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Vom erhöhten Durchgangsverkehr war auch der in Splügen stationierte Landjäger Christian Grass d. J. betroffen, welcher diesen auf dem Splügenpass täglich bis nach Mitternacht überwachte. Dazu wusste der Standeskassier zu berichten, dass der «als ein besonderer Günstling bezeichnete Graß in Splügen […] bei starrender Kälte bis 1 und 2 Uhr Nachts auf der offnen Landbrüke» stehe, um die «ankommenden Waaren» zu untersuchen und zu verzeichnen.347

Über die genaue Dienstverrichtung der Zollaufseher während der Nachtzeit und den tatsächlichen Beginn intensiver nächtlicher Zolleinnahme ist im Weiteren nichts Konkretes herauszufinden. Landjäger Christian Alig, am Endpunkt der über die San-Bernardino-Route führenden Kommerzialstrasse in San Vittore348 stationiert, wollte 1836 vom Verhörrichter wissen, ob der Kanton nun beabsichtige, die Zollstation mit Kerzen und Laternen zu versehen, wenn die Ware auch bei Nacht inspiziert werden sollte.349 Dies verdeutlicht, dass die durchgehende Zolleinnahme zu Beginn des Jahres 1836 noch von verschiedenen Komplikationen begleitet war. Trotz solcher organisatorischer Erschwernisse mussten die Landjäger am Grenzzoll auch während der verkehrsarmen Nachtstunden in ständiger Alarmbereitschaft stehen. Der Standeskassier war als Oberaufsichtsorgan nicht zuletzt auch deshalb der Meinung, die Landjäger am Grenzzoll an den Holzeinzugsgebühren beteiligt zu lassen, weil sie als permanente Nachtwachen dienten:

«Diese Landjäger verdienen, da sie zu Sicherung unserer hauptfächlichen Einnahmen angestellt sind, wol einen Vorzug, vor denjenigen, die nur etwa Vaganten von einem Ort zum andern [transportieren], oder über die Grenze zu schieben haben; sie verdienen ferner einen Vorzug, weil sie zu Nachtwachen verpflichtet sind.»350

29 Die alte, über den Hinterrhein führende Holzbrücke bei Splügen, um 1828. Stahlstich von W. Brockedon, E. F. Finden.

Als entscheidendes Argument taugte diese Differenzierung jedoch nicht, da die Landjäger am Grenzzoll bekannterweise nicht als einzige Polizeibeamte Nachtwache leisteten. Die Landjäger auf den Laufposten verrichteten wie oben geschildert immer wieder unentgeltlichen Nacht(wach)dienst, ganz zu schweigen von den im Zuchthaus Sennhof angestellten Landjägern. Betreffend Nachtzeit galt für Letztgenannte gemäss Instruktion die Regelung, dass jeder Landjäger «spätestens» um neun Uhr abends im Sennhof sein und «bis in der Früh» daselbst bleiben müsse.351 Dass ein nächtliches Fernbleiben für wachtpflichtige Landjäger klare Strafen (in der Regel Arrest) bedeuten konnte, zeigt ein Bericht des Verhörrichters an den Kleinen Rat. Auf den fehlbaren Landjäger Christian Juon bezogen schrieb er:

«Es ist wohl wahr, daß andere Landjäger auch hie und wieder über Nacht ausblieben, aber gewöhnlich entschuldigten sie sich darnach mit mehr oder weniger plausibeln Gründen; jedes Mal wurden die Fälle im Notizenbuch bemerkt und die betreffenden mit angemeßener Strafe belegt, seit vorigen Herbst aber fand dieses, wie bereits mündlich angezeigt wurde, aus dem Grunde leider nicht mehr statt, weil zur Erstellung einer Kanzlei für den Herren Verhörrichter die bis dahin zu Arest benuzten Zimmer verwendet wurden, es zwar hieß, daß fernerhin der Thurm oder die Vagantenzimmer dazu genommen werden können; welches jedoch durchaus nicht schicklich war, indem ersterer meistens zu Gefangenschaften für Züchtlinge diente, leztere stetsfort mit zahlreicher Garnison besezt sind, von welcher beßer zu schweigen ist.»352

Im Gegensatz zu den Landjägern im Zuchthaus mussten ihre Korpskameraden auf den grenznahen Laufposten explizit nächtliche Patrouillen durchführen. Eine relativ gute Vorstellung von solchen Patrouillen gibt die Auflistung, die Joos Grass Anfang November 1840 für den abgelaufenen Monat Oktober einsandte und welche sich tabellarisch gut rekonstruieren lässt. Dabei führt die Tabelle nur diejenigen Patrouillen auf, die entlang des Grenzgebiets durchgeführt wurden. Unerwähnt blieben folglich alle anderen Aktivitäten des betreffenden Landjägers – seine nächtlichen Patrouillen Richtung Oberengadin und Septimerpass miteingeschlossen.


Tabellarische Übersicht der an der Bergeller Landesgrenze durchgeführten nächtlichen Patrouillen des Landjägers Joos Grass, Oktober 1840.

Grass schob den angegebenen Dienstzeiten noch einige besondere Bemerkungen nach:

13. Oktober 1840: «Befelch zu Patrolieren bei Tag und bei Nacht zu verschiedener Zeit einer nach dem andern und sonst zu Wachen ohne besondere Verdacht nicht mehr.»

20. Oktober: «Mußte ich den Dienst beim Zoll versehn, während der Herr Zoller und [Landjäger Florian] Flütsch gegangen wahren, ihren schon früher gekauften Wein Abzuholen.»

20.–23. Oktober: «Ist mier befohlen die Abwege zu bewachen weil so viel Wein hekam.»353

Die in Zusammenhang mit der Nacht vorgebrachten Ansprüche an die mit Abstand grösste Landjägergruppe (Laufposten) waren aus physischer und psychischer Sicht erwartungsgemäss am höchsten. Diese Feststellung bezieht sich auf ihre Pflichten betreffend nächtliche Patrouillen, Vagantentransporte und Gefangenenüberwachungen. Zudem konnten die Landjäger auf den Laufposten in Einklang mit dem formal-normativen Polizeisystem auch nachts für administrative Verrichtungen herangezogen werden. Ein Beispiel hierfür ist das Austragen von Nachtexpressen. Dies betraf in erster Linie die in Chur stationierten Landjäger, welche für die Bezirke in der Umgebung der Kantonshauptstadt zuständig waren und sich für administrative Verrichtungen am einfachsten anboten:

«Öfters, besonders seit einiger Zeit traf es Landjäger über ihre Station, ja ein und zwei Tagreisen weit als Expressen mit Briefen zu gehen, auf daß die Antworten desto schleuniger und sicherer zurück gelangen. [/] Auf diese Weise mußten vorigen Herbst Landjäger [Joseph Anton] Schuler nach Splügen, [Peter] Nutt ins Engadin, dann kürzlich [Martin Antoni] Albin spät Abends nach Bonaduz, dergleiche wieder nach Dissentis und [Hercules (Franz)] Derungs Nachts nach Illanz und gestern wieder nach Sagens.»354

Die Ausgangslage bei Zwischenfällen zu nächtlicher Stunde war, dies alles berücksichtigend, für die Landjäger am Grenzzoll und im Zuchthaus vergleichsweise vorteilhafter. Das Thema Licht spielte hierbei eine zentrale Rolle. Im Gegensatz zur permanent verfügbaren Lichtquelle in Zollstationen und Zuchthäusern waren in einer Zeit, als die erste Strassenbeleuchtung noch in weiter Ferne lag, 355 die siedlungsfernen Orte, in denen sich die Landjäger auf den Laufposten bewegten, als deren Negativ gewissermassen die unheimlichen Flecken der Dunkelheit.

2.7 Finanzen

Im Hinblick auf den jährlichen Anteil der Staatsausgaben für die Besoldung der Polizeibeamten ist es zum Einstieg in dieses Kapitel interessant, einen Blick auf Stefano Franscinis (1796–1857) «Neue Statistik der Schweiz» (1849) zu werfen: Der Tessiner Staatsrat und spätere Bundesrat verglich für die frühen 1840er-Jahre 17 verschiedene Kantone miteinander und unterstrich als erste Erkenntnis die Tatsache, dass die Polizeiausgaben in den Schweizer Kantonen «beinahe ausschließlich den Unterhalt der Landjäger [betreffen]» würden.356 Für den Kanton Graubünden, welchen Franscini mit einer «Stärke der Mannschaft» von 50 Polizeibeamten aufführte, gab er die Summe von 20 850 Schweizerfranken an, wobei dies «auf 1000 Seelen» 230 Schweizerfranken ergeben würde. Damit wurde Graubünden schweizweit an neunter Stelle aufgeführt.

31 Vergleich der Anzahl und Kosten von kantonalen Polizeikräften (1835–1844). Zusammengetragen von S. Franscini. [Anmerkungen von Franscini zur Tabelle: «1) Außer der Gensd’armerie hat der Kanton etwa sechzig Feldwächter (Gardes champêtres); 2) Das kleine Landjägerkorps kostet nur 3070 fl.; mit anderen 3000 werden Kosten für die Nachtwächter bestritten und circa 1117 für Verschiedenes; 3) In Folge der Ereignisse vom 8. Dezember 1844 und 31. März 1845 wurde die Polizeigewalt vermehrt; Ende 1845 zählte das Landjägerkorps 70 Mann.»]

Darüber hinaus verwies Franscini in seinem zusammenfassenden internationalen Vergleich auf die Tatsache, dass die Polizeiausgaben in den umliegenden Staaten ungleich höher seien, weswegen die Schweiz von der «fremde[n] Diplomatie» auch mehrfach kritisiert worden sei. Diese Zahlen Franscinis nun geben trotz dem hohen Abstraktionsgrad eine gewisse Vorahnung vom Umfang der Finanzen, die der Kanton Graubünden dem Landjägerkorps bereitstellte. Im Hinblick auf den noch zu untersuchenden Alltag der Polizeibeamten ist daraus folgend von Interesse, welche konkreten finanziellen Bestimmungen für die einzelnen Landjäger galten. Methodisch ist diese Frage idealerweise durch die Unterteilung in Einnahme- und Ausgabekategorien zu beantworten. Dabei ist explizit darauf zu achten, dass diese beiden Kategorien auch nach denjenigen Faktoren ausgerichtet sind, die tatsächlich mit dem von der Polizeileitung vertretenen Bestimmungsfeld übereinstimmten. Denn obwohl beispielsweise Alkoholkonsum durchaus eine Ausgabekategorie war, gehörte er nicht zum offiziell erklärten Grundbedarf eines Polizeibeamten.

Einnahmekategorien

Im Unterkapitel zum Thema Freizeit wurde darauf hingewiesen, dass es sich beim neu geschaffenen Landjägerberuf um eine typische modern-staatliche Beamtenstelle handelte, die nach Prinzipien der Erwerbsarbeit ausgerichtet war.357 Dieses Bekenntnis schien die erste Landjägerinstruktion gleich von Beginn weg unterstreichen zu wollen: «Sie erhalten täglich vom Kleinen Rath als Löhnung die 7 Gemeinen 48 Kr[euzer], der Unteroffizier 56 Kr[euzer].»358 Dieser erstmalig definierte Lohnsatz wurde trotz Teuerung, zwischenzeitlichen Nahrungsengpässen und volatiler Wirtschaftslage bis zur Jahrhundertmitte nur marginal angepasst: Gemäss Instruktion von 1813 sollten die Landjäger 54 Kreuzer, der Unteroffizier «verhältnismäßig mehr» erhalten.359 Die Instruktion von 1828 führte als Neuerung einzig den Lohn des Wachtmeisters und des Korporals im seit 1817 existierenden Sennhof auf, wobei deren Gehalt mit 1 Gulden und 8 Kreuzern beziehungsweise 56 Kreuzern leicht höher als dasjenige des einfachen Landjägers war.360 Die Instruktion von 1840 schliesslich behielt die bestehenden Soldbeträge bei.361

Hochgerechnet entsprachen die 54 Kreuzer, die ein gewöhnlicher Landjäger erhielt, einem Monatslohn von 27 Gulden beziehungsweise einem exakten Jahreslohn von 328 Gulden und 30 Kreuzern. Dabei gilt zu erwähnen, dass der genaue monatliche Soldbetrag in den Quellen fast nie in Zahlen angegeben wurde. Der Beweis für die Auszahlung von sämtlichen Monatstagen liefert aber beispielsweise eine Rechnungsbegleichung zwischen dem Verhörrichter und dem in Rothenbrunnen stationierten Landjäger Sixtus Seeli, gemäss welcher er für den Monat Dezember einen Soldbetrag von 27 Gulden 54 Kreuzern (was 31 Tagessätzen entsprach) erhalten habe.362 Damit war die Jahressumme von 328 Gulden und 30 Kreuzern geringfügig höher als der Durchschnittslohn eines Schamser Schreiners, Zimmermanns oder Maurers, welche zu Beginn des Jahrhunderts gemäss einer Angabe des «Neue[n] Sammler[s]» etwa 300 Bündner Gulden verdienten.363 Zur gleichen Zeit verdiente ein Soldat in französischen Diensten laut den Berechnungen Jennys ungefähr 260 Gulden, während ein Waldarbeiter oder Drescher im Kanton Graubünden rund 240 Gulden erhielt.364 Die Höhe des Landjägersolds befand sich insofern weit entfernt derjenigen einer oberen Staatsstelle wie derjenigen des Verhörrichters (1000 Gulden365) und unterschied sich nicht wesentlich von typischen Berufen derjenigen Gesellschaftsschicht, aus der die Polizeibeamten mehrheitlich stammten. Da der Lohn der Landjäger hingegen an eine staatliche Beamtenstelle gekoppelt war, war er im Vergleich zu den privatwirtschaftlichen Handwerksberufen weitaus besser abgesichert. Dies ist auch der Hauptgrund, weshalb die Nachfrage nach freien Landjägerstellen vergleichsweise gross war und beim Verhörrichteramt im Fall einer Vakanz viele Bewerbungs- und Referenzschreiben eingingen.366 Der Sold jedenfalls war über weite Strecken die alleinige Einnahmequelle der Landjäger. Einkünfte, welche als Folge von Transport- und Übernachtungsspesen resultierten, waren allein schon deshalb relativen Charakters, weil Rückvergütungen die vormaligen Auslagen kaum überstiegen. Dabei gilt zu unterstreichen, dass die Landjäger nur für diejenigen Auslagen entschädigt wurden, die von den transportierten Personen herrührten und die durch eine vom Dienstleister unterzeichnete Quittung verifiziert werden konnten. Anhand eines Belegs konnten die Landjäger ferner auch entstandene Arztkosten rückvergüten lassen. Dies galt jedoch nur, wenn die Arztbehandlung durch explizite Erklärung des behandelnden Arztes auf einen dienstbezogenen Vorfall oder allenfalls auf eine mit dem Dienst in Zusammenhang stehende Beschwerde zurückgeführt werden konnte. Als letzte Einnahmekategorie schliesslich, die gleichwohl zu den Spesen gezählt werden kann, ist der jährliche Betrag für Ausrüstungsteile zu erwähnen. Bei all diesen Spesenrestitutionen indes gilt es zu erwähnen, dass sie zwar zum Bereich der Einnahmekategorien gehörten, jedoch keinen Gewinn beziehungsweise Mehreinnahmen bedeuteten. Dies umso mehr im Fall eines finanzschwachen Kantons wie Graubünden, welcher die ursprünglichen Gesamtauslagen der Landjäger eher mit Mühe begleichen konnte. Oftmals entsteht gar der Eindruck, als sei der Kanton auch nicht immer zur Rückvergütung gewillt gewesen, denn so manche Auslage blieb unter vorgeschobenen Argumenten unentschädigt. Spesen blieben deshalb ihrer Wortbedeutung treu, und es resultierte nach der (partiellen) Rückvergütung oftmals nicht eine Null, sondern sie blieben Teilbestand der Ausgabekategorie.

Als grösste Nebenkategorie blieben lediglich die ausserordentlichen oder prozentualen Bonuszahlungen übrig: Zur ersten Gruppe zählten beispielsweise Entlöhnungen für ausserordentliche Aufgebote367 oder Gratifikationen für spezielle Verdienste. In diesbezüglichen Fällen berichtete der Verhörrichter dem Kleinen Rat von den erbrachten Leistungen und beantragte, wie dies am Beispiel des Landjägers Christian Alig ersichtlich wird, eine adäquate Bonifikation:

«Landjäger Alig fieng den schon 2 mal in Roveredo dann wieder den 5ten Mai aus den hiesigen Gefängnißen mit Gewalt entsprungenen Johann Moretti auf, der dann auch anher geliefert wurde. Bei dieser Gelegenheit soll nach dem Zeugniß mehrerer Personen /: man ersucht diesfalls bei Herrn Landammann à Marca, Herrn Landammann Toscani Nachfrage zu halten:/ besondere Entschloßenheit und Muth am Tag gelegt haben, indem wenn man nicht irrt, Moretti sich bei Verfolgung auf einen Felsen geflüchtet und mit Steinen bewaffnet hatte. [/] Zur Belohnung für diesen ungewöhnlichen Diensteifer und zur Aufmunterung für andere trägt man […] bei Alig an, ihm ein Geschenk von [Gulden] 2 bis 3 zu schöpfen.»368

Eine im Zusammenhang mit der Berichterstattung über Alig vom Verhörrichter vorgeschlagene Normierung der Bonifikationen wurde vom Kleinen Rat explizit abgelehnt. Vielmehr seien diese je nach Kontext punktuell anzuwenden, so die Regierung in ihrer Argumentation. Alig wurde in diesem Fall von der Kantonsregierung tatsächlich mit zwei Gulden beschenkt, wobei aber seine Unkosten nicht vergütet wurden.369 Solche Sondergratifikationen für ausserordentliche Dienste jedenfalls waren äusserst selten. Dasselbe gilt auch für das Honorar, welches den Landjägern für die Festnahme von durch Signalement ausgeschriebenen Verbrechern versprochen wurde.370 Die Chance eines Landjägers, eine schweizweit gesuchte Person gefangen zu nehmen, war verhältnismässig klein. Dementsprechend sind diesbezügliche Hinweise in den Quellen sehr selten anzutreffen. Im Mai 1830 beispielsweise behauptete der in Rodels stationierte Landjäger Jonas Sandriser, er habe die signalisierte Anna Mayer aus Zürich verhaftet, weshalb er auf einen Teil der ausgeschriebenen Summe hoffte.371 Dem Rapport beziehungsweise Dossier wurden jedoch keine weiteren Notizen oder Berichte angehängt, sodass über die allfällige Realisierung der Gratifikation keine konkreten Angaben vorliegen. Konkrete Zahlen über Verhaftungen von ausgeschriebenen Personen tauchen nur sehr sporadisch auf. Im Amtsbericht 1822/23 etwa hiess es, die Landjäger seien im Verlauf der letzten zwölf Monate sieben ausgeschriebene Personen habhaft geworden, wobei nicht erwähnt wird, ob die Signalemente mit den darin gesuchten Personen von Bündner Gerichten oder von ausländischen beziehungsweise ausserkantonalen Behörden ausgeschrieben worden waren.372 Zuweilen nämlich zahlten auch die zur Dingfestmachung aufrufenden Obrigkeiten Honorare aus. Zusammenfassend kann also festgehalten werden, dass ausserordentliche Bonuszahlungen eher selten vorkamen. Eine Einnahmequelle konnten eher noch die prozentualen Bonuszahlungen bilden, welche jedoch nur auf einen Teil des Korps zutrafen. Zuerst ist hier auf die Landjäger am Grenzzoll zu verweisen, welchen die spezielle Gunst gewährt wurde, einen Teil des Holzausfuhrzolls einzustreichen. Diese Bestimmung jedoch war nicht ganz transparent und wurde deshalb auch mehrfach infrage gestellt: Gemäss Verhörrichter jedenfalls würden diese Bonuszahlungen jährlich bis zu 200 Gulden und somit rund zwei Drittel des Jahressolds betragen. Die Landjäger am Grenzzoll würden, so der Verhörrichter in seinem 1837 an den Kleinen Rat gerichteten Schreiben weiter,

«dem Vernehmen nach seit einiger Zeit gewiße Procente von dem für ausgeführt werdendes Holz zu zahlenden Zoll beziehen und dadurch wenigstens einzelne davon, bis 200 [Gulden] erhalten, geschweige noch, daß sie die beste Gelegenheit haben Kontreband aufzudecken und auch mit diesem Nahmhaftes zu gewinnen, welches bei einiger Thätigkeit nicht fehlt, und man sich zum Beweise auf die Landjäger [Johann Luzi] Sutter auf der Steig, und [Christian] Grass [d. J.] in Splügen beruft [Namensergänzungen, M. C.]».373

Mit diesem Schreiben dürfte der Verhörrichter wohl insbesondere auch die an den Kleinen Rat gerichtete Klageschrift des Landjägers an der Unteren Zollbrücke (Tardisbrücke), Johann Luzi Sutter, gemeint haben. Darin hatte Sutter vermerkt:

«Bekanntlich haben die auf Zollposten stazionierten Landjäger entweder einen Gulden täglichen Sold oder, was ungefähr auf das Nämliche heraus kommt, eine Vergutung auf dem Holzausfuhrzoll, da wo dieselben mit der Disfälligen Beaufsichtigung beauftragt siend. Nun die Station an der Tardisbrücke war bisher diejenige wo der Landjäger nicht mehr als den gewöhnlichen Sold nämlich 54 [Kreuzer] Per Tag bezog. Ich wage daher nun so mehr die unterthänigste Bitte an Eure Weisheiten mich im Sold gütigst meinen Collegen auf andren Zollstationen gleichstellen zu wollen […].»374

In einem Antwortschreiben hatte ihm der Standeskassier daraufhin geschrieben, dass der Kleine Rat beschlossen habe, Sutter die «Soldvermehrung […] durch Belaßung von 4% Holzzolleinzieherlohn vom 1. März dieses Jahres an, zukommen zu laßen».375 Diese Zahlen indes bedürfen einer kurzen Erläuterung: Mit einem Gulden «täglichem Sold» für die Einkünfte aus dem Holzausfuhrzoll resultierten (angesichts der Tatsache, dass im Polizeisystem jeder Jahrestag vergütet wurde) theoretisch 365 Gulden, was also jährlich nur 36 Gulden 30 Kreuzer Mehreinnahmen bedeutet hätte. Insofern hatte der Verhörrichter mit den angegebenen 200 Gulden wohl eher auf die Vier-Prozent-Regelung verwiesen, welche in verkehrsreichen Zeiten376 zu signifikanten Mehreinnahmen führen konnte. Jedenfalls plädierte er in seinem Bericht von 1837 dezidiert für mehr finanzielle Gleichheit innerhalb des Korps: Er schlug nämlich vor, die Hälfte der Einkünfte in eine gemeinsame Kasse einzahlen zu lassen und am Jahresende jeweils auf alle Landjäger, inklusive derjenigen am Grenzzoll, gleichmässig aufzuteilen.377 Ein weiterer Vorschlag war, einen Teil dieser Summe noch abzuziehen und im Sinn der oben genannten Gratifikationen für spezielle Verdienste oder «als Belohnung für die Landjäger, die am meisten Ausgeschriebene, Vaganten [usw.] auffiengen», zu verwenden. Diese Vorschläge indes erfuhren keine Unterstützung. Der Standeskassier verteidigte die speziellen Bonuszahlungen der Landjäger am Grenzzoll vehement, indem er auf den damit erzielten Ansporn zu intensiverer Diensttätigkeit verwies:

«Dieses wäre gerade zu eine Ungerechtigkeit und gegen das Interesse des Kantons. Als die Wohl. Standescommission im Jahr 1825 den Grundsaz aufstellte, daß so wol Zoller als die beigegebenen Landjäger einen Antheil an dem Holzzoll, als Einzugsgebühr einzubehalten berechtigt seien, ging sie von der ganz richtigen Ansicht aus: beide werden sich um so mehr angelegen sein laßen, darüber zu wachen, daß kein Holz unverzollt ausgeführt werde.»378

Eine Änderung hätte für die auf die elf Grenzposten verteilten Landjäger unzweifelhaft eine Vernachlässigung im Diensteifer zur Folge, so der Standeskassier abschliessend. Im untersuchten Quellenmaterial finden sich keine Anzeichen dafür, dass der Antrag des Verhörrichters für mehr Lohngleichheit weiterverfolgt wurde.

Eine zweite Art prozentualer Bonuszahlungen war im Zusammenhang mit der Ausfertigung von Patenten geregelt, wobei es sich hierbei jedoch um eine polizeiliche Nischentätigkeit handelte. Sie hatte damit angefangen, dass der Kanton die Neubesetzung der Stelle des entlassenen Grenzkommissärs in Maienfeld, Johann Friedrich von Salis, als überflüssig betrachtete. Stattdessen wies die Regierung den Verhörrichter an, die am Grenzzoll stationierten Landjäger temporär mit der Ausstellung der Patente zu betrauen und ihnen eine entsprechende Gratifikation zukommen zu lassen. Daraufhin liess der Verhörrichter die am Grenzzoll auf der St. Luzisteig und an der Unteren Zollbrücke (Tardisbrücke) stationierten Landjäger Johann Luzi Sutter und Joseph Maculin wissen, dass sie für die Lösung der Patente «etwas Procente» erhalten würden, jedoch eine Übersichtstabelle gemäss mitgegebenem Formular einsenden müssten.379 Diese ausserordentliche Bonifikation für das Ausstellen von Patenten380 wurde im Weiteren auch von einigen Landjägern im Misox praktiziert. Sie scheint mit dem neu in Mesocco stationierten Landjäger Johann Baptista Bergamin erstmals Einzug gehalten zu haben. Derselbe bat um vorgefertigte Patente, da einige Fremde erst bezahlen würden, wenn sie das Patent erhalten hätten.381 Der Verhörrichter liess ihm daraufhin sechs leere Patente zukommen.382 Nach Erhalt einer zufriedenstellenden Übersicht über eingetriebene Patentgelder ersuchte der Verhörrichter den Standeskassier, dem Landjäger Bergamin eine «Auszahlung der Procent» zukommen zu lassen.383 Zu einem späteren Zeitpunkt äusserte sich der Verhörrichter dahingehend, dass er diese Vorgehensweise (angesichts der zahlreichen fremden Arbeiter) als effektivste Lösung betrachte: In einer Weisung an den später in Mesocco stationierten Landjäger Christian Alig hiess es, dass ihm auf sein Ersuchen hin 24 Handwerkspatente zugesandt würden. Dazu folgte die Angabe aller Indikationen, welche Alig in einer Tabelle aufführen sollte. Für ausgestellte Patente erhalte er bei Lehrlingen 1 Gulden und bei Meistern und Gesellen 1 Gulden und 40 Kreuzer.384 Bereits früh jedoch zeigte sich auch die Kehrseite dieser Vorgehensweise: Die Landjäger tendierten dazu, die Ausstellung von Patenten zu ihren Gunsten zu missbrauchen. Solchen Landjägern gehe es, wie der Verhörrichter kritisch anmerkte, «mehr um Erhaschung der Procenten, von den ihn anvertrauten Patente als um Erhaltung der öfentlichen Sicherheit und Ordnung».385 Im Wiederholungsfall drohte er deshalb mit der Dienstentlassung. Statt das eigentliche Ausstellen der Patente den Landjägern zu überlassen, wurden deshalb zuweilen auch nur die Bemühungen, den Passkommissär mit möglichst vielen Patentlösungen zu beschäftigen, mit einer ausserordentlichen Bonifikation belohnt. Den in Poschiavo stationierten Landjäger Jakob Rechsteiner etwa liess der Verhörrichter wissen, dass er eine Liste einreichen solle, in welcher er alle Personen eintrage, die er zur Ausstellung eines Patents dem Passkommissär zugeführt habe, damit «man ihm wann möglich zu einem Trinkgeld verhelfen könne».386

Die Auszahlung der Summen erfolgte je nach Landjäger auf ganz unterschiedlichem Weg. Sofern die Polizeibeamten den Sold nicht in Chur abholten, wurde er den meisten Landjägern allmonatlich per Postbote auf den Laufposten zugestellt. Eine zusätzliche Variante bildete etwa der Wunsch des in der Nähe des Grenzzolls in Castasegna stationierten Landjägers Joos Grass, welcher sich seinen Sold nicht durch den Postboten, sondern durch den dortigen Zolleinnehmer aushändigen liess.387 Als neu gegründete zentralkantonale Institution transportierte die Post den Sold ex officio, das heisst ohne dafür Speditionsgebühren zu verlangen, da sie analog zu den Landjägerrapporten und den Weisungen des Verhörrichters innerhalb der Kantonsverwaltung versandt wurden.388 Eine Alternative war, gerade wenn es sich um Bonifikationen und sonstige Zahlen wie beispielsweise Spesenbegleichungen oder Uniformguthaben handelte, der Transport durch andere Landjäger. Der in Mesocco stationierte Landjäger Johann Baptista Bergamin etwa berichtete dem Verhörrichter 1831 von der Geldsumme, welche Landjäger Martin Casanova ihm auf dessen Durchreise zum Posten in Roveredo für die Verhaftung dreier Deserteure überbracht habe. Gleichzeitig liess er den Verhörrichter wissen, dass ihm im Gegenzug das eingezogene Geld für die Ausstellung der Patente für die Holzschröter durch Landjäger Joseph Sandriser überbracht werde.389

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