promo_banner

Реклама

Читать книгу: «Hat China schon gewonnen?», страница 6

Шрифт:

In den vergangenen Jahren wurden nicht-amerikanische Banken, die mit Ländern wie dem Iran, Kuba und dem Sudan Geschäfte gemacht hatten, sogar noch heftiger bestraft. BNP Paribas beispielsweise belegte man 2015 mit einem Bußgeld in Höhe von 8,9 Milliarden Dollar auf. Das hat dazu geführt, dass viele Länder, die in den US-Dollar vertraut hatten, die Währung nun als zweischneidiges Schwert betrachten, das jedem, der es führt, in die Finger schneidet. Das steigert natürlich den Anreiz, die Abhängigkeit vom US-Dollar zu verringern, was letztlich zu einem Einbruch bei der weltweiten Nachfrage nach dem US-Dollar führen kann. Das würde die Fähigkeit der Vereinigten Staaten lähmen, ihr Doppeldefizit zu finanzieren. Donald Trump hat mit seinen Forderungen nach einer Abwertung des Dollar einen weiteren Anreiz dafür erschaffen, sich vom Dollar abzunabeln. Frankreichs ehemaliger Staatspräsident Valéry Giscard d’Estaing sprach davon, dass die Amerikaner ein „exorbitantes Privileg“ genießen dürften. Trump weiß das nicht zu schätzen. Er bestraft die Länder, die Amerika dieses Privileg einräumen. Der Rest der Welt ist darüber aufrichtig verwundert und fragt sich, warum Amerika Schritte in die Wege leitet, die dieses Privileg auf lange Sicht gefährden könnten.

Dass Donald Trump für andere Länder einen starken Anreiz geschaffen hat, sich nicht länger auf den US-Dollar als dominante globale Leitwährung zu verlassen, ist das Gefährlichste, was er bislang getan hat. Als er sich aus dem Gemeinsamen umfassenden Aktionsplan (JCPOA) zurückzog, einem Abkommen von Amerika, Großbritannien, Frankreich, Deutschland, Russland, China und dem Iran, hat er die anderen Unterzeichnerländer gezwungen, alternative Methoden für einen Handel mit dem Iran zu suchen. An dieser Stelle ist es wichtig, auf einen zentralen Punkt des Völkerrechts hinzuweisen. Viele Amerikaner stehen hinter Trumps Auseinandersetzung mit dem Iran, weil sie es als ein Ringen zwischen Gut (Amerika) und Böse (Iran) ansehen. Mit seinem Ausscheren aus dem JCPOA ist es jedoch Amerika, das gegen internationale Gesetze verstößt.

Der Iran, die fünf ständigen Mitglieder im UN-Sicherheitsrat sowie Deutschland hatten sich am 14. Juli 2015 auf den Gemeinsamen umfassenden Aktionsplan verständigt, der am 20. Juli 2015 vom Sicherheitsrat in der Resolution 2231 gebilligt wurde.17 Bestätigt der Sicherheitsrat ein Abkommen, wird es zu einer bindenden Verpflichtung, an die sich alle Staaten zu halten haben. Als ständiges Mitglied im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen steht Amerika sogar mehr als andere Länder in der Pflicht, sich an die Regeln der UNO zu halten, denn es hat stets darauf bestanden, dass sich alle Länder an die verbindlichen Entscheidungen des Sicherheitsrats halten.

Die Regierung Trump hat sich nicht einfach nur vom JCPOA abgewandt, sie kündigte darüber hinaus an, jedes Land mit Sanktionen zu belegen, das auf der Grundlage dieser Vereinbarungen weiterhin Handel mit dem Iran betreibt. Der „legale“ Weg, den die Regierung Trump beschritt, um Länder für Geschäfte mit dem Iran zu bestrafen, bestand darin, dass man die Verwendung von US-Dollar bei diesen grenzüberschreitenden Geschäften sanktionierte.

Die anderen fünf Unterzeichnerstaaten des Iran-Abkommens standen damit vor einem rechtlichen Dilemma. Gemäß Völkerrecht war ihren Unternehmen Handel mit dem Iran erlaubt. Setzten sie zu diesem Zweck allerdings US-Dollar ein, drohten massive Bußgeldforderungen amerikanischer Gerichte. Als Ausweg aus diesem Dilemma riefen Frankreich, Deutschland und Großbritannien INSTEX („Instrument in Support of Trade Exchanges“) ins Leben, einen „neuen Kanal für nicht an Dollar gebundenen Handel mit dem Iran zur Vermeidung von amerikanischen Sanktionen“.18 In der Praxis sollte INSTEX sich kaum auf den Handel mit dem Iran auswirken. Für die meisten global aufgestellten Unternehmen ist Amerika als Handelspartner wichtiger als der Iran, deshalb würden sie es nicht wagen, es sich mit der Regierung Trump zu verderben, denn diese konnte hart gegen alle Firmen durchgreifen, die mit dem Iran Geschäfte machen.

Als Symbol dagegen stellt INSTEX einen Umbruch im internationalen System dar. Erstmals haben mit Frankreich, Deutschland und dem Vereinigten Königreich drei wichtige Verbündete Amerikas eine Alternative zum Bezahlsystem auf Grundlage des Dollars erschaffen. Das könnte zwei künftigen potenziellen Widersachern Amerikas (China und Russland) als Vorlage für einen alternativen globalen Bezahlkanal dienen, der den US-Dollar umgeht und dadurch dessen globale Bedeutung mindert. Ebenso wichtig ist die Ankündigung von Frankreich, Deutschland und Großbritannien, „INSTEX für Wirtschaftsakteure aus Drittländern zu öffnen“.19 Bei diesem Treffen waren auch Vertreter Chinas und Russlands anwesend. Kurzum: Es wurde ein kleiner Keil in eines von Amerikas strategisch wichtigsten globalen Werkzeugen getrieben, nämlich dem Status des US-Dollar als globale Leitwährung.

Noch beunruhigender für Amerika sind die einflussreichen Stimmen, die dazu aufrufen, den US-Dollar nicht länger als globale Leitwährung zu verwenden. Beim Jahrestreffen der amerikanischen Zentralbanker im August 2019 in Jackson Hole warf Mark Carney, damaliger Gouverneur der Bank of England, einen kritischen Blick auf die dominante Rolle des US-Dollar im internationalen Währungssystem. In seiner Rede erklärte er: „Der Dollar stellt bei mindestens der Hälfte der internationalen Handelsrechnungen (etwa fünfmal so groß wie der Anteil der USA an den globalen Importgütern und dreimal so groß wie der Anteil an den weltweiten Exporten) und bei zwei Dritteln der globalen Wertpapieremissionen und offiziellen Devisenreserven die bevorzugte Währung dar.“ Carney betonte, dass die Abhängigkeit vom Dollar „nicht von Dauer sein wird“20 und dass unbedingt ein internationales Währungssystem erschaffen werden muss, das „der vielfältigen, multipolaren Weltwirtschaft würdig ist, die im Entstehen begriffen ist“.21

Der ehemalige Chefökonom des IWF Maurice Obstfeld merkte an, dass andere Länder mit Blick auf Amerikas Kontrolle über das globale Währungssystem früher „weniger besorgt“ waren: „Damals wurden die USA als verantwortungsvoller Anführer der Weltwirtschaft angesehen.“ Der Status quo sei allerdings im Wandel begriffen, weil das Handeln von Amerikas Führung deutlich weniger verlässlich geworden sei.22

Sowohl Carney als auch Obstfeld äußern eine Meinung, die rund um den Globus mehr und mehr Zuspruch findet. Und dieses Gefühl ist absolut nachvollziehbar. Länder aus aller Welt sehen keinen Grund dafür, warum sich einseitige politische Maßnahmen Amerikas, bei denen der Dollar als Waffe eingesetzt wird, auf ihren Handel mit Drittländern auswirken sollte. Auch hier könnte Amerika, indem es den Dollar als Waffe einsetzt, langfristig seinen eigenen Interessen schaden. Der Wirtschaftshistoriker Barry Eichengreen schlug einen ähnlichen Ton an, als er warnte: „Je mehr die Regierung Trump den Dollar als Waffe verwendet, desto größer ist der Anreiz für andere Regierungen, in Alternativen zu investieren, und desto schneller wird diese Bewegung wachsen.“23

Vielleicht bleibt der kleine Keil, den INSTEX erschaffen hat, ohne Folgen und der Dollar regiert auch in den kommenden Jahrzehnten unangefochten. Man muss allerdings kein strategisches Genie sein, um zu erkennen, dass es nicht in Amerikas langfristigem Interesse sein kann, einen seiner größten strategischen Vorteile (den US-Dollar) zu gefährden, nur um einem vergleichsweise kleinen Land wie dem Iran kleine Zugeständnisse abzupressen. Der strategische Wettstreit mit China wird eine langfristige Angelegenheit werden, keine kurzfristige. Indem es das Vertrauen der restlichen Welt in den US-Dollar schmälert, packt sich Amerika einen Kieselstein in den eigenen Schuh und das gerade zu einem Zeitpunkt, an dem das Rennen gegen China demnächst intensiver werden wird. Derartige Dinge geschehen, wenn Amerika keine umfassende globale Strategie entwickelt, wie es auf das Wiedererstarken Chinas zu reagieren gedenkt. Fareed Zakaria merkt an: „INSTEX ist ein Warnsignal, der Kanarienvogel im Schacht. Die engsten Verbündeten der Vereinigten Staaten arbeiten hart daran, einen zentralen Eckpfeiler von Amerikas globaler Macht abzutragen.“24

Wenn es die Akzeptanz des US-Dollar als globale Leitwährung dem amerikanischen Volk erlaubt, über seine Verhältnisse zu leben, dann täten Amerikas politische Entscheider gut daran, zu bedenken, wie sich diese Abhängigkeit langfristig auswirkt. Ein kluger Entscheider würde versuchen, zwei gleichermaßen wichtige, aber kollidierende Wahrheiten ins Gleichgewicht zu bringen. Erstens: Kurzfristig ist die Stellung des US-Dollar als globale Leitwährung nicht bedroht. Zweitens: Mittel- bis langfristig wird der US-Dollar unvermeidlich seinen Status als dominante globale Leitwährung einbüßen. Diese kollidierenden Wahrheiten sind gleichermaßen gültig, was also sollte ein kluger amerikanischer politischer Entscheider tun? Anreize für andere Länder erschaffen, sich vom US-Dollar als globale Leitwährung abzuwenden und auf diese Weise das Ende dieser Rolle beschleunigen? Oder Anreize für andere Länder erschaffen, den US-Dollar so lange wie möglich zu verwenden, weil es diese Situation den Amerikanern ermöglicht, über ihre Verhältnisse zu leben?

Selbstverständlich ist letztere Antwort die richtige. Insofern überrascht es, dass alle jüngeren amerikanischen Regierungen dem Rest der Welt Anreiz um Anreiz liefern, sich vom US-Dollar abzuwenden, um nicht Gefahr zu laufen, von Amerika einseitig mit Sanktionen belegt zu werden. Es besteht keinerlei Gefahr, dass Chinas Renminbi den US-Dollar ablöst. Wie Eswar Prasad sagte:

Chinas rasch wachsende Wirtschaft und die Dynamik des Landes sind gewaltige Vorteile, die dazu beitragen werden, Werbung für die internationale Nutzung der chinesischen Währung zu machen, aber die schwache Entwicklung des heimischen Finanzmarkts ist ein großes Hemmnis, was die Wahrscheinlichkeit anbelangt, dass der Renminbi Leitwährung wird. Mehr noch: Solange eine offene Kapitalbilanz und eine Konvertierbarkeit der Währung fehlen, ist es unwahrscheinlich, dass der Renminbi eine prominente Leitwährung wird, geschweige denn, dass er den Status des Dollar als führende Leitwährung gefährden kann. Was die Verfügbarkeit von sicheren und liquiden Vermögenswerten wie beispielsweise Staatsanleihen angeht, klafft weiterhin eine gewaltige Lücke zwischen China und den USA. Die Tiefe, Breite und Liquidität der amerikanischen Finanzmärkte werden als wirksamer Puffer gegen Bedrohungen der Vorrangstellung des Dollar fungieren. Ich rechne damit, dass der Renminbi innerhalb des nächsten Jahrzehnts zu einer wettbewerbsfähigen Leitwährung werden wird und die Dominanz des Dollar untergräbt, aber nicht aufhebt.“25

Aber auch wenn der Renminbi den US-Dollar in naher Zukunft höchstwahrscheinlich nicht als globale Leitwährung ablöst, heißt das nicht, dass China nicht anderen Möglichkeiten nachgehen kann, die globale Abhängigkeit vom US-Dollar zu reduzieren. Es ist schwer vorstellbar, dass sich keine andere Alternative finden lassen sollte, würde eine Mehrheit der Weltbevölkerung das Vertrauen in den Dollar verlieren.

Mithilfe moderner Technologie lassen sich möglicherweise neue Alternativen erschaffen, die in der Vergangenheit nicht durchführbar waren. Ich möchte diesen Punkt durch ein – zugegebenermaßen spekulatives – Beispiel verdeutlichen. Nehmen wir an, es geht um den Handel zwischen China und Argentinien. Die Hauptaufgabe des US-Dollar besteht hier darin, den relativen Wert von argentinischem Rindfleisch im Vergleich zu chinesischen Mobiltelefonen zu liefern. Wenn also der Zweck des US-Dollar bei diesem Beispiel vor allem darin besteht, den relativen Wert dieser beiden Güter in einen Zusammenhang zu setzen, spricht nichts dagegen, eine alternative Einheit zur Messung von relativem Wert zu erschaffen. Und an diesem Punkt kommt die Technologie zum Tragen, insbesondere die Blockchain-Technologie.

Blockchain wurde dafür genutzt, alternative Kryptowährungen wie Bitcoin, Litecoin, Ethereum und Monero zu erschaffen. Im Juni 2019 kündigte Facebook an, seine eigene Kryptowährung (Libra) ins Leben zu rufen. Ich bin kein Blockchain-Experte, aber die dramatische Zunahme der Beliebtheit von Kryptowährungen und die Tatsache, dass große Konzerne wie Facebook in die Entwicklung von Währungen auf Blockchain-Grundlage investieren, spricht dafür, dass am Ende ein vernünftiger, praktischer und nicht anfälliger Weg zur Messung relativer Werte herauskommt. Bislang setzen noch keine Länder alternative Blockchain-Technologie für den Handel mit anderen Ländern ein, denn unter dem Strich vertrauen sie diesen Währungen nicht.

Und hier tun sich Möglichkeiten für China auf. Das Land könnte eine alternative, auf Blockchain-Technologie basierende Einheit zur Messung von relativem Wert ins Leben rufen. Länder, die China zutrauen, bei internationalen Themen als unparteiischer Schlichter agieren zu können, würden in ausreichender Menge ihr Vertrauen auch in dieses alternative Finanzvehikel setzen. Viele Amerikaner dürften Zweifel an einer derartigen Aussage anmelden, es gibt jedoch empirische Fakten, die dies belegen. Als China die „Belt & Road“-Initiative (BRI) ins Leben rief, war Amerika dagegen. Theoretisch hätten die meisten Länder also davor zurückscheuen sollen, sich an der BRI zu beteiligen. In der Praxis hingegen schlossen sich die meisten Länder an. Mit Stand November 2019 haben 137 Nationen mit China Vereinbarungen zur BRI getroffen.26 Das spricht ganz deutlich dafür, dass die meisten Länder auch einer neuen Blockchain-Währung vertrauen würden, wenn diese letztlich von China gestützt wird.

Als ich im Juli 2019 begann, den Abschnitt über Kryptowährungen zu schreiben, besaß ich keinerlei Kenntnis davon, ob China etwas in diesem Bereich plante und wenn ja, was. Aber wenn ich schon das Gefühl habe, dass China mehr in Sachen Blockchain-Technologie unternehmen könnte, dann sollte es niemanden überraschen, wenn auf chinesischer Seite jemand zu einem ähnlichen Schluss gelangt. Und tatsächlich erklärte am 11. August 2019 Mu Changchun, stellvertretender Direktor der Chinesischen Volksbank für den Bereich Zahlungsverkehr, auf einer Veranstaltung des China Finance 40 Forum – einer unabhängigen Denkfabrik, die auf Politikforschung zu Wirtschaft und Finanzen spezialisiert ist – in Yichun in der Provinz Heilongjiang, die Chinesische Volksbank stehe kurz davor, ihre eigene Kryptowährung auszugeben.27 Mit der Währung wolle die chinesische Zentralbank wie bei anderen digitalen Währungen auch den Bargeldumlauf verringern, so Mu, aber nicht nur das: Im Gegensatz zu anderen auf Blockchain-Technologie basierenden Währungen solle sie Pekings Kontrolle über sein Finanzsystem verbessern. Aus diesem Grund werde die Chinesische Volksbank die ausschließliche Kontrolle über das Kassenbuch (Ledger) haben.28

Wichtiger noch, was am 24. Oktober 2019 geschah: Da nämlich kündigte Chinas Präsident Xi Jinping an, für die chinesische Regierung werde die Entwicklung von Blockchain-Technologie fortan hohe Priorität haben. Bei einem Treffen mit der Parteispitze sagte Präsident Xi: „Die Anwendung von Blockchain-Technologie hat sich auf Branchen wie digitale Finanzgeschäfte, das Internet der Dinge, smarte Herstellung, Supply-Chain-Management und digitale Handelsgeschäfte ausgedehnt und die führenden Nationen der Welt verstärkten ihre Bemühungen, die Entwicklung von Blockchain-Technologie zu planen.“29 Im selben Monat verabschiedete China ein neues Kryptografie-Gesetz, das darauf abzielt, „die Entwicklung des Kryptografie-Geschäfts zu erleichtern und die Sicherheit von Cyberspace und Informationen zu gewährleisten“. Die Nachrichtenagentur Reuters berichtete, das Gesetz sei zu einem Zeitpunkt verabschiedet worden, an dem China „die Einführung seiner eigenen Digitalwährung vorantreibt“, und dass es im Gesetz heiße, der Staat „ermutige zu und unterstütze die Forschung an und die Anwendung von Wissenschaft und Technologie im Bereich der Kryptografie und er gewährleistet Vertraulichkeit“.30

Es muss nicht unbedingt dazu kommen, dass andere Länder ihre langfristigen Ersparnisse und Devisenreserven in dieser neuen Digitalwährung parken, die von China unterstützt wird. Sie würden ihr aber vertrauen, wenn es um den Handel mit Gütern und Dienstleistungen geht. Gelingt es China, eine alternative, auf Blockchain-Technologie basierende Währung zu erschaffen, könnte ein Land wie Indien, ein Freund Amerikas, für die Einfuhr iranischen Öls diese Blockchain-Technologie nutzen, ohne sich Sorgen wegen möglicher Sanktionierung durch Amerika machen zu müssen. Kurzum: Dass der Dollar zur Waffe gemacht wurde, hat global einen mächtigen Anreiz erschaffen, zum Zwecke des globalen Handels eine Alternativwährung zu erschaffen.

Die meisten politischen Entscheider in Amerika würde diese Entwicklung nicht beunruhigen. Was weltweit an globalem Handel in US-Dollar abgewickelt wird, ist schließlich nur ein winziger Bruchteil dessen, was weltweit an finanziellen Transaktionen in Dollar stattfindet. Das stimmt auch, dennoch täten die Amerikaner gut daran, beunruhigt zu reagieren, sollte China versuchen, eine derartige neue Blockchain-Währung zu entwickeln. Die meisten Amerikaner kennen das Spiel Jenga, bei dem es darum geht, Blöcke übereinanderzustapeln. Manchmal muss man dabei nur einen einzigen Block entfernen, schon fällt das gesamte komplexe Konstrukt in sich zusammen.

Die Rolle, die der US-Dollar bei der Finanzierung des Welthandels spielt, könnte sich durchaus als so ein zentraler Block erweisen, der dafür sorgt, dass die Welt abhängig vom US-Dollar ist. Fehlt dieser Block, könnte das komplexe internationale System, das auf dem US-Dollar basiert, in sich zusammenfallen, sei es rasch oder langsam. Drei Monate, nachdem ich Mitte 2019 diese Worte geschrieben hatte, erschien eine Kolumne von Niall Ferguson, dem Biografen Henry Kissingers. Ferguson weist darauf hin, dass „die digitalen Bezahlsysteme von Alibaba (Alipay) und Tencent (WeChat Pay) explosionsartig gewachsen sind. China baut sich, ein Schwellenland nach dem anderen, eine globale Bezahlinfrastruktur auf. Aktuell sind die unterschiedlichen Systeme eigenständige nationale Versionen des chinesischen Originals. Aber technisch spricht nichts dagegen, diese Systeme international zu verknüpfen. Tatsächlich wird Alipay bereits heute für grenzüberschreitende Überweisungen eingesetzt. Wenn Amerika dumm ist, lässt es diesen Prozess fortschreiten, bis irgendwann der Tag kommt, an dem die Chinesen ihre digitalen Plattformen zu einem globalen System verbinden. Das wird der D-Day: der Tag, an dem der Dollar als Nummer-1-Währung der Welt stirbt, und der Tag, an dem Amerika seine Superkraft verliert, mit finanziellen Sanktionen arbeiten zu können.“31 Mit seinen Worten macht Ferguson ganz deutlich, dass die globale Akzeptanz des US-Dollar als Leitwährung in der Tat Amerikas Achillesferse darstellt.

Sollte der Dollar seine Stellung als dominante globale Leitwährung einbüßen, wären die größten Opfer Amerikas Finanzinstitute, denn weite Teile ihrer Umsätze und Gewinne basieren darauf, dass der Dollar weltweit akzeptiert wird. Ehrlich gesagt kann niemand genau vorhersagen, was mit dem globalen Finanzsystem geschehen würde, sollte der Dollar nicht länger dafür genutzt werden, globale Handelsgeschäfte zu finanzieren. Für derartige Aussagen ist das System viel zu komplex und zu stark verflochten.

Wie ich in diesem Kapitel erklärt habe, zieht das amerikanische Volk gewaltigen finanziellen Nutzen aus der Rolle des Dollar als globale Leitwährung. Dazu gehört auch das „exorbitante Privileg“, sich langfristig Haushalts- und Leistungsbilanzdefizite leisten zu können. Trump erklärte am 2. Juli 2019, China besitze seit Jahren gegenüber Amerika einen „riesigen Vorteil“ im Handel.32 Damit liegt er völlig falsch. Die gewaltigen Handelsüberschüsse sind laut Trump der Beleg dafür, dass die Chinesen die Amerikaner nach Strich und Faden ausnehmen. Tatsächlich ist es genau andersherum: Die Amerikaner haben die Chinesen ausgenommen, denn sie haben chinesische Produkte mit bedrucktem Papier bezahlt. Können die Amerikaner nicht mehr nach Belieben Geld drucken, um damit chinesische Produkte zu bezahlen, ist es nur realistisch, anzunehmen, dass der Lebensstandard der Amerikaner sinken wird. Zudem werden weit über 90 Prozent aller globalen Finanztransaktionen in Dollar abgewickelt. Tag für Tag wird für Tausende Milliarden Dollar gehandelt. Ein Großteil der Gebühren für diese Transaktionen fließt an amerikanische Banken, was der Grund ist, dass Amerika bei Waren ein Handelsdefizit aufweist, bei Dienstleistungen jedoch ein Plus unter dem Strich steht.

Kein vernünftiger Stratege würde diese gewaltigen Vorteile für den dürftigen Vorteil aufs Spiel setzen, ein vergleichsweise kleines Land wie den Iran abstrafen zu können. Dennoch tut Amerika genau das. Dabei sollte es doch naheliegend sein, dass die unbekümmerte Nutzung des US-Dollar als Waffe perfekt illustriert, welche Gefahren es mit sich bringt, wenn Amerika für den Umgang mit dem Aufstieg Chinas keine langfristige und umfassende Strategie parat hat. Amerika opfert möglicherweise den gewaltigen allumfassenden Nutzen, den der Status des Dollar als globale Leitwährung mit sich bringt, um im Gegenzug den kümmerlichen Nutzen zu haben, beispielsweise den Iran bestrafen zu können. Natürlich verschafft das China langfristig einen offensichtlichen Wettbewerbsvorteil, denn Chinas Führung hat sich sehr diszipliniert und konzentriert an seine langfristige Strategie gehalten. Insofern ist es nicht unsinnig, die Frage zu stellen, die dieses Buch stellt: Hat China schon gewonnen?

Die grundlegende Frage, die in diesem Kapitel noch beantwortet werden muss, lautet: Wer ist verantwortlich dafür, dass es für den Umgang mit China keine umfassende langfristige Strategie gibt? Viele Amerikaner und insbesondere Demokraten, Unabhängige und Liberale würden nur zu gern Trump die Schuld dafür zuschieben. Tatsächlich hat Trump bei seinem Umgang mit dem Rest der Welt ein wildes und rücksichtsloses Verhalten an den Tag gelegt. Dass niemand eine langfristige Strategie entwickelt hat, hat jedoch mit einem tiefergehenden, strukturellen Fehler bei dem Blick der Amerikaner auf die Welt zu tun. Dieser Fehler betrifft das linke politische Spektrum genauso wie das rechte.

Seit mehr als einem Jahrhundert und insbesondere seit Ende des Kalten Kriegs vor 30 Jahren dominiert Amerika die Welt und kein amerikanischer Anführer hat seinem Volk folgende simple Frage gestellt: Muss Amerika auf die Veränderungen in der Welt strategische und strukturelle Anpassungen seiner Innen- und Außenpolitik vornehmen? Ich verfolge die amerikanische Politik aufmerksam und finde es auffällig, wie wenige Führungspersönlichkeiten vorgeschlagen haben, dass Amerika einen grundlegenden Neustart in seinem strategischen Denken vornehmen und darüber nachdenken sollte, ob nicht ein fundamentaler Richtungswechsel vonnöten ist.

Abbildung 1: Die Geschichte der Ökonomie (Gestaltung: Patti Issacs)

Dass im amerikanischen Diskurs eine derartige Frage überhaupt nicht auftaucht, ist insofern besonders auffällig, als es offenkundig ist, dass Amerika seine Ausrichtung grundlegend ändern muss. Die Geschichte hat ein neues Kapitel aufgeschlagen und wann immer das der Fall ist, müssen sich alle Länder anpassen und darauf einstellen. Tatsächlich haben die meisten Nationen damit bereits begonnen. Amerika ist die Ausnahme.

Was meine ich damit, dass die Geschichte ein neues Kapitel aufgeschlagen hat? Am besten lässt sich diese Frage beantworten, indem wir in einem längeren Zeitrahmen denken. Sehen wir uns Abbildung 1 an.

Vom Jahr 1 bis zum Jahr 1820 stellten China und Indien jeweils die größten Volkswirtschaften der Welt. Erst während der vergangenen 200 Jahre zogen zunächst Europa und anschließend Amerika an ihnen vorbei. Vor dem Hintergrund von 2.000 Jahren Weltgeschichte (der „großen Perspektive“) waren die 200 Jahre, in denen der Westen (inklusive Amerika) dominierte, eine größere Anomalie. Insofern ist es nur natürlich, dass China und Indien durch ihr Neuerstarken dieser Anomalie ein Ende bereiten. Überraschend, wenn nicht gar schockierend, ist, wie rasch China, Indien und der Rest Asiens wieder aufgestiegen sind. Das zeigt Abbildung 2.

Abbildung 2: Prozentualer Anteil am globalen BIP (Gestaltung: Patti Issacs)

Vergleicht man die Berechnungen, was den Anteil an der Weltwirtschaft 1980 anbelangt, mit den Zahlen von 2020, wird deutlich, auf welch dramatische Weise die Geschichte in den vergangenen Jahrzehnten ein neues Kapitel aufgeschlagen hat. In diesem Zeitraum hat sich Amerika geweigert, in irgendeiner Form strategisch oder strukturell auf diese umwälzende geschichtliche Entwicklung zu reagieren. Um es ganz offen zu sagen: Amerika ist weiter auf Autopilot geradeaus gefahren, während der Rest der Welt seinen Kurs korrigiert hat.

Künftige Historiker werden dieses Versäumnis möglicherweise mit einem historischen Präzedenzfall gleichsetzen – dem Versäumnis der Mandarine der Qing-Dynastie im China des 19. Jahrhunderts. Die Mandarine der Qing-Dynastie hatten nicht realisiert, was der Aufstieg des Westens bedeutete, dass nämlich China seinen Kurs ändern müsse. Doch das tat es nicht, was zur Folge hatte, dass China für etwa ein Jahrhundert ein großes Trauma durchlitt. Es war Asiens größter lebender Historiker, Professor Wang Gungwu, der mich darauf aufmerksam machte. Was ich über die Versäumnisse des Westens inklusive Amerika schreibe, sich durch strategische Neuausrichtung an die neue Welt anzupassen, erinnere ihn an die „selbstbewussten Mandarine der späten chinesischen Qing-Dynastie, die die Möglichkeit abtaten, dass eine neue Welt entstehen könnte, die ihr überlegenes System ins Wanken bringen könnte“, sagte er mir.

Das heutige Amerika steht viel stärker da als damals die Qing- Dynastie. Keine Großmacht würde es wagen, sich auf amerikanischem Boden so zu benehmen wie die westlichen Mächte im 19. Jahrhundert auf Chinas Grund und Boden. Amerika wird sich auch nicht von Kanonenbootdiplomatie erpressen lassen. Das bedeutet aber nicht, dass es keine anderen Schocks geben könnte, die sich langfristig als schmerzhaft erweisen. Einer der schwersten Fehler, den Großmächte im Verlauf der Geschichte gemacht haben, war der, sich für unverwundbar zu halten, insbesondere auf dem Höhepunkt ihrer Macht. Es steht außer Frage, dass viele strategische Denker in Amerika genau diese Haltung einnehmen, deshalb empfehlen (abgesehen von einigen wenigen Gelehrten wie Stephen Walt und John Mearsheimer) auch nur so wenige ein großes strategisches Umdenken.

Dass keine strategischen Anpassungen vorgenommen wurden, erklärt möglicherweise auch die strukturellen innenpolitischen Herausforderungen, vor denen Amerikas Gesellschaft steht. In den vergangenen 30 Jahren hat die Ungleichheit in Amerika explosionsartig zugenommen, wie Abbildung 3 zeigt. Während das Durchschnittseinkommen der unteren 50 Prozent stagnierte, ist das Durchschnittseinkommen des obersten einen Prozents astronomisch angestiegen.

Abbildung 3: Entwicklung des Durchschnittseinkommens in den Vereinigten Staaten von 1913 bis 201433 (Gestaltung: Patti Issacs)

Wo die Wurzeln für diese deutliche Zunahme der Ungleichheit liegen, ist unter Ökonomen weiterhin Gegenstand von Debatten. Die Gründe sind komplex, aber dass die Gehälter der unteren 50 Prozent stagnieren, muss auch teilweise mit dem Eintritt von Millionen billiger chinesischer Arbeitskräfte in das globale Wirtschaftssystem zu tun haben. Der große westliche Ökonom Joseph Schumpeter erklärte, dass all dies zu einer „schöpferischen Zerstörung“ geführt hat, zu der auch Einbußen bei der Wettbewerbsfähigkeit und Jobverluste in Amerika gehören. Nachdem sie China ermutigte, 2001 der Welthandelsorganisation beizutreten, hätte sich Amerikas Führung gründlich darauf vorbereiten sollen, welche strukturellen Folgen dieses Ereignis für die amerikanische Wirtschaft und die amerikanische Gesellschaft haben würde. Leider schlug das kein Anführer vor. Amerikas Arbeiter mussten auf sich gestellt lernen, mit diesem strukturellen Schock umzugehen.

Viele europäische Nationen geben zwischen einem und drei Prozent des BIP für die Fort- und Weiterbildung ihrer Arbeitskräfte aus. In Amerika sind es 0,24 Prozent.34 Es wurde versäumt, sich anständig um Amerikas Arbeitskräfte zu kümmern, und das löste unvermeidlich eine populistische Gegenbewegung aus, die letztlich zur Wahl Donald Trumps führte. Wann immer die Welt sich in großem Stil ändert und man keine strategischen Anpassungen vornimmt, sind negative Folgen unvermeidbar.35

Kann Amerika eine Kehrtwende vollziehen und sich mithilfe strategischer Anpassungen auf diesen neuen Abschnitt der Geschichte einstellen? In der Theorie sollten demokratische Regierungen flexibler und anpassungsfähiger sein als starre und verknöcherte kommunistische Regierungen, wie man sie früher in der Sowjetunion und heute in China findet. Manchmal jedoch ist die Praxis das genaue Gegenteil der Theorie. In einigen Bereichen ist Amerikas Gesellschaft genauso starr und verknöchert geworden wie China zu Zeiten der Qing- Dynastie.

Wollen die Amerikaner wirksam auf die langfristigen Herausforderungen eingehen, vor die China sie stellt, müssen sie sich zunächst einige simple Fragen stellen: Welche tief sitzenden Grundannahmen sehen die Amerikaner in Bezug auf die Welt als selbstverständlich an? Welche dieser Grundannahmen haben in der neuen Welt weiterhin Bestand, welche müssen hinterfragt werden? Es ist niemals einfach oder angenehm, solche Grundannahmen in Zweifel zu ziehen, aber es wäre unklug von den Amerikanern, zu ignorieren, was in der Welt vor sich geht, und sich in ihrer Komfortzone zu verstecken. Die künftige Welt wird sie früher oder später zwingen, ihre Komfortzone zu verlassen, daran führt kein Weg vorbei. Nachfolgend führe ich einige tief verwurzelte Grundannahmen Amerikas an, die es verdienen, hinterfragt zu werden.

Бесплатный фрагмент закончился.

2 203,49 ₽
Возрастное ограничение:
0+
Объем:
449 стр. 33 иллюстрации
ISBN:
9783864707742
Переводчик:
Издатель:
Правообладатель:
Bookwire
Формат скачивания:
epub, fb2, fb3, ios.epub, mobi, pdf, txt, zip

С этой книгой читают

Птицеед
Хит продаж
Черновик
4,5
11