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Читать книгу: «Borgia», страница 2

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VII

Der Bildhauer Umberto arbeitete an einer Statue der Juno.

Rodrigo Borgia sah sie in seinem Atelier. Er war entzückt.

Er ging auf Zehenspitzen um sie herum. Er zog den Vorhang am Fenster auf und zu, um Licht und Schatten zu studieren.

Er strich ihr mit der Hand über Wangen und Brüste und streichelte zärtlich die Knie. Was willst du dafür haben, Umberto?

Umberto wand sich vor Verlegenheit wie ein Regenwurm.

Die Statue ist bestellt, Eure Eminenz.

Ich zahle das Doppelte.

Sie ist bestellt – von dem Urbild.

Wie – Juno sitzt Euch Modell?

Der Bildhauer nickte.

Ich zahle Euch das Dreifache – und Ihr könnt die Statue behalten – wenn Ihr mich einer Sitzung beiwohnen laßt.

Eure Eminenz —

Hinter dem Teppich dort – oben auf dem Hängeboden oder —

Es klopfte.

Der Kardinal sprang hinter den Vorhang.

Die Vanozza erschien.

Wir sind allein?

Allein.

Sie warf die Kleider ab.

Zitternd führte der Bildhauer Meißel und Hammer.

Die Vanozza wurde aufmerksam.

Was habt Ihr, Umberto? Seid Ihr nicht wohl?

Umberto wischte sich den Schweiß von der Stirn.

Es ist heute heiß im Atelier.

Der Teppich verschob sich.

Die Vanozza kehrte sich um.

Nackt wie sie selbst trat Rodrigo Borgia auf sie zu.

Möge Juno verzeihen, wenn Zeus ohne Ankündigung seines Besuches sich ihr zu nahen wagt.

Und zu dem Bildhauer:

Umberto – geht – Ihr müßt neuen Ton besorgen – es gilt, ein Duo in Stein zu schaffen: Zeus wirbt um Juno.

Blasser als Marmor schlich Umberto, der Bildhauer, ohne sich noch einmal umzusehen, aus seinem Atelier.

VIII

Von oben bis unten ist der Kardinal mit Blut befleckt. Er sieht wie ein Metzger aus, der einen Ochsen schlecht geschlachtet hat. Sein feistes, öliges, aber schönes Gesicht verzieht sich zwischen Grinsen und Greinen.

Die Soutane ist hin, denkt er, der Stoff – von Bontempoli in Mailand – war gut. Aber zu teuer, zu teuer. Ich werde es einmal mit einem kleinen jüdischen Restehändler in der Via Veneto versuchen. Der Mann soll äußerst preiswert liefern. Spare ich am Meter drei Groschen, so —

Er verlor sich in komplizierte Berechnungen. Plötzlich fiel sein Blick auf die Vanozza, der er Geburtshelferdienste geleistet hatte. Auf der Piazza Prizzi di Merlo hatte er ihr in der Nähe seines Palastes ein Haus eingerichtet. Es fehlte nichts an der Einrichtung. Nicht einmal ein Mann. Er verheiratete sie mit Giorgio de Croce, einem nachgiebigen, käuflichen Herrn, den er zum Vater seiner Kinder bestimmte. – Die Vanozza lag, nach der Qual der Wehen in tiefen Schlaf versunken, auf dem Lager. Arzt und Hebamme liefen lautlos wie zwei Eichhörnchen auf dem Teppich hin und her. Im Hintergrund am Fenster saß ein spanischer Astrologe mit seinen Instrumenten und Karten, sah nach dem Himmel und stellte dem Kind das Horoskop.

Die Hebamme hatte das Kind gebadet. Sie brachte es in einem reinlichen Steckkissen, das sie dem Vater vor die dicke, mit Sommersprossen bedeckte Nase hielt.

– Es ist ein Mädchen, sagte sie.

Rodrigo Borgia fuhr mit dem rechten Zeigefinger über die Stirn des winzigen Wesens und schlug mechanisch das Kreuz. Ein Mädchen! dachte er. Ich hatte einen Knaben erwartet. Davon kann man nie genug haben. Stammhalter. Borgia. Aber es sei. Juan und Cesare sind ja schon eingetroffen. Man sagt, daß es einen Knaben gibt, wenn der Mann mehr liebt, und ein Mädchen, wenn die Frau mehr liebt.

Er sah von dem Kind zur Mutter hinüber. Was müßte es da eigentlich geben, wenn weder Vater noch Mutter liebten?

Er grübelte.

Das Kind verzog jetzt sein verwittertes, greisenhaftes Gesicht noch mehr, so daß es aussah, als ob eine unsichtbare Hand ein Paket Pergamentpapier zerknittere. Dann öffnete es plötzlich die verklebten Augen einen kleinen Spalt. Es schien zwischen den Lidern hindurch den fetten, großen Mann, der vor ihm stand, prüfen und ergründen zu wollen.

Du bist mein Vater? fragte es erstaunt. Hast du irgendwelche Vorstellungen von mir gehabt, als du mich schufst? Wolltest du einen Menschen deines unreinen Blutes; oder wolltest du vielleicht etwas Liebliches, Schönes, Sanftes, Zartes, Edles – alles Eigenheiten, die dir und deiner Familie fremd sind? Wolltest du dich selber überdauern – einen Hauch Ewigkeit in den Sturm der Zeit blasen —, oder bin ich dir nur zufällig so entwischt – wie du nach dem Essen, dich zu erleichtern, einen Dampf aus dem Darm fahren läßt?

Die Augen des Kindes hinter den Lidern fragten, ohne eine Antwort zu bekommen. Sie glitzerten in einem unbestimmten, silbrigen Glanz, und es war noch nicht zu erkennen, ob es blaue, braune oder schwarze Augen geben würde.

IX

Am siebenten Geburtstag Cesares erscheint Rodrigo Borgia in seines Sohnes Zimmer, um ihn mit einem väterlichen Kuß zu wecken.

Adriana Mila, die Tante, trägt einen Maiskuchen, in dem sieben Kerzen stecken, die eine verdächtige Ähnlichkeit mit Phallen haben. Rodrigo dreht eine Pergamentrolle in der Faust.

Der Knabe, noch ganz verschlafen, streckt die Hände danach aus.

Sollst du haben, mein Söhnchen, sollst du haben, und alles, was auf dem Papier geschrieben steht, dazu.

Und Rodrigo Borgia entfaltet die Rolle und beginnt zu lesen:

Alle Einkünfte der Präbenden und Kanonikate des Domes von Valencia fallen Signor Cesare Borgia zu. – Der Signor Cesare Borgia bist du! sagt stolz der Vater und tippt dem Knaben auf die Stirn. – Er wird zum Schatzmeister von Cartagena ernannt. – Der Schatzmeister von Cartagena, das bist du. Rodrigo lacht, daß seine etwas feisten Wangentaschen scheppern.

Der Knabe wird böse.

Lach nicht, Papa. Das Leben ist ernst. Don Rodrigo hält inne, stutzt. Dann streichelt er den Sohn zärtlich mit der päpstlichen Bulle.

Du hast recht, Cesarino, bist sieben Jahre alt und so klug, so klug. Wirst es weit bringen. Er geht und läßt das Pergament.

Der Knabe springt aus dem Bett. Ihn kommt ein natürliches Bedürfnis an. Er zieht ein silbernes Nachtgefäß unter dem Bett hervor. Und da es ihm an Papier mangelt, zerreißt er die päpstliche Bulle Sixtus‘ IV., die ihn soeben zum Schatzmeister von Cartagena ernannte.

X

Lucrezia wird als Primadonna d‘Italia von ihrer Tante Adriana zusammen mit Julia Farnese, genannt ‚die Schöne‘, aufgezogen.

Die beiden jungen Mädchen wetteifern miteinander an Schönheit und Grazie.

Jeden Abend, wenn die Tante zu Bett gegangen, treten sie nebeneinander nackt vor den Spiegel.

Sie beobachten, wie ihre Brüste sanft sich zu runden beginnen, wie immer dichter der Flaum zwischen ihren Schenkeln sproßt.

Jede ist auf die andere eifersüchtig, und jede preist verlogen die Schönheit der andern. Julia sagt:

Wie wunderschöne kornblonde Haare du hast, Lucrezia!

Lucrezia sagt:

Wie zart die Wölbung deiner Brüste! Es sind die beiden Hälften der Erdkugel, die aus dir hervorquellen.

Sie funkeln sich haßerfüllt an.

Julia sagt spitz:

Wie meinst du das mit dem ‚Hervorquellen‘? Bin ich dir vielleicht zu dick? Lucrezia kräuselt die Lippen:

Aber Julia! Du bist schlank wie ein Knabe – so schlank wie Cesare.

Julia wird rot wie ein Hummer:

Also bin ich zu mager, wie?

Sie fährt auf Lucrezia los und ihr mit dem Kamm ihrer Finger durch das gelöste blonde Haar.

Lucrezia schreit auf und beißt Julia in die Schulter, daß das Blut rinnt.

Julia läßt los:

Du bist grob! Und du bist schlecht erzogen.

Genau wie du – von Tante Adriana.

Sie sehen sich unter Tränen an.

Dann lächeln sie plötzlich.

Sie stürzen sich in die Arme, und selig spürt jede den nackten heißen Leib der andern.

Lucrezia ließ sich aus diplomatischen Gründen, ohne Widerrede und ohne daß sie ihn auch nur gesehen hätte, fünfzehnjährig mit Giovanni Sforza in absentia vermählen.

Wenn er kein Borgia ist, so ist ein Mann wie der andere. Wenn er einmal die Woche badet, sich zweimal täglich den Mund spült und dreimal des Nachts seine eheliche Pflicht erfüllt, wird sich mit ihm leben lassen.

Einige Wochen nach der Hochzeit verfolgte sie auf einem Spaziergang rechts des Tibers ein stattlicher junger Mann, dem sie nicht zu entgehen vermochte.

Sie floh in einen Olivenhain.

Der Jüngling folgte ihr.

Da er ihr gefiel, gab sie sich ihm hin.

Erst später, als er sich vorstellte, zeigte es sich, daß es Giovanni Sforza, ihr Mann, war, mit dem sie, ohne es zu wissen, die Ehe vollzogen hatte.

Diese Ehe sollte nicht lange dauern. Die Gründe, die Rodrigo zu dieser Ehe bewogen hatten, bestanden bald nicht mehr.

Die Sforza konnten ihm nicht mehr von Nutzen sein.

Er hatte sich getäuscht. Er korrigierte sich sofort.

Er ließ von einem Kardinalskollegium die Ehe der Lucrezia Borgia und des Giovanni Sforza wegen ‚impotentia coeundi‘ des Ehemannes trennen.

XI

Cesare wird vom Vater zum geistlichen Stand bestimmt, während Juan, der Erstgeborene, die weltliche, die politische Karriere einschlägt.

Cesare soll in Perugia, der Hauptstadt Umbriens, Jura und Theologie studieren. Als Hofmeister wird ihm der Spanier Francesco Remolino beigegeben.

Cesare bildet sich zum vollkommenen Cortegiano, zum Mann von Welt aus.

Er reitet, schwimmt, tanzt.

Er liest die griechischen und lateinischen Klassiker, vor allem Cäsar, Livius und Herodot.

Er ficht Florett und Degen.

Er springt, ringt, singt.

Man muß, so sagt er zu Francesco Remolino, sein Leben als schönes Kunstwerk leben. Häßliche Dinge läßt man die anderen tun.

Sein liebster Umgang war ein verwachsener Zwerg namens Gabriellino, den er unterwegs auf der Reise wie eine vom Baum gefallene Nuß aufgelesen hatte.

Sie gab ihm manches zu knacken:

Eure Herrlichkeit sind wohl nach Perugia gezogen, um eine Grabstatt für Dero Herrn Vater ausfindig zu machen? Zum Begraben ist Perugia gar nicht so ungeeignet.

Der Jüngling runzelte die Stirn:

Wie meinst du das?

Nun, Perugia ist der bevorzugte Friedhof der Päpste. Innozenz III., Martin IV., Benedikt XI. liegen hier im Dom begraben. Die beiden ersten sogar Wange an Wange, d. h. Staub an Staub in der gleichen Urne. Ich habe mir schon oft gedacht, was das am Jüngsten Tag, wenn die Posaune ertönt, für ein Durcheinander geben wird. Die beiden werden sich in ihrem Staub miteinander nicht mehr auskennen. Vielleicht werden sie als Wunderpapst, ein Papst mit zwei Köpfen, auferstehen.

Cesare lachte:

Du hattest mir für den Abend ein hübsches Mädchen versprochen. Geh, hol sie mir!

Der Zwerg griente:

Ich werde Euch ein weibliches Wundergeschöpf vorstellen. Zwei wunderschöne Schwestern: zwei Leiber – und kein Hirn, zwei Seelen – und kein Gedanke. Euer erlauchter Bruder, der nicht umsonst den Namen Don Juan trägt, würde —

Schweig, unterbrach ihn zornglühend Cesare, schweig mir von meinem Bruder. Ich will nichts von ihm wissen.

Und ungelesen zerriß er einen Brief Juans, den er soeben erhalten hatte.

Der Zwerg watschelte davon.

XII

Zwischen Tiber, Pincio und dem Kapitol drängt sich in einem Tal Rom, die Ewige, die heilige Stadt.

Die Straßen sind eng, schmutzig, schlecht gepflastert. Bei Regenwetter versinkt man ohne hohe Stiefel im Morast.

An der Piazza Giudea liegen die Handelshäuser. Im Rione di Ponte domizilieren die Handelsherren und Bankiers. Im Rione di Tarione hausen Prälaten, Buchhändler, Literaten, Künstler, Kurtisanen.

Es gibt keine Nachtbeleuchtung. Zwischen dunstigen, ärmlichen Häusern steigen plötzlich üppige Paläste und stolze Kirchen empor.

Die Ruinen der Vergangenheit begegnen einem auf Schritt und Tritt.

Auf dem Forum weiden Gänse und Ziegen. Um die Trajanssäule haschen sich die Kinder. Fünfzigtausend Einwohner zählt Rom – den dritten Teil von Venedig.

Durch ein Seitentor verließ Rodrigo Borgia seinen zwischen Engelsbrücke und Campo di Fiore gelegenen Palast, völlig unkenntlich, nur ein paar Lumpen umgehängt, aber unter den Lumpen den Toledaner Dolch. Er strich durch das Viertel Ponte.

An Kirchentüren blieb er stehen und bettelte.

Wie war die allgemeine Volksstimmung – für oder wider den Papst Sixtus IV.?

Die Orsini waren für ihn.

Die Colonna und Savelli gegen ihn.

Hehe – und die Borgia?

Er drückte seinen zerrissenen Kalabreser Hut tiefer in die Stirn.

Hier in Ponte, auf dem Monte Giordano, herrschten die Orsini.

Rodrigo Borgia schlich um die Torre di Nona und den Monte Giordano, wo Adriana Orsini wohnte, wie der Kater um den heißen Brei.

Man müßte die Vanozza vor den Orsini schützen – aber auch vor den Margana, Falle, Savelli, Cesarini, Barberini.

Für sie hatte es nur Borgia zu geben, große und kleine. Sie selbst war dazu da, Borgia zu gebären. Denn es sollte ein Geschlecht erzeugt werden, fähig, Rom und alle Tore der Erde aus den Angeln zu heben. Außer ihm, Rodrigo Borgia, dem Ahnherrn der Borgia und Schöpfer einer neuen Welt, waren bereits durch ihre und Gottes Hilfe Juan, Cesare und Lucrezia Borgia in dieses Leben getreten, ausersehen, es bunt und prächtig zu gestalten und alle niederen menschlichen und tierischen Wesen zu regieren und zu leiten: mit Hochherzigkeit, Kühnheit, Klugheit, Schönheit, aber auch mit unerbittlicher Strenge und Härte bei unbotmäßiger Auflehnung.

Gegen Gott und Borgia darf niemand löken. Juan! Cesare! Lucrezia! Ihr werdet Borgias Bannerträger sein!

Für euch, für Borgias Ruhm habe ich allen meinen Reichtum gescharrt und gekratzt und gehäuft. Valencia und Karthago sind meine Bistümer und senden mir Tribut, und hundert Abteien Spaniens und Italiens. Warum habe ich das Amt eines Vizekanzlers usurpiert? Um euch jährlich zehntausend Goldgulden sammeln zu können.

Zehntausend Goldgulden, murmelte er vor sich hin und drehte bettelnd seinen Hut vor Santa Maria del Popolo.

Dann trat er in eine Osteria – in eine der Osterien, deren Pächterin noch von früher die Vanozza war.

Er trank einige Viertel Barberino und fing dann zu grölen an:

Die Vanozza ist eine Hure. Wovon lebt sie, he? Von der Hurerei mit diesem – und er spuckte dreimal aus – sogenannten Kardinal Rodrigo Borgia, einem, hol mich Gott, verdammten spanischen Intriganten. Es wird kein gutes Ende nehmen – mit ihr nicht und mit ihm nicht. Warum rennt ihm ihr hochachtbarer Gatte, Signor Giorgio di Croce, nicht ein kaltes Eisen zwischen die Rippen? Rodrigo Borgia zog unter den Lumpen seinen Dolch hervor und fuchtelte damit herum.

Wenn ich diesem – er spuckte wieder aus – Borgia einmal allein begegne, so werde ich ihm mit diesem Messerchen ein wenig die Gedärme kitzeln. Der Kerl soll an mich denken —

Von allen Seiten in der Schenke machte es: Psst! Psst! Psst!

Er schrie so laut, daß man‘s bis auf die Straße hörte.

Jeder soll es hören, schrie er, daß der Kardinal Rodrigo Borgia ein Lump und die Vanozza eine Kapitalshure ist. Jeder. Meint ihr, sie betrüge ihren hochachtbaren Gatten nur mit diesem Borgia? Weit gefehlt! Da haben wir einmal die spanischen Senores Juan Lopez, Marades und Taranza, die bei ihr verkehren – hihi, verkehren – Auch von den edlen Familien der Barberini, Cesarini, Orsini, Torcari dürfte mancher männliche Sproß schon Wurzeln in ihr geschlagen haben…

Jetzt ist‘s aber genug, du Lästermaul! schrie der riesige Wirt der Taverne. Du bringst mir noch meine hochangesehene Schenke mit deinem greulichen Gebrüll bei allen ehrenwerten Bürgern in Verruf. Was gehen mich die Vanozza und der Kardinal Borgia an? Hinaus!

Und er packte Rodrigo Borgia um die Hüften und warf ihn hinaus auf das Pflaster, wo er einige Sekunden wie tot liegenblieb, sich humpelnd erhob und erst hinter einigen Straßenecken in seinen gewöhnlichen schlendernden Gang fiel.

XIII

Rodrigo Borgia sitzt mit feistem, festem Arsch unter fünf Päpsten auf dem Stuhle des Vizekanzlers.

Er ist nicht herunterzukriegen.

Er hockt wie eine brütende Ente – er brütet die Zukunft der Borgia —, er sitzt und wartet.

Der Humanist Pius II. versucht, den Sultan Mohammed brieflich zum Christentume zu bekehren, und stirbt.

Hehe —

Der eitle Paul II. versteht wenig Latein, sammelt Münzen und Bilder, um hinter den Medici nicht zurückzustehen, und stirbt. Hihi —

Der jähzornige Sixtus IV. baut die Sixtinische Kapelle, führt Kriege, auch mit Florenz und den Medici, die unüberwindlich scheinen, und stirbt.

Oho!

Rodrigo Borgia beginnt aufzumerken. Sixtus ist ein Mann, der es mit der kirchlichen Seite des Papsttums nicht mehr sehr genau nimmt. Er drückt ihm ganz den Stempel des Politischen auf.

Mit scheinbar schläfrigen Augen sieht Rodrigo Borgia umher: nach Kardinalsgenossen, die ihm helfen könnten.

Er tut dem und jenem diesen und jenen ‚Gefallen‘: schenkt ihm eine Perle, einen persischen Teppich, eine Pfründe und verspricht ihm das Tausendfache.

Dieser Innozenz VIII., haha, lebt ja wohl nicht ewig! Ein erbärmliches, feiges Hündchen, aber er zeigt, wie man‘s machen muß. Er gibt Absolution und Pardon selbst bei Mord und Totschlag gegen entsprechende Taxen.

Er stirbt.

Rodrigo steht an seinem Sterbebett und fühlt seine Zeit gekommen.

Er drückt ihm die Augen zu.

Er richtet sich hoch auf, als er von dem Toten geht. Es scheint allen, als sei er plötzlich gewachsen. Seine Augen sprühen Feuer.

Das Konklave beginnt.

Rodrigo Borgia ist Spanier.

Die meisten italienischen Kardinale sind der Meinung, daß die Tiara einem Italiener gebühre. Sie sind gegen den ‚Ausländer‘.

Schon sind drei Skrutinien ohne positives Ergebnis vorübergegangen.

Zwischen Kardinal Costa und Kardinal Caraffa scheint die Entscheidung zu liegen. Es wurden Wetten auf sie abgeschlossen. Auch Borgia selbst ließ unterderhand hohe Wetten abschließen. Auf sich selbst.

Golden, aus schwarzem Hintergrund, trat plötzlich der Borgia hervor. Er geht von einem Kardinal zum andern und trägt auf seinen Händen alle Reichtümer der Welt, bereit, sie unter sie zu streuen. Er ist der große Verführer. Er führt sie auf die Hügel um Rom und zeigt ihnen Rom, zeigt ihnen Italien, zeigt ihnen die Welt. Du, Orsini, bekommst das Bistum Cartagena. Du, Colonna, die Abtei Subiaco. Savelli, mein Freund, dir gebührt Civita Castellana und das Bistum Maiorca. Das Bistum Pamplona, üppig wie sein Name, ist dir vorbehalten, Pallavicini. Riario, Sanseverino, ihr werdet alle zu dem Euren kommen! Du, Ascanio Sforza, du bist der Edelste, Einflußreichste, Würdigste, dich will ich überschütten mit Gold und Gnade – wenn erst die Tiara mein Haupt schmückt. Meinen eigenen Palast sollst du haben, mein ertragreiches und bequemes Amt des Vizekanzlers, das Bistum von Erleu, das dir 10.000 Golddukaten mindestens bringt – und viele andere Benefizien —

So ging der Borgia von einem zum andern und gewann vierzehn Stimmen.

Vierzehn Stimmen!

Er frohlockte! Nur eine einzige fehlt mir noch – und ich bin der Papst, der papa di Roma, ein Borgia der Stellvertreter Christi auf Erden, ein Borgia wird Gott!

Aber zu wem er nun noch ging – Piccolomini, Zeno, der junge Giovanni di Medici, den er fast liebte —, sie drehten ihm den Rücken.

Caraffa und Costa, bei Beginn des Konklaves die aussichtsreichsten Kandidaten, waren enttäuscht, daß die Tiara ihnen entschwebte, und wollten nichts von ihm wissen. Es blieb schließlich nur einer, der unschlüssig war, auf welche Seite er sich schlagen solle. Es war der fünfundneunzigjährige Kardinal Gherardo.

Rodrigo Borgia stand vor ihm und sah ihm in die gierig gespannten Habichtaugen, die aus einem Haufen zerknitterter Haut hervorsahen.

Der Mann ist alt, dachte Rodrigo Borgia, uralt. Er hat sein Schäfchen schon im trockenen. Was könnten ihm ein paar Pfründen und Benefizien noch nützen? Gar nichts. Es verlohnt nicht, sie ihm anzubieten. Er würde ihn auslachen. Ist er Kunstliebhaber? Ein hübsches Bild – eine Statue – . Er kam davon ab. Diesem alten, halbtoten Mann mußte man etwas Lebendiges versprechen. Das Leben selbst. Und wer war das Leben selbst? Wer anders als eine junge Frau, ein junges Mädchen. Eine Fleischblüte. Ein Nelkenmund. Zwei Schlingarme. Zwei Brustknospen. Ein moosiger Schoß. Der Kardinal Borgia zog den Kardinal Gherardo zu sich heran, er flüsterte ihm ins Ohr:

Wenn Ihr mir heute im Konklave Eure überaus wertvolle Stimme gebt, so wird morgen, kurz nach Mittag . . .

Die weiteren Worte verliefen sich im Ohr des Gherardo, und sie schwollen erst wieder hörbar an gegen Schluß des Satzes:

So wahr mir Gott helfe.

Die Habichtaugen des Greises funkelten den Borgia an.

Durch messerscharfe Lippen pfiff es wie ein Vogelpfiff:

Amen.

XIV

In der Frühe des 11. August 1492 sprang das Konklavefenster auf.

Rodrigo Borgia war als Alexander VI. zum Papst gewählt worden.

Alexander VI. verkündete sofort, daß er für Santa Maria del Popolo, die ihn beschirmt und geführt, einen neuen Altar und eine Orgel stifte.

Das Volk applaudierte. Er erteilte von der Benediktionsloggia urbi et orbi den feierlichen Segen:

 
Ich segne die Stadt,
Ich segne das Land,
Ich segne Italien,
Ich segne die Welt.
 

Um zwei Uhr, nach dem Mittagessen, draußen brütete die Augustsonne, drinnen im Palast hatte alles die Fensterläden heruntergelassen und schlief, ging Lucrezia Borgia, die Tochter des Papstes, durch die dunklen Gänge des Vatikans, durch die da und dort grüngoldene Lichter blitzten, in die Gemächer des Kardinals Gherardo. Sie ging ruhig, mit zarten, aber festen Schritten.

Vor der Tür zögerte sie nur einen Moment und trat dann ohne Anklopfen ein.

Der uralte Kardinal erhob sich aus seinem Lehnstuhl. Eine purpurne Röte schoß in seine Stirn, um sofort einer Totenblässe Platz zu machen.

Er hob mit Anstrengung nochmals die Augenlider, das Wunder von Mensch, das Wunder von Mädchen vor sich zu betrachten.

Sie hatte nur einen kleinen Brokatmantel umgeschlungen, der ihr kaum bis auf die Knie ging.

Sie öffnete ihn und stand nackt vor ihm. Da blühte sie, die schönste Blüte der Natur: die Blume Frau. Ein Nelkenmund. Zwei Brustknospen. Ein moosiger Schoß.

Er hob noch einmal die Arme.

Dann brachen ihm die Knie.

Er fiel in den Ledersessel zurück.

Der Kopf schlug hölzern auf die Tischkante.

Lucrezias Augen öffneten sich zuerst ein wenig erstaunt. Dann schloß sie den Mantel und trat auf den toten Kardinal zu. Sie schloß ihm mit leichter, fast zärtlicher Handbewegung die Augen.

Sie machte das Kreuz über ihn, nahm von den Näschereien, die in einer kleinen silbernen Schüssel, augenscheinlich für sie bestimmt, auf dem Tisch lagen, und ging mit zarten, aber festen Schritten, wie sie gekommen war.

Возрастное ограничение:
12+
Дата выхода на Литрес:
30 августа 2016
Объем:
140 стр. 1 иллюстрация
Правообладатель:
Public Domain

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