Читать книгу: «Psychotherapie und Coaching mit PEP», страница 2

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Nachdem ich von diesem Begriff bifokal-multisensorische Interventionstechniken (BMSI) gelesen und einen sehr inspirierenden Austausch mit dem Hirn- und Haptikforscher Martin Grunwald in Leipzig hatte, hat sich in mir mehr und mehr die Idee verfestigt, einen Kongress zu diesem Thema anzuregen. Der Begriff bifokal-multisensorische Interventionsstrategien erschien mir als einender Hauptnenner für viele innovative Techniken wie Brainspotting, EMDR, EMI, hypnotherapeutische Ansätze, Aufstellungsphänomene, sämtliche Klopftechniken und PEP. Der Begriff BMSI schien auch geeignet, zwischen den erwähnten Ansätzen mögliche Hürden und Ressentiments zu überwinden und sich hinsichtlich der Wirkhypothesen und praktischer Anwendungen gegenseitig zu inspirieren und voneinander zu lernen. Das hatte in mir den Wunsch geweckt, unterschiedliche Vertreter aus den verschiedenen Bereichen zusammenzubringen. Ich hatte ohnehin vor, mit der Carl Auer Akademie eine größere Veranstaltung zu PEP durchzuführen. Da ich von dem Thema so sehr angetan war, habe ich blitzschnell Gunther Schmidt und Bernhard Trenkle gefragt, ob sie auch Interesse an einem solchen Kongress hätten. Das sofortige große Interesse beider hat dazu geführt, dass wir eine Tagung mit dem Titel Reden reicht nicht! 2014 in der Heidelberger Stadthalle geplant haben, zu der wir neben Hirn- und Psychotherapieforschern Vertreter der verschiedenen bifokal-multisensorisch arbeitenden Techniken einladen wollten. Was dann hinsichtlich der Anmeldungen passierte, sprengte sämtliche Grenzen. Die Tagung war innerhalb von drei Wochen weit ein Jahr vor Beginn der Veranstaltung mit 1300 Plätzen ausgebucht. In den folgenden Tagen bekamen wir dann noch ca. 1000 weitere Anmeldungen, die eine so noch nie da gewesene Warteliste darstellten. Nach 2014 hat es dann noch zwei weitere (2016 und 2019) sehr erfolgreiche und ausgebuchte Tagungen mit dem Titel Reden reicht nicht!? gegeben. Wir haben da wohl mit dem Thema den Nerv der Zeit getroffen.

Ein wesentlicher Aspekt, der mir am Herzen liegt, ist neben der Entmystifizierung der Klopftechniken die Kombination von psychodynamischem, hypnotherapeutischem, systemischem und verhaltenstherapeutischem Wissen mit den bifokal-multisensorischen Aspekten der Klopftechniken. Hierzu zählt die für mich atemberaubende Entdeckung, dass eigentlich immer die gleichen ein bis fünf psychodynamisch-systemischen Gründe vorliegen, wenn BMSI-Techniken, aber auch Psychotherapie generell, nicht wirken. Diese Blockaden habe ich deshalb als die »Big-Five«-Lösungsblockaden (S. 62) bezeichnet. Sie haben mich wieder mit psychodynamischen Ansätzen versöhnt und auch dazu geführt, dass Kolleginnen und Kollegen mit psychodynamischem, tiefenpsychologischem und psychoanalytischem Hintergrund ein großes Interesse an PEP haben und PEP gut integrieren können. Auch der Kognitions-Kongruenz-Test (S. 80) hat sich als beeindruckendes diagnostisches Instrument für vor- und unbewusste Blockaden bewährt. Mit diesen Elementen und dem zu PEP gehörenden Selbstwerttraining weist PEP weit über den Status einer bifokal-multisensorischen Klopftechnik hinaus.

Nicht zuletzt ist es mir ein wichtiges Anliegen, auf die wesentliche Bedeutung der therapeutischen Beziehung und der inneren Haltung des Therapeuten einzugehen. Die innere Haltung, so hat es der Hypnotherapeut Jeffrey Zeig einmal bezeichnet, ist eine hoch wirksame Tranceinduktion, und unser innerer Zustand hat nicht erst seit der von Stephen Porges (2010) beschriebenen Polyvagal-Theorie einen direkten stresssteigernden oder stressmindernden Einfluss auf unser Gegenüber. Somit ist PEP gekennzeichnet von einer inneren Haltung, die bei aller Würdigung des Leids auf dem Fundament von Wertschätzung, Leichtigkeit, Zuversicht und Humor steht. Ohne solch eine humanistische Grundhaltung laufen die bifokal-multisensorischen Techniken Gefahr, eine inhumane, leistungsorientierte und technische therapeutische Atmosphäre zu erzeugen. Wie könnte man Paracelsus im 21. Jahrhundert, also in einer Zeit, in der Effizienz, Technikorientierung und Machbarkeitswahn uns alle nicht gänzlich unbeeinflusst lassen, ergänzen? Die wichtigste Arznei für den Menschen ist (und bleibt, M. B.) der Mensch.

Da die Geschwindigkeit, mit der sich PEP inhaltlich weiterentwickelt hat und mit der es im psychotherapeutischen Feld wahrgenommen wird, von Anfang an recht turbulent war und in den letzten Jahren noch einmal deutlich zugelegt hat, musste PEP immer wieder neu und aktualisiert beschrieben werden. Vieles hat sich verändert. Teils betrifft es konkrete Abläufe in der PEP, teils den Blick auf PEP als Ganzes, dann wiederum die Forschungslage zu den Klopftechniken allgemein und zu PEP im Besonderen, also die Forschungsprojekte hier in Hannover in der Arbeitsgruppe Neuropsychophysiologie der Emotionsregulation des Instituts für Diagnostische und Interventionelle Neuroradiologie an der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH). Wir haben hier die drei weltweit ersten bildgebenden Studien zum Klopfen und zu PEP mittels fMRT durchgeführt.6

Auch die Wahrnehmung von PEP durch die PEP-Anwender hat sich in den letzten Jahren deutlich verändert. Immer mehr Absolventen der PEP-Fortbildung haben darauf hingewiesen, dass PEP für sie weit mehr als eine Zusatztechnik ist. Gerade durch die »Big-Five«-Lösungsblockaden, den Kognitions-Kongruenz-Test (KKT) und das Selbstwerttraining haben viele Kolleginnen und Kollegen das Gefühl, mit PEP eine vollständige Methode an Bord zu haben. Auf diesen Aspekt werde ich in diesem Buch dezidiert eingehen. Auch die Anmeldezahlen zu den Kursen wachsen anhaltend und stetig. So haben zwischen 2009 und 2020 insgesamt ca. 3500 Kolleginnen und Kollegen die PEP-Fortbildung begonnen und zum größten Teil schon abgeschlossen. Auch die Spezialisierung und Vertiefung innerhalb von PEP hat weiter zugenommen. So gibt es mittlerweile breite Erfahrungen in der Anwendung mit PEP, die auch zu Vertiefungskursen geführt haben, wie z. B. PEP bei komplexen Traumafolgen, PEP bei Depressionen, PEP in der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie (KJP), PEP im Auftrittscoaching, PEP in der Medizin (Anästhesie, Schmerz, Palliativ, Geburtshilfe, Angehörigenarbeit) sowie neoabstinentes, verdecktes Arbeiten mit PEP.

Viele der Weiterentwicklungen spiegeln sich auch in Buchpublikationen zu den jeweiligen Themen wider. So sind vor allem im Carl-Auer Verlag in den letzten Jahren einige neue Bücher zu PEP erschienen, andere sind in Planung und werden noch erscheinen.

Nun wünsche ich Ihnen jedoch erst einmal viel Freude mit diesem Buch. Viel Spaß beim Lesen und Ausprobieren!

Michael Bohne

Hannover, im November 2020

2Wenn ich in diesem Buch nur die männliche grammatische Form wähle, so tue ich dies lediglich aus Gründen einer besseren Lesbarkeit. Eigentlich müsste man durchgängig die weibliche grammatische Form wählen, da die meisten Workshopteilnehmer innen, Anwender innen und Klient innen eben Frauen sind. Dies hat jedoch mein männlich denkendes Gehirn leider nicht hinbekommen. Ich bitte dies zu entschuldigen.

3Der Begriff »Klopfakupressur« ist eigentlich völlig falsch gewählt, da der Begriff »Akupressur« zusammengesetzt ist aus dem lateinischen acus (»Nadel«) und premere (»drücken«). Übersetzt hieße der Begriff dann also »Klopfnadeldrücken«.

4Um eine möglichst aktuelle Beschreibung des bislang wenig eingeführten Begriffs »Embodiment« zu finden, habe ich mich auch aus wissenssoziologischen Gründen der Quelle www.wikipedia.de bedient.

5Siehe auch Ekman (2004) und http://www.paulekman.com [10.11.2020].

6Die erste der Studien ist unter https://bmcneurosci.biomedcentral.com/articles/10.1186/s12868-020-00597-x als Open Access veröffentlicht [10.11.2020].

1.Es war einmal im alten China, oder: Once upon a time in America … Historische Wurzeln der Klopftechniken

Da die bislang bekannten Klopftechniken alle das sogenannte Meridiansystem zur Stimulation des Körpers genutzt haben, haben sie somit natürlich ihre ältesten Wurzeln im alten China. Die Beobachtung, dass sich über die Stimulation von Akupunkturpunkten auch Emotionen therapeutisch verändern lassen, ist im Grunde so alt wie die Akupunktur selbst, also ca. 5000 bis 6000 Jahre. Emotionen werden in der TCM (Traditionellen Chinesischen Medizin) als »Bewegungen des Qi der Organe« bezeichnet (siehe Kubny 2002, S. 127) und waren immer nur ein Teil einer Gesamtdiagnose und -behandlung der TCM. Die Psychotherapie westlicher Prägung gab und gibt es weder im alten noch im neuen China (abgesehen von ersten Kontakten mit westlichen Therapiemethoden seit den 90er-Jahren des 20. Jahrhunderts).

Wenngleich viele Menschen in Deutschland denken, Fred Gallo habe die Energetische Psychologie entwickelt, war es doch der amerikanische Chiropraktiker George Goodheart, der das Klopfen von Akupunkturpunkten zur Auflösung von Stress als Erster beschrieben hat. Goodheart, der in den 60er-Jahren des 20. Jahrhunderts das alte Wissen der TCM mit verschiedenen manualtherapeutischen Methoden und dem aus der Physiotherapie kommenden Muskeltest zusammenbrachte, war einer der Hauptvertreter der Applied Kinesiology (AK), jener ganzheitlichen ärztlich-physiotherapeutischenen Behandlungsmethode, bei der körperliche Störfelder mittels Muskeltest aufgesucht und mit verschiedensten manualtherapeutischen Techniken behandelt werden. Goodheart formulierte die Hypothese, dass die »somatische Verarbeitung psychischer Reize« vor allem durch die Behandlung der sogenannten Anfangs- und Endpunkte der Meridiane günstig beeinflusst würde (Burtscher, Eppler-Tschieder, Gerz u. Suntinger 2001, S. 174). Die meisten Klopftechniken nutzen auch heute noch für die Klopfbehandlung diese Anfangs- und Endpunkte der Meridiane. Im Folgenden waren es dann zwei ungewöhnliche und innovative Psychotherapeuten, die diese Beobachtungen und Hypothesen Goodhearts (vielleicht etwas zu) konsequent auf die Psychotherapie anwandten. Zum einen war es der australische Arzt, Psychiater und jungsche Psychoanalytiker John Diamond, zum anderen der amerikanische Psychologe Roger Callahan, die eine Fortbildung in Applied Kinesiology absolvierten (Diamond 2001, S. 16; Callahan 2001, S. 8 f.). Ferner soll Callahan entscheidende Impulse zur Behandlung von Emotionen wiederum von John Diamond erhalten haben (Gallo 2002, S. 10). Callahan betrachtete laut Gallo den Großteil seiner Arbeit als »Betriebsgeheimnis«. Er entwickelte ein System, in dem je nach Diagnose ganz konkrete Akupunkturpunkte in einer ganz genauen Reihenfolge beklopft werden mussten, damit sich die Symptome auflösen konnten (Thought Field Therapy = TFT). Zur teilweise abenteuerlichen Geschichte der Energetischen Psychologie siehe unter Gallo (2000, 2002). Gallo hat sich mit den unterschiedlichsten energetischen und kinesiologischen Techniken beschäftigt, später noch bei Callahan gelernt und dann sein eigenes System (EDxTM = Energy Diagnostic and Treatment Methods) entwickelt. In seinem System werden die betroffenen Meridiane, die Behandlungspunkte, die dysfunktionalen Kognitionen und aus psychodynamischer Sicht die unbewusste Abwehr (in der Energetischen Psychologie psychische Umkehrung genannt) vor allem mittels Muskeltest ermittelt.

Ein weiterer sehr wichtiger Vorreiter der Klopftechniken ist der Ingenieur und Coach Gary Craig, dem die unterschiedlichen Behandlungsabfolgen von Callahan nicht plausibel erschienen und der die Idee entwickelte, einfach alle Meridiane durchklopfen zu lassen, in der Annahme, dass ja die betroffenen Meridiane und Akupunkturpunkte so in jedem Fall dabei sein würden. Seine Technik, die Emotional Freedom Techniques (EFT), ist im Selbsthilfebereich sicherlich bislang die populärste. Dies liegt außer am professionellen Marketing nicht zuletzt daran, dass EFT stark vereinfacht ist und so auch ohne große Vorerfahrungen angewandt werden kann. Es mag auch daran liegen, dass im EFT gewisse omnipotente Heilsversprechungen (nicht nur unter dem Namen emotionale Befreiung bzw. Freiheit) gemacht werden, die bei Hilfe Suchenden natürlich gut ankommen. Dies wiederum ist verständlich, da Gary Craig und wohl immer noch viele EFT-Anwender eben keine ausgebildeten Psychotherapeuten sind, sie somit nicht die Differenziertheit und Komplexität vieler Störungsbilder berücksichtigen und berücksichtigen können. Da die Klopftechniken in einigen Bereichen, wie z. B. bei Ängsten und bei posttraumatischem Stress, enorme Wirksamkeit zeigen, propagieren viele EFT-Anwender diese Wirksamkeit auch bei anderen, weit komplexeren Störungsbildern. Trotz alledem stellt EFT einen wichtigen, hilfreichen und wesentlichen Zweig der Klopftechniken dar. Erfahrene und gut ausgebildete Psychotherapeuten berichten jedoch immer wieder, dass ihnen die Fortbildungskurse bei EFT-Ausbildern zu oberflächlich seien und die Ausbilder die Klopftechniken nicht gut aus psychotherapeutischer Sicht erklären könnten und auch nicht gut erklären könnten, wie die Klopftechniken in die unterschiedlichsten Psychotherapiemethoden integriert werden können, da sie selbst oft gar nicht oder kaum psychotherapeutisch ausgebildet sind. Leider hört man auch immer wieder, dass einzelne EFT-Ausbilder die anerkannte Psychotherapie bzw. Psychotherapeuten entwerten, ohne sie wirklich differenziert zu kennen oder beurteilen zu können. Auch eine kritische Distanz zu den energetischen Wirkhypothesen und eine Reflexion anderer, vor allem neurobiologischer Wirkhypothesen fand man eher selten im Bereich der EFT. Dies scheint sich nun aber zumindest im Bereich der Forschung mehr und mehr zu ändern.

Viele gute Studien zu den Klopftechniken kommen von Ärzten und Psychotherapeuten, die EFT anwenden. Allerdings führen EFT-Autoren und -Anwender immer wieder die wohl von Craig oder Callahan stammende Behauptung an, dass allen negativen Emotionen eine Störung innerhalb des körpereigenen Energiesystems zugrunde liege (siehe z. B. Hartmann 2002, S. 19; Benesch 2005, S. 23; Wells a. Lake 2006, S. 13; Keller 2005, S. 13). Es findet sich kaum ein EFT-Buch, in dem diese Behauptung nicht vertreten wird, und kaum eine Homepage von EFT-Anwendern, die nicht durch dieses Zitat geziert wird. Häufig finden sich auch in den Namen der Klopftechniken diese energetischen Hinweise, wie etwa bei Meridianfeld-Therapie, Meridian-Energie-Technik oder Healing-Energy-Light-Process.

Wenn man Publikationen zur Energetischen Psychologie liest, bekommt man schnell das Gefühl, dass die Autoren die energetischen Wirkhypothesen als Wahrheiten verstehen, und es fällt auf, dass der Anschluss an andere, nicht energetisch orientierte Wissensquellen kaum bzw. wenig vorhanden zu sein scheint. Auch Gallo nennt sein 2009 erschienenes Buch Energetische Selbstbehandlung. Durch Meridianklopfen traumatische Erfahrungen heilen. Aus wissenssoziologischer Sicht haben wir es also mit einem selbstreferenziellen System zu tun, das Wissen nur aus sich selbst heraus generiert und nicht aus anderen Wissensquellen. Dies beinhaltet natürlich die Gefahr der methodisch-theoretischen Inzucht. Es sei jedoch an dieser Stelle auch nochmals auf die freudige Entwicklung der Kopftechniken, vor allem des EFT, in der Forschung hingewiesen. In den letzten Jahren sind einige sehr inspirierende und beeindruckende Forschungsarbeiten auch in qualitativ hochwertigen Journals erschienen. Also auch im Bereich EFT tut sich etwas. Hierzu mehr in Kapitel 15.

Damit man die Unterschiede zwischen der Energetischen Psychologie und den meisten psychotherapeutischen Schulen versteht, ist es aus wissenssoziologischer Sicht wichtig zu bedenken, dass die Grundhaltung in der Applied Kinesiology und somit auch bei ihrem Ableger, der Energetischen Psychologie, eine vollkommen andere ist als in der abendländischen Psychotherapie. Während in der Psychotherapie großer Wert auf die Beziehungsgestaltung gelegt wird (nicht zuletzt, da ja die Güte der Beziehung nach wie vor ein wesentlicher Wirkfaktor ist), findet man in der meist am Körper orientierten Applied Kinesiology, aber auch in der sich primär auf die Psyche beziehenden Energetischen Psychologie immer wieder eine eher mechanistische bzw. an körperlichen Strukturen und Befunden orientierte Grundhaltung, in der ein Behandler Dutzende, ja teils Hunderte von Muskeltests am Patienten durchführt. Der Behandler kennt Mittel und Wege in Form von geeigneten Techniken und Tools, um die körperlichen, energetischen oder psychischen Blockaden des Klienten zu lösen, quasi wieder einzurenken. Es herrscht eher die Grundhaltung vor: Therapeut behandelt aktiv den Klienten (was ja in der Behandlung körperlicher Leiden absolut normal ist), während bei der Psychotherapie und noch mehr beim Coaching die Rolle des Behandlers eher die des anregenden, hinterfragenden oder unterstützenden Gegenübers ist.

Die Hauptarbeit muss bei Psychotherapie und Coaching der Klient selbst machen, während er bei der Applied Kinesiology und nicht selten bei der Energetischen Psychologie aktiv behandelt oder getestet wird. Auch die Steuerung des Prozesses wird bei Psychotherapie und Coaching viel stärker vom Klienten bestimmt. Ferner wird mittlerweile bei den meisten Psychotherapiemethoden und beim Coaching sowieso großer Wert auf Methoden- und Prozesstransparenz gelegt, während der Behandler bei der Applied Kinesiology und häufig bei der Energetischen Psychologie die einzelnen therapeutischen Schritte nicht unbedingt transparent macht. Bei der Arbeit am Körper ist dies ja in der Medizin ohnehin nicht üblich, und es wird auch von Patienten meist nicht erwartet, dass jeder diagnostische Teilschritt sofort erklärt wird. Da es aber in der Psychotherapie immer wieder um Themen wie Autonomie, Kontrolle und Identität geht, ist es unabdingbar, dass zumindest größere Teilschritte und Hypothesen transparent gemacht werden.

Meine Kritik am Muskeltest bezieht sich also keineswegs auf seine Anwendung innerhalb einer am Körper orientierten medizinischen Behandlung, auch halte ich größte Stücke auf die differenzierte Behandlungsweise der Manualtherapie und der Applied Kinesiology (auch aus eigener Patientenerfahrung). Der Unterschied liegt jedoch darin, dass bei der Applied Kinesiology mittels eines am Körper orientierten Tests, des Muskeltests, im Körper befindliche Störungen aufgespürt werden, während die Anwender des Muskeltests in der Psychotherapie mittels dieses am Körper orientierten Tests Diagnostik auf der Ebene von Emotionen, Kognitionen und Erinnerungen machen, und die sind nicht primär körperlich, auch wenn sie körperliche Auswirkungen haben mögen. Man testet quasi auf einer anderen Ebene als der, auf der das Problem liegt. Aufgrund dieser aufgezeigten historischen Entwicklungslinie muten manche Klopftechniken eben noch heute sehr technisch an, vor allem wenn der Muskeltest, wie im Falle der Gallo-Technik (EDxTM), einen großen Raum einnimmt.

2.Die Energetische Psychologie – eine kollektive Hypnotisierung?

Als ich 2001 das erste Mal Kontakt zur Energetischen Psychologie bekam und einen Workshop von Fred Gallo besuchte, war ich zum einen erstaunt, zum anderen fasziniert und beeindruckt. Dass die Beeinflussung des Körpers auch emotionale Veränderungsprozesse in Gang setzen kann, hatte ich bereits in meinem ersten Beruf als Physiotherapeut, genauer: als Masseur, feststellen können. Bei der Anwendung der Bindegewebsmassage, einer Reflexzonentherapie, zeigten Patienten immer wieder starke emotionale Reaktionen, bzw. ihre Stimmung besserte sich nach einer solchen Maßnahme. Im Bereich der physikalischen Therapie hatte sich jedoch niemand so recht für diese Phänomene interessiert. Nun war ich mit der Energetischen Psychologie wieder konfrontiert mit einer den Körper stimulierenden therapeutischen Interventionstechnik, was bei mir persönlich somit an alte berufliche Erfahrungen anknüpfte. Gänzlich neu waren jedoch die verschiedensten Begrifflichkeiten und Erklärungen, die, im Nachhinein betrachtet, eine interessante Auswirkung auf das Denken und Verstehen vieler Anwender hatten und haben, wobei ich mich da gar nicht ganz ausschließen möchte. Etwas humorvoll zusammengefasst zeigte sich ungefähr folgendes Bild:

… Plötzlich war der einzige Grund für jegliche belastenden Gefühle und Gedanken in einer Blockade der Meridiane, der Energiebahnen aus der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM), zu suchen. Das Beklopfen der Akupunkturpunkte verursachte blitzschnell eine Balancierung der zuvor blockierten Meridiane, was natürlich sofort dazu führte, dass der Energiefluss wieder in Gang kam und die dysfunktionalen Emotionen vertrieb. Welches die richtigen Klopfpunkte sein würden, konnte man mit einem komplizierten Test herausfinden. Man nutzte einen sogenannten Muskeltest aus der Applied Kinesiology, der in der Energetischen Psychologie als zweifelsfreier Test zum Auffinden von energetischen Blockaden verstanden wurde. Man ermittelte nun die am wirksamsten erscheinenden Behandlungspunkte und beklopfte sie, während der Klient an sein Problem dachte. Wenn der Stress sich nicht recht zügig reduzierte, so lag dies an einer psychischen Umkehrung, einem Switching, einem energetischen Toxin oder an allen dreien, und Blockaden konnten nicht nur aufseiten des Klienten, sondern auch aufseiten des Behandlers vorhanden sein. Es konnte aber auch sein, dass der Klient eine Quarzuhr trug, der Raum, in dem das Ganze stattfand, ungünstige Energien hatte oder aber der Klient (oder Behandler) zu wenig Wasser getrunken hatte. Wichtig schien jedenfalls, genau die richtigen Akupunkturpunkte zu beklopfen. Jene Punkte, von denen schon die alten chinesischen Ärzte vor 5000 bis 6000 Jahren wussten, dass sie eine so heilsame Wirkung haben, und zwar auch auf die Gemütszustände – nicht nur der alten Chinesen. Wenn sich an dem zu behandelnden Thema nichts veränderte, waren, wie gesagt, meist eine psychische Umkehrung, ein Switching oder ein energetisches Toxin verantwortlich. Die psychische Umkehrung stellte im Grund eine Umkehrung des Energieflusses in dem betreffenden Meridian dar, wodurch der betroffene Mensch genau das Gegenteil von dem tat, was er eigentlich tun wollte. Umgekehrt eben. Ein Switching wurde als eine neurologische Desorganisation beschrieben, auch da war etwas verdreht. Energetische Toxine konnten im Grunde so ziemlich alle natürlichen und chemischen Stoffe sein, die man zu sich nahm, also Lebensmittel, oder aber die um einen herum waren, z. B. in der Kleidung, oder chemische Stoffe in Möbeln oder wo auch immer. Mittels Muskeltest konnte natürlich auch nun wieder zweifelsfrei ermittelt werden, woran die Stagnation lag. Auch konnte man wiederum zweifelsfrei und beweisend ermitteln, wo in der Vergangenheit das Problem seine Wurzeln hatte und welche Menschen gegebenenfalls an dem Zustandekommen des Problems beteiligt waren. Wenn der zu testende Klient sich aber aktiv an nichts von all dem mittels Ursprungdes-Problems-Suchtests Herausgefundenen (natürlich wieder via Muskeltest) erinnern konnte, so sprach das im Grunde nur umso mehr dafür, dass es sich um die wirklichen und wesentlichen Entstehungsbedingungen des Problems handelte. Eben völlig unbewusst.

Man machte nun also so seine Erfahrungen mit dem Klopfen und kam immer wieder in Situationen, in denen das einfache Klopfen von Akupunkturpunkten den vorhandenen Stress nicht weiter zu reduzieren vermochte. Nun war man verwirrt, hätte man doch nun entweder eine psychische Umkehrung, ein Switching oder ein energetisches Toxin eruieren müssen. Aber vielleicht war man auch selbst geswitcht oder der Klient, oder man selbst hatte einfach nur zu wenig Wasser getrunken. Oje, und nun würde ja dieser magische Muskeltest gemacht werden müssen, mit dem man eine oder mehrere Blockaden hätte zweifelsfrei eruieren können …

Es wird mir hoffentlich verziehen, dass ich diesen Absatz genau so formuliert habe. Aber die Begegnung mit der Energetischen Psychologie hat bei vielen Anwendern tatsächlich eine innere Konfusion verursacht, was nicht zieldienlich dafür war, die Wirkmechanismen des Klopfens zu entschlüsseln. An dieser Verwirrung wollte ich Sie etwas teilhaben lassen. Leider fühlten sich die meisten Anwender mit dem Muskeltest nicht wirklich glücklich, hatten immer so ein Gefühl von chronischer Insuffizienz, ihn immer noch nicht hinreichend gut beherrschen zu können, was sich natürlich wieder schwächend auf den eigenen Energiehaushalt auswirkte. Alles in allem fühlte man sich, wenn das Klopfen gegen Stress und dysfunktionale Emotionen nicht half, selbst gestresst und dysfunktional.

Die eigenen Denkfähigkeiten waren mittlerweile aufgrund der verschiedenen Begrifflichkeiten und Erklärungsmodelle der Energetischen Psychologie, die ja allesamt nicht an das bestehende psychotherapeutische Wissen ankoppelten, heruntergefahren. Viele Anwender waren wie bereits erwähnt nur noch verwirrt. Zu sehr hatte man sich in die selbstreferenziellen Erklärungswelten der Energetischen Psychologie begeben. Die Erklärungen und Anwendungsbeispiele erinnerten tatsächlich an verschiedene hypnotherapeutische Interventionen, wie z. B. die Verwirrtechnik. Das eigentlich vorhandene Wissen war bei vielen Klopfanwendern zunächst nicht mehr so ohne Weiteres zugänglich.

Da man jedoch trotzdem immer wieder mit den Klopftechniken wirksam war, war es umso schwerer, sie infrage zu stellen. Denn nichts ist für eine erfolgreiche Weiterentwicklung einer Technik oder Methode hinderlicher als bereits vorhandener Erfolg. Wenngleich viele Anwender trotz beobachteter Wirksamkeit das Klopfen wieder ließen, da es sich nicht gut in ihre Arbeit integrieren ließ.

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