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Читать книгу: «Borgia», страница 8

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XLII

Thais Marktplatz von Alexandrien

Der fromme Vater Paphnutius (tritt auf): Ich habe von dem und jenem Wanderer vernommen, daß in Alexandria ein Mädchen weile, die sei über alle Beschreibung hold und liebreizend, derart, daß alle Jünglinge Alexandrias sie umschwärmten wie die Bienen die Bienenkönigin und keiner sich ihrer verführerischen Anmut zu entziehen vermöge.

(Die anwesenden Jünglinge schweigen zuerst betreten. Danach spricht einer).

Jüngling: Du hast recht, tugendhafter Greis, uns Jünglingen von Alexandria Leichtsinn und Buhlerei vorzuwerfen. Und wir wissen, wen du meinst: Es ist Thais, die Hetäre, die uns verzaubert hat, daß wir unsrer Sinne nicht mehr mächtig sind. Ganz Alexandria hat sie in Brand gesteckt. Männer verlassen ihre Ehefrauen ihretwillen, und bartlose Knaben stehlen die Kleinodien aus ihrer Väter Schrein, um Thais zu gefallen und ihre Stirn mit dem goldenen Reif zu schmücken.

Paphnutius: Wo wohnt sie? Ich habe eine Botschaft an sie.

Jüngling: Ihr Haus ist nahebei. In jener Gasse dort. Wenn du es wünschest, so wollen wir dich geleiten, denn wir kennen den Weg nur allzu gut.

Paphnutius: Ich ziehe vor, allein zu gehen. Gott mit euch, ihr Jünglinge.

Jünglinge: Gott mit dir, ehrwürdigster Vater.

Haus der Thais

Der Teufel in Gestalt eines Jünglings.

Teufel: Schenk ein, Thais. Mich dürstet. Wenn das rote Rebenblut mir die Kehle herunterrieselt, stell ich mir vor, es sei Menschenblut.

Thais: Mich schaudert es, wenn du so lästerlich sprichst.

Teufel: Ich scherzte, meine Süße.

Thais: Dies sind arge Scherze, wie du sie treibst.

Teufel: Umarme mich, so wollen wir bessere treiben.

Thais: Ich bin zu Scherzen, welcher Art auch immer, heute nicht aufgelegt.

Teufel: Warum so spröde, mein Täubchen?

Thais: Ich hatte die Nacht einen Traum, und dieser Traum macht mich nachdenken.

Teufel: Du machst mich lächeln, Thais. Du glaubst an Träume? Läßt dir die Laune von Imaginationen verderben, die du dir selber schufst, weil du am Abend vorher vielleicht zu viel und zu fett gegessen oder zu schnell getrunken. Ich hätte dich für klüger gehalten.

Thais: Mir träumte von einem Wald, in dem ich einst gehaust, als ich noch gut und glücklich war.

Teufel: Gut – gut – was besagt das? Es kommt nicht darauf an, gut zu sein, sondern das Leben zu genießen, es zu schlürfen, wie ich diesen Trunk jetzt schlürfe.

Thais: Allzu oft und allzu leicht hab ich mich durch dich stets verleiten und verlocken lassen. Mir brennt die Scham in den Wangen, denk ich daran, daß ich das Kind, die Frucht unserer unzüchtigen Beziehungen, einem schmutzigen alten Weibe in der Vorstadt zur Aufzucht und in Pflege gab, um hier im Haus in meinem buhlerischen Treiben und wildem Wandel nicht behindert zu sein. Wie mag es dem Kinde gehen? Ich träumte von ihm.

Teufel: Dich sollte das Kind nicht bekümmern. Sei froh, daß es dir hier nicht zwischen den Beinen herumläuft und dir durch sein Geschrei die Besucher verjagt. Vestigia terrent. Es würde manchem zarten Jüngling die Lust verschlagen, sähe er die Folgen liebenswürdigen Leichtsinns so leibhaftig vor sich.

Thais: Mir träumte, der Wald entreiße sich seiner Wurzeln und käme gewandert wie ein Mensch: zu mir.

(Es klopft an der Tür).

Thais (schrickt zusammen): Wer ist‘s?

Teufel: Die Störung kommt mir nicht gelegen.

Eine Stimme: Gut Freund, schöne Thais, öffnet getrost.

(Thais öffnet: herein tritt Paphnutius, die Kapuze seines Pilgermantels über den Kopf geschlagen, so daß er unkenntlich ist).

Thais: Wer seid Ihr? Ich atme eine reine, klare Luft, seit Ihr im Zimmer weilt. Duft von Tannen ist um Euch. Wie wird mir?

Teufel: Ich kann den Gestank nicht ertragen. Der Kerl deucht mich bekannt. (Tritt herzu, fährt zurück). Es ist der verfluchte Christ…

Paphnutius (macht das Zeichen des Kreuzes).

Teufel (schief und gebückt durch die Tür ab): Hüte dich, Thais, vor ihm – wenn du mir getreu bleibst … vor mir, wenn du ihm verfällst.

Paphnutius: Wer war der Mann, der dich soeben verließ, schöne Thais?

Thais: Ein Jüngling aus Alexandria und mein Freund. – Ihr seid hierzulande fremd, wie es scheint?

Paphnutius: Ich komme weit von hier, durch die Wüste, von den Wäldern Thebens.

Thais: Mein Traum!

Paphnutius: O Thais, o Thais, welch weiten Weges Mühsal hab ich durchwandert, um zu dir zu gelangen.

Thais: Ihr hattet Sehnsucht – und nach mir – und kanntet zuvor mich doch gar nicht.

Paphnutius: Alle Straßen der Welt sind voll vom Ruhm deiner Schönheit.

Thais: Da Ihr solches Verlangen nach mir bezeigt, so will ich mein Antlitz nicht länger vor Euch verhüllen und mich entschleiern. (Tut es).

Paphnutius: Thais, Thais.

Thais: So schlagt auch Ihr den Mantel vom Haupt, damit ich erkenne, mit wem ich spreche. Ob es ein Jüngling oder ein Greis sei, der meine Liebe begehrt.

Paphnutius (faßt sich an sein Herz).

Thais: Was ist mit Euch? Ihr zittert?

Paphnutius: Ich schaudre, weil ich deines Schicksals denke, und ich beweine dein Verderben.

Thais: Welche Stimme … Die Tränen des Fremdlings rühren mein tiefstes Herz … Ihr kennt mein Schicksal nicht. Was weint Ihr, Fremdling, über eine Fremde? Ich bin Euch fremd. Ihr seid mir fremd. Vor einer Stunde kanntet Ihr mich noch nicht und wußt ich nichts von Euch.

Paphnutius: Immer bin ich bei dir gewesen, Thais, mit der Kraft meines Gebetes. Du hast mich – ich habe dich nie verlassen.

Thais: Ich habe seit Jahren nicht mehr gebetet. Fast habe ich den Namen Gottes vergessen.

Paphnutius: Du nanntest ihn. Doch sprich, von welchem Gott sprachst du?

Thais: Vom einzigen Gott.

Paphnutius: So glaubst du an ihn?

Thais (den Kopf senkend): Ich glaube an ihn.

Paphnutius: So glaubst du auch, er sei allwissend?

Thais: Ihm ist mein Wandel nicht verborgen.

Paphnutius: Und glaubst du, daß er nach Recht und Gerechtigkeit richte?

Thais: Ich glaube, daß er mit gerechter Waage unsre Taten wägt …

Paphnutius: O Jesus Christus, wie übst du unendliche Geduld in deiner unsäglichen Gnade und Langmut und weisest den Weg der Reue auch dem Verfehmtesten. (Für sich): Herunter vom Haupt die Hülle.

Thais (im Aufschrei): Mein heiliger Vater …

Paphnutius: Du hast gelitten, Tochter?

Thais: Leid über Leid.

Paphnutius: Wer hat dich betört, verführt und hintergangen?

Thais: Der, welcher Adam und Eva betörte, daß sie des Paradieses verlustig gingen.

Paphnutius:Wo ist der engelreine Wandel, den du geführt?

Thais: Dahin, dahin.

Paphnutius: Wo ist deine Jungfräulichkeit? deine Zucht und Sitte? Wohin die goldene Enthaltsamkeit?

Thais: Entschwunden meinem Sinn.

Paphnutius: Hat je ein Mensch ohne Fehl gelebt außer der Jungfrau Sohn?

Thais: Nie.

Paphnutius: Menschlich ist es, Sünde zu begehen. Aber teuflisch, in der Sünde zu verharren. Bereust du?

Thais (kniend): Weh mir, ich Unselige. Ich bereue.

Paphnutius: Mit Worten? Mit den Lippen?

Thais: Mit der Tat. Mit der Seele. Mit meinem ganzen Sein. Ich büße. Ich büße. Ich bin nicht wert, den Staub von deinen Füßen zu küssen.

Paphnutius: Steh auf, meine Tochter. Zur Umkehr ist es nie zu spät.

Thais: Mich drückt ein Übermaß an Sündenschuld.

Paphnutius: Erhebe dich. Im Namen des dreieinigen Gottes, des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, spreche ich dich aller deiner Sünden ledig. Steh auf, meine Tochter, und wandle im Herrn.

Thais: Möge es dem Herrn gefallen, mich wieder in ein ehrlich Menschen- und Gotteskind zu verwandeln.

Paphnutius: Unwandelbar ist die Substanz des Höchsten. Doch ist es ein geringes ihm, die unsre zu wandeln. Sei getrost und glaube!

XLIII

Noch in der gleichen Nacht, das Brautpaar hatte längst das Lager aufgesucht, und ein Notar hatte die Vereinigung festgestellt – schrieb der Herzog Ercole von Ferrara einen Brief an den Papst in Rom:

Heiligster Vater und ehrwürdigster Herr, Eurer Heiligkeit erlauchteste Tochter ist glücklich in Ferrara angekommen. Sie hat die Ehe mit meinem Sohn vollzogen und sich im Sturm die Herzen der schwer zu erobernden Ferrarer und Ferrarerinnen gewonnen: durch ihren Liebreiz, ihre Anmut, ihre Tugend und ihre Klugheit. Seien Eure Heiligkeit versichert, daß mein Sohn und ich sie als das Teuerste bewahren werden, was wir auf Erden besitzen.

Als der Papst diesen Brief in Händen hielt, da leuchteten seine Augen auf, um sich alsbald mit einem feuchten Schimmer zu überziehen.

Träne auf Träne tropfte plötzlich auf das Schreiben nieder.

Zum zweitenmal in seinem Leben weinte Rodrigo Borgia.

Mein Kind, schluchzte er, mein geliebtestes Kind! Du bist glücklich! Ich bin glücklich, wenn du es bist. Mein Borgiaherz ! Werde selig schon auf Erden! Ich hab‘s alles getan, dir diese Seligkeit vorzubereiten. Teppiche habe ich vor deine Füße gelegt, damit du nicht auf Steinen zu wandeln brauchtest. Ich habe dich vor Kälte und Hitze geschützt, du kühler, edler Stein. O bionda, mia bionda, biondinella d‘amor! —

Der Papst befreite Ferrara von der Kirchensteuer, was einem Erlaß von zweihunderttausend Golddukaten entsprach, und versicherte den Herzog von Ferrara seiner besonderen Gewogenheit.

Cesare empfing diesen Brief Alexanders:

Mein teurer Sohn, mit steter Aufmerksamkeit verfolge ich Deine Unternehmungen. Mögen sie Dir in letzter Zeit nicht immer zum Guten ausgegangen sein, so darfst Du deswegen nicht den Kopf hängen lassen. Versuche es einmal mit dem Kopf hängen lassen anderer. Es ist kein Zweifel, wir müssen mit dieser verfluchten Familie Orsini, die auch die Hauptschuld an Deinen neuerlichen Mißerfolgen trägt, Schluß machen. Sie sind unsere Feinde seit Beginn der Welt und waren es schon zuvor und werden es danach wieder sein. Wir werden ihnen noch im Himmel oder in der Hölle wiederbegegnen. Der Condottiere Paolo Orsini hat Dich samt seinem Neffen Fabio Orsini und Vitellozzo und Oliverotto auf das schmählichste verraten. Du mußt versuchen, ihrer durch List habhaft zu werden. Ich werde zu gleicher Zeit Carlo Orsini und den Kardinal Giovanni Battista Orsini, die aus Furcht vor mir Rom verlassen haben, in einem zärtlichen Brief bewegen, zurückzukehren.

Haben wir sie alle in der Hand, so schließen wir die Hand, und sie mögen insgesamt ersticken und verrecken. Bilsenkraut, Belladonna, Wasserschierling, Fingerhut und Hexenwurz sind brauchbare Pflanzen und Arsenik, Bleisäure und Quecksilber erforschenswerte Mineralien. Von einem Venenum atterminatum halte ich nichts.

Gottes Segen über Dich!

Dein Dich liebender alter Vater.

P. S. Lucrezia befindet sich wohl. Der Kardinal Giovanni Borgia kann seinen Amtspflichten nicht mehr nachkommen, malum gallicum habens. Ich habe ihn immer vor dieser neapolitanischen Sciantosa gewarnt.

Der Kardinal Giovanni Battista Orsini folgte der liebenswürdigen Einladung des Papstes. Er hatte um so bestimmtere Hoffnung, in völliger Gnade empfangen und wieder aufgenommen zu werden, als Paolo Orsini sich Cesare Borgia wieder zur Verfügung gestellt und für ihn Sinegaglia mit stürmender Hand genommen hatte.

Er glaubte, Träger einer dem Papst höchst erwünschten Botschaft zu sein, als er im Vatikan auf einem weißen Maultier einritt. Er wurde, ohne vor den Papst gekommen zu sein, vom Maultier gerissen und von Bewaffneten in die Engelsburg geschleppt. Es war an dem gleichen Tag, an dem Cesare Borgia die Condottieri Paolo und Fabio Orsini, Vitellozzo und Oliverotto in die Falle lockte und auf der Stelle erwürgen ließ.

Kaum vernahm die Mutter des Kardinals Orsini von seiner Verhaftung, als sie vom Papst eine Audienz erbat.

Die Audienz wurde ihr verweigert. Aber aus purer Menschlichkeit gestattete ihr der Heilige Vater, ihren ungeratenen Sohn einmal täglich zu besuchen. Er ließ hinzufügen, wenn sie wolle, könne sie ihm ja persönlich das Mittagessen bringen. Der Kardinal habe ein (unbegründetes) Mißtrauen gegen die vatikanische Küche geäußert. Sie sei für seinen verwöhnten Geschmack – den Geschmack der Orsini – wohl zu einfach und ungewürzt. Übrigens begreife er das: selbst sein Sohn Cesare und die jungen Kardinale äßen ungern an der frugalen päpstlichen Tafel.

Jeden Mittag trug mit eigenen Händen Madonna Orsini, die vornehmste Dame der römischen Aristokratie, ihrem Sohn Giovanni das Essen ins Gefängnis. Sie reichte es ihm durch die Gitterstäbe, wo er auf einer Pritsche saß, in einem Breve las oder mit sich selber Schach spielte.

Giovanni, flehte sie, was ist deine Schuld? Der Kardinal sah ihr in die Augen: Daß ich ein Orsini bin, Mutter.

Eines Tages nahm der Gefängniswächter Madonna Orsini die Schüssel schon am Tor ab und schüttete die Minestra in den Rinnstein.

Dein Sohn, Mütterchen, braucht nichts mehr zu fressen. Ist heute nacht an einer Verdauungsstörung sanft entschlafen. Der Papst selbst hat ihm gestern abend die heilige Hostie gereicht – aber sie ist ihm nicht gut bekommen.

Er wollte ihr die Schüssel zurückgeben. Sie fiel ihr aus den Händen auf die Fliesen und zerschellte klirrend.

Schreiend lief sie durch die mittäglich leeren Straßen. Überall waren an den Fenstern Decken und Rolläden heruntergelassen.

Die Sonne brannte kaum erträglich.

Niemand sah, niemand hörte die alte, schwarzgekleidete Frau.

In der grellen Sonne taumelte sie im Zickzack wie ein Schmetterling, ein Trauermantel.

XLIV

Auf die Nachricht vom Tod des Kardinals Giovanni Battista Orsini empörten sich in Rom und Umkreis alle Orsini gegen den Papst.

Giulio Orsini brach mit einem Heerhaufen von Ceri auf, Giovanni Giordano Orsini von Bracciano.

In Eilmärschen kehrte Cesare nach Rom zurück, dem Vater zu Hilfe.

Wieder gelang es ihm, die Orsini entscheidend zu schlagen und zu demütigen.

Der Sieg Cesares veranlaßte den französischen König Ludwig XII., Cesare und sein Heer für eine Wiedererwerbung Neapels zu gewinnen.

Das für den Feldzug nötige Geld wurde vom Papst beschafft, indem er neue Kardinäle ernannte, deren jeder für den Kardinalshut fünfzehntausend bis zwanzigtausend Dukaten zu zahlen hatte.

Ferner luden sich der Papst und Cesare bei dem sagenhaft reichen Kardinal Adriano zu Gast. Es mußte ein Vergnügen sein, ihn zu beerben.

Der Papst, sonst den kulinarischen Genüssen wenig hold, interessierte sich lebhaft für das Menü.

Er ging selbst in die Küche des Kardinals. Er band sich eine Schürze um, und man sah ihn sich mit der Zubereitung eines Fasans befassen. Der Fasan wurde gesäubert, der Papst löste vorsichtig die Haut von der Brust. Darauf hackte er ein viertel Pfund Spickspeck, eine Trüffel, fünfzig Gramm Schweinefleisch zusammen und stopfte es zwischen Brust und Haut. Nun umwickelte er den ganzen Fasan mit Speck.

Der Kardinal hatte ein delikates Mahl vorbereiten lassen: frische Spargel, Forellenschnitten in brauner Butter mit Krebspastetchen, Fasan auf Schnepfencroutons mit in Rahm angemachtem Salat, Ananas in Johannisbeermus und warmes Käsegebäck.

Der Papst, der aus Geiz bei sich im Vatikan eine kärgliche Küche führte, sprach den Speisen lebhaft zu. Er und Cesare waren in glänzender Laune. Es ging vortrefflich mit den Borgia, immer vorwärts, immer weiter, manchmal nur wie bei einer Springprozession: zwei Schritt zurück, dann drei vor; Gott war mit ihnen, der Teufel und Fortuna, die Göttin des Glücks.

Der Papst überlegte gerade, ob er der heidnischen Göttin Fortuna nicht einen Tempel oder wenigstens Altar errichten und ob man nicht eine katholische Heilige aus ihr machen könne, als Cesare sich zum Trinkspruch erhob. Er nahm von dem hinter ihm stehenden Mundschenk, mit dem er einen schnellen Blick des Einverständnisses wechselte, die Gläser, reichte eines dem Papst, eines dem Kardinal, eines sich selbst, schwenkte sein Glas und sprach, zum Kardinal gewandt: Auf die Gesundheit Eurer Eminenz!

Alle tranken die Gläser bis auf den Grund leer. Kaum hatten sie getrunken, als der Papst und Cesare von heftigem Erbrechen befallen wurden.

Sie mußten schleunigst in den Vatikan gebracht werden.

Der Mundschenk, eine Kreatur Cesares, hatte die Becher vertauscht.

Diamante Jovelli, die junge Gerberstochter von Faenza, die Geliebte Astorre Manfredis, hatte ihn durch das Versprechen einer Liebesnacht dazu vermocht.

XLV

Alexander versuchte noch am nächsten Morgen eine Messe zu lesen. Der Kopf fiel ihm seitwärts an die Schulter eines Kardinals, der ihn stützte.

In seinem Bett wand sich Alexander vor Schmerzen.

Er hatte ein brennendes Gefühl, das vom Kehlkopf über die Speiseröhre bis in den Magen ging.

Die Haut schuppte sich.

Pusteln traten hervor.

Er erbrach grüngelbe Galle.

Er ließ sich von seinem Leibarzt das Blut eines jungen Mannes einspritzen, der an Verblutung zugrunde ging.

Es half nichts.

Gift – dachte er – er hat mich vergiftet – er selbst, Cesare, mein Kindchen, mein Söhnchen, hat mich vergiftet – oder – wer sonst?

Cesare soll zu mir kommen!

Der Diener brachte den Bescheid, der Herzog läge selbst schwer krank danieder.

Der Papst dachte:

Er lügt, er simuliert.

Das Fieber breitete sich in rosa und dann in feuerroten Wolken über ihn aus.

Plötzlich trat im langen, schwarzen Rock und gesteifter weißer Krause, halb wie ein Arzt, halb wie ein Richter anzusehen, der Tod durch den roten Nebel ins Zimmer.

Der Papst fuhr aus den Kissen:

Quid mors seva petis?

Der Tod sprach:

Te.

Me – quis jure?

Quod hora en properat.

Heu mihi – Quid luges?

Parum vixisse.

Lucrezia – Cesare – er hatte sie plötzlich vergessen.

Wo war Julia? Julia me miserum non defendis: amavi si te corde magis. Julia, ich habe dich von Pinturicchio als Madonna malen lassen – mich selbst in Anbetung davor versunken. So hilf mir doch jetzt, Madonna Julia!

Nemo potest te juvare.

Ergo mihi moriendum est?

Est.

Ich will dir beichten.

Laß, du brauchtest ein neues, zweites Leben zur Beichte. So viel Zeit habe ich nicht. Beichte dem Teufel.

Ein Weib, schrie der Papst, als er aus langer Ohnmacht erwachte, ein Weib wird mich gesund machen!

Auf einem Weibe liegend traf im Spiegelzimmer den Papst der Herzschlag.

Die Spiegel warfen seinen letzten Lebensblick hundertfach in den Raum zurück.

Schreiend floh seine letzte Geliebte, eine junge Wäscherin, die ihm ihre Mutter zugeführt hatte.

Der mächtige Leib des gewaltigen Greises wollte nicht .sterben.

Als schon die Seele ihn verlassen, schäumte der Mund noch wie ein Kessel überm Feuer, und der Bauch schwoll mächtig an.

Seine Füße auch zuckten, als ob sie sich noch einmal anschicken wollten, diese Erde zu betreten.

Solange man nicht sicher war, ob er nicht noch lebe und wieder aufstünde, wagte sich niemand im Guten oder Bösen an sein Lager.

Als aber die Ärzte seinen Tod unwiderruflich bestätigten, da gab es keinen Halt mehr.

XLVI

Das Volk von Rom jubelte, und wie jm Karneval tobten Masken durch die Straßen.

Mit Sturmeseile durchlief die Kunde vom Hinscheiden des ‚Antichrists‘ die heilige Stadt.

Die Leute rannten auf die Straße.

Fremdeste umarmten sich.

Mütter holten ihre Kinder in die Sonne:

Es ist wieder rein, das Licht, seitdem es das Ungeheuer nicht mehr bescheint.

In die Wohnungen der verschiedenen Borgia brachen Volkshaufen und plünderten sie.

Der Pöbel von Rom war ganz besoffen von Chianti und Freude über den Exitus des Papstes.

Sie veranstalteten einen fröhlichen Leichenzug.

Ein abgestochenes Schwein, das den Leichnam des Borgia symbolisierte, wurde in einem mit Papiergirlanden bekränzten offenen Sarg von zwei Juden und zwei Mauleseln dahergezogen.

Heulend, glucksend, quietschend, brüllend folgten die Trauergäste: Bettler, Maroniverkäufer, ausgediente Landsknechte, Huren, Ziegeleiarbeiter, Astrologen, Musikanten, Vagabunden, Rompilger.

Im Zuge schritten auch ein Aussätziger, der den Namen Cesare Borgia, eine schöne blonde Hure, die den Namen Lucrezia Borgia an der Stirn geschrieben trug.

Auch wurde in einem Handkarren eine Art Friedensgöttin mitgeführt: eine halbnackte Frauensperson, die eine Lilie in der Hand schwenkte und ihren ungewaschenen Fuß auf rostige Harnische, Hellebarden und Helme setzte.

Die Stadtpolizei drückte beide Augen zu und ließ den Pöbel rasen.

An Alexander Borgias Leiche zogen, von den Schweizer Hellebardieren nicht gehindert, Tausende vorbei: Kleriker, Bauern, Landsknechte, Arbeiter, Bürger, die ihren Haß unverhohlen kundtaten. Ja, wenn die Schweizer Gardisten nicht hinsahen, spie ihm der eine oder andere ins Gesicht, wo der Schleim ihm auf immer die Augen verklebte. Es war aber nicht eine einzige Frau, die an seiner Leiche vorbeiging. Die Frauen hatten ihn geliebt und wollten sich das Andenken des schönen, wohlgeformten Mannes nicht durch den Anblick der verunstalteten Leiche schänden lassen.

Julia Farnese vernahm von seinem Tod, als sie im Bad saß. Sie wurde ohnmächtig und wäre ertrunken, wenn nicht eine junge Mohrin, ihre Zofe, zufällig nach ihr gesehen hätte.

Sie ließ sich mit kölnischem Wasser besprengen und saß den ganzen Tag regungslos im Erker. Unten tobte das Volk vorbei, und hin und wieder warf einer eine höhnische Kußhand zu ihr nach oben.

Der Teufel hat ihn geholt, schrie ein Schuhmacher vom Petersplatz. Er hatte einen Pakt mit ihm, der ihn auf den Papstthron gebracht hat: zwölf Jahre vier Tage dürfe er Papst sein – danach gehöre seine dreckige Seele ihm, dem Beelzebub, so galt der Vertrag. Gestern war seine Frist abgelaufen. Ein Rudel schwarzer Hunde heulte seit vorgestern in den Korridoren des Vatikans. Das waren der Oberteufel und zwölf Unterteufel.

An der Bahre Alexander Borgias ging auch der Dichter Ariost vorüber. Jemand hatte einen Zettel daran befestigt.

Ariost las: Quis jacet hic?

Sextus.

Quis funera plangit? Erynnis.

Quis comes in tanto funere obit?

Vitium.

Er blieb stehen und betrachtete lange den unförmigen Koloß, ihm sein Geheimnis zu entlocken.

Vergeblich, seufzte er, es ist vergeblich.

Vielleicht, sann er, wird er im Fegfeuer brennen. Aber das Feuer wird ihm nichts anhaben, denn es ist sein Element. Reue? Nein, Reue kannte er nicht. Er wird auch im Fegfeuer nicht bereuen, und wenn wir einst hinunter müssen, wird er noch brennen – und viele Tausende Geschlechter noch, bis ihn vielleicht eines Tages oder Nachts Gott der Herr erlöst und als Gestirn an den Himmel versetzt: Dort mag er dann weiterbrennen und sich, brennend, zum Dienst an Licht und Wärme läutern.

Aber das wird die einzige Reue sein, die wir von ihm erwarten dürfen.

Und er legte dem toten Borgia eine weiße Rose zwischen die wulstig aufgegangenen Lippen.

Die weiße Rose, die Lucrezia ihm aufgetragen hatte. Kein Priester segnete die Bestattung ein. Keine Litanei wurde gesungen.

Die Totengräber hatten Mühe, die geschwollene Leiche Alexander Borgias in den Sarg zu schaffen. Sie stopften die Fleischmasse hinein mit groben Fäusten wie Gansfüllung in eine ausgenommene Gans.

Возрастное ограничение:
12+
Дата выхода на Литрес:
30 августа 2016
Объем:
140 стр. 1 иллюстрация
Правообладатель:
Public Domain

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