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Interview mit Lasha Bugadze über seinen Roman »Der Literaturexpress«

Was ist der »Literaturexpress«?

Literaturexpress war ursprünglich der Name der Bahn, mit der ich im Jahr 2000 zusammen mit weiteren einhundert Schriftstellern für eineinhalb Monate unterwegs war. Wir starteten in Lissabon und beendeten die Reise in Berlin – so wie in meinem Buch beschrieben. Ein Literaturfestival auf Gleisen, mit dem Ziel, sich mit zahlreichen Autoren aus verschiedenen Ländern zu vernetzen und europäische Städte und Kulturen kennenzulernen. Das war mitunter schwierig, da für jede Stadt nur ein bis zwei Tage Aufenthalt vorgesehen waren. Die Erwartungen der meisten Schriftsteller an Bord bestanden allerdings weniger darin, sich unter Kollegen auszutauschen, als vielmehr mit Lesern zusammenzukommen – und Leser gab es im Zug nur wenige.

Besonders kurios waren die Lesungen, die an einzelnen Stationen des Literaturexpresses veranstaltet wurden. Meist lasen meine Mitreisenden und ich in unserer Muttersprache und konnten unsere Texte somit nicht einmal untereinander verstehen.

Worin bestand deine Motivation, diesen Roman zu schreiben?

Im Reisen! Für Jorge Luis Borges liegen dem Geschichtenerzählen zwei Motive zugrunde: Zum einen die Geschichte eines Mannes, der auf See verloren geht und den Heimweg nicht finden kann; das andere Motiv bezieht sich auf die Ermordung Gottes. Nicht schwer zu erraten, dass es sich bei der ersten Geschichte um die Odyssee Homers handelt und auch mein Roman berichtet von der Odyssee eines Schriftstellers. Aufgewachsen im postsowjetischen Georgien reist er durch Europa und nimmt die Unterschiede und Gemeinsamkeiten wahr. Während meiner eigenen Reise im Literaturexpress habe ich zahlreiche unvergessliche Eindrücke gewonnen, die ich mit den Lesern teilen möchte.

Dein Roman »Der Literaturexpress« spielt im Jahr 2008, also acht Jahre später als die Reise des eigentlichen Literaturexpresses. Warum genau dieses Jahr für die Handlung?

Ich entschied mich bewusst für 2008, da in diesem Jahr der Krieg zwischen Georgien und Russland ausbrach. Ich wollte von den Opfern des Krieges und von dem Trauma vieler Georgier berichten. Der Kaukasuskrieg war 2008 aktuell und er ist es noch heute. Die Konflikte in der Ukraine sind ähnlich, die Propaganda Putins und des Kremls sind identisch. Ich bin der Überzeugung, dass ab diesem Zeitpunkt alle meine Texte eine Reflexion über den Georgienkrieg darstellen.

Dein Roman ist sowohl ein paneuropäischer Roadtrip, eine humorvolle Satire auf den internationalen Literaturbetrieb, als auch eine Liebesgeschichte. Bitte beschreibe kurz deinen Protagonisten Zaza und die geheimnisvolle Helena.

Zaza ist aufmerksam, zuvorkommend, emotional und voller Minderwertigkeitskomplexe. Ihm fühle ich mich besonders nahe. Wie ich liebt er es, zu lesen und zu schreiben. Helena ist Griechin und stellt eine Mischung aus zwei Frauen dar, die ich mochte. Eine von ihnen ist meine Frau. Helena sieht aus wie meine Frau, ist sonst jedoch ein anderer Charakter.

Welche der Städte entlang der Route des Literaturexpresses mochtest Du besonders?

Im Hinblick auf den Roman ist vor allem das polnische Malbork wichtig. Lissabon und Berlin mochte ich ebenfalls sehr gerne. Die Reise nach Minsk war eine sehr interessante Erfahrung für mich – ich fühlte mich in die Sowjet-Ära meiner Eltern, in eine Welt voller alter Kühlschränke und Autos, zurückversetzt.

Wie war die Resonanz in Georgien bei Erscheinen Deines Romans?

Die Leser in Georgien wittern in allen meinen Texten einen Skandal. Dies rührt aus dem Jahr 2002, als ich die Kurzgeschichte »The First Russian« veröffentlichte, über die die gesamte georgische Öffentlichkeit sprach und für die ich von staatlichen und kirchlichen Institutionen scharf kritisiert wurde. So drohte man mir im unabhängigen Georgien mit Zensur und seitens der georgisch-orthodoxen Kirche mit der Exkommunikation. Ich schreibe gerade einen neuen Roman, den ich hoffentlich bald abschließen werde, und der genau von diesen Vorgängen berichtet. Es ist interessant zu beobachten, wie die sowjetische Ideologie durch die orthodoxe ersetzt wurde und welche Verbote die neuzeitlichen Zensoren mir und meinen Kollegen versuchen aufzuerlegen.

Dein Roman »Der Literaturexpress« wurde von Nino Haratischwili aus dem Georgischen ins Deutsche übersetzt. Kanntet ihr euch bereits und wie groß (oder klein) ist die georgische Literaturszene?

Ich konnte es gar nicht glauben, als ich den Brief von Nino erhielt, in dem sie schrieb, dass sie beabsichtige, meinen Roman ins Deutsche zu übersetzen.

Dies ist einer der seltenen Momente, in denen Freude augenblicklich in Glück übergeht. Zum einen schätze ich Nino als Schriftstellerin und Drehbuchautorin sehr.

(Ich hatte sie bereits bei der Aufführung ihres Theaterstückes »Liv Stein« in Tbilissi kennengelernt und las später viele ihrer Texte.) Zum anderen tut sie etwas sehr Seltenes: Sie übersetzt meinen Roman nicht nur, sondern sie baut eine Brücke zwischen mir und den deutschen Lesern und gibt mir so die Möglichkeit, dieses neue Publikum kennenzulernen. Im Spaß nennt Nino sich manchmal selbst meine »deutsche Patentante«.

Sie half mir, den Kontakt zu ihrem deutschen Verlag und zu meinem heutigen Verleger, Joachim Unseld, den ich bereits seit 2014 kannte, auszubauen. Dies allein ist ein großes Geschenk für jeden Autor, noch wichtiger ist wohl nur, dass meine Geschichte in Ninos Deutsch zu neuem Leben erwacht. Ich bin sehr stolz, gelassen, fühle mich geborgen.

Was ist für Dich »typisch deutsch«?

In der sowjetischen Zeit, insbesondere während der Breschnew- und Andropow-Ära, hatte ich das große Glück, eine deutsche Schule besuchen zu dürfen, die sich deutlich von den leblosen, langweiligen und von sowjetischen Ideologien geprägten Schulen dieser Zeit unterschied. Der Name der Schule, »Experimental School«, war Konzept – hier versammelten sich junge Lehrer, die uns mit Spaß und Kreativität unterrichteten. So lasen wir beispielsweise in der Primarstufe Goethes »Faust«, im Klassenraum hingen zahlreiche Bilder deutscher Landschaften und »typisch deutsch« aussehender Menschen, inspiriert von Schiller und einer älteren Märchenfrau, die uns mit erhobenem Zeigefinger zu Konzentration im Deutschunterricht ermahnte.

Zudem wuchs ich in einer Familie von eifersüchtigen Germanophilen auf. Mein Vater ist Maler und viele meiner Kindheitserinnerungen sind mit dem Duft von Ölfarben und dem Quietschen der Schallplattennadel verbunden. Die sowjetische Firma »Melodia« produzierte limitierte Platten-Editionen – warum diese limitiert waren, weiß keiner, aber in der Sowjetunion war alles limitiert – und somit drangen tagtäglich Interpreten wie Wagner, Mahler, Bruckner an mein Ohr – natürlich alle von »Melodia« produziert. Diese bedeutende Stellung von Musik in meinem Leben ist ein Erbe meines Vaters. Ich besitze heute eine umfassende Sammlung, vor allem deutscher Instrumental- und Vokalmusik. Ich möchte nicht überheblich wirken (aus irgendeinem Grund wird eine Vorliebe für klassische Musik in Georgien für extravagant gehalten), ich möchte nur darlegen, dass meine Auffassung von den Deutschen und ihrem Land vor allem kulturell geprägt ist. Außerhalb dieses Kontextes kenne ich Deutschland nicht sonderlich gut.

Besitzt Du literarische Vorbilder?

Hier denke ich besonders an den unterdrückten, georgische Schriftsteller Mikheil Javakhishvili. Für mich einer der besten Schriftsteller des 20. Jahrhunderts und außerhalb Georgiens leider kaum bekannt.

Zug, Flugzeug oder Auto – wie reist Du am liebsten und welches dieser Fahrzeuge ist am besten zum Lesen und Schreiben geeignet?

Im Auto kann ich nicht lesen, Flugzeuge und Züge sind hingegen wunderbare Orte dafür. Allerdings schreibe ich hier nicht gerne, da ich das Gefühl habe, der Passagier neben mir interessiert sich zu sehr für meine Aufzeichnungen.

Neben deiner Tätigkeit als Schriftsteller und Moderator bist Du auch für deine Karikaturen bekannt. Bitte zeichne für uns deine Lieblingsfigur aus dem Roman.


© Lasha Bugadze

Возрастное ограничение:
0+
Объем:
39 стр. 9 иллюстраций
ISBN:
9783627021450
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Издатель:
Правообладатель:
Bookwire
Формат скачивания:
epub, fb2, fb3, ios.epub, mobi, pdf, txt, zip

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