.

„Ich werde so oder so sterben, Thorgrin“, antwortete Angel. „Das weiß ich schon seit langer Zeit. Mein Leben hat mich das gelehrt. Meine Krankheit hat mich das gelehrt. Sterben macht mir nichts aus, es ist nur das Leben, was mir etwas bedeutete – frei zu leben, uneingeschränkt von den Fesseln der Menschen.“

Thor sah sie inspiriert an, erstaunt über so viel Weisheit in so jungem Alter. Sie wusste bereits mehr über das Leben als die meisten großen Lehrer, denen er begegnet war.

Thor nickte ernst. Er konnte den Geist eines Kriegers in ihr sehen, und er wollte ihn nicht in Fesseln legen.

„Dann geh“, sagte er. „Sei schnell und leise. Und wenn du irgendeine Gefahr bemerkst, komm sofort zurück. Du bist mir wichtiger als das Schwert.“

Angels Gesicht leuchtete auf. Sie drehte sich schnell um und ging ans andere Ende des Lagerraums, ein wenig unsicher mit ihren auf den Rücken gefesselten Händen. Sie erreichte die Latten, kniete sich hin und sah mit vor Angst geweiteten Augen hinaus.

Schließlich sah sie ihre Chance, steckte den Kopf durch den Spalt und schob sich hindurch.

Einen Augenblick später war sie aus dem Lagerraum verschwunden, und Thor konnte sie an Deck stehen sehen. Sein Herz pochte aus Angst um ihre Sicherheit. Er betete, dass sie das Schwert erreichen und es zu ihm bringen konnte, bevor es zu spät war.

Angel stand auf und eilte gebückt zu Schwert; sie legte ihren nackten Fuß auf den Griff und gab ihm einen Stoß in Richtung der Latten.

Das Schwert machte ein lautes Geräusch, als es über Deck auf den Lagerraum zu schlitterte. Es blieb nur ein paar Zentimeter vor den Latten liegen, als plötzlich eine Stimme über Deck hallte.

„Das kleine Biest!“, schrie einer der Piraten.

Thor sah, wie sich die Piraten nach ihr umdrehten und dann auf sie zu liefen.

Angel rannte, versuchte, es zurück zu schaffen – doch sie fingen sie ein. Sie ergriffen sie und rissen sie zu, und Thor konnte sehen, wie sie sie auf die Reling zu zerrten, als ob sie sie ins Wasser werfen wollten.

Angel gelang es, ihre Ferse hochzureißen, und ein Stöhnen war zu hören, als sie einen Piraten genau zwischen die Beine traf. Der Mann, der sie hielt, stöhnte und ließ sie fallen, und ohne zu zögern rannte Angel über Deck, erreichte das Schwert, und versetzte ihm einen Tritt.

Thor sah aufgeregt zu, wie das Schwert durch den Spalt rutschte und direkt vor seine Füße fiel.

Er hörte einen Schrei, als einer der Piraten Angel einen Schlag ins Gesicht versetzte. Die anderen hoben sie auf und trugen sie wieder auf die Reling zu, bereit, sie ins Meer zu werfen.

Thor schwitzte, mehr aus Angst um Angel, als um sich selbst, sah das Schwert an und spürte die intensive Verbindung. Seine Verbindung zu dem Schwert war so stark, dass er seine magischen Kräfte nicht zu benutzen brauchte. Er sprach mit dem Schwert, als ob er mit einem alten Freund sprechen würde, und er spürte, dass es ihm lauschte.

„Komm zu mir, mein Freund. Löse meine Fesseln. Lass uns wieder zusammen sein.“

Das Schwert folgte seinem Ruf. Es erhob sich plötzlich in die Luft und schwebte hinter seinem Rücken, wo es seine Fesseln durchtrennte.

Thor fuhr sofort herum, ergriff es in der Luft und zerschlug damit die Fesseln an seinen Füssen.

Dann sprang er auf und zerschnitt die Seile, die die anderen hielten.

Thor stürmte auf die Latten zu, hob seinen Stiefel und trat die Lattentür aus den Angeln. Die Latten barsten und Thor brach mit dem Schwert in der Hand hinaus ins Sonnenlicht – entschlossen, Angel zu retten.

Thor rannte über Deck und stürmte auf die Männer zu, die Angel festhielten, die sich mit vor Angst weit aufgerissenen Augen in ihren Armen wand als sie die Reling erreichten.

„Lasst sie los!“, schrie Thor.

Thor rannte auf sie zu und fällte dabei einen Piraten nach dem anderen, die ihn von allen Seiten angriffen, bevor auch nur einer Hand an ihn legen konnte – keiner von ihnen war dem Schwert der Toten gewachsen.

Er bahnte sich seinen Weg durch die Gruppe, trat den vorletzten der beiden Männer aus dem Weg, die Angel hielten und griff den letzten Piraten am Hemd genau in dem Augenblick, als er sie über Bord werfen wollte. Er riss ihn zu sich und zog damit Angel zurück über die Reling; dann verdrehte er ihm den arm, sodass er sie fallen ließ. Angel landete sicher an Deck.

Thor ergriff den Mann und warf ihn in hohem Bogen über Bord. Kreischend stürzte er ins eiskalte Wasser.

Thor hörte Schritte, wirbelte herum und sah Dutzende von Piraten, die auf ihn zustürmten. Das Schiff, auf dem sie sich befanden, war kein kleines Boot, sondern ein riesiges Kriegsschiff mit mindestens hundert Piraten an Bord, alle von ihnen abgehärtete Krieger, die an das Leben und Morden auf See gewöhnt waren. Sie stürzten auf ihn zu, offensichtlich erfreut, über die Gelegenheit, zu kämpfen.

Thors Legionsbrüder stürmten aus dem Lagerraum um sich ihre Waffen zurückzuholen, bevor die Piraten sie erreichen konnten. Elden sprang aus dem Weg, als ein Pirat seine Machete auf seinen Nacken hinuntersausen lassen wollte, dann ergriff er ihn und versetzte ihm einen heftigen Kopfstoß, der dem Mann die Nase brach; dann wand er ihm die Machete aus der Hand und schlitzte ihn damit auf. Schließlich stürzte er sich auf seine Kriegsaxt.

Reece schnappte sich seine Hellebarde, O’Connor seinen Bogen, Indra ihren Speer und Matus seinen Kriegsflegel. Selese hob ihr Säckchen mit dem Sand auf, während Angel an ihnen vorbei stürmte und einem Piraten gegen das Schienbein trat, bevor er seinen Dolch nach Thor werfen konnte. Der Pirat griff kreischend nach seinem Bein und der Dolch flog über Bord.

Thor stürmte nach vorn und stürzte sich in die Gruppe von Piraten. Einem der Männer trat er in die Brust und schlitzte einen anderen die Brust auf, dann fuhr er herum und schlug einem anderen den Arm ab, bevor dieser Reece mit seiner Machete schlagen konnte. Ein anderer stürzte sich seine Keule schwingend auf Thor, der sich duckte. Thor wollte sein Schwert in die Brust des Piraten rammen, doch Reece trat vor und tötete ihn mit seiner Hellebarde.

O’Connors Pfeile schossen an Thor vorbei und als Thor sich umsah gingen zwei Piraten, die ihn gerade von hinten angreifen wollten, tot zu Boden. Er bemerkte einen Piraten, der sich auf Angel stürzen wollte, und wollte gerade einschreiten, als O’Connor ihm schon einen Pfeil in den Rücken geschossen hatte.

Thor hörte schwere Schritte und sah, wie ein Pirat von hinten mit einer Keule auf O’Connor zustürmte. Thor hechtete vor und spürte das Schwert der Toten in seiner Hand vibrieren, als er die keule entzwei schlug, und anschließend dem Schwert die Führung überließ als es dem Mann den Kopf abschlug. Thor staunte. Es war, als hätte das Schwert einen eigenen Willen hatte, der Thor dazu bewegte, nach seinem Wunsch zu handeln.

Während Thor wild in alle Richtungen schlug, stapelten sich ein Dutzend Männer vor ihm, als ihm plötzlich ein Pirat von hinten auf den Rücken sprang, und seinen Dolch in Richtung von Thors Schulter heruntersausen ließ, doch er war zu nah und es war zu spät für Thor um zu reagieren.

Thor bemerkte ein Objekt in der Luft, das aus dem Augenwinkel auf ihn zuraste, dann spürte er plötzlich, wie der Mann ihn losließ und zu Boden fiel. Thor wandte sich um und sah Angel hinter sich stehen. Er erkannte, dass sie gerade einen Stein geworfen und den Mann perfekt an der Schläfe getroffen hatte. Der Mann wand sich zu Thors Füssen und Thor sah erstaunt zu, wie Angel vortrat, einen Enterhaken aufhob und ihn dem Mann in die Brust rammte. Es war der Haken, den die Piraten benutzt hatten, um sie im Netz an Bord zu hieven. Thor erkannte, dass die Gerechtigkeit ihren Weg gefunden hatte.

Er hatte keine Ahnung gehabt, dass Angel zu so etwas fähig war; doch er sah etwas Wildes in ihren Augen als sie über dem Mann stand und erkannt, dass sie ein wahrer Krieger war und viel komplexer, als er gedacht hatte.

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399 ₽
Возрастное ограничение:
16+
Дата выхода на Литрес:
09 сентября 2019
Объем:
263 стр. 6 иллюстраций
ISBN:
9781632911674
Правообладатель:
Lukeman Literary Management Ltd
Формат скачивания:
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