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Kapitel 7

Loretta weiß zu überzeugen, ohne ihre Fähigkeiten unter Beweis stellen zu müssen – jedenfalls noch nicht …

Als ich am nächsten Morgen bei Dengelmann klingelte, war ich um ein Vielfaches aufgeregter als bei unserer ersten Begegnung. Immerhin war das jetzt der Auftritt vor dem denkbar strengsten Prüfer.

Tatsächlich hatte ich mir am gestrigen Abend noch Aufgaben wie Was darf man auf keinen Fall mit Armaturen machen? (kratzige Schwämme benutzen) oder Wie wird ein Parkettboden gereinigt? (nur leicht feucht, sonst quillt das Holz auf) gestellt und diese schriftlich beantwortet. Ja, ich hatte mich sogar noch im Internet informiert, wie man kleine Schäden und Kratzer am Holz selbst ausbessern kann. Überhaupt hatte ich mir eine Menge zusätzliches Wissen über echte Parkettböden draufgeschafft, mit dem ich Gerhard Dengelmann zu beeindrucken gedachte.

Der Türsummer ertönte, und ich trat ein.

Wie zufällig lungerte Frau Berger an ihrem Briefkasten herum. Ehrlich gesagt überraschte es mich nicht sonderlich, sie im Hausflur anzutreffen. Sie gab vor, nach ihrer Post zu sehen.

Na klar – um acht Uhr morgens.

»Guten Morgen«, sagte ich unverbindlich freundlich und strebte eilig an ihr vorbei.

»Guten Morgen«, erwiderte sie, dann hörte ich hinter mir, wie sich ihre Wohnungstür schloss.

Dengelmann stand diesmal bereits im Türrahmen und bat mich herein.

Nach einer knappen Begrüßung sagte er: »War das da unten die Berger? Hat die Frau Sie angesprochen?«

Obacht, Loretta, dachte ich.

Ich zog meine Jacke aus und hängte sie an die Garderobe. »Ja, da unten war eine Frau. Heißt sie Berger? Ich hatte den Eindruck, sie holt ihre Post aus dem Briefkasten. Ich hab sie natürlich gegrüßt, wie es sich gehört. Es soll Ihnen niemand nachsagen können, Sie würden Leute beschäftigen, die keine zivilisierten Umgangsformen haben.«

Er schien mir gar nicht zuzuhören, sondern stierte mit gerunzelter Stirn ins Ungefähre, schnaubte leise und murmelte dann: »Als wäre der Postbote morgens um acht schon durch. Der kommt nie vor zehn, das weiß sie so gut wie ich.«

»Sollte ich irgendetwas über diese Frau Berger wissen, Herr Dengelmann? Weil Sie mich doch fragten, ob sie mich angesprochen hat?«

Er schüttelte wie in Zeitlupe den Kopf. »Nein. Sie ist einfach etwas geschwätzig und stiehlt Ihnen die Zeit, wenn Sie nicht aufpassen. Sobald Sie stehen bleiben und sich mit ihr auf ein Gespräch einlassen, haben Sie verloren. Also seien Sie möglichst nicht zu freundlich zu ihr. Höflich – okay. Freundlichkeit missversteht sie schnell als Interesse an ihrer Person.« Er biss sich auf die Unterlippe, als hätte er mir zu viel verraten. Dann deutete er auf meine klobigen Schuhe. »Wollen Sie die anbehalten?«

Ich schüttelte den Kopf und griff nach meiner Stofftasche, die ich neben meine Jacke an die Garderobe gehängt hatte. Wohlweislich hatte ich den Bereich der Schmutzfangmatte noch nicht verlassen.

»Natürlich nicht, ich habe andere Schuhe dabei. Wenn Sie es wünschen, ziehe ich meine Straßenschuhe zukünftig bereits im Hausflur aus.«

Ich sah seinem Gesicht an, dass ich einen Punkt gemacht hatte, und reckte innerlich triumphierend die Faust gen Himmel. Wunderbar, das fing gut an.

»Darf ich mir jetzt Ihre Putzutensilien ansehen?«, fragte ich, nachdem ich die Schuhe gewechselt hatte.

»Die bewahren w…, die bewahre ich im Hauswirtschaftsraum auf«, erwiderte er und führte mich zu einem kleinen Raum, der von der Küche abging.

Eigentlich war es eher ein begehbarer Schrank, der allerdings eine Menge Platz für Putzkram und Vorräte bot. An einer Hakenleiste hingen Besen, Schrubber, Wischmopp, mehrere Handfeger und Kehrschaufeln, darunter standen ein großer Staubsauger sowie drei Eimer, in denen sich benutzte Lappen und Aufnehmer befanden. In einem Regal entdeckte ich diverse Flaschen mit Putzmitteln, die im Wesentlichen mit denen bei Doris übereinstimmten.

Ich befand mich also auf relativ sicherem Terrain.

Das Lappen- und Schwämme-Angebot ließ allerdings sehr zu wünschen übrig. Es gab eine Plastikkiste mit angebrochenen Billig-Zehnerpackungen, wie man sie beim Discounter bekam. Nix Regenbogen.

Aber dazu würde ich ihm später etwas erzählen.

»Sie haben Parkett im Rest der Wohnung, wenn ich mich recht erinnere«, sagte ich, als ich meine Bestandsaufnahme beendet hatte.

Er nickte, und wir gingen hinüber ins Wohnzimmer.

Ich kniete mich hin und fuhr mit der flachen Hand prüfend über den Boden. »Wie viel Millimeter Nutzschicht hat das Parkett?«

Seine Brauen schossen hoch wie eine Saturnrakete beim Lift-off von der Startrampe. »Nun ... äh ... ursprünglich mal vier, mittlerweile nur noch drei.«

Ich nickte wissend. »Also haben Sie es bereits zwei Mal abschleifen lassen.«

Zu den hochgeschossenen Brauen gesellte sich eine heruntergeklappte Kinnlade. Er brauchte einen Moment, um sich wieder zu fassen. »Das … das ist richtig. Woher wissen Sie das?«

Ich sah zu ihm hoch und lächelte. »Ich habe Ihnen doch bereits bei unserem ersten Telefonat gesagt, dass ich die Beste bin, nicht wahr? Alles, was ich mache, nehme ich sehr ernst. Egal, ob ich putze oder einen Text lektoriere. Fundiertes Hintergrundwissen ist von eminenter Wichtigkeit. Wie wurde der Boden bisher gepflegt?«

»Mit der weichen Teppichbürste des Staubsaugers, soweit ich weiß.«

Genau, und zwar jeden Tag um Punkt neun von deiner Jutta, die dafür seit einigen Wochen leider nicht mehr zur Verfügung steht, dachte ich.

»Wissen Sie, ich selbst bin leider kein richtiger Experte«, fügte er hinzu, »das hat immer meine F…, meine bisherige Putzhilfe gemacht.«

»Lassen Sie mich raten: Ihre langjährige Putzfee ist in Rente gegangen, und bisher haben Sie niemanden gefunden, der ihr ebenbürtig wäre.«

Hui, ich musste aufpassen – schließlich wusste ich offiziell nichts von den vier gescheiterten Versuchen während der letzten drei Wochen.

Er seufzte. »Das trifft es ziemlich genau. Meine bisherige Hilfe steht leider nicht mehr zur Verfügung, und jetzt bin ich händeringend auf der Suche. Das ist deutlich komplizierter, als ich erwartet hätte. Die Damen arbeiteten entweder nur oberflächlich oder schreckten vor dem Aufwand zurück. Stellen Sie sich nur vor – eine junge Frau fragte mich doch tatsächlich, was sie hier putzen solle, es sei doch alles sauber!«

Tja, da hatte wohl jemand aus seinem Herzen keine Mördergrube gemacht.

»Wie bitte? Sie machen Scherze!«, rief ich angemessen fassungslos aus, gleichzeitig mühsam um Beherrschung meiner Gesichtszüge ringend. Schnell wandte ich mich ab und fuhr noch einmal mit der Hand über den Boden.

»Hm … ich spüre einige kleine Unebenheit und Kratzer«, konstatierte ich fachmännisch und stand auf. »Die könnte ich selbstverständlich ausbessern, wenn Sie es wünschen. Es gibt da sehr gute Reparatursets, mit denen ich beste Erfahrungen gemacht habe.«

Er musterte mich nachdenklich. »Halten Sie das für nötig? Ich überlasse Ihnen die Entscheidung.«

Das wurde ja immer besser!

Ich hatte es durch mein holterdipolter angelerntes Halbwissen, gepaart mit pseudokompetenter Klugscheißerei, tatsächlich geschafft, die Rollen umzukehren: Plötzlich war ich der Chef im Ring – und nicht länger die kleine Putze, die sich erst mal beweisen musste, während sie auf Knien vor ihm herumrutschte und ihr der Angstschweiß in Strömen von der Stirn perlte.

»Also, ich finde ja, dass bei einem Echtholzboden nicht jede winzige Unperfektheit ausgemerzt werden muss. Ganz im Gegenteil: Sie wirken wie eine Patina und verleihen dem ganzen Raum Natürlichkeit und Charakter. Heutzutage gelten auffällige Maserungen und sogar Astlöcher als schick – was früher undenkbar gewesen wäre. Wissen Sie, ich vergleiche einen schönen Parkettboden gerne mit der Haut eines Menschen: Auch er wird mit den Jahren reifer und benötigt ständige, liebevolle Pflege.«

Das mit der Haut hatte ich mitten in der Nacht irgendwo im Internet gelesen und es – ehrlich gesagt – ziemlich albern gefunden. Jetzt und hier war es die finale Bemerkung, um ihn endgültig zu beeindrucken.

Aber ich war ja noch längst nicht fertig …

»Darf ich Ihnen mein ganz persönliches Putzsystem erklären, Herr Dengelmann?«, fragte ich, als wir wieder in der blitzsauberen Küche standen. Ohne eine entsprechende Aufforderung abzuwarten, setzte ich mich an den Tisch, und er fragte prompt reflexartig, ob er mir etwas zu trinken anbieten könne.

»Ein Glas Wasser wäre nett«, sagte ich bescheiden, und er stürzte beflissen zum Kühlschrank, um den Wunsch seiner neuen Putzgöttin zu erfüllen.

Allmählich keimte in mir Verständnis dafür auf, warum Uschi, die putzende Hausfrau, an der Sexhotline einer der beliebtesten Charaktere war. Abgesehen davon, dass sie halb nackt zu putzen pflegte, schien eine bestimmte Art von Männern schon allein darauf abzufahren, wenn man ihnen das heimische Nest hübsch proper hielt.

Aber warum war das so? Paarte sich dabei die Erinnerung an die geliebte, fürsorgliche Mutter mit dem Wunsch nach Dominanz, da Putzen ja immerhin eine dienende Tätigkeit war?

Mein Glas stellte er natürlich auf einen Untersetzer, bevor er sich mit gegenüber an den Tisch setzte. »Sie wollten mir etwas über Ihr Putzsystem erzählen, Frau Luchs«, sagte er, »ich bin sehr gespannt.«

Das glaubte ich ihm aufs Wort. Meine Kompetenz in Sachen Parkettböden hatte ihn umgehauen.

Ich trank einen Schluck Wasser und stürzte mich dann in einen Vortrag über den Sinn unterschiedlicher Lappenfarben für verschiedene Hygiene-Krisenherde, gespickt mit Informationen über Putzmittel und deren Vor- und Nachteile. Gewürzt wurde mein kleiner Monolog durch vermeintliches Insiderwissen über Sinn und Unsinn diverser Hausmittel.

Er unterbrach mich kein einziges Mal, sondern hing sichtlich fasziniert an meinen Lippen. Als ich schließlich geendet hatte und ihn abwartend ansah, schien er aus tiefer Trance zu erwachen.

»Kaufen Sie alles, was Sie benötigen«, sagte er wie betäubt. »Ich gebe Ihnen gern Geld mit.«

Ich winkte lässig ab. »Das ist nicht nötig. Ich bringe die Quittungen mit, und Sie geben mir dann das Geld.«

»Selbstverständlich, selbstverständlich. Ich … wir müssen noch administrative Dinge … ich brauche Ihre persönlichen Daten, um Sie anzumelden. Ich hole rasch etwas zu schreiben aus dem Arbeitszimmer.«

Er ging aus der Küche, und ich folgte ihm einige Sekunden später auf den leisen Sohlen meiner Turnschuhe bis zu Tür. Ich hatte die Hoffnung, einen Blick in sein geheimnisvolles Arbeitszimmer werfen zu können. Das klappte tatsächlich, war aber unspektakulär: Ich sah lediglich einen Schreibtisch, auf dem ein aufgeklappter Laptop mit dunklem Monitor stand – und Dengelmann von hinten, der etwas aus einer Schreibtischschublade holte.

Als er zurückkam, saß ich längst wieder brav auf meinem Stühlchen und nippte geziert an meinem Mineralwasser. Er fragte meine Daten ab, die er sorgfältig notierte.

Dann blickte er auf seine Armbanduhr. »Was halten Sie davon, wenn Sie die Sachen sofort einkaufen und beim nächsten Mal mitbringen? Passt Ihnen Freitag?«

»Einverstanden. Uhrzeit wie heute?«

»Gern. Und Sie schreiben sich natürlich die heutige Anwesenheit und den Einkauf als geleistete Stunden auf.«

Och, das fand ich nun aber ziemlich nett von ihm. Ich hatte nicht nur keinen Finger krumm gemacht, sondern konnte überdies das Regenbogenlappen-Shoppen mit meinen privaten Einkäufen verbinden – und das bezahlt.

Ich konnte mich nicht erinnern, mein Geld jemals leichter verdient zu haben.

Direkt nach dem Treffen fuhr ich ins Callcenter, schon allein, um Doris vom durchschlagenden Erfolg ihres Unterrichts zu berichten. Sie sprach mit einem Kunden, reckte aber die Hand mit fünf gespreizten Fingern und zeigte dann auf unseren kleinen Sozialraum – also würde sie gleich Pause machen.

Ich schlenderte weiter zu Erwins Büro.

»Ach, mit dir hätte ich so früh gar nicht gerechnet«, sagte er überrascht. »Aber umso besser: Dann kannst du gleich dabei sein.«

»Wobei?«

»Frau Berger kommt in einer halben Stunde.«

Na, die Dame zeigte aber Präsenz.

»Was will sie denn schon wieder?«, fragte ich. »Es gibt doch nichts, was wir zu berichten hätten.«

Erwin zuckte mit den Achseln. »Offenkundig sieht sie das anders.«

»Na gut. Aber jetzt habe ich erst einmal ein Date mit deinem Täubchen. Bis gleich.«

Doris blickte mir bereits erwartungsvoll entgegen, als ich in die kleine Teeküche des Callcenters kam.

Ich breitete die Arme aus und rief: »An meine Brust, du Göttliche! Der Mann liegt mir zu Füßen!«

Wir umarmten uns, dann befreite sie sich und sagte: »Erzähl! Und nichts auslassen, verstanden?«

Während sie ihren Pausenkaffee trank, lauschte sie mit leuchtenden Augen meiner lebhaften Schilderung, wie ich Gerhard Dengelmann durch meine profunde Sachkenntnis in sämtlichen Belangen des Wohnungsreinigungswesens um den Finger gewickelt hatte. »Diese kleinen Schmankerl über Parkettböden habe ich mir gestern noch im Internet zusammengesucht«, verkündete ich mit stolzgeschwellter Brust. »Und rate mal: Gleich gehe ich Regenbogenlappen kaufen, weil ich sie für mein Putzsystem dringend benötige!«

»Dein Putzsystem, hihihi«, kicherte sie entzückt. »Wer hätte gedacht, dass meine bunten Feudel noch einmal Karriere machen würden.«

»Auf jeden Fall bin ich jetzt längst nicht mehr so nervös wie heute Morgen«, sagte ich, »und das verdanke ich deinem wunderbaren Unterricht. Wenn ich jetzt etwas nicht so mache, wie er es gewöhnt ist, wird er denken, dass meine Technik die professionelle ist. Ich wette, er traut mir jetzt Superkräfte zu. Ab sofort bin ich Putzlappen-Girl, bewaffnet mit magischem Schrubber und tödlicher Möbelpolitur! Und kein Dreck des bekannten Universums hat gegen mich auch nur die geringste Chance!«

Wir lagen uns lachend in den Armen, als Dennis hereinkam und verblüfft fragte: »Was ist mit euch denn los?«

»Nichts!«, prustete Doris und wischte sich die Lachtränen aus den Augen. »Wir haben nur festgestellt, dass Loretta magische Fähigkeiten hat.«

Dennis grinste. »Als wenn das eine Neuigkeit wäre.«

Frau Berger war hocherfreut, mich anzutreffen. Erwin war noch bei Dennis im Büro, also bat ich sie in die Besprechungsecke und schenkte ihr einen Kaffee ein.

Wie gewohnt hockte sie kerzengerade auf der Sesselkante. »Frau Luchs! Was haben Sie mir zu berichten? Sie waren doch heute bei Dengelmann.«

»Nun, wir sind uns ja im Flur begegnet«, erwiderte ich.

»Hat er das bemerkt?«, fragte sie.

Ich nickte. »Natürlich. Wir zwei haben uns ja einen guten Morgen gewünscht. Das hat er gehört, weil er in der Wohnungstür auf mich wartete.«

»Und? Hat er etwas über mich gesagt?« Vor Aufregung krallten ihre Hände sich in die Armlehnen; vermutlich wäre sie auch sonst vom Sessel gerutscht.

Leider konnte ich wohl kaum weitertratschen, was er über sie gesagt hatte.

»Nein, nicht wirklich. Aber ich habe nach Ihrem Namen gefragt.«

»Wie haben Sie das begründet?«

»Ich habe behauptet, ich fände es höflicher, Sie in Zukunft mit Namen zu grüßen, sollten wir uns noch mal begegnen. In Wahrheit hoffte ich natürlich, ihm irgendwas über Sie entlocken zu können, das ihn entlarvt. Aber er hat mir nur Ihren Namen genannt. Das war alles.«

Sie war sichtlich enttäuscht. Aber war sie es, weil er nichts über sich selbst preisgegeben hatte? Oder weil er nichts über sie gesagt hatte?

Erwin kam herein und setzte sich zu uns, nachdem er Frau Berger begrüßt hatte.

»Was mich interessieren würde, Loretta«, sagte er, »hat Dengelmann seine Frau erwähnt?«

Ich schüttelte den Kopf, hielt aber dann inne. »Ja und nein. Nicht namentlich oder so. Aber es gab eine oder zwei Situationen, wo er sich beinahe verplappert hätte. Als ich ihn zum Beispiel danach fragte, wer bisher für ihn geputzt hat. Da hätte er beinahe meine Frau gesagt, kriegte aber gerade noch die Kurve und sagte stattdessen meine Putzhilfe.«

Frau Berger stieß ein höhnisches Schnauben aus. »Da hat er ja nicht einmal gelogen. Das war Jutta schließlich für ihn: eine billige Putzhilfe.«

»Hast du denn diesmal irgendwelche Spuren von Frau Dengelmann entdeckt?«, fragte Erwin.

Ich schüttelte den Kopf. »Nee. Ich hatte aber auch noch keine Gelegenheit, mich richtig umzusehen. Ich habe heute auch nicht geputzt, wir haben uns eigentlich nur über das Wie unterhalten. Am Freitag geht es los.«

»Nutzen Sie jede Gelegenheit, nach Juttas Spuren Ausschau zu halten!« Frau Berger blickte mich flehend an. »Wir müssen unbedingt Beweise dafür finden, dass er sie verschwinden lassen hat.«

»Ich werde mein Bestes geben«, erwiderte ich. »Aber ich kann ihn ja schließlich nicht betäuben, damit ich in Ruhe die Wohnung durchschnüffeln kann.«

»Hast du ihr Gesicht gesehen, als ich das mit dem Betäuben gesagt habe?«, fragte ich Erwin, nachdem Frau Berger sich verabschiedet hatte.

Er nickte grinsend. »Allerdings. Sie würde nicht eine Sekunde lang zögern, zu Chloroform zu greifen, um den Weg zu einer professionellen Hausdurchsuchung zu ebnen.«

»Ganz unter uns: Ich traue Dengelmann nicht zu, dass er seine Frau umgebracht und irgendwo verscharrt hat. Oder wo auch immer entsorgt. Wie sollte er das auch gemacht haben? Hat er sie in der Wohnung erwürgt und dann weggeschafft? Mal abgesehen von der Tötungsart – wo hat er sie hingebracht? Und: wie und wann?«

»Keine Ahnung. Finden wir es heraus.«

»Falls es überhaupt etwas herauszufinden gibt. Er selbst scheint vom Putzen überhaupt nichts zu verstehen. Und jetzt stell dir vor, er hätte sie zum Beispiel erschlagen. Er wäre meiner Meinung nach außerstande, Blutflecke zu beseitigen. Er kommt mir vor wie ein lebensuntüchtiger Bubi, dem jetzt seine Mami fehlt.«

»Loretta, Loretta.« Erwin schüttelte den Kopf und ließ seine Minipli-Löckchen lustig tanzen. »Du wirst es nie lernen, oder? Die schlimmsten Mörder sind oft gleichzeitig die besten Schauspieler; das dürfte dir doch nun wirklich nicht mehr neu sein. Ich behaupte nicht, dass er seine Frau umgebracht hat. Aber die Tatsache, dass er ohne sie hilflos wirkt, ist wahrlich kein Beweis dafür, dass er es nicht getan hat.«

Kapitel 8

Wenn sich zwei Varianten der eigenen Realität miteinander vermischen, kann es schon mal zu Verwechslungen kommen

Nachdem wir mein weiteres Vorgehen besprochen hatten, machte ich mich daran, das kunterbunte Equipment einzukaufen.

Das Ergebnis der Besprechung ließ sich erwartungsgemäß in ganze drei Worte fassen: kein Risiko eingehen. Dafür hätten wir wirklich nicht zwei Stunden lang palavern müssen, denn das betete Erwin schließlich immer wieder gebetsmühlenartig herunter. Zwischenzeitlich kam ich mir vor wie ein renitenter Teenager, der die Gardinenpredigt seiner Eltern längst auswendig kann und schon lange nicht mehr hinhört.

»Jaja«, sagte ich, als Erwin endlich mit seinem Vortrag fertig war.

»Du weißt, was das heißt«, erwiderte Erwin.

»Jaja heißt leck mich am Arsch«, murmelte ich.

Zwischen seinen Brauen erschien eine tiefe Falte. »Jetzt hörst du mir mal gut zu, Frollein: Das hier ist kein Spielchen. Wir haben einen Auftrag. Und wir haben eine Verantwortung. Mit Risiko meine ich nicht, dass dieser Herr Dengelmann ein Psychopath sein könnte, der dir an den Kragen will. Oh nein – mit Risiko meine ich, dass du nicht auffliegen darfst. Wenn er dich dabei erwischt, wie du in seinen Sachen herumschnüffelst, kann er die Polizei holen. Diesen Ärger will ich mir erst gar nicht ausmalen. Denn wer kriegt eins vor den Bug – außer dir, meine ich? Ich. Weil ich der Privatdetektiv bin. Damit, dass du dich über den Job bei ihm einschleichst, bewegen wir uns ohnehin auf ganz, ganz dünnem Eis. Aus Büschen heraus einen Fremdgeher zu fotografieren, ist eine Sache – unter Vorspiegelung falscher Tatsachen in seine Privatsphäre einzudringen, eine ganz andere. Wenn du mir das kaputt machst, weil du übereifrig agierst, werde ich sauer. Richtig sauer. So sauer, wie du mich noch nie erlebt hast.«

Hatte ich ihn überhaupt jemals sauer erlebt? Nicht, dass ich mich erinnern könnte.

Da ich nicht davon ausging, das Gewünschte beim Discounter umme Ecke zu finden, begab ich mich direkt in einen dieser gigantischen Supermarkt-Konsumtempel. Jetzt, im November, war natürlich bereits alles festlich geflaggt und mit überwältigenden Mengen an glitzerndem Tand dekoriert, was mich – in Kombination mit den säuselnden Weihnachtsweisen – kolossal nervte.

Mein Glück war, dass die Abteilung für Putzequipment davon weitgehend verschont geblieben war. Zwar entging ich auch hier nicht der allgegenwärtigen Hintergrundbeschallung, aber der gänzliche Verzicht auf Lichterketten und schillernde Sterne stimmte mich versöhnlich. Vermutlich galten Putzlappen und ausgefuchste Wischmopp-Systeme nicht gerade als glamouröse Geschenke. Oh Liebling – ein Kunstlederlappen! Damit werden die Fenster noch glänzender! Den habe ich mir schon immer gewünscht! Du bist der Beste! – kaum vorstellbar, oder?

In meinen riesigen Einkaufswagen wanderte nach und nach immer mehr farbenfrohe Lappenware, aus der ich problemlos eine schmucke Girlande für einen Kindergeburtstag hätte basteln können. Dazu kamen die passenden Schwämme, außerdem eine Klinikpackung Einweghandschuhe in meiner Größe. Kurz dachte ich noch über einen Kittel nach, aber das war mir dann doch zu sehr Uschi.

Erst zu Hause fiel mir auf, dass ich in meinem Lappenwahn vergessen hatte, Lebensmittel einzukaufen. Während Baghira zufrieden schmatzend über seinem Fressnapf kauerte, zeigte mir mein beinahe leerer Kühlschrank erbarmungslos, dass meine abendliche Mahlzeit wohl aus einem hart gekochten Ei und Knäckebrot mit Marmelade bestehen würde.

Aber dann rief Frank an.

»Hömma, Loretta, ich bin inne Nähe und dachte, ich komm ganz spontan rum. Wat meinze: Hasse auch Bock auf PommesCurrywurstdoppeltMajo?«

Ich schwöre – er machte daraus ein einziges Wort.

»Hört sich super an! Du bist mein Lebensretter, ich hab nämlich seit dem Frühstück nichts gegessen. Mach für mich doppelt Pommes draus. Majo extra. Und bring Bier mit, ich hab keins im Haus.«

»Wird erledicht!«, trompetete er fröhlich und legte auf.

Ich nahm eine Turbodusche und zog mir bequeme Klamotten an, die eine Männerportion wegstecken konnten, ohne dass der Hosenbund kniff. Irgendwann hatte ein schlauer Mensch den Gummibund erfunden, und ich dankte ihm regelmäßig dafür.

Als Frank eintraf, reagierte mein Magen auf den Imbissbudenduft aus der Tüte mit einem Röhren, das einen brunftigen Hirsch locker in die Flucht geschlagen hätte.

»Mein lieber Scholli«, sagte Frank beeindruckt, »du has ja richtich Hunger.«

»Sag ich doch.«

Ich nahm ihm die Tüte ab und ging voraus in die Küche. Während er das Bier bis auf zwei Flaschen für uns in den Kühlschrank räumte, verteilte ich unser Essen auf die bereitstehenden Teller. Am liebsten hätte ich mir die goldenen, knusprigen Kartoffelstäbchen mit zwei Händen gleichzeitig in den Mund gestopft.

»Wat is dat denn?«, fragte er, als er sich zu mir an den Tisch setzte. »Pozzellan? Für PommesCurrywurst? Seit wann biste denn so etepetete?«

»Wenn ich zu Hause bin, immer. Unterwegs habe ich mit einer Pappschale kein Problem, aber zum Ende hin klebt da alles zusammen und so. Und diese Plastikpieker find ich auch blöd. Die sind viel zu klein für mich. Irgendwann sind meine Finger immer mit Majo beschmiert. Ich bin halt eine Motorik-Legasthenikerin.«

Er zuckte mit den Schultern. »Wennde meinz, bitte. Womit ich meine Pommes spachtel, is mir einklich egal, solange ich dabei nicht mein klein Finger so affich wegspreizen muss. Hauptsache Schmackofatz.«

Ich zog den Deckel von meinem Mayonnaisebehälter und leckte die Innenseite sorgfältig ab, bevor ich ihn beiseitelegte.

Frank nickte anerkennend. »Nix vergeuden, so is dat richtich. Ich mag Frauen, die orntlich zulangen.«

»Dann müsstest du von mir ja vollkommen betört sein«, nuschelte ich, während ich gleichzeitig eine Pommes nach der anderen in die Majo stippte und mir in den Mund steckte.

In Wirklichkeit klang es also ungefähr so: »Damüscheschujavommivöllchbörtschein.«

»Wat?«, fragte er folgerichtig. »Wat has du gesacht?«

Ich winkte ab und schickte damit ein Stück Currywurst auf die Reise, das ich gerade aufgespießt hatte. In einem eleganten Bogen überquerte es den Tisch und landete mit einem zarten Platschen auf Franks Teller – interessiert verfolgt von Baghira, der uns von seinem Krähennest aus beobachtete. Als ich mit meiner Gabel nach meinem Stück Wurst zielte, schob Frank meine Hand rigoros weg.

»Nix da. Wat auf meim Teller landet, gehört dir nich mehr. Dat gehört jetz mir. Pech gehabt. Musste eben besser auf dein Essen aufpassen. So sind die Regeln.«

»Welche Regeln denn bitte?«

»Die internationalen Pommesbudenregeln, natürlich«, erwiderte er ernst. »Pommes dürfen nich kalt werden, Bier darf nich zu schale Plörre werden. Nicht labern – essen, und zwar zügich. Dat hat so leckeret Schmackofatz nich verdient, dat et nich mit Respekt behandelt wird.«

Ach, er hatte ja recht. Nichts wurde so schnell kalt und damit beinahe ungenießbar wie die Speise der Götter aus der Imbissbude.

In Windeseile beendete Frank sein Mahl, leerte mit einem beherzten Schluck seine Bierflasche, lehnte sich zurück und rülpste. »Sorry, aber dat musste jetz sein.«

Ich kicherte. »Schon gut. Ist bei mir erlaubt, weißt du ja.«

Er musterte mich wohlwollend, dann sagte er: »Hömma, wat habbich gehört? Du has ma widda so ’n Andakawwa-Ding am Laufen? Erzähl ma.«

Ich stellte mir – oder ihm – erst gar nicht die Frage, woher er das wusste. Und es erklärte gleichzeitig, warum er hier aufgekreuzt war: Neugier. Logisch – immerhin hatten wir vor einigen Monaten gemeinsam so ein ›Undercover-Ding‹ bestritten.

»Diesmal ist es anders«, erwiderte ich. »Lange nicht so gefährlich.«

»Die Doris sacht, der Typ hat seine Olle gekillt, und du sollz dat beweisen.«

»Das hat Doris ganz sicher nicht so gesagt!«

Er grinste verlegen.

»Siehste«, fuhr ich fort. »Alles nicht mal halb so spektakulär. Seine Nachbarin denkt, da ist was faul, weil seine Frau nicht mehr da ist. Wir wissen noch nicht einmal, ob die sich nicht bloß was einbildet. Kann sehr gut sein, dass überhaupt kein Verbrechen dahintersteckt. Ich gucke mich bei ihm nur mal ein wenig um.«

»Hehehe«, machte er. »Als Putze, sacht die Doris.«

Ich nickte. »Das stimmt. Deshalb habe ich bei Doris ja auch Nachhilfestunden genommen.«

»Hihihi. Find ich lustich.«

»Wie nett, dass ich etwas zu deiner Unterhaltung beitragen konnte. Immer gern.«

Er wurde ernst. »Ich bin hier, weil ich dir sagen will, dat du vorsichtich sein sollz, Loretta. Schön aufpassen und bloß keine Dummheiten machen, hörsse?«

Ich versprach es ihm hoch und heilig.

Nach einer eher unruhigen Nacht, in deren Träumen ich gigantische Fensterflächen und kilometerlange Säle mit Parkettboden zu putzen hatte, erwachte ich am nächsten Morgen mit einer Laune, die ich nur als grottenschlecht bezeichnen konnte. Immer wieder war ich aufgewacht und wieder eingeschlafen, um mich mit neuen Herausforderungen konfrontiert zu sehen. Das mit dem Parkettboden musste der Buckingham-Palast gewesen sein. Mindestens. Überdies tat mir alles weh, so als hätte ich die geträumte Arbeit tatsächlich geleistet.

Ich hatte nicht einmal Lust, mich mit Baghira zu unterhalten, sondern knallte ihm sein Frühstück wortlos vor die Nase. Dass er es sich nicht hatte nehmen lassen, kurz vor dem Saubermachen seines Klos noch eben schnell eine Stinkbombe hineinzulegen, heiterte mich auch nicht gerade auf. Fluchend schaufelte ich im Katzenstreu herum, während er auf der Waschmaschine saß und mich aufmerksam beäugte.

Ich ignorierte ihn geflissentlich, bis es Zeit war, ins Callcenter aufzubrechen. Maunzend eskortierte er mich zur Wohnungstür, und mit schlechtem Gewissen bückte ich mich, um ihn kurz auf den Arm zu nehmen und eine Runde zu kraulen. Er konnte ja schließlich nichts dafür.

Der Vormittag an der Hotline war reine Routine. Meine Mittagspause verbrachte ich damit, draußen ein paar Schritte spazieren zu gehen. Mir war einfach nicht nach Gesellschaft oder Konversation. Ich hatte weder Lust, mit Erwin über Gerhard Dengelmann zu reden, noch auf irgendein anderes Gesprächsthema.

Überdies vermisste ich Pascal. Sehr sogar. Ich hatte es mir einfach vorgestellt, dass er längere Zeit unterwegs sein würde – dergleichen gehörte zu seinem Beruf. Ich war es also gewöhnt, dass er immer mal wieder weg war. Aber diesmal war es anders. Ich fragte mich, ob das Wissen, dass er noch wochenlang nicht zurückkehren würde, es mir besonders schwer machte. Nach einem Telefonat mit ihm am gestrigen Abend hatte ich mich traurig und einsam gefühlt.

So traurig und einsam, dass ich hinterher heulend auf dem Sofa lag und Baghira an mich drückte, der nicht wusste, wie ihm geschah, und sich meiner heftigen Zuneigung strampelnd erwehrte.

Der erste Kunde nach meiner Mittagspause verlangte nach Uschi, der Hausfrau. Na klar, das passte ja. Am liebsten würde ich sie für den Moment aus meinem Repertoire streichen, aber das musste ich erst mal mit Dennis besprechen. Er könnte dafür sorgen, dass entsprechende Kunden nicht mehr an mich durchgestellt wurden.

Aber jetzt musste ich ran.

Das Fenster auf meinem Monitor zeigte mir an, dass ich es mit GroßerLümmel69 zu tun hatte.

Wow, das ist ja mal ein fantasievoller Nickname, dachte ich gallig, bevor ich mich mit meiner sanftesten Stimme bei ihm meldete und mich erkundigte, was ich denn Hübsches für ihn tun könne.

»Na, putzen soll die gnädige Frau. Und zwar gründlich«, blaffte er.

Okay, dieser Typ wollte also keine lange Tändelei, sondern einen Job ohne Fisimatenten. Konnte er haben. Vielleicht musste er ja Geld sparen und wollte deshalb unsere Interaktion so kurz wie möglich halten – immerhin wurde minutenweise abgerechnet. Oder GroßerLümmel69 hatte nicht viel Zeit und rief mal eben zwischen zwei geschäftlichen Telefonaten an.

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