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XXVIII

Karl VIII., König von Frankreich, brach mit einem wohlbewaffneten, wohldisziplinierten Heer nach Italien auf, um seine Ansprüche auf den Thron von Neapel sicherzustellen. Der Papst erließ ein Sendschreiben gegen ihn.

Die Heere der italienischen Städte und Fürsten, zusammengewürfelte Haufen von Mietlingen und Landsknechten, zerstoben vor ihm wie Spreu.

Karl VIII. zog in Florenz ein. Und das Volk erinnerte sich, daß Fra Girolamo die Ankunft eines neuen Cyrus prophezeit habe.

Klein, unansehnlich, rothaarig, krummnasig, bucklig, mit Triefaugen und einer fliehenden Stirn, einen Riesenkopf auf einem winzigen Leib, saß der König wie ein Jahrmarktsäffchen auf einem Apfelschimmel zusammengekauert.

Seine kurzen, dicken, spornlosen Beine hingen wie Uhrpendel links und rechts herunter. Er ritt, die Lanze an der Hüfte, durch ein Spalier erstaunter Florentiner Männer, Weiber und Kinder.

Ein Kind, das von seinem Vater hochgehoben wurde, um besser sehen zu können, schrie in die Totenstille: Das soll ein König sein?

Gelächter prasselte gegen die einmarschierenden Franzosen.

Aber die Italiener sollten bald merken, daß jene Mißgeburt in der Tat ein König war. —

Der Papst hatte sich gegen ihn erklärt. Das verdroß ihn. Er ließ sich über die inneren Zustände von Florenz referieren, ließ an das Volk Weißbrot verteilen und bat Savonarola zu sich. Savonarola erschien.

Der König, gewohnt, im Gehen zu reden, zog Kreise und Spiralen um ihn.

Es sah aus, als führe der kleine, buntwämsige Mann um den großen schwarzen Mann einen modischen Tanz auf. Ja – also gut – ja – ch – t —, er hatte die Angewohnheit, seine Rede mit sinnlosen Konsonanten zu spicken. Ihr seid – Fra Girolamo – ungekrönter König – ch – t – dieser – dieser Republik – oder so.

Savonarola wehrte ab und wollte etwas erwidern, aber der König trat ihm – versehentlich – auf den Fuß. Ja – ch – t – was machen wir da – Seine Heiligkeit – soi-disant – ja – in Rom – ch – t – legt mir Schwierigkeiten in meinen Weg nach Neapel – bedroht mich – ja – ch – t – eventualiter – mit dem Bann – wollte – ja – soi-disant – Eure Meinung über den casus – ch – t – vernehmen.

Er war vor Fra Girolamo stehengeblieben und sah angestrengt nach oben.

Savonarolas Stirn hatte sich verfinstert:

Majestät sind über das Wesen und Unwesen dieses – dieses Teufels, der sich durch Simonie den Papstthron angeeignet, unterrichtet?

Der König wippte von einem Fuß zum andern.

Bin – bin.

Nun denn – Fra Girolamo atmete tief auf: Ihr habt die Macht, der Christenheit (und zugleich Euch) den größten Dienst zu erweisen – den größten Dienst, der ihr je hat erwiesen werden können.

Der König zappelte:

Und – und?

Fra Girolamo sprach stark:

Setzen Sie, Majestät, wenn Sie in Rom einziehen, den Papst ab, berufen Sie ein allgemeines Konzil ein, das sein angemaßtes, durch Simonie erlangtes Pontifikat für ungültig erklärt, und Italien, Europa, die Welt wird Ihnen zujubeln als ihrem Befreier!

Der König nahm seine ruhelose Wanderung wieder auf. Ja – also – soi-disant – ich danke Euch – werde alles erwägen – Erwägung gemäß handeln – ch – t – Ihr könnt gehen.

Fra Girolamo ging.

Als er draußen war, sprang der König wie ein Kind auf die Fensterbank und sah unten den schwarzen Mönch in der prallen Sonne über den Platz gehen.

Er klatschte amüsiert mehrmals in seine Hände und war ungewiß, ob er dem Mönch, ob er sich selbst applaudiere. Ja – ch – t —, dachte er, ich habe auch von einigen römischen Kardinälen, besonders von einem gewissen – ch – t – Giovanni Battisti Orsini – Briefe bekommen – die sich in – ch – t – ähnlicher Richtung bewegen wie dieser – dieser Mönch – ja – man muß alles erwägen – und – dann das Richtige tun – ch – t.

Fra Girolamo kniete in seiner Zelle vor dem Kruzifix.

Herr, Herr – ich danke dir für deine Gnade und deine herrliche Hilfe! O erleuchte das Hirn des Königs von Frankreich mit deiner ewigen Ampel! Der Tempel des Antichrists in Rom wankt – er wird stürzen – ich ahne es, weiß es aus deinen himmlischen Zeichen! O laß mich Simson sein, der die Säulen des Tempels stürzt! Sein Antlitz verklärte sich.

Ich spüre ein großes Beben der Erde – der rote Teufel auf Sankt Petri Thron erbleicht kalkweiß – er fällt – er bricht zusammen – ich setze ihm den Fuß auf den Nacken.

XXIX

Im Triumph zog Karl VIII. durch Italien. Er gelangt vor die Tore Roms. In aller Eile verschanzt sich Alexander in der Engelsburg. Jetzt kommt es ihm zustatten, daß er Tausende, Abertausende Dukaten und Ablaßpfennige zu ihrer Befestigung verwandt hat.

Karl VIII. schließt die Engelsburg ein und plant einen Sturmangriff.

Er muß einsehen, daß er bei der Stärke der Bastionen nicht viel Chancen hat. Auch hat er die Kraft des Papstsymbols unterschätzt. Seine Soldaten murren.

Sie wollen nicht gegen den ‚Statthalter Christi‘ kämpfen. Es bleibt beiden Parteien nichts anderes übrig, als einen Vertrag zu schließen.

Johannes Burkhard, der päpstliche Zeremonienmeister, ritt dem König von Frankreich entgegen, um die Zeremonien für seinen Empfang festzulegen.

Der König schüttelte den Kopf:

Lassen wir – ch – t – den Pomp. Ich komme, wie ich komme.

Johannes Burkhard sah auf seine gepflegten Fingernägel, das einzige, was er pflegte, da er Waschen für ungesund hielt und sich nur mit Salben und Puder reinigte:

Seine Heiligkeit bittet Eure Majestät, ihr eine Persönlichkeit auszuliefern, die dem Herzen Seiner Heiligkeit nahesteht und die Eurer Majestät durch einen unglücklichen Zufall bei einem Spazierritt in die Hände fiel —

Der König meckerte:

Durch einen – ch – t – glücklichen Zufall. Ich bitte um bare dreitausend Dukaten, und Ihr könnt – soi-disant – die Persönlichkeit gleich mitnehmen.

Johannes Burkhard zog einen Beutel Geld, den der Papst ihm mitgegeben hatte, und begann, die Dukaten aufzuzählen.

Der König zählte eifrig mit.

Es stimmt. – Er rieb sich die knolligen Hände. Ihr könnt Madonna Julia Farnese mit einer Empfehlung an Seine Heiligkeit gleich mitnehmen. Sie hat sich schon die Augen ausgeweint. Die schönen Augen!

Karl VIII. fordert vom Papst als Geisel für genaue Vertragserfüllung seinen Sohn Cesare und den türkischen Prinzen Dschem auf sechs Monate.

Erst ist Alexander empört.

Nach einer Unterredung mit Cesare unter vier Augen gibt er lächelnd seine Zustimmung.

Papst und König stehen im vatikanischen Garten, beide barhäuptig, sich gegenüber und messen sich. Der König neigt dreimal das Knie und wirft den Kürbiskopf ganz in den Nacken, um zum Papst hinaufsehen zu können, der an Stelle der Hand des Königs seine eigene Hand küßt.

Dieses Lächeln, denkt Karl, gefällt mir nicht. Ich muß auf der Hut sein.

Und Papst Alexander sieht den König häßlich grinsen.

Und denkt das Gleiche.

Eure Majestät wird mich, sagt der Papst langsam, jedes Wort sorgsam wählend, morgen bei einem öffentlichen Konsistorium im Beisein der Kardinäle als wahren Papst und rechtmäßigen Statthalter und Nachfolger Petri anerkennen und mir den Treueid leisten.

Der König zaudert einen Moment.

In des drei Teufels Namen, meckert er.

Cesare Borgia, der Schöne, ritt im Kardinalspurpur auf einem Maultier neben Karl VIII., dem Häßlichen, die Straße nach Neapel.

Aber schon nach wenigen Miglien ließ er den König, scheinbar voller Devotion, vorausreiten. Ihm war leicht übel geworden, denn Karl VIII. roch aus dem Mund.

Dem Borgiakardinal folgten dreißig mit Gepäck belastete Maulesel und neunzehn Wagen voller Koffer und Kisten.

In Marino wird zum ersten Male übernachtet. Cesare Borgia wünschte dem König eine gesegnete Nacht und lehnte die Kartenpartie, die ihm dieser anbot, höflich ab.

Am nächsten Morgen, als ein Adjutant des Königs den Kardinal in seinem Zelt wecken wollte, war dieser nicht aufzufinden.

Er war noch vor Mitternacht in der Tracht eines Pferdeknechtes entflohen und nach Rom zurückgaloppiert.

Karl VIII. schlug vor Wut den Offizier, der ihm die Nachricht brachte, mit der Reitpeitsche ins Gesicht.

Und die vielen Koffer und Kisten, sein ganzes kostbares Gepäck, läßt er mir nichts, dir nichts zurück?

Er befahl, die Koffer und Kisten aufzubrechen. Sie enthielten nur Stroh und Feldsteine.

XXX

Ohne Widerstand zu finden, marschierte Karl VIII. in Neapel ein.

König Alfons II. von Neapel hatte sich aus dem Staube gemacht.

Der französische König triumphierte.

Er stand auf dem Posilip, sah die Stadt Neapel zu seinen Füßen, im Westen das blaue Meer mit den Inseln Capri und Ischia, im Süden den Vesuv, um dessen Haupt eine Rauchwolke lag.

Er fuhr mit seiner kleinen, dicken, mit zahlreichen Warzen bedeckten Hand flach über die Landschaft.

Ich habe den Höhepunkt meiner Macht erreicht.

Dies alles – ist mein.

Mir, dem Häßlichen, ist diese schöne Landschaft untertan.

Und wunderlich fühlte er, der Ungeliebte, Lieblose, sich zur Liebe angeregt.

Er ließ einige Fischermädchen aus Santa Lucia kommen und vergnügte sich mit Laura, der schönsten,, einer jungen sechzehnjährigen Capreserin, bis in den frühen Morgen. Halb ohnmächtig vor Ekel taumelte sie nach Santa Lucia zurück, fuhr in einem winzigen Boot nach Capri hinüber und stürzte sich von der geliebten Heimaterde bei den Faraglioni in das ersehnte heimatliche Meer.

Delphine tanzten um ihren sinkenden, im grünen Wasser phosphoreszierenden Leichnam.

Ein Sägefisch durchschnitt ihr barmherzig die Brust, und ein junger Hai fraß zärtlich ihren rechten Arm.

Dann nahm die friedvolle Tiefe sie auf. Meerspinnen schritten leicht und doch gewichtig über sie dahin. In ihren Augenhöhlen richteten sich Krebse wohnlich ein. Ein Tintenfisch ruhte, nach einem unentschiedenen Kampf mit einem Hummer, sich bei ihr aus.

Cesare Borgia flog stürmisch in die Arme seines Vaters.

Gerettet!

Der Papst strich ihm zärtlich über den Hinterkopf:

Ich bin nicht müßig gewesen. Wir bringen eine ‚Heilige Liga zur Aufrechterhaltung der Würde des Heiligen Stuhles‘ zusammen. Warte ein halbes Jahr: der Kaiser in Deutschland, der König von Spanien und die Mehrzahl der italienischen Fürsten und Städte werden unserm Bund gegen Gewährung von Sonderablässen, Steuernverzicht, Gewährung von Subsidien beitreten. Trionfo Borgia! Trionfo Borgia! wiederholte Cesare und faßte an den Dolch in seinem Wehrgehenk.

Karl VIII. wurde des Besitztums von Neapel nicht froh.

Mit dem geflohenen Borgia hatte ihn sein Glück verlassen.

Prinz Dschem, die türkische Geisel, starb wenige Tage später, wie offiziell verlautbarte, an einem verdorbenen Thunfisch. Es gab aber nicht wenige, die den Verdacht äußerten, der Borgia habe ihm noch vor seiner beschleunigten Abreise ein weißes Pulver in den Abendtrunk geschüttet.

Ratlos umstanden Arzt und Krankenpfleger sein Sterbelager.

Niemand verstand Türkisch.

Der König schrie ihn mit erregten Gestikulationen an.

Hilflos wie ein sterbendes Tier riß der Türke die entzündeten Augen auf.

Seine letzten Worte waren:

Hajwan ölür Szemeri Kalyr, inszamölür ady Valyr —

Unter dem Einfluß des heißen neapolitanischen Klimas lockerte sich nach und nach im Heere Karls bedenklich die Disziplin.

Die französischen Soldaten gerieten in einen Taumel von Hurerei. Am hellichten Tag stolperte man in dunklen Gassen und auf Treppen über verschlungene und verkrampfte Paare.

Es brach in der französischen Armee eine Epidemie aus, die man die Franzosenkrankheit nannte und die Tausende von Soldaten hinraffte.

Karl war verzweifelt.

Er erhielt durch reitende Kuriere die Nachricht vom Zusammenschluß der ‚Heiligen Liga zur Aufrechterhaltung der Würde des Heiligen Stuhles‘ und von der Weigerung des Papstes, trotz Vertrag, ihn mit Neapel zu belehnen.

Die Würde dieses päpstlichen Stuhles wollen sie aufrechterhalten! Ch – t —! Auf einen Wort- und Vertragsbruch mehr kam es diesem … , er fand kein Schmähwort niedrig genug, nicht an.

Karl trat den Rückzug von Neapel an: mit einer dezimierten, deprimierten Soldateska. Rom hatte der Papst vorsichtigerweise verlassen und hielt sich in Orvieto verborgen. Karl fand ihn nicht vor.

Bei Fortenuovo stand das Heer der Liga, bereit, Karl völlig zu vernichten.

Durch einen Trugmarsch gelang es ihm, die Schlacht zu vermeiden und die französische Grenze zu überschreiten.

In Paris angekommen, brach er zusammen. Er wollte keinen Menschen mehr sehen.

Ein Rabe, ein Affe und ein schwarzer Hund leisteten ihm bei seinem Tode Gesellschaft. Ludwig XII. bestieg den französischen Thron.

XXXI

Der Papst meinte:

Die Florentiner sind Verfassungsnarren. Sie geben sich alle Augenblicke eine andere Verfassung und befinden sich trotzdem immer in schlechter Verfassung. Sie gehen nicht vom lebendigen Leben, vom Menschen aus, sondern von einer Fiktion ‚Politik‘ und konstruieren rein mathematisch Parlamente und Räte und Wahlrechte und was weiß ich. Dieser Fra Girolamo ist ja auch nichts anderes als ein Konstruktor. Er will eine Herrschaft ‚der Besten‘. Von den sechzehn Stadtvierteln der Stadt Florenz soll jeder ‚die Beste n‘ seines Viertels wählen, die sechzehn Besten wieder den Besten unter sich. Wer, glaubst du wohl, Cesare, wird schließlich zur Macht kommen?

Cesare lächelte sein höfliches Lächeln:

Derjenige Allerbeste, der die übrigen fünfzehn aufknüpfen läßt.

Seine Heiligkeit, Papst Alexander VI., an den Prior und die Brüder des Klosters San Marco des Predigerordens der Dominikaner zu Florenz:

Meine geliebten Söhne! Gruß und apostolischen Segen zuvor!

Wir haben zu unserem Entsetzen und zu unserer tiefen Betrübnis vernommen, daß ein gewisser Fra Girolamo Savonarola aus Ferrara, der aus eurer Mitte stammt, sich zum Verkünder teuflischer Irrlehren, Ketzereien und aufrührerischer Bestrebungen aufgeworfen hat. Er behauptet gotteslästerlicherweise, von Gott selbst erleuchtet zu sein. Aber es ist die Fackel des Teufels, die über ihm brennt und die derselbe als erster in den Scheiterhaufen schleudern wird, den ein gerechtes Gericht ihm errichten wird. Denn der Teufel kennt keine Dankbarkeit und läßt hohnlachend die von ihm verführten Seelen im Stich.

Ich habe mit apostolischer Geduld gewartet und geharrt, er werde sich seines eingebildeten Prophetentums bewußt werden und reumütig zu dem Kreuze Christi kriechen, das wir ihm sehnsüchtig entgegenstreckten. Mitnichten! Ich habe mich getäuscht. Von Gott dem Herrn beauftragt, das Gebäude Christi vor allen Erschütterungen zu bewahren, sehe ich mich zerrissenen Herzens gezwungen, um der Kirche den ersehnten Frieden und Eintracht wiederzugeben, die Erledigung der leidigen Angelegenheit dem Generalvikar Bruder Sebastian von Brescia zu übertragen, dem, bei Androhung der sofortigen Exkommunikation im Fall der Aufsässigkeit, unbedingter und bedingungsloser Gehorsam zu leisten ist.

Gegeben und gesiegelt

Rom … etc.

Der Papst empfing einige Briefe von Fra Girolamo. Er öffnete sie nicht und las sie nicht.

Er drehte Papierkügelchen aus ihnen und schoß von einem Fenster des Vatikans mit dem Blasrohr nach den Spatzen.

XXXII

Der Brief des Papstes tat seine Wirkung.

Es lief bald das Gerücht durch die Gassen von Florenz, der Papst habe über Fra Girolamo den Bann verhängt.

Es kamen auch Nachrichten, daß der Papst im Kampf gegen Karl VIII., der gekommen war, ihn seines hohen Amtes zu entsetzen, obgesiegt.

Und Zweifel und Kleinmut begann sich der Bürger von Florenz zu bemächtigen.

Der Papst, mag er sein, wie und was er wolle – er ist immerhin der Papst. Er hat seine Gewalt von Gott dem Herrn. Und alle Priester haben sie erst wiederum von ihm, dem Papst.

Er mag ein großer Sünder sein – aber sind wir es nicht allzumal, wie Fra Girolamo selbst predigt? Und wenn er als Mensch fehlt, braucht er darum als Papst zu fehlen? Ist er als Papst nicht das Gefäß Gottes – der seine Weisheit und Erkenntnis darein geußt? Darf ein Priester wider die päpstliche Priesterschaft löcken? War nicht vielleicht das plötzliche Auftreten der Pest in Florenz eine Strafe Gottes für das lästerliche und ketzerische Treiben des Fra Girolamo?

Kaum war vom Papst der Kirchenbann gegen ihn geschleudert, öffentlich verkündet von den Kanzeln in Santo Spirito und Santa Maria Novella, als einige Tage später, im Borgo di Ricoboli zuerst, die Pest ausbrach. Es starben den ersten Tag sechzig Personen, den zweiten achtzig, den dritten schon zweihundert. Viele reiche Leute flohen.

Fra Girolamo blieb, besuchte die Kranken und predigte, der Exkommunikation nicht achtend:

Es sterben durch Gottes Ratschluß die Erwachsenen, die sich der Sünde dieser Welt teilhaftig gemacht.

Aber Gott läßt die Kinder leben, damit ein neues Geschlecht heranwachse, unbelastet von der Schuld der Väter. Und in der Tat starb an der Seuche kein Kind und kein junger Mensch unter zwanzig Jahren.

Aber die Florentiner glaubten seinen Prophezeiungen nicht mehr.

Der Bann des Papstes war stärker als der Bann der Persönlichkeit des Fra Girolamo.

Auf den Straßen fielen Spaziergänger tot um, und die Träger mit der Bahre kamen und trugen sie schweigend davon. Im Juli verfinsterte sich plötzlich die Sonne, und es wurde dunkle Nacht am hellen Tag. Und als es wieder licht wurde, waren die Straßen besät mit Leichen. An den Haustoren standen etliche, die waren im Stehen gestorben. Auf dem Mercato Nuovo, an einer Wechselbank, saß ein alter jüdischer Wechsler, den Kopf in die Hand gestützt, über eine Rolle Dukaten gebeugt.

Er schien zu schlafen.

Es hieß, daß der Teufel nachts in den Straßen von Florenz sein Unwesen treibe. Alle Tage meldete sich jemand, der ihn gesehen haben wollte: mit rotglühenden Augen, in Gestalt eines aufrecht schreitenden Fuchses, den langen buschigen Schweif elegant wie eine Schleppe übern rechten Vorderfuß geschlagen.

Selbst der von Fra Girolamo so innig geliebten und gerühmten Jugend begann sich Verwirrung und Aufsässigkeit zu bemächtigen.

Eines Nachmittags zog ein Haufen zehn- bis zwölfjähriger Kinder auf die Piazza della Signoria.

Sie schleppten ein Kreuz mit sich, Hammer und Nägel und hätten einen der Ihren, einen kleinen Idioten von sieben Jahren, regelrecht gekreuzigt, wenn nicht zwei Stadtpolizisten des Weges gekommen und sie daran gehindert hätten.

Aber diesen zwei Polizisten, zwei stämmigen toskanischen Burschen, ging es übel genug, indem der Idiot sie in die Hände biß und die Kinder wie wahnsinnig mit dem Kreuz auf sie einschlugen. Nur mit Mühe konnten die Kinder überwältigt werden.

Fra Girolamp war erschüttert.

Er stellte noch einmal seine Thesen auf und schlug sie an die Tür des Domes:

Gottes einige und einzige Kirche bedarf der völligen inneren und innerlichen Erneuerung.

Gott wird sie züchtigen,

Gott wird sie erneuern.

Florenz wird gezüchtigt werden,

Florenz wird erneuert werden.

Die Heiden, Türken, Ungläubigen werden sich zu Christus bekehren.

All das wird in unsern Zeiten geschehen.

Die von Seiner Unheiligkeit, dem Herrn Antipapst, gegen den Bruder Fra Girolamo ausgesprochene Exkommunikation ist null und nichtig.

Wer sie nicht beachtet, sündigt nicht. —

Eigenhändig geschrieben und unterzeichnet. Florenz, Kloster des San Marco

Fra Girolamo.

In seiner Verzweiflung schrieb er Briefe an Kaiser Maximilian, an die Könige von Spanien, Frankreich, England, Ungarn und flehte sie an, gegen den Antichrist aufzutreten und ein Konzil zu berufen. Vor dem Konzil wolle er gegen den falschen Papst eine wohlbegründete Anklagerede halten. Der Papst solle ihm und dem Konzil dann Rede und Antwort stehen.

Wider den ausdrücklichen Befehl der Signoria wagte Fra Girolamo nochmals, die Kanzel von San Marco zu besteigen.

Er hatte kaum den Mund aufgetan, als ein ohrenbetäubendes Geschrei gegen ihn anhub.

Er kam zu keinem Wort.

Seine Freunde wagten nicht mehr, für ihn einzutreten, und schlichen beschämt einer nach dem andern aus der Kirche. Die Kinder auf der Straße entzogen sich ihm unwillig, wenn er über ihre Stirne streichen und sie streicheln wollte. Der kleine Idiot, der sich hatte ans Kreuz schlagen lassen wollen, spuckte vor ihm aus. Und einige andere warfen nach ihm mit Pferdemist, der an seiner Kutte kleben blieb.

XXXIII

Die Mandatare des Papstes waren die Venezianer Giocchino Turriano, General des Dominikanerordens, und der Spanier Francesco Remolino.

Höre, mein Sohn, so nahm der Papst den kleinen, bösartig liebenswürdigen Francesco Remolino, den ehemaligen Erzieher Cesares, beim Abschied zur Seite, ich rede als Spanier zu dir. Von Spanier zu Spanier. Du bist wie ich ein Liebhaber der Corrida, des Stierkampfes. Es gibt kleine, widerhakige Speere, die man den Stieren in den Leib stößt, um sie bis aufs Blut zu reizen. Stoß dem Frater Girolamo solche Spieße in den Bauch. Spiel den Picador. Foltere ihn, bis er bekennt, was du willst. Er muß sterben, und wäre er Johannes der Täufer redivivus.

Geht es nicht anders, so mußt du ihn zum Geständnis verlocken und verführen. Versprich ihm, wenn er gesteht, so solle er nur eine Woche im Gefängnis bleiben. Du hältst strikt dein Wort, läßt ihn nach einer Woche aus dem Gefängnis – aber nur, um ihn aufzuhängen. Versprich ihm auch ruhig das Leben – ein anderer wird das Todesurteil sprechen. Man muß sich immer an die Wahrheit halten. Ein naiver Mensch wird solche Methoden als ränkevoll und hinterhältig bezeichnen. Aber was meint der Apostel Paulus anderes, wenn er sagt: Da ich schlau war, habe ich sie mit List gefangen. – Wir müssen schlau sein, Francesco Remolino.

Der Spanier verbeugte sich ölig lächelnd. Eure Heiligkeit werden mit mir zufrieden sein.

Der Spanier ließ sofort nach seiner Ankunft in Florenz in der Küraßmacherzunft ein dickes Seil mit einem Flaschenzug aufstellen. Er ordnete die Folterinstrumente und folterte ihn in der rechten Reihenfolge. Er setzte ihm zuerst die Daumenschrauben an, danach die Handschrauben, danach die spanischen Stiefel, danach den spanischen Bock. Es folgten die Knöchelfolter, die Rutenfolter, die Fußzehenfolter, das Schnüren, die Strickfolter. Der Spanier selbst band Fra Girolamo an den Folterstrick und zog ihn an den Armen vierzehnmal auf und nieder. Die Füße waren mit Steinen beschwert.

Bekenne, lächelte der Spanier, bekenne!

Muskeln und Sehnen zogen sich knarrend und rissen. Beim dreizehntenmal, das Blut schoß ihm aus Mund, Nase und Ohren, bekannte er alles, was die Folterknechte von ihm bekannt haben wollten. Der gespickte Hase und die Stachelwiege traten nicht mehr in Funktion. Es war auch nicht nötig, zur Eruierung der Wahrheit jene gerichtlich angestellten Ziegen herbeizuziehen, die die künstlich wundgemachten Fußsohlen des Delinquenten, in die man Salz streute, zu belecken hatten.

Turriano selbst protokollierte des Fraters Aussagen, der sich jeglicher Ketzerei und Teufelei ‚aus freien Stücken‘ beschuldigte:

So wahr mir Gott helfe!

Er habe nur dem Teufel gedient, und alle seine Prophezeiungen seien ihm vom Teufel eingeblasen worden, der ihn auch zum Aufstand wider den Heiligen Stuhl aufgepeitscht mit einer Geißel aus Feuerstrahlen.

Als das Volk von Florenz vernahm, daß Fra Girolamo unter der Folter seine sieben Todsünden gestanden habe, da wandte es sich verächtlich ganz von ihm.

Wenn er ein wahrer Prophet wäre, hätte er nicht widerrufen. Auch unter der Folter nicht!

Und einer nach dem andern seiner Freunde fiel von ihm ab. Und die ihm am nächsten gestanden, hielten sich am fernsten.

Und wenn man sie fragte:

Ihr wäret doch mit diesem Fra Girolamo auf du und du? – da öffneten sie groß ihre Augen und sagten:

Wie? Dieser Ketzer Girolamo? Das muß ein Irrtum sein. Ich kenne ihn nur ganz flüchtig und von weitem – von seinen verfluchten, ketzerischen Predigten her.

Auf der Piazza della Signoria war der Scheiterhaufen errichtet und eine Zuschauertribüne mit komfortablen Sitzplätzen. Es kostete der erste Platz eine Lira, der zweite Platz zwei Quattrinos, der dritte Platz fünf Denare. Auf den Stehplätzen gingen die Henkersknechte mit Tellern sammeln.

Viel Volk aus Florenz und Umgebung hatte sich versammelt, darunter viele Männer, Frauen, Kinder, die ihn geliebt hatten und ihrer Liebe untreu geworden waren in der Zeit der Prüfung.

Aber niemand hob die Hand für ihn. Nur einige Frauen schluchzten, und ein kleiner, elfjähriger Junge warf mit Steinen nach dem Henker.

Fra Girolamo wurde mit allen Insignien seines Ordens bekleidet auf den Richtplatz geführt.

Domherren, Priester, Ratsherren, Beamte, Hauptleute erwarteten ihn.

Der General der Dominikaner trat auf ihn zu und riß ihm ein Insignium nach dem andern herunter mit den Worten:

Separo te ab ecclesia militante, non triumphante!

Fra Girolamo erwiderte ihm ruhig: Militante, non triumphante: hoc enim tuum non est!

Die Henker fesselten ihm die Hände auf dem Rücken zusammen und führten ihn zum Scheiterhaufen, wo er in der Mitte an einem dicken Baum gebunden wurde.

Auf dem letzten Wege drängte sich ein Buckliger, ein zudringliches Mitglied der Compagnia di Santa Maria del Tempio an ihn heran, deren Amt es sonst war, die zum Tod Verurteilten zu trösten und zu begraben.

Willst du Trost, Frater? Kostet eine Lira. – Einen kleinen Trost? Kostet nur ein paar Soldi.

Sie entzündeten den Reisighaufen. Am Himmel hatte sich ein Gewitter gesammelt. Es begann zu tröpfeln, zu donnern und zu blitzen.

Fra Girolamo brannte und wurde in der Flamme verzückt: Ich sehe einen Engel vom Himmel herabschreiten, der ist mit einer Wolke bekleidet, ein Regenbogen ist um seine Stirn gebunden. Er trägt Gottes feuriges Schwert in der Rechten und wird es fürchterlich über den Menschen schwingen, und seine Stimme ist der Donner, und sie tönt gewaltig über die Erde, und seine Linke trägt die Schale des Zorns, ihn auszugießen über die Erde.

Wehe, wehe der großen Stadt Babylon! Das Gericht ist bald gekommen!

Gold, Edelsteine, Seide, Purpur, Elfenbein, Marmor, Ebenholz,

Wein, Weizen, Vieh, Mensch, alles wird vergehen in einer Stunde.

O Engel des Herrn, entführe mich dem Untergang!

Stoß dein brennendes Schwert in mein dir entgegenbebendes Herz!

Ich flamme! Ich brenne! Ich leuchte in der Liebe Gottes! O ich Fackel Gottes! Ich leuchte über alle Meere und Länder in die Dunkelheit der Erde!

Und er begann zu singen:

 
Lasciatemi morire!
e che volete
che mi conforte
in cosi dura sorte
in cosi gran martire?
Lasciatemi morire!
 

Zwei Stunden brannte der Frater.

Zuerst fiel ihm der linke, dann der rechte Arm ab.

Als er verbrannt war, nahmen die Henker die Asche, sammelten sie und schütteten sie in den Arno, damit nicht ein Stäubchen von ihm bliebe, daß der Nachwelt als Reliquie dienen könne.

Jener Knabe aber, der mit Steinen nach den Henkern geworfen hatte, sprang in den Fluß und erreichte schwimmend ein Stück Kohle, nahm es, wie ein Hund einen Stock apportiert, in den Mund und schwamm zurück ans Ufer, wo er alsbald im Gewirr der Gassen verschwand.

Im Juni danach machte eine merkwürdige Art von schwarzen Raupen, die man bisher noch nie dort gesehen, die Wiesen von Florenz unsicher.

Sie hatten menschenähnliche Köpfe, deren Gesichtsform die Züge des Paters Savonarola zu zeigen schien.

Sie fraßen nur das niederste und unnützeste Unkraut: den Dornstrauch.

Es gab eine vortreffliche Getreideernte, und der Stajo fiel auf dreißig Soldi.

Возрастное ограничение:
12+
Дата выхода на Литрес:
30 августа 2016
Объем:
140 стр. 1 иллюстрация
Правообладатель:
Public Domain

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