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»Ja, aber ich hab’s nicht nur gesagt, sondern auch getan.«

O Mann, dachte Karen, es tut gut, Corey ein bisschen zu frotzeln.

… so, wie sie es früher immer gemacht hatten. Es gab ihr ein bisschen das Gefühl von Normalität zurück – eine Normalität, die dort draußen, in den Straßen von Wormss, wie weggefegt war. Dort draußen regierten Chaos, Terror und Gewalt. Doch hier drin, in den geschützten Räumen eines langweiligen Bürogebäudes, fühlte sie sich endlich wieder etwas sicherer.

Sie redeten noch ein bisschen Blödsinn miteinander, dabei steuerten sie die Treppe an. Als sie den ersten Absatz erreicht hatten, stöhnte Corey auf.

»Weißt du, wie viele Stufen es sind – bis zum 11. Stock?«

»265!«, sagte Karen wie aus der Pistole geschossen.

»W-was? Hast du sie schon mal gezählt?«

Karen lachte. »Nein. Geraten. Aber wenn du schon so fragst …«

Corey verdrehte die Augen. »Ich sollte aufhören, dir Steilvorlagen zu geben.«

»Weißt du was, du könntest mich tragen.«

»Und sonst noch etwas!«, schimpfte Corey.

Im dritten Stock legten sie eine Verschnaufpause ein. Sie traten ans Fenster und sahen auf die Straße hinab. Von oben konnten sie besser erkennen, wie die Kämpfe verlaufen waren. Diejenigen, die sich im Eingangsbereich verschanzt hatten, hatten zu einem gegenüberliegenden Gebäude geschossen; dort mussten sich die Angreifer versteckt haben. Vielleicht hatten sie dann die Stellung gewechselt, denn auch eine andere Stelle war unter Beschuss genommen worden: Ein paar Fahrzeuge, die jetzt auf den Kopf lagen. Und zwischen diesen beiden Stellen waren Einschusspuren in den Wänden zu sehen, als ob jemand auf Rennende geschossen hätte.

»Ich frage mich, ob es auch Tote gegeben hat«, sagte Karen. »So, wie es hier aussieht, ist es nicht vorstellbar, dass keine einzige Kugel getroffen haben soll, keine Granate irgendjemanden getötet haben soll.«

»Ja, du hast recht«, sagte Corey. »Es muss Tote gegeben haben. Diese dunklen Flecke sind bestimmt Blut.«

Ein Schauder überfuhr Karen. »Aber wo sind sie?«

»Keine Ahnung«, gab Corey zu. »In den Trümmern liegen sie jedenfalls nicht.«

In diesem Moment hörten sie von oben das Geräusch einer aufstoßenden und danach zuklappenden Tür. Sie erschraken beide so heftig, dass sie nach Luft schnappten. Dann hielten sie die Luft an und lauschten.

Alle Geräusche verklangen, und es wurde mucksmäuschenstill im Treppenhaus.

Derjenige, der oben hereingetreten war, hatte wohl seinerseits das Atemgeräusch gehört, und verhielt mitten in der Bewegung. Niemand wagte mehr zu atmen. Obwohl nicht der geringste Laut zu hören war, war Karen sicher, dass dort oben jemand stand. Jemand, der nun selbst auf ein verräterisches Geräusch lauschte. Jemand, der möglicherweise bewaffnet war!

Die Leute, die sich hier verschanzt und die Angreifer bekämpft hatten, besaßen Waffen – und sie waren willens und fähig, sie einzusetzen. Karen und Corey waren waffenlos, nur bewaffnet mit ihrem guten Aussehen und ihrem Charme. Was war das im Vergleich zu Kugeln, Strahlengeschossen und Granaten?

Irgendwann, nach bangen Minuten (oder waren es Sekunden?) drang das Rascheln von Stoff zu ihnen herab. Sie hörten es ganz deutlich: Ein Ärmel ratschte am Leib, oder ein Hosenbein am anderen.

»Okay, wir wissen, dass Sie da sind«, sagte Corey laut und deutlich. »Wir haben Sie gehört. Wir sind Karen und Corey Blacknell. Wir sind unbewaffnet und stellen keine Gefahr für Sie dar, wer auch immer Sie sind. Wir wollen nur zu unserem Vater, Alton Blacknell. Können Sie uns sagen, wo wir ihn finden?«

Jemand holte nun tief Luft, und dann hörten sie Schritte.

Die Person kam die Treppe herab.

Die Schritte wurden lauter, deutlicher.

Und dann bog die Person um den Treppenabsatz, und Karen und Corey sahen sie.

Es war Mrs. Albright, die Sekretärin ihres Vaters.

»O mein Gott, Kinder, hatte ich eine Angst!«, sagte Mrs. Albright.

»Und wir erst«, sagte Karen.

»Ich nicht!«, sagte Corey impulsiv. (Obwohl er doch Angst gehabt hatte, aber er scheute sich, es vor den Frauen zuzugeben.)

»Mrs. Albright, ist unser Vater oben?«, fragte Karen.

Mrs. Albright sah irgendwie verändert aus. So kannten sie sie gar nicht. Sie war Ende 40, vollschlank mit kurzen blonden Locken und trug meist geblümte Kleider, rotgeblümt, gelbgeblümt, violettgeblümt … das war ihr Stil. Auch jetzt trug sie ein geblümtes Kleid, nämlich das Blaue. Doch jetzt hatte sie darüber eine Militärjacke gezogen und an den Füßen waren nicht die üblichen Stilettos zu finden, sondern Springerstiefel.

Und in der Hand hielt sie eine Faustfeuerwaffe, die Strahlenbündel verschoss, und in den ausgebeulten Jackentaschen steckten Plastikflaschen mit Mineralwasser.

»Ich bin froh, dass ihr hier seid«, sagte sie. »Kommt mit. Wir müssen in den 18. Stock hinauf.«

»Unser Vater«, sagte Karen schnell. »Geht es ihm gut?«

Mrs. Albright nickte. »Sie sind alle oben im 18. – Wir dachten, das ist noch der sicherste Ort. Euer Vater hat sich große Sorgen um euch gemacht. Ein paar Mal wollte er schon aufbrechen, um euch zu suchen. Zuerst haben ihn die kämpfenden Gruppen unten auf der Straße davon abgehalten. Es gab Feuergefechte, wir konnten das Gebäude nicht verlassen, ohne selbst erschossen zu werden. Danach hielten wir anderen ihn zurück. Wir sagten, in der Dunkelheit würde er keine zwei Kadas weit kommen, er würde niemals nach Hause finden. Gut, dass ihr euch auf den Weg gemacht habt, Kinder. Gut, dass ihr es geschafft habt!«

Karen erinnerte sich an all das Böse, das sie in der Nacht beobachtet hatte, und sagte: »O, Mrs. Albright, es war furchtbar! Einfach furchtbar! Was die Menschen da draußen einander antun …«

»Du kannst uns alles später erzählen, Karen. Jetzt ist es besser, wenn wir erst mal alle nach oben gehen. Leider geht der Lift nicht. Wir müssen laufen.«

»Treppensteigen ist gesund!«, spöttelte Corey.

Karen enthielt sich jeglichen Kommentars.

Dann begann der große Aufstieg.

Sie erreichten den 18. Stock, obwohl sie mehrere Verschnaufpausen einlegten, völlig außer Puste. Langsam bekamen die Kinder eine Vorstellung davon, warum die Büroangestellten gerade dieses Stockwerk für »sicher« hielten.

Sie gingen durch die Tür – und standen einer bewaffneten Mannschaft gegenüber, die ihre Läufe auf die Neuankömmlinge gerichtet hielten.

»Ich bin’s«, erklärte Mrs. Albright, »und ich habe Altons Kinder mitgebracht. Sie wollen zu ihrem Vater.«

Die Waffen wurden gesenkt.

»Könnt reinkommen!«, schnarrte eine Männerstimme.

Karen erkannte, dass die Männer, die den Eingangsbereich bewachten, ihnen allesamt düstere Blicke zusandten. Nun, sie waren Angestellte in einem Kaufmannsberuf, keine ausgebildeten Soldaten oder Killer. Auch sie standen unter großer Anspannung.

Die Angestellten hatten im Eingangsbereich eine Barrikade aus Schreibtischen und Bürogeräten errichtet. Die Bürogeräte waren ohne Energieversorgung nutzlos geworden, doch als Deckung gegen Hartmunition oder Strahlungsbeschuss leisteten sie noch gute Dienste. Allerdings schien es bisher hier noch keinen Angriff gegeben zu haben; es waren nicht die geringsten Spuren von Gewalteinwirkung zu sehen.

Die Wachen ließen Mrs. Albright und die Kinder passieren, und als sie endlich die Büroflucht erreicht hatten, fiel etwas von der Anspannung von Karen und Corey ab. Diese Männer mit ihren Waffen am Eingang würden jetzt auch sie beschützen. Sie atmeten sichtlich auf.

»Euer Vater ist in Zimmer 1821«, sagte Mrs. Albright. »Geht nur rein! Ich denke, er freut sich, euch zu sehen.«

Corey stieß die Tür auf, sodass sie mit einem Knall gegen die Rückwand prallte, und stürmte in den Raum. Karen folgte ihm etwas weniger stürmisch.

Die Anwesenden in Zimmer 1821, etwa zehn Personen, die um einen großen Tisch saßen, hatten Karens Vermutung zufolge eine Krisensitzung abgehalten, denn wohl niemand würde in solch einer Lage taktische Verkaufsgespräche führen. Sie erschraken über den aufgeregten Einmarsch Coreys, doch dann erkannte Alton Blacknell seine Kinder, sprang auf, lief auf sie zu und fiel ihnen in die Arme. Tränen flossen ihm übers Gesicht, als er sie beide an sich drückte, Corey mit der rechten und Karen mit der linken Hand.

»O mein Gott, ich hatte mir solche Sorgen um euch gemacht! Bin ich froh, dass ihr hier seid.«

*

Alton Blacknell war 45, ein während seines Arbeitslebens ergrauter Mann, dem ein Großteil seiner Haare ausgefallen war. Er gab das typische Bild eines Angestellten ab. Nur, dass sein Anzug und sein Hemd jetzt sehr viel zerknitterter waren, als gestern, als er sein Zuhause verlassen hatte. Und die Krawatte hatte er längst schon abgelegt. Das Hemd war zwei Knöpfe aufgeknöpft.

Die anderen Personen im Bürogebäude sahen ebenfalls sehr viel derangierter aus, als Karen und Corey sie in Erinnerung hatten. Sie alle hatten sich unbequemer Kleidungsstücke entledigt, hatten stattdessen funktionellere Teile angelegt. Eine Frau mit Minirock und Bluse trug zum Beispiel Turnschuhe, mit denen sie besser Sprinten konnte.

Jeder schien sich auf irgendeine Weise bewaffnet zu haben. Karen entdeckte Küchenmesser in Gurten, Knüppel, die griffbereit an der Wand lehnten, jemand hatte sogar aus einem Kleiderständer einen gebogenen Bügelhaken herausgebrochen, er lag wie ein Tomahawk vor ihm auf dem Tisch.

Allein diese Dinge zu sehen machte Karen Angst. Ihr wurde klar, dass sie hier keineswegs in Sicherheit waren. Und was konnten diese Art Waffen gegen die Maschinenpistolen und Strahlenfeuergewehre ausrichten?

»Ich werde euch alles erklären«, sagte Alton Blacknell und deutete mit der Hand auf die Tür. Seine Kinder verstanden. Ihr Vater lotste sie in einen leeren Bereich, in dem sie ungestört reden konnten.

Raum 1839 diente als Abstellkammer oder als Magazin für Verpackungsmaterial. Niemand hielt sich hier auf, und zwischen dem hochgestapelten Verpackungsmaterial hatten sie genügend Platz.

Zunächst drückte Alton seine Kinder noch einmal fest.

»Es tut mir leid, dass ich nicht bei euch war, als all dies geschah«, sagte er unter Tränen. »Ich bin ein schrecklicher Vater. Ein Rabenvater.«

»Halb so schlimm, Daddy«, sagte Corey. »Jetzt sind wir ja hier.«

»Ja, und wir wüssten gern, was hier vor sich geht, Dad«, sagte Karen.

»Meine Güte, du siehst so bleich aus, Kind. Wollt ihr etwas essen? Etwas trinken?«

»Jetzt nicht«, meinte Corey.

»Gut. Gut. Ich werde euch erzählen, was ich weiß – aber das ist nicht viel. Gerüchte machen die Runde, aber wir wissen nichts Genaues. Es heißt, dass Terroristen in einer konzertierten Aktion alle Energiezentren des Planeten gleichzeitig zerstört haben. Sie haben sie in die Luft gesprengt – zum Teil mit Zeitbomben, zum Teil haben sich einige von ihnen geopfert und sind mit Bomben am Leib mit einem Fahrzeug hineingefahren. Wie es aussieht, gibt es auf dem ganzen Planeten keinen Strom mehr.«

»Das haben wir gemerkt«, sagte Corey in dem Versuch, lässig zu klingen.

»Die Behörden schaffen es nicht mehr, die Sicherheit aufrecht zu erhalten. Zu vieles geschieht gleichzeitig an zu vielen Orten. Und auch die Behörden haben keinen Strom mehr. Ich denke, dies hier ist der große Zusammenbruch.«

»Bedeutet das, dass der ganze Planet …«, setzte Karen an, brach dann jedoch ab.

»Der ganze Planet steht vor der Auflösung. Das heißt, das Leben, das wir bisher gekannt haben, gibt es nicht mehr. Wir können uns auf nichts mehr verlassen – nur noch auf uns selbst. Es wird keine Hilfe von außen kommen, jeder muss für sich selbst sorgen. Ich denke, dass einige die Gunst der Stunde nutzen, um lange anhaltende Animositäten auf unschöne Weise zu lösen. Private Rechnungen werden beglichen und …«

»Ja, Dad«, sagte Karen, »Mr. Goulart hat Mr. Sharp erschossen. Nach dem Stromausfall – mitten auf der Straße.«

»Was!« Alton Blacknell war erschüttert. Er kannte beide Nachbarn.

»Sie haben sich angeschrien, danach fielen Schüsse.«

»Habt ihr … habt ihr dabei zugesehen?«

»Zum Glück nicht. Aber wir sahen Mr. Goulart im Scheinwerferlicht von Mr. Sharps Zero, und wie er auf ihn zielte. Danach gingen wir vom Fenster weg, weil es uns unheimlich wurde.«

»Das habt ihr richtig gemacht. Verdammt! Die ganze Welt ist verrückt geworden. Wir dachten zunächst, in ein paar Minuten wäre der Strom wieder da. Das war auch der Fall, denn die Generatoren im Keller des Gebäudes sprangen an. Aber dann – als eines der wenigen beleuchteten Gebäude in der Stadt – haben wir die Verrückten angezogen wie die Fliegen. Sie kamen hierher, weil sie glaubten, etwas erbeuten zu können. Ein ganzer Trupp Irrer ist in den Keller vorgedrungen und hat den Generator und alle Dieselvorräte erbeutet. Gerade, als sie abziehen wollten, kam eine andere Gruppe Irrer, die die Herausgabe forderte. Wir lagen inzwischen wieder in völliger Dunkelheit, denn der erste Trupp hatte den Generator ja abgeschaltet und ausgebaut. Dann ging das Geschrei los, gefolgt von einer Schießerei. Dann warfen sie Handgranaten. Wir haben alles von oben beobachtet, denn wir hatten ja gar keine Waffen bei uns.«

»Und wer hat gewonnen?«, fragte Corey.

»Keine Ahnung. Irgendwann waren alle verschwunden, samt Generator und Treibstoff. Nur die Toten blieben zurück.«

»Und was ist mit diesen Toten? Wir haben keine gesehen.«

»Wir haben sie weggebracht und ihre Waffen eingesammelt. Wir haben die Leichen alle an einem Ort aufgestapelt, im Nachbargebäude. Wir wollten keine Toten auf der Straße liegen haben. Es war« – er suchte nach dem richtigen Wort – »widerlich«, vollendete er dann den Satz.

»Und was machen wir jetzt, Dad?«, fragte Karen. Sie machte fahrige Gesten und zitterte leicht, gerade so, als hätte sie Unterzucker.

»Zunächst gebe ich euch etwas zu Essen. Dann schauen wir zu, dass wir Tabletten für dich auftreiben, Karen. Ich sehe doch, dass es dir nicht gut geht. Wir werden uns hier nicht ewig halten können. Irgendwann ist der letzte Snackautomat geplündert, ist der letzte Getränkeautomat geleert. Spätestens dann müssen wir das Gebäude verlassen und uns etwas anderes suchen.«

»Gehen wir nach Hause zurück, Dad?«

»Ich denke, das macht keinen Sinn, Karen. Unser Zuhause haben wir vielleicht für immer verlo…«

In diesem Moment erklangen Rufe von draußen, Schritte trampelten den Korridor hinab.

»Etwas ist passiert!«, sagte Alton Blacknell. Er sah Karens sofort wieder besorgten Blick. Corey hingegen funkelte ihn frech an. Er fühlte sich innerhalb der Gruppe sicher; viel zu sicher, wie Alton Blacknell befürchtete.

»Lasst uns nachsehen«, sagte er und öffnete die Tür. Er erkannte eine der vorbeieilenden Frauen und hielt sie auf.

»Eneida, was ist los?«

»Mike, unser Wachtposten aus dem ersten Stock, hat Alarm gegeben. Bewaffnete sind unten ins Gebäude eingedrungen. Wir sind auf dem Weg, unsere Positionen einzunehmen.«

»Alles klar. Wir kommen auch gleich.«

Eineida eilte weiter, und Alton wandte sich an seine Kinder.

»Ihr habt’s gehört. Es könnte zu einem Kampf kommen. Mir wäre es am liebsten, wenn ihr euch in der hintersten Kammer versteckt.«

»Gib mir eine Waffe, Dad«, verlangte Corey. »Ich werde euch unterstützen.«

»Aber wir haben selbst nicht genügend Waffen, Corey. Alles, was wir haben, haben wir von den Toten erbeutet, oder aus der Küche oder dem Magazin geholt. Das ist nichts gegen das, was die anderen haben. Außerdem … ich möchte nicht, dass du so etwas auch nur anfasst. Hast du gehört? Wir dürfen uns nicht auf das gleiche Niveau wie diese Ungeheuer begeben.«

»Aber es geht um unser Leben, Dad. Sie werden uns hier wehrlos finden. Was ist, wenn sie uns töten?«

»Das weißt du nicht, Corey …«

»Ja, aber du auch nicht, Dad!«

»Ich glaube immer noch an die Vernunft in den Menschen. Das jetzt kann kein Dauerzustand sein. Wir müssen nur durchhalten, dann wird alles wieder besser werden. Vielleicht nicht mehr so, wie es war, aber auf jeden Fall besser als das, was wir jetzt haben.«

Corey setzte gerade zu einer heftigen Erwiderung an, da hörten sie ein Wimmern. Sie wandten sich beide gleichzeitig um und sahen gerade noch, wie Karen zusammenklappte und umkippte. Ihre Knochen polterten, als sie am Boden aufschlug. Mit verdrehten Augen starrte sie zur Decke und wand sich in unkontrollierten Zuckungen.

»Es ist zu spät«, hauchte Alton Blackwell. »Wir haben zu lange gewartet. Wir müssen ihr unbedingt etwas geben! Corey, schau in einem der anderen Räume nach, ob du etwas Mineralwasser findest, und bringe es so schnell wie möglich hierher.«

»Ja, Dad.«

Corey rannte los, so schnell er konnte.

Alton ging neben seiner Tochter auf die Knie, nahm ihren Oberkörper und legte ihn auf seinen Schoß. Er wiegte Karen vor und zurück und sagte: »Es tut mir leid, Baby. So leid. Ich wünschte, ich könnte mehr für dich tun.«

*

Der bewaffnete Trupp drang unten ins Gebäude ein und durchsuchte die Räume eine ganze Stunde lang. Die Büroangestellten hörten die wilden Rufe der Bandidos. Sie durchstöberten zahlreiche Büroräume der Subital AG und der Esteel Ltd., danach einen Aufenthaltsraum und einen Erste-Hilfe-Raum. Enttäuschte Rufe drangen durchs Treppenhaus bis nach oben. Jemand entleerte aus Wut sein Magazin auf eine Fensterfront.

Eneida Ribeiro, Altons Kollegin, kam ins Verpackungsmagazin zurück, als Alton gerade das Tablettenpäcken in die Jackentasche steckte. Sie ließ sich nicht anmerken, dass sie es gesehen hatte.

»Entwarnung, Alton. Sie rücken ab. Nach dem zweiten Stockwerk haben sie aufgegeben. – Oh. Was ist mit deiner Kleinen los?«

»Es geht ihr nicht gut«, sagte Alton. Er hatte Karen immer noch auf dem Schoß und hielt sie wie ein Baby. Karen lag besinnungslos in seinen Armen.

»Das alles ist zu viel für sie. Sie hält nicht lange durch, weißt du.«

»Die Arme. – Jedenfalls, die Bewaffneten verschwinden wieder. Sie haben gemerkt, dass dies kein Kaufhaus ist. Hier gibt es nichts von Interesse für sie. Kopiergeräte? Computer? Drucker? Monitore? Refraktoren? Verpackungskartons? Das alles funktioniert ohne Energie nicht, nützt ihnen nichts, ist nur wertloser Plunder für sie. Und die paar Snacks in den Automaten – dafür lohnt es sich nicht, den weiten Weg ins Industriegebiet auf sich zu nehmen. Sie werden merken, dass es ihnen nichts einbringt, wenn sie hierherkommen, und dann werden sie uns in Ruhe lassen. Vorläufig sind wir hier sicher.«

Alton nickte ihr aufatmend zu. Doch er wusste, dass ihre Sicherheit nur relativ war. Wenn der letzte Automat leergeräumt ist, würden auch sie nicht länger hier bleiben können …

Zweiter Teil

Sie waren sieben, und ihnen stand die Brutalität ins Gesicht geschrieben.

Am späten Vormittag hatten sie eine Frau gefangengenommen und es war nur eine Frage der Zeit, bis sie sie vergewaltigen würden – Owen Richter konnte es ihnen an den Mienen ablesen. Sie hatten bereits begonnen, ihre Spielchen mit ihr zu treiben. Sie stießen sie umher, riefen ihr zotige Witze und Anzüglichkeiten zu und schubsten sie immer näher an das halbverwüstete Gebäude heran.

Nicht, dass sie den Schutz eines Gebäudes gebraucht hätten. Wenn sie die Frau auf offener Straße in dieser von Menschen verlassenen Gegend vergewaltigt wollten, gäbe es nichts und niemanden, der sie daran hindern könnte. Es war wohl nur so, dass sie die Tat nicht auf dem harten Erdboden vollziehen wollten; auf dem Teer oder auf der Enginehaube eines der herumstehenden, verlassenen Fahrzeuge.

Die Sieben waren auch bis an die Zähne bewaffnet. Sie trugen Aranchov-Automaticgewehre und Gi-Lux-Handfeuerwaffen. Sie trugen Kyber-Messer mit langen zackigen Klingen an ihren Hüften, und einer von ihnen hatte sogar noch einen Gurt schräg um den Leib geschnallt, der mit nichts anderem als Handgranaten gefüllt war, wahrscheinlich zwölf an der Zahl, doch da der Mann wie die anderen ständig in Bewegung war, konnte Richter sie nicht genau zählen.

Owen Richter saß versteckt hinter Trümmern, die einst die Wände eines Wohnhauses gewesen waren, und beobachtete die Männer und die Frau durch sein Fernglas. Der hellgrünen, sich ständig verändernden Lucile-Anzeige entnahm er, dass die Entfernung bis zu den Halunken fast einen Viertelkilometer betrug. Auf die Entfernung hörte er sie immer wieder rufen, und er hörte die verzweifelten Schreie der Frau.

Das F-3000 Strahlengewehr hing an einem Riemen über seinem Rücken. Die Waffe war präzise genug, und er war ein guter Schütze, sodass er damit auf die Entfernung einen Treffer landen konnte. Doch was nützte ihm ein solcher Treffer, wenn er es dort drüben mit sieben Kerlen zu tun hatte?

Selbst wenn er mit dem ersten Schuss einen von ihnen ausschaltete, und mit guten Glück noch einen zweiten erwischte, bevor sie alle in Deckung sprangen, waren dann immer noch fünf Kerle übrig, die sich sofort auf ihn stürzen würden. Das hieß, sie würden ausschwärmen, sich hinter Trümmern verborgen an ihn heranpirschen. Von da an war es nur noch eine Frage der Zeit, bis sie ihn in der Zange hatten. Und sie würden bestimmt keine Gnade kennen, nachdem er einen oder zwei von ihnen ausgeschaltet hatte. Das zeigten sie bereits jetzt – durch die Art und Weise, wie sie die Frau behandelten.

Die Frau … sie hatte ihr Versteck wohl nicht gut genug gewählt. Oder Durst und Hunger hatten sie auf die Straße getrieben. Vielleicht hatte sie in den Trümmern von Häusern nach Nahrungsmitteln gestöbert, nach irgendetwas Brauchbarem, das ihr Leben um ein oder zwei weitere Tage verlängerte. Ohne Grund war sie gewiss nicht im Freien unterwegs gewesen, und bestimmt hatte sie es inzwischen mehr als bereut, diesen Schritt gewagt zu haben.

Sie sah abgerissen aus, ihre Kleidung bestand aus einer zu großen alten Armeeuniform, die sie wohl irgendwo gefunden hatte, und die ihr bessere Dienste leistete, als die modische Kleidung, die noch vor Kurzem auf diesem Planeten getragen wurde. Doch auch diese Tarnkleidung hatte sie nicht davor bewahren können, diesen Burschen in die Hände zu fallen. Richter hörte ihre heiseren Schreie, als die Schläge der Männer sie trafen.

Sie war keine Schönheit. Sie war verhärmt und ausgezehrt, das dunkelblonde Haar war speckig und mit einem Gummi zusammengebunden. Ihre Haut war blass, die Augen lagen in tiefen Höhlen und waren blutunterlaufen, die Lippen blutleer und dünn. Doch in diesen Tagen genügte es, eine Frau zu sein, um die schlimmsten Dinge zu erleben.

Richter fragte sich, ob er überhaupt einen Versuch wagen sollte, sie zu befreien. Sieben gegen einen – da würden selbst Mutigere und Stärkere als er es sich zwei Mal überlegen, ob das klug wäre.

*

In der vergangenen Woche hatte Owen Richter eine tiefsitzende Abneigung über den Planeten Wormss W4-Benus entwickelt. Diese Welt war durch und durch verkommen. Die Katastrophe, die über die Zivilisation hereingebrochen war und sie quasi mit einem Strich beseitigt hatte, hatte die schlimmsten Triebe und Auswüchse freigesetzt. Es war, als ob die Bewohner hier geradezu darauf gewartet hatten, dass das System und die Behörden zusammenbrachen, um dann nach ihren eigenen niederen Begierden, Trieben und Instinkten loszuschlagen.

Dazu hatte es erstaunlich wenig gebraucht. Terroristen und Systemgegner hatten mit einer genau getakteten Bombenaktion die Stromversorgung sämtlicher großer Städte lahmgelegt und damit den Untergang eingeleitet. Die Bewohner wurden sich plötzlich bewusst, dass sämtliche Überwachungskameras und auch alle anderen Mittel und Methoden staatlicher Überwachung ausgefallen waren. Sie begriffen sehr schnell, dass sie nun tun und lassen konnten, was immer sie wollten, ohne dafür zur Rechenschaft gezogen zu werden, und sie begannen umgehend, sich der neuen Freiheit zu erfreuen: Kaufläden und Malls wurden gestürmt und geplündert. Jeder riss an sich, was er schon lange haben wollte, sich aber bisher nicht hatte leisten können. Die Leute hatten sich vermummt, was den Geistertanz auf den nächtlichen Straßen noch furchterregender und gruseliger gestaltete. Schwerbewaffnete Schreckensgestalten tanzten vor brennenden Gebäuden. Fahrzeuge explodierten. Ziegelsteine flogen in Schaufenster: Häuser wurden gestürmt und ihre Bewohner exekutiert. Vermummte rotteten sich zusammen und ermordeten alle, die ihnen in die Quere kamen.

Die Ordnungsorgane erschienen schwerbewaffnet in schwarzen Truppenfahrzeugen, stürmten in die Malls und – beteiligten sich ihrerseits an den Plünderungen. Sie transportierten Waren palettenweise mit Hubwagen und Gabelstaplern zu ihren Fahrzeugen, luden alles ein, sprangen auf und fuhren johlend davon.

Viele andere, die als Gesetzeshüter arbeiteten, blieben dem Dienst fern, weil sie ihre Familien beschützen wollten. Und nicht wenige von ihnen schlossen sich selbst irgendwelchen Banden an, um Gebiete zu besetzen und sich Güter des täglichen Überlebens zu sichern.

Banden, Gangs und Clans waren die neue Geißel von Wormss! Überall in den Städten bildeten sie sich heraus. Begonnen hatte es damit, dass bestehende Gangs marodierend durch die Innenstädte gezogen waren. Anderen, die das beobachtet hatten, wurde schlagartig klar, dass sie diesen gewalttätigen und zu allem entschlossenen Gruppen allein nichts entgegenzusetzen hatten. Sie riefen ihre Freunde zusammen und bildeten ebenfalls Gruppen, um ihre Schlagkraft zu erhöhen.

Zuerst sollte der Zusammenschluss sie gegen Willkür und Brutalität schützen, doch bald merkten sie, dass sie als geschlossene Einheit in der Lage waren, Dinge zu »erobern«, die schwächere Gruppierungen nicht für sich behalten konnten. Und so begann der Kampf der Banden, Fraktionen, Familien … wie immer man sie nennen wollte.

Sie gaben sich Namen, die alles über sie sagten: Killer Machines, Chainsaws, Sword of God, Pistol Bunnies, Scum Slayers und so weiter. Wo immer sie aufeinanderprallten, gab es Scharmützel, Gefechte, gab es Tote und Verletzte. Keiner gönnte einer feindlichen Gruppierung auch nur das Schwarze unter dem Fingernagel. Ständig wurde gerungen und gefochten – um den besseren Siedlungsplatz, um die Wasserversorgung, um Lebensmittel, Land, intakte Gebäude, Waffen, sogar um Frauen.

Owen Richter war gerade im Landeanflug auf Wormss gewesen, als plötzlich alle Lichter ausfielen. Er lachte noch, weil solche Energieengpässe, die er auch auf anderen Planeten schon erlebt hatte, meist auf die Inkompetenz der Betreiberfirmen schließen ließen. Sein Raumschiff, die Elvica CC-10, besaß starke Scheinwerfer, die er einschaltete und so problemlos auf dem vorgesehenen Platz im Raumhafen niederging.

Wenn er jetzt den Startknopf gedrückt hätte und einfach weggeflogen wäre, wäre ihm nichts passiert.

Gar nichts.

Doch er – Dummkopf, der er war – wollte unbedingt das Geschäft mit Rupert Vandenbush zum Abschluss bringen, das er auf der Orbitalstation von Vam Sroome eingefädelt hatte. Der stinkreiche Geschäftsmann Vandenbush hatte 7 Millionen Tetra-Metall-Tornister für Jetpacks gekauft. Nun suchte er nach einem Transporteur, der ihm die Ladung nach Wormss verfrachtete. Owen Richter war zu diesem Zeitpunkt auf der Raumstation gewesen und hatte den Frachtauftrag in der Auflistung der lokalen Ausschreibung gesehen. Der Preis hatte gestimmt, und er hatte zugegriffen.

Bedingung: Eine Lieferung ohne Zeitverzögerung! Rupert Vandenbushs Fabriken, die die Jetpacks herstellten, brauchten die Tornister sofort. Das hieß: Sofortige Verladung, sofortiger Aufbruch, und nichts durfte Owen Richter aufhalten.

Richter hatte kein Problem mit solchen Bedingungen. Er hatte ohnehin nichts Besseres vor, das hieß, alle anderen Aufträge, die er noch auf seiner Liste hatte, konnte er auch später erledigen. Also hatte er eine Warpzelle in die Elvica CC-10 geladen und war losgeflogen.

Er hatte nichts als Qubit-Zeichen in den Augen, als er lachend auf den nachtschwarzen Raumschifflandeplatz niederging. Auch noch, als die Entladecrew auf sich warten ließ. Lieber wartete er und spielte im gedämpften Licht seines Cockpits eine Runde Zombie Shadows, als dass er draußen in der Dunkelheit umhergeirrt wäre, auf der Suche nach einem Lademeister. Und wieder starten und wegfliegen? Niemals! Dann konnte er die 249.999 Qubits in den Wind schreiben, die Rupert Vandenbush ihm für die Lieferung in Aussicht gestellt hatte.

Irgendwann, als es ihm dann doch zu bunt wurde, bequemte er sich aus dem Sessel, etwas später sogar aus dem Raumschiff. Er stand im Lichtkegel der Scheinwerfer und wunderte sich, warum die zuständigen Stellen es noch nicht geschafft hatten, die Energieversorgung wiederherzustellen. Hinzu kam, dass aus der nahen Stadt explosionsartige Geräusche herüberklangen. Der Himmel am Horizont war durch flackernden Lichtschein erleuchtet … als ob dort mehrere Feuer brannten!

Noch lachte Richter. Noch glaubte er, in wenigen Minuten, ungünstigstenfalls in ein paar Stunden seine Ladung loswerden und mit quittiertem E-Ladeschein zum Missionsagenten zurückkehren zu können.

Wenigstens hatte er sich bewaffnet. Er kannte den Planeten Wormss nicht, wusste nicht, wie die Leute hier tickten, welche Gepflogenheiten hier herrschten. Daher war er lieber vorsichtig und schnallte sich die F-3000 um, während er die ZAP-9, seine Faustfeuerwaffe und ständiger Begleiter, immer wieder im Holster lüftete und das Ziehen übte.

Richter war ein guter und schneller Schütze, und er hatte seine Künste nicht immer nur auf legale Weise angewandt. Hin und wieder hatte es Aufträge wie auch Einsätze auf eigene Regie gegeben, die Systembehörden jedweder Art besser unbekannt blieben. Ob Diktatur, Feudalsystem, Republik oder Volksdemokratie – Owen Richter wusste, dass es besser war, mit einer geladenen ZAP-9 im Holster aufzutauchen, als hinterher in die Röhre zu glotzen.

Der Horde schwerbewaffneter Freaks, die plötzlich aus dem Nichts auftauchte und über ihn herfiel, hatte er nichts entgegenzusetzen. Er schaffte es gerade noch, in die Schwärze des unbeleuchteten Hangars zu entkommen, konnte aber nicht verhindern, dass die Meute in sein Schiff eindrang, die Laderäume durchstöberte, enttäuscht aufbrüllte – was sollten sie mit Tetra-Metall-Tornistern anfangen? Was, zum Teufel, was? – und wild um sich zu schießen begann. Sie starteten die Engines, und mit nicht gelindem Entsetzen musste Richter zusehen, wie die Diebe mit seinem Raumschiff und seiner Ladung fortflogen.

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