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3.1 Operationalisierung

Vor Beginn einer Analyse sind die Arbeitsschritte und die Arbeitsweise im Rahmen der zur Verfügung stehenden Zeit und des Analysezweckes festzulegen. Es macht einen Unterschied, ob die Analyse für ein mündliches Referat, eine schriftliche Hausarbeit, einen wissenschaftlichen Aufsatz, eine Diplom- oder Magisterarbeit, Dissertation, Habilitation oder im Rahmen eines größeren Forschungsprojekts, das zeitlich limitiert ist, angefertigt werden soll. Außerdem macht es einen Unterschied, ob die Analyse der wesentliche Gegenstand der Arbeit ist oder lediglich als Hilfsmittel dient, um beispielsweise im Rahmen einer Forschungsarbeit anhand einiger ausgewählter Filme das populäre Kino der 1970er Jahre zu untersuchen. Aus Gründen der Forschungsökonomie ist eine Operationalisierung notwendig. Die Festlegung der Arbeitsschritte und der Arbeitsweise erfolgt auf der Grundlage der Beantwortung folgender Frage: Was ist in einer gegebenen Zeit an welchem Gegenstand in welcher Weise zu leisten, um dem Erkenntnisinteresse und den sich daraus ableitenden Fragestellungen gerecht zu werden?

Die Operationalisierung hat das Ziel, die prinzipiell endlose Analyse unter den gegebenen Bedingungen endlich und durchführbar zu machen. Es wird festgelegt, was in ihr geleistet werden soll, und zwar im Hinblick auf das Erkenntnisinteresse (vgl. Kapitel I-2). »Man muss daher Entscheidungen darüber treffen, welche Aspekte eines Films für eine aufschlussreiche Analyse relevant sind« (Geiger/Rutsky 2005, S. 29). Das lässt sich am besten durch konkrete Fragestellungen bewerkstelligen, die durch das Wechselspiel von Anschauung und theoretischer Reflexion gewonnen werden. Wenn z.B. die ästhetischen Strukturen postmoderner Hollywood-Filme der 1990er Jahre untersucht werden sollen, muss zunächst das Korpus der Filme, die diesem Kriterium genügen, bestimmt werden. Dann werden die Filme angeschaut, und es wird über sie im Rahmen theoretischer Bezüge nachgedacht. Daraus entwickeln sich die konkreten Fragestellungen. Bei dem genannten Beispiel könnte interessieren, wie verschiedene Genreaspekte miteinander verwoben werden oder wie Sexualität präsentiert wird. Anschließend wird das Korpus der Filme, die eingehend analysiert werden sollen, festgelegt. Dabei kann es sich möglicherweise auch nur um einen einzelnen Film handeln, der exemplarischen Charakter hat (z.B. im Rahmen eines Referats). Man muss sich darüber im Klaren sein, was man von den Filmen wissen will. Nur so kann die Analyse in Bezug auf ihr Erkenntnisinteresse eingegrenzt werden. Wie im vorangegangenen Kapitel I-2 erläutert, kann es sich um einen oder mehrere folgender Aspekte handeln: Inhalt und Repräsentation, Narration und Dramaturgie, Figuren und Akteure, Ästhetik und Gestaltung oder Kontexte. Das ist notwendig, weil eine sogenannte »exhaustive Analyse«, in der ein Film nach allen nur erdenklichen Aspekten so vollständig wie möglich analysiert wird (vgl. dazu Wulff 1998, S. 23), in der Regel aus forschungsökonomischen Gründen nicht praktizierbar ist.

In der Literatur zur Film- und Fernsehanalyse sind verschiedene Systematiken für die Analyse vorgeschlagen worden: Einmal werden sie »Arbeitsschritte« genannt (vgl. Hickethier 2012, S. 34), einmal »Grundmuster der Analyse« (vgl. Schaaf 1980, S. 112) oder »Grundoperationen der Analyse« (vgl. Wuss 1999, S. 22), andere nennen es »Strecken der Analyse« (vgl. Casetti/di Chio 1994, S. 7) oder einfach »Systematik« (vgl. Korte 2010, S. 75). Einige Vorschläge sollen hier kurz dargestellt werden. Auf eine Kritik im Einzelnen wird dabei verzichtet.

Der umfangreichste Vorschlag stammt von Michael Schaaf (1980, S. 112 f.), der zehn Arbeitsschritte unterscheidet: (1) Analyseziel, (2) Bedeutung – damit ist »eine kurze filmgeschichtliche Charakteristik« gemeint, (3) Einführung – dazu zählen Daten über den Regisseur, die Entstehung des Films etc., (4) Inhalt, (5) Thema, (6) Darstellungsweise, (7) Gestaltung, (8) Wirkung – dabei geht es um die Rezeption des Films, (9) Auswertung, in der die Ergebnisse der verschiedenen Analysestufen zusammengefasst werden, und (10) Kritik, die eine abschließende Bewertung enthält.

Knut Hickethier (2010, S. 34 f.) geht davon aus, dass das erste subjektive Verständnis eines Films oder einer Fernsehsendung der erste Arbeitsschritt ist. Dem folgen als weitere Schritte die Bewusstmachung des Kontextes der eigenen Lesart bzw. Wahrnehmung, danach die Analyse, »in der nun die Struktur des Produkts und seine film- bzw. fernsehästhetische Gestaltung untersucht wird, seine Ausdrucksformen ermittelt und der Bezug des Films zu den filmischen und fernseheigenen Traditionen und die in ihm vorhandenen Bedeutungspotentiale entschlüsselt werden« (ebd., S. 34). Auf diese eigentliche Analyse folgt die Erschließung der Kontexte, zu denen der Autor die Entstehung, Produktion, Distribution und Rezeption zählt, bevor letztendlich alle bisherigen Arbeitsschritte in einen Zusammenhang gebracht und zueinander in Beziehung gesetzt werden.

Auch Francesco Casetti und Federico di Chio (1994, S. 14 ff.) schlagen vor, die Analyse mit einem vorläufigen Verständnis des Films zu beginnen. Es folgen die Entwicklung explorativer Hypothesen, die Begrenzung des Korpus und die Wahl der Methode. Danach geht es darum, die Aspekte der Analyse zu bestimmen (z.B. die Repräsentation, die Narration etc.), bevor sie in vier Schritten durchgeführt wird (vgl. ebd., S. 11 ff.): (1) Erkennen der Einzelteile, (2) Verstehen durch Zusammenfügen der Einzelteile, (3) Beschreiben und (4) Interpretieren der Ergebnisse. Die wesentlichen Operationen der Analyse sind das Segmentieren (das Zerlegen in Einzelteile) und das Stratifizieren (die Bildung von Ebenen), das Nummerieren und das Ordnen.

Für Helmut Korte (2010, S. 75) hingegen beginnt die Analyse mit einer kurzen »Inhaltsbeschreibung des Handlungsablaufs als Erinnerungshilfe« (ebd.), bevor es zu einer Problematisierung und der Entwicklung einer Fragestellung kommt. Dem folgt eine formal-inhaltliche Bestandsaufnahme, die in einer weiteren Konkretisierung der Fragestellung mündet. Es schließt sich die eigentliche Analyse an, der die Interpretation folgt. Diese führt zu einer historischen Verankerung des Films und zur »Ermittlung der potentiellen Lesarten und zeitgenössisch dominanten Rezeptionsangebote« (ebd.). Die »Verallgemeinerung« stellt den letzten Arbeitsschritt dar, in dem die wichtigsten Ergebnisse zusammengefasst und vor dem Hintergrund theoretischer und historischer Zusammenhänge bewertet werden. Die genannten Arbeitsschritte beziehen sich auf vier Dimensionen der Filmanalyse, die Korte bestimmt (vgl. ebd., S. 23 ff.): (1) die Filmrealität, zu der die Ermittlung aller am Film selbst feststellbaren Daten gehört, (2) die Bedingungsrealität, zu der die Kontextfaktoren der Produktion zählen, (3) die Bezugsrealität, zu der die »Erarbeitung der inhaltlichen, historischen Problematik, die im Film thematisiert wird« (ebd., S. 24), gehört, und (4) die Wirkungsrealität, zu der die Aufarbeitung der Rezeptionsgeschichte zählt. Allerdings muss sich eine Analyse meines Erachtens nicht zwangsläufig auf alle vier der von Korte genannten Dimensionen erstrecken. Das Erkenntnisinteresse kann sich z.B. auch nur auf Teilaspekte der Filmrealität beziehen.

3.2 Arbeitsschritte

Unabhängig von Umfang und Art der Analyseschritte besteht weitgehend Einigkeit darüber, dass vier Tätigkeiten grundlegend für die Film- und Fernsehanalyse sind: (1) Beschreiben, (2) Analysieren, (3) Interpretieren und (4) Bewerten (vgl. Branigan 1993, S. 8; Casetti/di Chio 1994, S. 11 ff.; Elsaesser/Buckland 2002, S. 284 ff.; Korte 2010, S. 75; Wuss 1999, S. 22 f.). Sie können als Grundoperationen angesehen werden und müssen sich in der Abfolge der Arbeitsschritte, die bei der Operationalisierung für eine konkret durchzuführende Analyse festgelegt werden, wiederfinden lassen. Hier sollen konkrete Schritte zur Analysearbeit empfohlen werden, die letztlich unabhängig von Erkenntnisinteressen und Zwecken die Analyse einer einzelnen Fernsehsendung oder einer Gruppe von Filmen erleichtern sollen. Meines Erachtens sind vierzehn Arbeitsschritte sinnvoll:

1. Entwicklung eines allgemeinen Erkenntnisinteresses

2. Anschauung des Materials

3. Theoretische und historische Reflexion

4. Konkretisierung des Erkenntnisinteresses

5. Entwicklung der Fragestellung(en)

6. Eingrenzung des Materials bzw. Bildung des Analysekorpus

7. Festlegung der Hilfsmittel

8. Datensammlung

9. Beschreibung der Datenbasis

10. Analyse der Daten: Bestandsaufnahme der Komponenten der Filme oder Fernsehsendungen

11. Auswertung: Interpretation und Kontextualisierung der analysierten Daten

12. Evaluation I: Bewertung der analysierten und interpretierten Daten

13. Evaluation II: Bewertung der eigenen Ergebnisse gemessen am Erkenntnisinteresse und der Operationalisierung

14. Präsentation der Ergebnisse

1. Entwicklung eines allgemeinen Erkenntnisinteresses

Vor jeder Analyse sollte aus dem weiten Feld theoretischer oder historischer Ansätze und Annahmen ein allgemeines Erkenntnisinteresse entwickelt werden. Das kann sich sowohl auf eine Gruppe von Filmen als auch auf eine einzelne Fernsehsendung beziehen. So können die Filme des italienischen Neorealismus oder die Science-Fiction-Filme der 1960er Jahre ebenso interessieren wie die Quizshow »Wer wird Millionär?« oder die Serie »Breaking Bad«. Eine Annäherung von allgemeinen theoretischen Überlegungen an ein Korpus von Fernsehsendungen könnte beispielsweise die Repräsentation von Ausländern im deutschen Fernsehkrimi beinhalten; ein filmhistorischer Ansatz könnte sich z.B. auf die Entwicklung der Soundtechnik im Actionfilm der 1990er Jahre beziehen. Das allgemeine Erkenntnisinteresse muss sich nicht, kann sich aber auch bereits an den in Kapitel I-2 genannten fünf Ebenen orientieren. Deutlich wird bereits, dass es bei der Analyse darum geht, »sich auf das Exemplarische, das Besondere« einzulassen (Wulff 1998, S. 19). Es wird in diesem Sinn davon ausgegangen, dass sich z.B. die Entwicklung der Soundtechnik im Actionfilm der 1990er Jahre besser beobachten lässt als im Liebesfilm und dass sie für dieses Genre zu dieser Zeit charakteristisch ist oder dass »Wetten, dass ..?« eine besonders typische Samstagabend-Show ist.

2. Anschauung des Materials

Eine Film- und Fernsehanalyse ohne Anschauung des Materials ist undenkbar. Geht es in der Analyse doch auch darum, die an sich flüchtige Seherfahrung festzuhalten und zu reflektieren. Das bewegte Bild wird in Worte übersetzt, um es gewissermaßen anzuhalten (vgl. Bellour 1999b, S. 19) und es dem Verstehen zugänglich zu machen. Hans J. Wulff (1998, S. 20) spricht im Anschluss an Jakobson auch davon, dass die Analyse »als eine besondere Strategie, eine besondere, kontrollierte und explizite Form des ›Übersetzens‹ lokalisiert werden kann«. Denn im Zentrum der Analyse steht der Versuch, die Strukturiertheit und die Funktion des bewegten Bildes zu verstehen. Daher ist Film- und Fernsehanalyse auch als hermeneutisches Unterfangen zu begreifen. Dazu ist es jedoch unerlässlich, die bewegten Bilder anzuschauen, und zwar nicht nur einmal, sondern je nach Arbeitsschritt mehrfach. Ist das allgemeine Erkenntnisinteresse entwickelt, reicht es in der Regel aus, die Fernsehsendungen oder Filme einmal anzuschauen. Soll es z.B. um die Science-Fiction-Filme der 1960er Jahre gehen, sollten möglichst viele Filme dieses Genres angeschaut werden, um das Besondere an ihnen zu verstehen und im nächsten Arbeitsschritt zu reflektieren. Steht die Quizshow »Wer wird Millionär?« im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit, sollten nicht nur mehrere Ausgaben dieser Show aus verschiedenen Jahren angeschaut werden, sondern auch andere Shows, um so einen ersten Eindruck von der Besonderheit bzw. Exemplarität von »Wer wird Millionär?« zu gewinnen.

Die Anschauung des Materials ist hier zwar als zweiter Arbeitsschritt aufgeführt, sie begleitet jedoch alle anderen Arbeitsschritte bis hin zur Präsentation der Analyse. Vom ersten bis zum letzten Arbeitsschritt ist die wiederholte Anschauung des Film- und Fernsehmaterials notwendig. Denn es geht nicht nur darum, das Besondere an dem jeweiligen Korpus von Filmen oder der einzelnen Fernsehsendung zu entdecken, sondern sich auch immer wieder der Analysearbeit, des Verstehens zu versichern. Die Analyse steht in einer doppelten Beziehung zum Material der bewegten Bilder: Einerseits werden ihre Erkenntnisse aus der Anschauung des Materials gewonnen, andererseits müssen diese gewonnenen Erkenntnisse immer wieder durch Anschauung überprüft werden.

Grundsätzlich gilt, dass Filme und Fernsehsendungen nicht nur in Ausschnitten, sondern immer in voller Länge angesehen werden müssen. Wenn Gegenstand der Analyse ist, die Komponenten des Films oder der Fernsehsendung herauszuarbeiten, die in ihrer Funktionalität sowohl für die Repräsentation und die Narration als auch für das kommunikative Verhältnis zu den Zuschauern verstanden werden sollen, dann müssen die strukturellen Komponenten auch in Bezug zur Gesamtheit des Films gesetzt werden können. Dazu muss der gesamte Film oder die gesamte Fernsehsendung gekannt werden. Vor allem im vierten Arbeitsschritt, wenn es um die Konkretisierung des Erkenntnisinteresses geht, ist dies besonders wichtig. In der späteren, konkreten Analyse können dann auch einzelne Bilder, Szenen oder Sequenzen genauer betrachtet werden – allerdings immer vor dem Hintergrund des gesamten Films.

3. Theoretische und historische Reflexion

Die Sichtung der Filme und Fernsehsendungen geht einher mit der Lektüre theoretischer oder historischer Abhandlungen, die im Rahmen des allgemeinen Erkenntnisinteresses relevant sind. Vor dem Hintergrund der gesichteten Filme und Fernsehsendungen wird nun Literatur recherchiert und gelesen. So können z.B. aus Büchern und Aufsätzen, die sich mit dem Genre des Science-Fiction-Films befassen, Anregungen für die Analyse gewonnen werden. Die Literatur zu Fernsehshows und Fernsehunterhaltung birgt z.B. manche Hinweise, die für die Konkretisierung des Erkenntnisinteresses bei einer Analyse von »Wer wird Millionär?« hilfreich sein können. Aus der gegenseitigen Befruchtung von Anschauung des Materials und der theoretischen sowie historischen Reflexion lässt sich das konkrete Erkenntnisinteresse entwickeln.

4. Konkretisierung des Erkenntnisinteresses

Mit dem konkreten Erkenntnisinteresse (vgl. Kapitel I-2) ist auch das Ziel der Analyse benannt. Es kann sich ebenso auf Inhalt und Repräsentation oder Narration und Dramaturgie eines einzelnen Films oder einer Gruppe von Filmen richten wie auf Figuren und Akteure oder die Gestaltung einer Fernsehsendung. Im Mittelpunkt der Analyse kann z.B. die Repräsentation des Fremden in den Science-Fiction-Filmen der 1960er Jahre stehen oder die Rolle des Moderators oder der Kandidaten in einer Quizshow wie »Wer wird Millionär?«. Ebenso können die Kontexte der Filme und Fernsehsendungen ins Zentrum des Erkenntnisinteresses rücken. So können beispielsweise die typischen Genremerkmale der Science-Fiction-Filme bestimmt oder die intertextuellen Bezüge zu anderen Fernsehsendungen und zu anderen medialen Texten der Populärkultur in »Wer wird Millionär?« herausgearbeitet werden. Die Untersuchung der Repräsentation des Fremden in den Science-Fiction-Filmen kann z.B. noch kontextualisiert werden, indem sie in Bezug zu den Diskursen über Fremdsein und Fremdheit, die in den 1960er Jahren zirkulierten, gesetzt werden. Das konkrete Erkenntnisinteresse entwickelt sich aus dem doppelten Zugriff auf die Film- und Fernsehtexte: aus der Anschauung und der theoretischen oder historischen Reflexion. Die eigene alltägliche Rezeptionserfahrung wird mit theoretischer oder historischer Lektüre verbunden. Nun kann von der alltäglichen Erfahrung abstrahiert und eine theoriegeleitete Sichtung des Materials durchgeführt werden. Daraus ergibt sich fast zwangsläufig das konkrete Erkenntnisinteresse für die Analyse und die damit verbundenen Fragestellungen.

5. Entwicklung der Fragestellung(en)

Steht das konkrete Erkenntnisinteresse fest, lassen sich Fragestellungen entwickeln, die für die Analyse leitend sind. Für das genannte Beispiel der Repräsentation des Fremden in den Science-Fiction-Filmen der 1960er Jahre können sich folgende Fragen ergeben: Welche Werte vertreten die Außerirdischen? Welche Werte kennzeichnen das Leben auf der Erde? In welchem Verhältnis stehen diese Werte zu denen der Außerirdischen? Zielt die Kommunikation zwischen beiden auf Verständigung oder auf Ausgrenzung? In welchen Belangen sind die Außerirdischen den Erdbewohnern überlegen? Mit welchen Kamerapositionen und -einstellungen werden die Außerirdischen präsentiert? Werden die Außerirdischen durch Spezialeffekte verfremdet? Repräsentieren die Außerirdischen das Fremde oder wird es z.B. auch durch Technik repräsentiert? Die Liste ließe sich fortsetzen. Für die Analyse der Rolle des Moderators in »Wer wird Millionär?« können folgende Fragen leitend sein: Welches kommunikative Verhältnis baut er zu den Kandidaten und zum Saalpublikum auf? Wie gestaltet er die Gespräche mit den Kandidaten? Welche Funktionen übt der Moderator im Verlauf der Sendung aus? Welche Funktion erfüllt er bei Pannen im Ablauf? Wie wird er von der Kamera inszeniert? Spricht er die Zuschauer am heimischen Bildschirm direkt an? Wenn ja, in welchen Situationen tut er es? Welche Rolle spielt er für die Dramaturgie der Sendung? Steigert oder senkt der Moderator die Spannung? In der Analyse werden Antworten auf diese und ähnliche Fragen gesucht. Sie alle zielen darauf ab, das Exemplarische der Beispielsendungen oder -filme, auf die sich das konkrete Erkenntnisinteresse richtet, herauszuarbeiten.

6. Eingrenzung des Materials bzw. Bildung des Analysekorpus

Aus forschungsökonomischen Gründen wird es in der Regel nicht möglich sein, alle »Wer wird Millionär?«-Sendungen, die jemals ausgestrahlt wurden, oder alle Science-Fiction-Filme der 1960er Jahre zu untersuchen. Folglich muss eine Auswahl aus dem gesamten audiovisuellen Material, das sozialwissenschaftlich gesprochen die Grundgesamtheit darstellt, getroffen werden. Es wird eine Stichprobe (Sample) gebildet. Dazu können verschiedene Verfahren angewendet werden, die sich grob in eine gezielte Auswahl und eine Zufallsauswahl unterscheiden lassen (vgl. dazu Diekmann 2004, S. 325 ff.; Klammer 2005, S. 167 ff.). Die gezielte Auswahl kann willkürlich erfolgen, d.h., der Analysierende legt aufs Geratewohl fest, welche Sendungen von »Wer wird Millionär?« analytisch bearbeitet werden sollen. Dieses Verfahren entspricht jedoch nicht den Anforderungen, die in der Sozialwissenschaft allgemein an Stichproben gestellt werden. Dazu gehört, dass zunächst einmal die Stichprobe eine Grundgesamtheit für Forschungszwecke verkleinert. Die Grundgesamtheit bilden im Fall der Quizshow alle Sendungen von »Wer wird Millionär?«, die seit 1999 ausgestrahlt wurden. Ferner müssen die Einheiten der Stichprobe klar definiert sein. Letztlich muss das Auswahlverfahren dargestellt werden können. Wird z.B. eine gezielte Auswahl getroffen, müssen die vorher festgelegten Kriterien, nach denen die Stichprobe ausgewählt wird, angegeben werden. Das Kriterium kann hier sein, dass Sendungen mit den alten und solche mit den veränderten Regeln in die Stichprobe aufgenommen werden oder dass nur die Prominenten-Specials der Sendung untersucht werden sollen. Außerdem besteht die Möglichkeit der Quotenauswahl, d.h., es werden mehrere Merkmale vorgegeben, die die Sendungen aufweisen müssen. Sollen z.B. nur »Wer wird Millionär?«-Sendungen analysiert werden, bei denen mindestens einer der Kandidaten mehr als 64 000 Euro gewonnen hat oder bei denen alle Kandidaten früh gescheitert sind, dann werden nur die Sendungen, die diese Kriterien erfüllen, in die Stichprobe aufgenommen.

Wird die Stichprobe per Zufall bestimmt, kann zwischen einfacher und komplexer Wahrscheinlichkeitsauswahl unterschieden werden (vgl. Diekmann 2004, S. 330 ff.). Die reine Zufallsauswahl liegt z.B. vor, wenn alle Science-Fiction-Filme der 1960er Jahre die gleiche Chance haben, in die Stichprobe einzugehen. Der oder die Analysierende nummeriert alle Filme durch, um anschließend möglicherweise in einem Glücksspielverfahren wie dem Roulette Nummern zu erspielen. Die den Nummern entsprechenden Filme gehen dann in die Stichprobe ein. Dieses Verfahren bietet sich bei kleineren Grundgesamtheiten an. So listet J.P. Telotte (2001, S. 225 ff.) für die 1960er Jahre 14 Science-Fiction-Filme auf. Wenn aus forschungsökonomischen Gründen lediglich drei analysiert werden können, bietet sich die reine Zufallsauswahl an. Bei größeren Grundgesamtheiten ist eine systematische Zufallsstichprobe angebracht. Wenn zehn »Wer wird Millionär?«-Ausgaben aus den insgesamt ca. 1194 Sendungen (Stand: April 2015) ausgewählt werden sollen, kann per Zufall eine aus dem ersten Ausstrahlungsjahr bestimmt werden, die weiteren neun Ausgaben werden dann nach einem bestimmten System ausgewählt, z.B. jede 40. Sendung in der chronologischen Abfolge.

Bei der komplexen Wahrscheinlichkeitsauswahl werden bestimmte Verfahren der reinen oder systematischen Zufallsauswahl vorgeschaltet. Man kann ein »cluster sample« (Klumpenauswahl) bilden (vgl. dazu auch Wulff 1998, S. 36). Dabei wird aus der Grundgesamtheit zunächst eine Gruppe ausgewählt, z.B. alle »Wer wird Millionär?«-Sendungen mit Millionengewinnern oder alle in Europa produzierten Science-Fiction-Filme. Nun werden die auf diese Weise ausgewählten Sendungen oder Filme analysiert. Soll aus diesem »Klumpen« noch einmal mit den beschriebenen Verfahren der reinen oder systematischen Zufallsauswahl eine Auswahl getroffen werden, weil die Stichprobe immer noch zu groß ist, nimmt man eine sogenannte mehrstufige Auswahl vor.

Allen Auswahlverfahren liegt die Auffassung zugrunde, dass jeder Film oder jede Fernsehsendung, die aus einer Grundgesamtheit in die Stichprobe aufgenommen wird, exemplarisch ist. Die zu analysierenden Strukturen und Funktionen lassen sich an ihnen stellvertretend für die Grundgesamtheit untersuchen. Die Bildung von Stichproben ist bei der Film- und Fernsehanalyse immer dann erforderlich, wenn sich das konkrete Erkenntnisinteresse nicht von vornherein auf einen einzelnen, prototypischen Film richtet, sondern auf eine Gruppe von Filmen oder Fernsehsendungen. Denn aus forschungsökonomischen Gründen lassen sich in der Regel nicht alle Filme oder Fernsehsendungen der jeweiligen Gruppe analysieren. Doch selbst bei der Analyse einzelner Filme können noch Auswahlverfahren notwendig sein. Wenn beispielsweise die Montage in einem Science-Fiction-Film anhand von »2001 – Odyssee im Weltraum« analysiert werden soll, können aus der Grundgesamtheit aller Schnitte in dem Film einige Szenen ausgewählt werden, die besonders typisch für die Montage sind und daher eingehender analysiert werden. Bei der Eingrenzung des Materials bzw. der Auswahl des Analysekorpus müssen der Zweck der Analyse und die zur Verfügung stehende Zeit berücksichtigt werden. Es kann sich als nützlich erweisen, einen sogenannten »qualitativen Stichprobenplan« zu erstellen (vgl. Kelle 2007, S. 247 ff.), bei dem verschiedene Methoden des Sampling miteinander kombiniert werden.

Das ist ein erster Schritt, um das Problem der prinzipiellen Endlosigkeit der Analyse zu lösen. Steht die Auswahl der zu analysierenden Film- und Fernsehtexte fest, müssen die Hilfsmittel für die Analyse bestimmt werden.

7. Festlegung der Hilfsmittel

Grundsätzlich lassen sich zwei Arten von Hilfsmitteln unterscheiden: technische Hilfsmittel, die für die Sichtung der Filme und Fernsehsendungen unentbehrlich sind, und Hilfsmittel, die zur Umsetzung des audiovisuellen Materials in Sprache oder grafische Darstellungen dienen. Noch in den 1960er und 1970er Jahren waren die flüchtigen Bilder des Films und des Fernsehens nur sehr mühsam der Analyse zugänglich. Bevor im Fernsehen die magnetische Bildaufzeichnung verwendet wurde, konnten Sendungen lediglich einmal angeschaut werden. Für die Analyse von Filmen benötigte man eine Kopie, die sich die Wissenschaftler am Schneidetisch auch mehrmals anschauen konnten. Inzwischen ist es erheblich einfacher, das audiovisuelle Material mehrmals zu betrachten, denn die technische Entwicklung hat den Videorekorder, den DVD- bzw. Blu-Ray-Player und den Festplattenrekorder hervorgebracht. Außerdem lassen sich Filme bereits in digitalisierter Form auf dem Computer anschauen. Zu den Hilfsmitteln, die zu einer Erleichterung der Analysearbeit beitragen, weil sie Beschreibungsverfahren von Filmen und Fernsehsendungen darstellen, gehören das Filmprotokoll in seinen verschiedenen Varianten und die unterschiedlichen Verfahren der computergestützten Filmanalyse (vgl. dazu ausführlich Kapitel I-3.2.1).

8. Datensammlung

Steht fest, welche Filme und Fernsehsendungen analysiert werden sollen, müssen sie dokumentiert werden. Viele Filme und Fernsehserien sind auf DVD bzw. Blu-Ray oder online verfügbar und können entweder in Videotheken und manchen Bibliotheken ausgeliehen werden, oder sie können im entsprechenden Fachhandel gekauft werden. Fernsehserien und Filme können auch online betrachtet oder heruntergeladen werden. Fernsehsendungen können mit dem Festplattenrekorder aufgezeichnet werden. Während die Beschaffung von Filmen in den meisten Fällen relativ einfach ist, da sie auf DVD oder Blu-Ray in großer Zahl zur Verfügung stehen, bereitet die Zugänglichkeit vor allem von historischen Fernsehsendungen eher Probleme. Zwar gibt es einige Fernsehserien und -spiele auf DVD, doch wenn es sich um Sendeformen wie z.B. Fernsehshows, Kulturmagazine oder Nachrichtensendungen handelt, sind die Wissenschaftler darauf angewiesen, im Deutschen Rundfunk Archiv oder bei der Rundfunkanstalt, die die Sendung ausgestrahlt hat, nachzuforschen. In der Regel ist die Beschaffung des Materials auf diese Weise mit zum Teil erheblichen Kosten verbunden.

9. Beschreibung der Datenbasis

In einem nächsten Schritt muss die Datenbasis – die Grundlage der Analyse – beschrieben werden. Dazu sollten Ablauf, Inhalt und Plot von Filmen oder Fernsehsendungen in Worte gefasst werden. Die Beschreibung dient dazu, »sich der empirischen Datenbasis zu versichern« (Wuss 1999, S. 22). Dabei reicht es allerdings nicht, sich auf den Inhalt der zu analysierenden Fernsehsendungen oder Filme zu beschränken (vgl. Korte 2010, S. 75), sondern die Beschreibung orientiert sich bereits am Erkenntnisinteresse. Stehen die Figuren und Akteure im Mittelpunkt der Analyse, muss die Beschreibung darauf eingehen. Wenn z.B. die Rolle der Moderation in »Wer wird Millionär?« untersucht werden soll, müssen die ausgewählten Ausgaben der Show so beschrieben werden, dass die Aktivitäten des Moderators berücksichtigt werden. Geht es z.B. um die Repräsentation des Fremden in den Science-Fiction-Filmen, muss die Beschreibung alle Elemente der Filme aus der Stichprobe enthalten, die dazu beitragen können: Inhalt und Plot, Narration, Figuren und ästhetische Inszenierung. Denn in der Beschreibung muss bereits deutlich werden, welche Sinnangebote die Film- und Fernsehtexte machen und wie sie Bedeutung bilden, sowohl in Bezug auf die Kohärenz der Erzählung als auch in Bezug auf die Kommunikation mit potenziellen Zuschauern. Da der filmische Text ein »ungreifbarer und unzitierbarer Text« ist (Blüher u.a. 1999, S. 5), versucht die Beschreibung als Übersetzung der Bilder in Sprache die audiovisuellen Texte zumindest auf dieser Ebene greifbar und zitierbar zu machen, sie werden mit sprachlichen Mitteln fixiert (vgl. Kuchenbuch 2005, S. 37). Allerdings ist bei der Beschreibung darauf zu achten, dass es nicht bereits zur Interpretation, d.h. Bewertung der Daten kommt; denn letztlich geht es in diesem Arbeitsschritt nur darum, zu beschreiben, was zu sehen ist bzw. was gesehen werden kann, aber bei der einmaligen Sichtung vielleicht nicht gesehen wurde.

10. Analyse der Daten: Bestandsaufnahme der Komponenten der Filme oder Fernsehsendungen

Dieser Arbeitsschritt stellt die eigentliche Grundlagenarbeit dar: die Bestandsaufnahme der Komponenten der Filme und Fernsehsendungen. Mit dem theoretischen oder historischen Vorverständnis wird eine Perspektive auf die Bestandsaufnahme der Komponenten von Filmen und Fernsehsendungen geschaffen, ohne die eine Analyse nicht durchgeführt werden kann. Das trifft nicht nur auf sogenannte applikative Analysen zu, bei denen theoretische Annahmen an Film- und Fernsehtexten überprüft werden, sondern auch auf sogenannte explorative Analysen, bei denen »aus der genauen Beschreibung von Einzeltexten oder Gruppen von Einzeltexten Kriterien und Charakteristiken gewonnen werden, die theoriefähig sind, also in einer Theorie interpretiert werden können« (Wulff 1998, S. 22). Denn auch Letztere sind ohne ein theoretisches Vorverständnis nicht möglich.

Die Theorie leistet bei der Bestandsaufnahme der Komponenten Wesentliches. Sie macht die unsichtbaren Strukturen des Films bzw. der Fernsehsendung sichtbar (vgl. Elsaesser/Buckland 2002, S. 5). Im Rahmen der Analyse des audiovisuellen Materials aus einer Stichprobe müssen alle Komponenten herausgearbeitet werden, die zur Bedeutungsbildung und Gestaltung des kommunikativen Verhältnisses mit den Zuschauern beitragen. Dabei muss immer auf das Exemplarische und das Besondere geachtet werden, und zwar in Bezug auf die einzelnen Komponenten der Film- und Fernsehtexte und deren Rolle bei der Gestaltung des gesamten Textes. In der Analyse werden die Filme und Fernsehsendungen gewissermaßen zerlegt, um ihre Strukturen offenzulegen. Das kann je nach Erkenntnisinteresse von den Handlungssequenzen bis zu den Einzelbildern reichen, sofern es die Forschungsökonomie zulässt.

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9783846344675
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