Читать книгу: «Der Aufstand Der Drachen », страница 12

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Sie bewunderte ihn auch dafür, dass er Waffen aus Stahl besaß, was von Pandesia unter Todesstrafe gestellt worden war für alle, die keine Hüter der Flammen waren. Die Waffen für die Männer ihres Vaters durfte er fertigen, doch Brot schmiedete auch illegal Waffen für Dutzende anderer Männer, und half, eine geheime Armee auszustatten. Die Pandesier könnten ihn dafür jederzeit festnehmen und töten, doch er hatte keine Angst.

„Bin ich deshalb hier?“, fragte sie irritiert. „Damit du mir einen Rat geben kannst, wie ich zu töten habe?“

Er begann, auf das Schwert einzuhämmern und ignorierte sie, bis er mit dem Ergebnis zufrieden war. Ohne den Blick vom Amboss abzuwenden sagte er:

„Nein, um dir dabei zu helfen, sie zu töten.“

Sie blinzelte verwirrt, und Brot winkte einem seiner Gesellen, der ihm einen Gegenstand reichte.

„Ich habe gehört, dass du letzte Nacht beide Waffen verloren hast“, sagte er. „Einen Bogen und einen Stab, nicht wahr?“

Sie nickte und fragte sich, worauf er hinauswollte.

Brot schüttelte missbilligend den Kopf.

„Das kommt davon, weil du mit Stöckchen spielst. Kinderspielzeug – keine Waffen. Du hast fünf Männer des Lords getötet, bist einem Drachen begegnet und mit dem Leben davongekommen. Das ist mehr, als jeder andere hier im Raum von sich behaupten kann. Du bist jetzt ein Krieger, und hast die Waffen eines Kriegers verdient.“

Er griff nach dem Gegenstand, den ihm sein Geselle reichte und legte ihn auf den Tisch. Er war in roten Samt gewickelt.

Sie sah ihn fragend an und ihr Herz raste vor Aufregung. Er nickte.

Kyra zog langsam den roten Stoff weg, und keuchte, als sie sah, was sich darunter verbarg: auf dem Tisch vor ihr lang ein wunderschöner Langbogen. Sein Griff war mit feinen Gravuren verziert und die Wurfarme von einer dünnen Schicht eines glänzenden Metalls überzogen. Einen solchen Bogen hatte sie noch nie zuvor gesehen.

„Das ist Alkanstahl“, erklärte er, als sie ihn hochhob und staunte, wie leicht er war. „Das stärkste Material auf Erden – und das leichteste. Sehr selten, und daher so gut wie nur von Königen verwendet. Diese Männer hier haben dafür gezahlt, und meine Gesellen haben die ganze Nacht daran gearbeitet.“

Kyra drehte sich um und als sie die Männer sah, die sie anlächelten, quoll ihr Herz von Dankbarkeit über.

„Probier ihn aus“, drängte Brot.

Kyra hielt den Bogen hoch und staunte, wie perfekt er in ihrer Hand lag.

„Er ist sogar leichter als mein Bogen aus Holz“, sagte sie irritiert.

„Das ist ein ganz besonders Holz unter dem Metall“, sagte er. „Stärker, als das der Bogens, den du hattest, und leichter noch dazu. Dieser Bogen hier wird niemals brechen – und deine Pfeile werden viel weiter fliegen.“

Sie bewunderte ihn sprachlos, und erkannte, dass das das Netteste war, was je jemand für sie getan hatte. Brot reichte ihr einen Köcher voller Pfeile, alle mit glänzenden neuen Spitzen, und als sie eine Pfeilspitze berührte, staunte sie, wie scharf sie war. Sie musterte die Form der Spitze.

„Breitkopfspitzen mit Widerhaken“, sagte Brot stolz. „Wenn du einen Treffer damit landest, kommt die Spitze nicht so leicht wieder raus. Die sind zum Töten gemacht.“

Kyra sah Brot und die anderen überwältigt an. Sie wusste nicht, was sie sagen sollte. Was ihr jedoch noch mehr bedeutete als die Waffe, war die Tatsache, dass diese Männer sich so viel Mühe für sie gemacht hatten.

„Ich weiß nicht, wie ich dir danken soll“, sagte sie. „Ich werde mein Bestes geben, deine Arbeit zu ehren und mich dieser Waffe als würdig zu erweisen.“

„Ich bin noch nicht fertig“, sagte er schroff. „Streck deine Arme aus.“

Verwirrt streckte sie ihre Arme aus und er schob ihre Ärmel zurück und betrachtete sie. Schließlich nickte er zufrieden.

„Das dürfte passen“, sagte er.

Brot nickte seinem Gesellen zu, der ihm zwei glänzende Gegenstände reichte, die er um ihre Unterarme schloss. Als von innen mit weichem Leder bezogene Metall sich um ihre Arme schloss, sah sie überrascht, dass es Armschienen waren, zum Schutz gegen den Sehnenschlag beim Schießen. Sie waren ebenso wie der Bogen graviert und reichten von ihren Handgelenken bis zu den Ellenbogen. Als er sie zuklappte, passten sie perfekt.

Kyra bewegte staunend ihre Arme und untersuchte die Armschienen. Sie hatte das Gefühl, damit unbesiegbar zu sein, als wären sie ein Teil ihrer Haut. Sie waren so leicht und doch so stabil.

„Armschienen“, sagte Brot. „Die sind nicht nur gegen den Schlag der Sehne beim Schießen.“ Er sah sie eindringlich an. „Sie sind dünn und leicht genug, dass du dich darin bewegen kannst, doch stark genug, jedem Schwerthieb standzuhalten. Auch sie sind aus Alkanstahl gemacht und ersetzen einen Schild. Wenn ein Gegner dich mit einem Schwert angreift, kannst du dich jetzt verteidigen.“

Plötzlich nahm er das Schwert vom Amboss, riss es hoch und ließ es auf ihren Kopf hinuntersausen.

Kyra erschrak und riss instinktiv die Arme mit den neuen Schienen hoch. Staunend sah sie, wie leicht sie den Schlag abfingen und die Funken stoben.

Brot lächelte und senkte zufrieden das Schwert.

Kyra betrachtete überwältigt die Armschienen.

„Ihr habt mir alles gegeben, was ich mir nur wünschen kann“, sagte Kyra, und wollte die Männer schon umarmen, doch Brot hielt sie zurück.

„Noch nicht alles.“, korrigierte er sie.

Brot winkte dem dritten Gesellen zu, der einen weiteren langen Gegenstand brachte, der in schwarzen Samt gewickelt war.

Kyra betrachtete ihn neugierig, dann hängte sie ihren neuen Bogen über ihre Schulter und wickelte den Gegenstand langsam aus. Als sie schließlich sah, was sich unter dem Tuch verbarg, stockte ihr der Atem.

Es war ein unglaublich schöner Stab, länger als ihr Alter. Wie der Bogen, war er mit einer dünnen Schicht Alkanstahl überzogen, die das Licht spiegelte. Doch selbst mit dem Metallüberzug schien er leichter als ihr alter Stab zu sein.

„Das nächste Mal, wenn du mit deinem Stab zuschlägst“, sagte Brot, „wird er sicher nicht brechen. Und wenn du einen Gegner damit triffst, ist der Treffer wirkungsvoller. Er ist Waffe und Schild zugleich. Und das ist noch nicht alles“

Kyra sah ihn fragend an.

„Dreh ihn“, sagte er.

Als sie tat, was er gesagt hatte, teilte sich der Stab in zwei gleichlange Hälften. An jedem Ende war eine kurze, spitze Klinge eingebettet.

Kyra sah ihn mit offenem Mund an und Brot lächelte.

„Jetzt stehen dir mehr Möglichkeiten offen, einen Mann zu töten“, sagte er.

Sie betrachtete die glänzenden Klingen, die beste Arbeit, die sie je gesehen hatte und staunte. Er hatte die Waffe speziell für sie angefertigt – ein Stab, der zu zwei kurzen Speeren wurde – eine Waffe, die perfekt zu ihren Stärken passte. Sie fügte die beiden Hälften wieder zusammen und sie schlossen so spurlos miteinander ab, dass man nicht einmal sehen konnte, dass im Stab zwei Klingen verborgen lagen.

Sie sah Brot und all die anderen Männer mit Tränen in den Augen an.

„Ich weiß nicht, wie ich euch jemals dafür danken soll“, sagte sie.

„Das hast du schon“, sagte Anvin und legte ihr eine Hand auf die Schulter. „Du hast uns den Krieg gebracht. Einen Krieg, den keiner von uns anzufangen gewagt hat. Du hast uns einen großen Dienst geleistet.“

Bevor sie seine Worte richtig verarbeiten konnte, erklang eine Reihe von Hörnern in der Ferne und hallte durch das Fort.

Sie tauschten schnelle Blicke aus, denn alle wussten, was das bedeutete: Es war Zeit zu kämpfen. Die Männer des Lords kamen.

KAPITEL NEUNZEHN

Merk folgte dem Waldweg und die Schatten wurden länger als er durch Whitewood wanderte. Die toten Diebe langen nun schon einen guten Tagesmarsch hinter ihm. Seitdem war er ununterbrochen gewandert und hatte versucht, den Vorfall zu vergessen, wieder den Frieden in sich zu finden, den er vorher in sich gespürt hatte. Es war nicht leicht.

Seine Weine wurden müde und Merk bemühte sich mehr denn je den Turm von Ur zu finden, um dort sein neues Leben als Wächter zu beginnen. Seine Augen wanderten suchend den Horizont entlang.

Doch da war immer noch nichts. Diese Wanderung fühlte sich immer mehr wie eine Pilgerfahrt an, die nicht enden wollte. Der Turm von Ur war abgelegener und besser versteckt, als er es erwartet hätte.

Die Begegnung mit den Dieben hatte etwas in ihm geweckt, und Merk erkannte, wie schwer es war, sein altes ich loszuwerden. Er wusste nicht, ob er die Disziplin dazu hatte. Er hoffte nur, dass die Wächter ihn in ihren Orden aufnehmen würden; wenn nicht blieb ihm keine Wahl, als wieder der Mann zu werden, der er einmal gewesen war.

Vor sich sah Merk, wie der Wald sich veränderte und sah einen Hain alter weißer Bäume, deren Stämme so dick waren wie zehn Männer und hoch in den Himmel reichten. Ihre Äste breiteten sich wie ein Schirm glänzend roter Blätter aus. Einer der Bäume, mit einem dicken, gebogenen Stamm, sah besonders einladend aus, und Merk nahm mit schmerzenden Füssen in seinem Schatten Platz. Er lehnte sich zurück und spürte sofort eine enorme Erleichterung, spürte, wie der Schmerz von Stunden des Wanderns von seinen Beinen und seinem Rücken ab. Er zog seine Stiefel aus und spürte den Schmerz der in seinen Füssen pochte, und er seufzte, als eine kühle Brise ihn umwehte, die die Blätter über ihm rascheln ließ.

Merk griff in seinen Beutel und zog die übrigen Streifen des Fleischs vom Hasen heraus, den er letzte Nacht gefangen hatte. Er steckte sich ein Stück in den Mund und kaute langsam, schloss die Augen, ruhte sich aus und fragte sich, was die Zukunft ihm bringen würde. Hier an den Baum gelehnt dem Rascheln der Blätter zu lauschen, reichte ihm vollkommen.

Merks Lider waren schwer, und er schloss die Augen, nur für einen Moment – er brauchte die Ruhe. Als Merk die Augen wieder aufschlug, war er überrascht zu sehen, dass der Himmel sich verdunkelt hatte und er realisierte, dass er eingeschlafen war. Die Dämmerung war schon hereingebrochen, und er bemerkte erschrocken, dass er wahrscheinlich die ganze Nacht geschlafen hätte – wenn er nicht von einem Geräusch geweckt worden wäre.

Merk richtete sich auf und sah sich um. Sofort übernahmen seine Instinkte die Kontrolle. Er ergriff seinen Dolch, der unter seinem Umhang versteckt war, und wartete. Er wollte nicht auf Gewalt zurückgreifen – doch bis er den Turm erreicht hatte, fürchtete er, dass alles möglich war.

Das Rascheln wurde lauter, und es klang, als rannte jemand durch den Wald. Merk war erstaunt: was suchte jemand hier draußen, mitten im Nirgendwo und noch dazu in der Dämmerung? Aus dem Rascheln der Blätter schloss Merk, dass es eine Person war, und sie war leicht. Vielleicht ein Kind oder eine junge Frau.

Einen Augenblick später kam tatsächlich ein Mädchen in Sicht, das weinend durch den Wald rannte. Er beobachtete überrascht wie sie wenige Meter von ihm entfernt stolperte und mit dem Gesicht voran im Dreck landete. Sie war hübsch, vielleicht achtzehn Jahre alt, ihre Haare waren wirr, voller Schmutz und Blätter, und ihre Kleider waren zerrissen und zerlumpt.

Merk stand auf, und als sie sich aufrappelte und sie ihn sah, riss sie vor Angst die Augen weit auf.

„Bitte tu mir nichts!“, weinte sie und wich zurück.

Merk hob die Hände.

„Ich will dir nichts Böses“, sagte er langsam und stand auf. „Ich wollte gerade weiterwandern.“

Verängstigt und immer noch weinend wich sie ein paar Schritte zurück und er fragte sich, was geschehen war. Was auch immer es war, er wollte sich nicht einmischen – er hatte selbst genug Probleme.

Merk drehte sich um und wollte weitergehen, als sie hinter ihm rief:

„Nein, warte!“

Er drehte sich um und sah ihren verzweifelten Blick.

„Bitte, ich brauche deine Hilfe“, bettelte sie.

Merk musterte sie, und sah wie hübsch sie unter ihrer zerzausten Erscheinung war. Sie hatte blonde Haare, hellblaue Augen und ein ebenmäßiges Gesicht, das von Tränen und Schmutz verschmiert war.

Er schüttelte den Kopf.

„Du hast nicht genug Geld, um mich zu bezahlen“, sagte Merk. „Ich kann dir nicht helfen. Außerdem bin ich auf der Suche nach etwas.“

„Du verstehst nicht“, bettelte sie und lief auf ihn zu. „Meine Familie – unser Haus ist heute Morgen überfallen worden. Söldner. Mein Vater ist verletzt. Er konnte sie verjagen, doch ich bin mir sicher, dass sie bald mit mehr Männern zurückkommen werden. Dann werden sie meine ganze Familie töten. Sie haben gesagt, dass sie unseren Hof abbrennen wollen. Bitte!“, bettelte sie und kam näher. „Ich will dir alles geben. Egal, was du verlangst!“

Merk stand vor ihr, und sie tat ihm leid, doch er wollte sich nicht einmischen.

„Es gibt viele Probleme auf dieser Welt“, sagte er. „Ich kann sich nicht alle lösen.“

Er drehte sich um und wollte weitergehen, als sie ihm wieder hinterherrief:

„Bitte“, weinte sie. „Es ist ein Zeichen, kannst du es nicht sehen? Dass ich dir ausgerechnet hier über den Weg laufe, mitten im Nirgendwo. Ich habe nicht damit gerechnet, irgendjemandem zu begegnen, doch ich habe dich gefunden. Es war vorherbestimmt, dass du hier bist, dass du mir hilfst. Gott gibt dir eine Chance auf Erlösung. Glaubst du nicht an Zeichen?“

Er beobachtete das schluchzende Mädchen und fühlte sich schuldig, doch hauptsächlich distanziert. Ein Teil von ihm dachte an all die Menschen, die er in seinem Leben getötet hatte, und er fragte sich: Was sind schon ein paar mehr? Aber da waren immer nur noch ein paar mehr. Es schien nie zu enden. Irgendwo musste er eine Grenze ziehen.

„Es tut mir leid“, sagte er. „Doch ich bin nicht dein Retter.“

Merk drehte sich um und ging los, entschlossen, diesmal nicht stehenzubleiben, und ihr Schluchzen vom Rascheln der Blätter unter seinen Füssen übertönen zu lassen.

Doch so sehr er sich auch bemühte, er hörte ihr Weinen, das ihm tief im Inneren zu rufen schien. Er drehte sich um und sah, wie sie im Wald verschwand, und wollte Erleichterung spüren, doch er fühlte sich von ihrem Weinen verfolgt, das er nicht hören wollte.

Fluchend wanderte er weiter und wünschte sich, ihr nie begegnet zu sein. Warum? fragte er sich. Warum er?

Es nagte an ihm und ließ ihn nicht los – und er hasste dieses Gefühl. Fühlte es sich etwa so an, ein Gewissen zu haben?

KAPITEL ZWANZIG

Kyras Herz pochte als sie mit ihrem Vater und ihren Brüdern, Anvin und all den anderen Kriegern schweigend durch die Stassen von Volis lief. Ein geradezu feierliches Schweigen lag in der Luft, der Himmel hing voller grauer Wolken und es hatte angefangen zu schneien, als sie durch den Schnee auf das Haupttor der Festungsanlage zugingen. Hörner erklangen immer wieder und ihr Vater führte seine Männer mit stoischem Blick. Kyra war überrascht, wie ruhig er war, als hätte er das alles schon hundert Mal gemacht.

Kyra blickte geradeaus und durch die eisernen Gitterstäbe des Fallgitters erhaschte sie einen Blick auf den Lord Regenten, der seine Männer anführte, etwa hundert von ihnen, alle in rotes Rüstzeug gewandet, und die blau-gelben pandesischen Banner flatterten im Wind.

Sie ritten auf großen schwarzen Pferden durch den Wind auf die Tore von Volis zu. Das gedämpfte Klappern der Hufe ihrer Pferde im Schnee war bis hier zu hören, und Kyra spürte, wie der Boden unter ihren Füßen bebte.

Kyra hielt mit pochendem Herzen ihren neuen Stab in Händen, hatte den neuen Bogen über ihre Schulter gehängt, trug die neuen Armschienen – und fühlte sich wie neu geboren. Endlich fühlte sie sich wie ein echter Krieger, mit richtigen Waffen. Sie war überglücklich, sie zu haben.

Während sie auf das Tor zugingen, sah sie zufrieden, wie sich die Leute furchtlos versammelten und sich ihnen anschlossen. Sie sah, wie die Dorfbewohner ihren Vater und seine Männer Hoffnungsvoll ansahen und sie fühlte sich geehrt, mit ihnen gehen zu dürfen. Alle Menschen hier schienen grenzenloses Vertrauen in ihren Vater zu haben und sie vermutete, dass die Leute nicht so ruhig wären, wenn ein anderer Anführer vor ihn stehen würde.

Die Männer des Lords kamen näher, wieder erklang ein Horn und Kyras Herz raste.

„Egal was passiert“, sagte Anvin, der neben ihr lief, „egal wie nahe sie kommen, tu nichts ohne den Befehl deines Vaters. Er ist jetzt dein Kommandant. Ich spreche zu dir nicht als seine Tochter, sondern als einen seiner Krieger. Einen von uns.“

Sie nickte und fühlte sich geehrt.

„Ich will nicht, dass wegen mir irgendjemand stirbt“, sagte sie.

„Mach dir keine Sorgen“, sagte Arthfael, der neben sie getreten war. „Wir haben lange auf diesen Tag gewartet. Du hast diesen Krieg nicht angefangen, sie waren es – in dem Augenblick, als sie das Südliche Tor durchschritten und Escalon besetzt haben.“

Kyra umfasste ihren Stab fester, bereit für alles, was auf sie zukommen würde. Vielleicht ließ der Lord Regent ja mit sich sprechen. Vielleicht konnten sie ja einen Waffenstillstand aushandeln?

Kyra und die anderen erreichten das Fallgitter. Sie blieben stehen und sahen ihren Vater an.

Dieser stand mit starrer Miene da und wandte sich seinen Männern zu.

„Wir werden uns nicht ängstlich hinter eisernen Gittern vor unseren Feinden verstecken!“, polterte er. „Wir werden uns ihnen als Männer vor dem Tor stellen. Öffnet das Tor!“, befahl er.

Ein quietschendes Geräusch erklang, als die Männer langsam das schwere Gittertor öffneten. Als es hoch genug war, gingen Kyra und die anderen hindurch.

Sie gingen über die hölzerne Brücke über den Graben, blieben auf der anderen Seite stehen und warteten.

Kurze Zeit später blieben die Männer des Lords ein paar Meter vor ihnen stehen.

Kyra war ein paar Meter hinter ihrem Vater bei den anderen gestanden, doch sie schob sich an den Männern vorbei nach vorn. Sie wollte neben ihm stehen – und sich den Männern des Lords von Angesicht zu Angesicht stellen.

Kyra sah den Lord Regenten, einen Mann mittleren Alters mit einer beginnenden Glatze, grauen Haaren und dickem Bauch, der fünf Meter vor ihr mit selbstzufriedenem Blick auf dem Pferd saß uns auf sie herabblickte. Hundert seiner Männer saßen mit ernster Miene auf Pferden hinter ihm.

Sie konnte sehen, dass diese Männer bereit für den Krieg waren.

Kyra war stolz ihren Vater ungerührt und ohne Angst vor seinen Männern stehen zu sehen. Auf seinem Gesicht lag der ernste Ausdruck eines Kommandanten im Krieg, ein Ausdruck, den sie noch nie bei ihm gesehen hatte. Es war nicht das Gesicht des Mannes, der ihr Vater war, sondern das des Anführers, das für seine Männer bestimmt war.

Ein langes angespanntes Schweigen breitete sich aus, das nur vom Heulen des Windes unterbrochen wurde.

Der Lord Regent nahm sich Zeit und betrachtete sie eine ganze Weile. Er wollte sie damit offensichtlich einschüchtern, wollte seine Gegner zwingen, aufzublicken zu den großen Pferden und den Rüstungen und Waffen seiner Männer. Die Stille dehnte sich so lange aus, dass Kyra sich fragte, ob jemand sie brechen würde; doch dann begann sie zu begreifen, dass es die Stille ihres Vaters war, dass er sie kalt und abweisend schweigend begrüßte, seine Männer bis an die Zähne bewaffnet, und das selbst war ein Akt des Widerstands. Dafür liebte sie ihn. Er war kein Mann, der irgendjemandem nachgab, egal wie die Chancen standen.

Leo war der einzige, der ein Geräusch von sich gab, und leise vor sich hin knurrte.

Schließlich räusperte sich der Lord Regent, während er ihren Vater anstarrte.

„Fünft meiner Männer sind tot“, verkündete er mit nasaler Stimme. Er blieb auf seinem Pferd sitzen, weigerte sich, den Boden zu betreten. „Deine Tochter hat pandesische Gesetzgebung gebrochen. Du kennst die Konsequenzen. Einen meiner Männer anzugreifen steht unter Todesstrafe.“

Er verstummte, doch ihr Vater antwortete nicht. Während der Schnee dichter wurde und der Wind stärker, war das einzige Geräusch, das zu hören war, das Flattern der Banner im Wind. Die Männer, etwa gleichviele auf beiden Seiten, starrten einander in angespannter Stille an.

Schließlich fuhr der Lord Regent fort.

„Doch weil ich ein gnädiger Mann bin“, sagte er. „Werde ich deine Tochter nicht exekutieren. Ich werde auch dich, deine Männer und all deine Leute nicht töten, wie es mir zustehen würde. Ich möchte diese unerfreuliche Angelegenheit hinter uns lassen.“

In der Stille wanderte der Blick des Lord Regenten langsam von einem Mann zum anderen, bis er an Kyra hängenblieb. Sie schauderte, als er sie mit gierigen Augen betrachtete.

„Im Gegenzug dafür, werde ich mir deine Tochter nehmen, so wie es mein Recht ist. Sie ist fünfzehn und unverheiratet, und du weißt, dass das pandesische Gesetz es mir erlaubt. Deine Tochter – alle deine Töchter – gehören jetzt mir.“

Er sah Duncan böse an.

„Du darfst dich glücklich schätzen, dass ich nicht auf eine härtere Strafe bestehe“, schloss er.

Der Lord Regent drehte sich um und nickte seinen Männern zu, und zwei seiner Krieger, gefährlich aussehende Männer, stiegen von ihren Pferde ab und gingen mit klirrenden Sporen auf sie zu.

Kyras Herz raste, als sie sah, dass sie kamen, um sie zu holen; sie wollte etwas tun, ihren Bogen spannen und schießen, oder ihren Stab gegen sie schwingen. Doch sie erinnerte sich an Anvins Worte, dass sie den Befehl ihres Vaters abwarten sollte, wie ein disziplinierter Krieger handeln sollte, und so schwer es ihr auch fiel, zwang sie sich, zu warten.

Als sie näher kamen, fragte Kyra sich, was ihr Vater tun würde. Würde er sie etwa diesen Männern geben? Würde er für sie kämpfen? Ob sie siegten oder verloren, ob sie sie mitnahmen oder nicht, all das war ihr egal – was ihr am wichtigsten war, war, dass ihr Vater Widerstand leistete.

Doch als sie immer näher kamen, reagierte ihr Vater nicht. Kyras Herz pochte bis zum Hals. Eine Welle der Enttäuschung brach über sie herein als sie begriff, dass er zulassen würde, dass sie sie holten. Sie wollte weinen.

Leo knurrte wütend und baute sich vor ihr auf; doch auch das hielt sie nicht auf. Sie wusste, dass Leo sich auf sie stürzen würde, wenn sie ihm dem Befehl dazu gab; doch sie wollte nicht, dass er von ihren Waffen verletzt wurde, sie wollte sich nicht dem Befehl des Vaters widersetzen und einen Krieg auslösen.

Die Männer waren nur noch wenige Meter entfernt, als plötzlich, im letzten Augenblick, ihr Vater seinen Männern zunickte, und sechs von ihnen vortraten. Kyra war überglücklich zu sehen, wie sie ihre Hellebarden senkten und den Kriegern den Weg versperrten.

Die Männer des Lords blieben stehen, und sahen ihren Vater überrascht an. Damit hatten sie offensichtlich nicht gerechnet.

„Ihr geht keinen Schritt weiter“, sagte er. Seine Stimme war fest, dunkel, eine Stimme, der sich niemand zu widersetzen wagte. Sie war autoritär und alles andere als die Stimme eines Leibeigenen.

In diesem Augenblick liebte Kyra ihren Vater mehr denn je.

Er hob den Blick und sah den Lord Regenten an.

„Wir sind alle freie Männer hier“, sagte er. „Männer und Frauen, alt und jung. Es ist ihre Wahl. Kyra“, sagte er und wandte sich ihr zu. „Möchtest du mit diesen Männern gehen?“

Sie sah ihn an und musste ein Lächeln unterdrücken.

„Nein“, antwortete sie fest.

Er wandte sich wieder dem Lord Regenten zu.

„Da hast du es“, sagte er. „Die Wahl ist ihre. Nicht deine und nicht meine. Wenn du etwas aus meinem Besitz oder Gold oder Silber möchtest, um deinen Verlust zu begleichen“, sagte er, „dann sollst du es haben. Doch meine Tochter bekommst du nicht – oder irgendeine unserer Töchter – egal was irgendein Schreiber als pandesisches Gesetz niedergeschrieben hat.“

Der Lord Regent blickte böse auf ihn herab und das Staunen stand ihm ins Gesicht geschrieben. Er war es nicht gewohnt, dass man so mit ihm sprach oder sich ihm widersetzte. Er sah aus als wüsste er nicht, was er tun sollte. Das war offensichtlich nicht der Empfang, mit dem er gerechnet hatte.

„Du wagst es, dich meinen Männern in den Weg zu stellen?“, fragte er. „Mein großzügiges Angebot abzulehnen?“

„Das war kein Angebot“, antwortete Duncan.

„Denk nach, Unfreier!“, schalt er. „Ich werde mein Angebot nicht wiederholen. Wenn du dich weigerst, werden wir dich umbringen – dich und alle deine Leute. Sicherlich weißt du, dass ich nicht allein bin: ich spreche für die Armee Pandesias. Glaubst du etwa, dass du es allein mit Pandesia aufnehmen kannst, wenn selbst dein König vor uns kapituliert hat? Wenn alle Chancen gegen dich sprechen?“

Duncan zuckte mit den Schultern.

„Ich kämpfe nicht für Chancen“, antwortete er. „Ich kämpfe für die Sache. Die Anzahl deiner Männer ist mir gleich. Was wichtig für mich ist, ist unsere Freiheit. Vielleicht wirst du siegen – doch du wirst uns niemals unseren Kampfgeist nehmen.“

Das Gesicht des Regenten versteinerte.

„Wenn wir euch all eure Frauen und Kinder schreiend entrissen werden“, sagte er, „dann erinnere dich an die Wahl, die du heut getroffen hast.“

Der Lord Regent drehte sein Pferd herum und gab ihm die Sporen. Gefolgt von seinen Wachen ritt er auf die Straße zurück, von der er gekommen war, in die verschneite Landschaft.

Doch seine Krieger blieben zurück, und ihr Kommandant hob das Banner und befahl: „ANGRIFF!“

Die Männer des Lords stiegen von ihren Pferden ab und stellten sich in Reihen auf. Mit perfekter Disziplin marschierten sie über die Ebene auf die Krieger von Volis zu.

Mit pochendem Herzen drehte sich Kyra um und sah ihren Vater an, genau wie die anderen auch und wartete auf seinen Befehl.

Plötzlich hob er seine Faust uns senkte sie mit einem wilden Kampfschrei.

Plötzlich war der Himmel voller Pfeile und Kyra sah über ihre Schulter zurück und sah, dass Dutzende von Bogenschützen ihres Vaters von den Zinnen aus feuerten. Pfeile zischten durch die Luft und sie sah zu, wie immer mehr der Männer des Lords getroffen wurden.

Schreie erklangen, als Männer überall um sie herum starben. Es war das erste Mal, dass sie so viele Männer aus nächster Nähe sterben sah und der Anblick überwältigte sie.

Ihr Vater zog seine Schwerter und erstach damit die beiden Krieger, die gekommen waren, seine Tochter zu holen.

Im gleichen Moment hoben Anvin, Vidar und Arthfael ihre Speere und warfen sie. Alle trafen perfekt ihre Ziele. Auch Brandon und Braxton schleuderten ihre Pfeile, und einer streifte den Arm eines Kriegers, während der andere ein Bein streifte.

Immer mehr Männer stürmten auf sie zu, und Kyra, inspiriert von den anderen, hängte ihren Stab über ihren Rücken, hob zum ersten Mal ihren neuen Bogen, legte einen Pfeil an, und schoss. Sie zielte auf den Kommandanten, der seine Männer zu Pferde anführte. Mit großer Befriedigung sah sie zu, wie ihr Pfeil in seine Brust eindrang. Es war ihr erster Schuss mit ihrem neuen Bogen, und das erste Mal, dass sie einen Mann in einer richtigen Schlacht tötete – und als der Kommandant zu Boden fiel, sah sie zu Boden, geschockt über das, was sie gerade getan hatte.

Gleichzeitig sah sie, wie ein Dutzend der Männer des Lords ihre Bögen hoben und zurückschossen, und Kyra beobachtete mit Schrecken die Pfeile, die in entgegengesetzter Richtung an ihr vorbeiflogen. Als einige der Männer ihres Vaters aufschrien und zu Boden gingen, schrie ihr Vater:

„FÜR ESCALON!“

Er zog sein Schwert und rannte seinen Männern voraus mitten unter die feindlichen Krieger. Seine Männer folgten ihm und Kyra zog ihren Stab und schloss sich ihnen an, glücklich, an der Seite ihres Vaters in die Schlacht ziehen zu können.

Als sie losstürmten, legten die Männer des Lords eine weitere Salve Pfeile an und feuerten erneut, und bald kam eine Wand von Pfeilen auf sie zu.

Doch dann hoben zu Kyras Überraschung die Männer ihres Vaters ihre großen Schilde, und suchten hinter ihnen Schutz, alle mit perfekter Disziplin. Sie hockte hinter einem der Männer und hörte die tödlichen Pfeile, die ins Holz einschlugen.

Als der Regen endete, sprangen sie sofort auf und stürmten weiter. Da begriff sie die Strategie ihres Vaters – er wollte so nahe herankommen, dass ihre Pfeile nutzlos waren. Bald erreichten sie die Krieger und ein wilder Kampf entbrannte als Metall gegen Metall schlug, Schwerter auf Schwerter trafen, Hellebarden auf Schilde und Speere Rüstzeug durchbohrten. Es war zugleich furchteinflößend wie aufregend.

Blockiert von den eigenen Männern hinter ihnen kämpften die Männer des Lords Mann gegen Mann, stöhnten und hieben und blockten. Der Lärm der Schlacht war ohrenbetäubend. Leo sprang vor und grub seine Zähne ins Bein eines der Feinde, während einer der Männer ihres Vaters neben Kyra aufschrie. Blut kam aus seinem Mund, als sie sah, dass er von einem Schwert erstochen worden war.

Kyra sah zu, wie Anvin einem Mann einen Kopfstoß versetzte und ihm anschließend das Schwert in den Bauch stieß. Sie sah, wie ihr Vater seinen Schild als Waffe verwendete, und so heftig damit auf zwei Männer einschlug, dass sie zu Boden gingen. Sie hatte nie zuvor ihren Vater im Kampf erlebt, und es war einfach fantastisch anzusehen. Noch beeindruckender war, wie sich seine Männer um ihn formierten, und es war offensichtlich an der Art, wie sie kämpften, dass sie Jahrelang gemeinsam in die Schlacht gezogen waren. Sie verband eine Kameradschaft um die sie sie beneidete.

Die Männer ihres Vaters kämpften gut, sie hatten die Männer des Lords unvorbereitet getroffen, denn diese hatten offensichtlich nicht mit Widerstand gerechnet. Die Männer des Lords kämpften für ihren Regenten, der sie schon verlassen hatte – während die Männer ihres Vaters um ihre Heimat, ihre Familien und ihr Leben kämpften. Ihre Leidenschaft und ihre Liebe verlieh ihnen Flügel.

Возрастное ограничение:
16+
Дата выхода на Литрес:
10 октября 2019
Объем:
292 стр. 5 иллюстраций
ISBN:
9781632912299
Правообладатель:
Lukeman Literary Management Ltd
Формат скачивания:
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